Von Reklamationen und Forderungen


Ich verstehe sehr gut, wenn die Leute gestresst sind. Wir sind so ziemlich alle gestresst in diesen Zeiten. Schubweise kommt es zu Phasen, an denen wir in der Apotheke wirklich am Limit arbeiten – vermehrtes Patientenaufkommen und gleichzeitig internen Ausfällen geschuldet. Wir versuchen unsere Motivation und Empathie zu erhalten … die Patienten kommen ja nicht zu uns, weil es so Spass macht. Aber in den letzten Monaten haben wir gefühlt immens mehr ungeduldige und vor allem fordernde Patienten und Kunden.

Als Leiterin der Apotheke habe ich allein in dem Monat folgende Reklamationen bekommen:

  1. Mir wurde die Beratung aufgedrängt!
  2. Ich musste ewig warten, bis jemand kam!
  3. Mein Medikament ist nicht an Lager, wenn ich das einmal im Monat abholen will!

Das hört sich übel an, wenn man das so liest, oder? Ganz schlechte Apotheke? Unpassende Mitarbeiter?
Gut, dass ich dazu etwas mehr Hintergrund kenne.

Fall 1 mit der aufgedrängten Beratung war eine Frau, die bei uns in der Apotheke Nelkenöl kaufen wollte. Meine Kollegin hat sie gefragt, für was sie das Öl braucht und was für Beschwerden bestehen. Nelkenöl gibt es als ätherisches Öl frei zu kaufen – ihr kennt diese kleinen Flaschen für die Aromatherapie von anderen ätherischen Ölen. Das „Problem“ beim Nelkenöl ist einfach, dass es praktisch nie zur Aromatherapie genutzt wird. Und die Anwendungen für die es als altes Hausmittel angepriesen wird (es wirkt lokal entzündungshemmend, etwas betäubend, oder auch verdauungsfördernd) wie Entzündungen in der Mundhöhle, Zahnschmerzen, Insektenstiche – macht es eigentlich zum Arzneimittel. Die kleinen Fläschchen für die Aromatherapie haben keine Arzneimittelzulassung … und sind qualitativ auch oft nicht so hochwertig, dass man da wirklich empfehlen könnte, das praktisch einzunehmen. Es kann ausserdem Nebenwirkungen haben: unverdünnt wirkt es Hautreizend und kann das Gewebe kaputt machen und es ist genverändernd, hat also Auswirkungen, wenn man schwanger ist (wehenauslösend wäre es ausserdem auch noch). Wir fragen also korrekterweise nach, für was es gebraucht wird, schauen, ob es dafür anwendbar ist (oder empfehlen Alternativen), ausserdem können wir Hinweise geben zur Anwendung. Meine Kollegin kam gar nicht so weit, weil die Kundin ihr gleich nach der ersten Frage ins Gesicht explodiert ist und rausgestürmt ist, nur um ein paar Minuten später anzurufen und „die Betriebsleitung“ verlangte.

Fall 2 mit der ewigen Wartezeit war eine Frau, die ein Rezept gebracht hat, bei dem wir bei dem neu verschriebenen Medikament eine Wechselwirkung festgestellt haben mit einem bereits genommenen Dauer-Medikament. Wir mussten den Arzt rasch anrufen, um eine mögliche Alternative bestätigen zu lassen. Sie hat sich prustend auf den Stuhl gesetzt, den wir für Patienten, die etwas warten müssen, bereit haben – und ist nach 6 Minuten aufgestanden und aus der Apotheke gelaufen, weil sie nicht mehr warten wollte. Sie ist dann später am Tag zurückgekommen und wollte mit „dem Chef“ sprechen.

Fall 3 – der Kunde mit dem Medikament, das bestellt werden musste. „Sein“ Medikament, das er wirklich ziemlich regelmässig einmal im Monat holen kommt ist ein rezeptpflichtiges Lifestyle-Medi (will sagen: nicht lebenswichtig), das aktuell gelegentlich Lieferprobleme hat. Wir haben das Medikament eigentlich sogar an Lager – nur für ihn, sonst brauchen wir das nicht. Aber das Mittel war jetzt in den letzten Monaten nicht lieferbar, weshalb wir einen Ersatz organisieren mussten. Einmal von einer anderen Apotheke, dieses Mal ein anderes Generikum (von denen haben auch manche Lieferschwierigkeiten). Jetzt will der Mann „weil es immer Probleme damit gibt“, „die verantwortlichen Person“ sprechen.

Reklamationen sind nicht grundsätzlich schlecht. Sie bieten die Möglichkeit etwas zu lernen, Probleme zu erkennen und sich zu verbessern, den Kunden zu behalten oder neu zu gewinnen. Ich habe ja diverse Kurse gemacht, die zeigen, wie es geht. Ich höre also ruhig zu und biete kein „Aber“. Ich Entschuldige mich, erkläre den Sachverhalt und zeige Lösungsansätze.

Das ist das Ergebnis / was ich von den Patienten oben darauf zu hören bekommen habe:

  1. Wenn ich bei ihnen nicht einfach ausgehändigt bekomme, was ich will, dann kaufe ich es mir halt online!
  2. Wenn sie mir nicht garantieren können, dass ich nie mehr warten muss, wechsle ich die Apotheke!
  3. Wenn sie nicht dafür sorgen, dass mein Mittel gegen Haarausfall immer schon da ist, wenn ich es möchte, komme ich nie mehr!

Es war eine gewisse Überraschung spürbar, als ich diesen drei gesagt habe, dass die Forderungen nicht durchsetzbar sind und ich ihnen viel Glück wünschte damit in der nächsten Apotheke. Vielleicht nicht ganz „Vorlagenmässig“ meine Reaktion, aber ich habe sie auch erklärt:

  1. Wir sind eine Apoheke, als solche habe ich zumindest die Pflicht auch bei freiverkäuflichen Arzneimitteln eine Beratung anzubieten. Wenn sie das nicht wünschen, okay, aber andere sind darum ganz froh, wenn sie von professioneller Seite Tipps und Hilfe bekommen.
  2. Ich kann schauen, dass alle Kunden und Patienten möglichst rasch bedient werden. Das ist allerdings abhängig vom Kundenaufkommen und der Anzahl Mitarbeiter, die in dem Moment arbeiten. Wenn ich etwas von einem anderen Dienstleister im Gesundheitswesen nachfragen muss, dann bin ich abhängig von dessen Reaktion. Wir geben grundsätzlich unser Bestes. Ich kann einer einzelnen Person keinen VIP-Service garantieren.
    Weil diese Kundin sich schon ein paar Mal so aufgeführt hat (und noch diverses weiteres vorgefallen ist), habe ich das als Steilvorlage genommen, sie zu fragen, an welche Apotheke ich ihre Rezepte denn weiterleiten darf.
  3. Ich bin gerne weiter bereit, ihr eines Medikament an Lager zu halten. Was ich in ihrem Fall nicht tun werde (und sie verlangen) ist, da rund um die Uhr ein Auge darauf zu halten, ob es hier und lieferbar ist – und wenn nicht, zusätzlich ein Generikum an Lager zu nehmen. Aber sie könnten einfach einen halben Tag, bevor sie es wieder brauchen / holen wollen, rasch bei uns anrufen und wir schauen, ob es da ist, oder was für Ersatz wir bekommen können.

Interessanterweise habe ich alle drei Kunden wieder gesehen. Die erste hat gelernt, dass sie einfach sagen kann, wenn sie nicht mehr Info braucht. Die zweite kommt (leider) immer noch, aber nicht mehr mit Rezepten – dafür habe ich Mitarbeiter der anderen Apotheke gehört, dass sie auch am liebsten als Patientin „spicken“ würden. Und beim dritten haben wir inzwischen ein Generikum, das besser lieferbar ist an Lager und auch er kommt weiterhin.

Falsche Ideen um die Apotheke

In den 25 Jahren, die ich jetzt in der Apotheke bin, sind mir einige falsche Vorstellungen der Leute aufgefallen. Einerseits vielleicht kein Wunder, haben die meisten Leute doch nicht täglich Kontakt mit der Apotheke und kennen sich nicht aus. Andererseits … waren die meisten doch mindestens einmal im Leben in einer Apotheke, weil sie Medikamente haben mussten oder wissen zumindest, dass man die in der Apotheke holt. Mit Rezept vom Arzt oder manchmal ohne.
In den Köpfen vieler Menschen scheinen sich allerdings (bedenklich) viele falsche Ideen um die Apotheke festgesetzt zu haben:

  • Eine Apotheke ist eine Goldgrube (und die Apotheker deshalb reich, vor allem der Inhaber).
    Das war vielleicht mal so. Heute ist das Einkommen stark geschrumpft … Margenkürzungen, Preissenkungen, die Preise der rezeptpflichtigen Medikamente sind staatlich geregelt, steigende Nebenkosten, vorgeschriebene Einrichtung und Ausrüstung der Apotheke und im Falle von Deutschland noch Rückforderungen durch die Kassen. Sehr viele Apotheken rangieren heute am Rand der wirtschaftlichkeit.
  • Der Chef ist grundsätzlich männlich (und älter).
    Das war mal so – allerdings ist der Beruf Apotheker*in heute zu 90% weiblich – eigentlich schon zur Zeit meiner Ausbildung vor 25 Jahren. Die Chefen sterben aus und werden ersetzt durch Chefinnen. Sofern sich ein Nachfolger finden lässt: siehe oben und „Goldgrube“.
  • Ein Rezept ist ein Gutschein um etwas gratis zu bekommen.
    Ich sags mal so: irgendjemand bezahlt immer, gratis ist eigentlich nie etwas. Im Gesundheitssystem bekommt man auf Rezept ein Medikament – und die Rechnung geht an die Krankenkasse. Für die bezahlt man Prämien … und bis zum erreichen der Franchise schicken die auch dann die Rechnung an die Patienten. Aber was stimmt: man muss das Medikament oft nicht in der Apotheke bezahlen.
  • Die Ausbildung zur Apothekerin ist eine Lehre.
    Um Apotheker/ Pharmazeut zu werden, muss man studieren. Andere Berufe, die in der Apotheke arbeiten sind eine Lehre: Pharmaassistent*in (neue Bezeichnung Fachfrau Apotheke). Bei uns lernen auch Drogist*innen.
  • Alle die in der Apotheke arbeiten sind Apotheker oder Pharmaassistenten.
    Nein, wir haben zum Beispiel auch Drogisten und Lehrlinge in der Drogerie und der Apotheke sowie Pharmaziestudenten, die das Praktikumsjahr machen und seit neuerem auch Hilfskräfte für Lieferungen / Dosette.
  • Ihr seid ja nur Verkäuferinnen, kann ja jeder.
    Siehe oben. Die meisten von uns haben eine mehrjährige Ausbildung im medizinischen Bereich und selbst der jüngste Lehrling an der Kasse hat die im Hintergrund sofort erreichbare medizinische Fachperson.
  • Wenn ich für etwas ein Rezept habe, dann muss man mir das geben.
    In Deutschland gibt es so etwas wie eine Versorgungspflicht, aber auch die Apotheken dort sind Vorschriften und Gesetzen unterworfen, wie das geht. In der Schweiz sind Apotheken faktisch spezialisierte Detailhändler und ich bin nicht gezwungen, etwas abzugeben. Ausser den spezifischen Gesetzen zur Abgabe (manches braucht speziell ausgestellte Rezepte) steht da noch, dass ich Missbrauch entgegenzutreten habe, und bei schweren medizinischen Bedenken darf ich eine Abgabe ebenfalls verweigern.
  • Die Apotheke muss mir genau das geben, was der Arzt aufgeschrieben hat.
    Papier ist bekanntlich geduldig und eigentlich darf der Arzt alles auf das Rezept schreiben, was er will. Aber das bedeutet nicht, dass man dann genau das auch bekommt. Hier geht es aber nicht um eventuell verschriebene Schokolade, sondern um Generika. Viele Ärzte verschreiben (immer noch) das Originalmedikament, obwohl es inzwischen Generika gibt. Die Apotheke kann (oder im Falle von Deutschland muss) das ersetzen durch das Generikum. Das ist immer noch, was der Arzt aufgeschrieben hat in Bezug auf Wirkstoff, Dosierung und Tablettenmenge – halt nicht mehr genau vom Namen her.
  • Die Krankenkasse bezahlt alles, was auf dem Rezept steht.
    Leider nein. Wie schon geschrieben, *kann* der Arzt aufschreiben, fast was er will, aber was die Krankenkasse davon übernimmt, ist gesetzlich festgelegt. In der Schweiz passiert das Anhand von sogenannten Listen. Was auf der Spezialitätenliste oder der Mittel-Gegenstandsliste steht oder nach der Arzneimittelliste hergestellt wird, wird von der Grundversicherung übernommen. Wenn jemand eine Zusatzversicherung hat, zahlt die Krankenkasse an weiteren Produkten etwas dazu. Aber „alles“ zahlt sie definitiv nicht.
  • Auf Dauerrezept kann ich so viel beziehen, wie ich mag.
    Auch Wiederholungsrezepte haben Mengeneinschränkungen. Der Arzt legt fest, wie oft das Medikament widerholt werden kann, entweder indem er das aufschreibt (Anzahl Packungen), oder indem er die Dauer der Rezeptes und die Dosierung festlegt. Manche Medikamente haben Limitationen, wo die Krankenkasse nur eine bestimmte Menge bezahlt und andere Medikamente unterstehen genauerer Kontrolle wegen Missbrauchsgefahr (Benzodiazepine unterstehen dem Betäubungsmittelgesetz). Und auch die Krankenkassen bezahlen nicht einfach jede Menge.
  • Die Apotheke kann mir alle Medikamente ohne Rezept abgeben, wenn ich sie selber bezahle.
    Das würde ins Bild des legalen Drogendealers passen, oder? Aber Nein. Medikamente werden nicht nur nach „die Kasse bezahlt es (oder nicht)“ eingeteilt, sondern auch in Kategorien wie: freiverkäuflich, apothekenpflichtig, rezeptpflichtig. Und bei den rezeptpflichtigen Sachen gibt es sogar noch Vorschriften, dass manches auf speziellen Rezepten verordnet werden muss: die Betäubungsmittel.
  • alle Apotheken gehören zusammen. (Oft gehört im Zusammenhang mit anderswo eingelösten Rezepten oder Retouren)
    Das stimmt nicht. Obwohl es Apotheken mit demselben Besitzer gibt (Kettenapotheken), können auch die nicht in den Patientenstamm oder die Unterlagen der anderen Apotheken schauen. Davor steht der Datenschutz und im Falle der Apotheken auch noch das Patientengeheimnis, da medizinische Daten als besonders schützenswert gelten. Das Maximum, was ich als Kettenapotheke sehe ist, ob eine andere Kettenapotheke ein Medikament an Lager hat. Das ist alles.
  • Wenn Sachen nicht lieferbar sind, hat die Apotheke sich nur nicht genug Mühe gegeben
    Ich wünschte, das wäre so. Früher gab es das ja kaum, aber inzwischen sind manche Sachen einfach nicht mehr zu bekommen. Trotz mehrer Grossisten, trotz der Anfrage bei dutzenden anderen Apotheken, trotz Versuch, das beim Hersteller direkt zu bekommen oder aus dem Ausland zu importieren. Gar nichts geht mehr. Da hilft leider auch kein Diskutieren – wir wünschten auch, das wäre anders (und warnen eigentlich schon länger vor Problemen).
  • Die Herstellung können sie sicher machen, während ich warte.
    Eine Rezeptur (Herstellung in der Apotheke auf Arztrezept) braucht fachtechnisches Wissen, das Material und die nötige Zeit um sie herzustellen. Das ist Handarbeit um aus Rohmaterialien ein gebrauchsfertiges Medikament herzustellen. Es ist ein bisschen wie Kochen – nur mit mehr Präzision (und viel mehr Dokumentation). Also: nein. Das dauert etwas länger als die halbe Stunde, die sie maximal bereit sind zu warten.
  • Die Apotheke macht die Preise der Medikamente.
    Nur von den frei verkäuflichen Sachen (und dort ist es so, dass wir uns an den Einkaufspreisen orientieren). Bei den rezeptpflichtigen Medikamenten ist es so, dass die Preise vorgeschrieben werden.
  • Von den Hochpreisern landet die Hälfte in der Apotheke
    Tatsächlich sind die wahren Hochpreiser ein Verlustgeschäft: Hohe Handlingskosten. Man muss den Preis beim Einkauf vorschiessen, bis das (hoffentlich) irgendwann von der Krankenkasse zurückbezahlt wird. Dazu haben die praktisch keine Marge – Wenn das ein Patient auch noch per Kreditkarte zahlt, legt man da drauf.
  • Sämtliche Ware ist nur auf Kommission.
    Nein. WIr bekommen keinerlei Ware kostenlos vom Lieferanten, bekommen eine Provision für das verkaufte und können nicht verkauftes zurück geben. Nicht nur zahlen wir für alles, das wir einkaufen, wir können fast nicht mehr retournieren, egal aus welchem Grund. Kühlware und Besorgungsartikel nicht einmal mehr am nächsten Tag. Dann hat alles Verfalldaten und es gibt neue Medikamente, neue Generika neue Empfehlungen … die Lagerhaltung einer Apotheke ist eine komplexe Sache.
  • Die Apothekenzeitschrift bekommt die Apotheke gratis, genau wie die Säcke und Muster.
    Nein, Zeitschriften und Kalender und Säcke müssen eingekauft werden und kosten uns etwas. Muster bekommt man noch gelegentlich vom Hersteller – aber auch immer weniger.
  • Medikamente kann ich in die Apotheke zurückbringen und bekomme das Geld dafür zurück, wenn sie noch gut aussehen und nicht mehr gebraucht werden / oder ich dagegen allergisch werde / oder es nicht wie gewünscht wirkt.
    Auf Medikamente gibt es keine Garantien. Es gibt vor der Zulassung Studien zur Wirksamkeit und den Nebenwirkungen, aber das bedeutet leider nicht, dass man zwingend darauf anspricht – und Allergien können immer auftreten. Eine Rückmeldung entsprechend in die Apotheke macht Sinn, aber man kann das Medikament nicht zurückerstattet bekommen. Und falls eine Rückgabe wegen Nichtgabrauch gemacht werden soll: ich nehme das zum entsorgen zurück, aber ich kann das auch nicht mehr jemandem anderen verkaufen. Also: kein Geld zurück (Sorry).

    Was meint ihr? Habt ihr noch andere falsche Vorstellungen mitbekommen, die ich vergessen habe? Bringt sie doch in den Kommentaren. Oder schreibt, was die Leute für falsche Ideen über euren Beruf haben. Das lese ich auch immer gerne.

Ungeschriebene Regeln in der Apotheke

Sag nie, es ist ruhig heute. Auch nicht, wenn du nur noch 30 Minuten arbeiten musst.

Nach „Ich habe die Packungsbeilage gelesen“ kam noch nie etwas Gutes.

Dito nach „im Internet steht aber …“

Auf „Ich hab da diese Werbung vor der Tagesschau / in der Illustrierten gesehen“ … folgen oft langwierige Erläuterungen durch die Fachperson.

Fälle / Diagnosen / Dinge überhaupt kommen in Dreier-Packungen.

Der Vollmond hat einen Einfluss auf die Psyche der Leute (mir egal, was Studien sagen)

Komplizierte Fälle kommen gerne vor dem Wochenende (oder den Ferien).

Der Arzt hat immer überraschend Ferien.

Wenn du über einen Patienten* redest (mit einer Mitarbeiterin) ruft ihn das zurück in die Apotheke.

Schokolade und andere kleine Geschenke an die Mitarbeiter tun auch in der Apotheke Wunder.

Für den Notdienst: ein Patient verhindert nicht den nächsten. (Denke nicht um 3 Uhr, es ist jetzt vorbei).

Vertraue den Patienten und Ärzten. Kontrolliere trotzdem nach.

Frag bei der Angabe von Penicillin-Allergie immer nach, was genau passiert ist. (Nur Durchfall nach Antibiotikum ist keine Allergie)

Dokumentiere alles. (Mach Kommentare bei der Abgabe von Medikamenten auf Rezept, wenn etwas aufgefallen ist / interventiert wurde …).

Behandle bekannte Leute oder Verwandte oder Freunde nicht anders als die anderen Patienten in der Apotheke. Halte dich an die geltenden Regeln und erkläre alles, was du tust.

Nach „Sie müssen mir helfen, sonst …(sterbe ich)!“ folgt oft eine Aufforderung Gesetze zu überschreiten. (Gilt vor allem für D, wo die Abgabe rezeptpflichtiger Medikamente ohne Rezept strikt untersagt ist).

Die einzig richtige Antwort auf „woanders bekomme ich das aber (günstiger)“ lautet: „Dann gehen sie doch bitte da hin.“

Sonnenbrillen in Innenräumen sind häufig Anzeichen von „interessanten“ Persönlichkeiten.

Die Menschen sind erstaunlich widerstandsfähig und resilient. Auch für Behandlungsfehler oder versehentliche Überdosierungen. Vermeide das trotzdem.

Anrufe ins Krankenhaus dauern immer länger.

Bei vielen „nicht mehr funktionierenden“ Geräten (Blutzucker, Blutdruck, Pens, aber auch Nasensprays) – handelt es sich um Bedienungsfehler.

Beim Impfen gelernt: Leute mit vielen Tattoos haben häufiger Angst vor Nadeln.

Wenn jemand selbst sagt, er habe eine hohe Schmerzschwelle stimmt das häufiger nicht. Aber wenn das ein Verwandter über jemanden sagt, stimmt es.

Wenn ein Patient sehr häufig die Apotheke wechselt und sich über jede vorherige beklagt, sollte er vielleicht daran denken, dass der wirklich gemeinsame Faktor er selber ist.

Wenn ein Patient dir erzählt, dass er wegen einem Problem schon bei so vielen Ärzten/ Apotheken gewesen ist und alles ausprobiert hat, aber du bist „die beste“ … dann hast du jetzt ein Problem.

Dem entfernten Verwandten oder Nachbar, die irgendetwas im medizinischen Sektor macht, wird mehr geglaubt als der Apothekerin oder Pharmaassistentin.

Wenn jemand sagt „ich kenne mich mit dem Medikament aus, ich arbeite in der Pflege“, stimmt das leider häufig nicht. (Also das mit dem Auskennen).

Bei einem Patientenpaar kennt sich oft die Frau sehr gut aus über die vom Mann genommenen Medikamente (und er hat keine Ahnung).

Nichts ist so überbewertet wie schlechter Sex und so unterbewertet wie ein guter Stuhlgang.

Sag niemals „nie“, sag niemals „immer“ und diskutiere keine Politik mit den Patienten.

* Immer mitgemeint: Patientin

Hab ich was vergessen?

Die Impfung ist da! (Ein Weihnachtsgeschenk)

Gestern, Samstag die kleine Sensation – und ein Hoffnungsschimmer in dieser wirklich düsteren Zeit: Die Schweiz hat den Covid-Impfstoff zugelassen. Und zwar – im Gegensatz zu anderen Ländern – NICHT als Notfallzulassung, sondern nach dem geregelten üblichen Verfahren. Damit sind wir weltweit die ersten. Es ist ein Impfstoff (der von Pfizer/Biontech) von mehreren, die aktuell in der letzten Studien-Phase sind und es ging deshalb so schnell, weil es ein „rollendes“ Verfahren war: die Pharmafirma lieferte laufend alle verfügbaren Daten, die sie zum Impfstoff hatten. Da auch die letzte Phase mit über 40’000 Teilnehmern und auch erste Erfahrungen in anderen Ländern (mit inzwischen über 100’000 geimpften) saubere und gute Ergebnisse lieferte, wurde der Impfstoff durch die swissmedic und das BAG zugelassen.

Das wissen wir:

Es braucht 2 Impfungen im Abstand von (mindestens) 3 Wochen. 1 Woche nach der 2. Impfung besteht ein über 90% Impfschutz gegen das neue Coronavirus. (Das ist phantastisch gut – besser als man sich das hätte vorstellen können. Ausserdem nicht mal ein Jahr nach Beginn der Pandemie. Da wurde wahnsinnig geforscht weltweit und man konnte auf bereits bekannte Forschung und Erkenntnisse mit RNA-Impfstoffen aufbauen.)

Der Impfschutz besteht ausdrücklich auch für die älteren Personen und solche mit (kontrollierten) Vorerkrankungen.
(Die Studien hat man diesmal auch mit nicht-gesunden und älteren Personen gemacht!)

Die Nebenwirkungen entsprechen etwa denen von anderen Impfungen, hauptsächlich lokale Reaktionen am Einstichort (Schmerzen, Rötung), vielleicht 1-2 Tage generalisierte Beschwerden wie Krankheitsgefühl, Gliederschmerzen, Fieber etc, vor allem nach der 2. Impfung.
(Sie sagen, es kann etwas heftiger sein als bei zum Beispiel der Grippeimpfung, die sie mit einem „Mückenstich“ vergleichen. Etwa wie ein „Bienenstich“.)

Die Impfung ist nicht zugelassen für Schwangere und unter 16 Jährige, da hier die Datenlage zu dünn ist. Ausserdem gehören die jüngeren nicht zu den durch Covid gefährdeten Personen.

Jetzt geht es weiter. In den Kantonen sind sie schon seit ein paar Wochen dran die nötige Infrastruktur für die Impfungen aufzubauen. Die Logistik ist hier etwas komplizierter als bei anderen Impfstoffen, da der Covid-Impfstoff von Pfizer bei Temperaturen von -70°C transportiert und gelagert werden muss. Deshalb wird es vorläufig auch keine Impfung in der Apotheke geben, die meisten Kantone scheinen auf Impfzentren und mobile Impfgruppen zu setzen. Noch im Dezember beginnen die Kantone der Innenschweiz: Uri, Schwyz, Nidwalden, Obwalden, Luzern und Zug – und Freiburg. Der Rest folgt im Januar. Wir bekommen monatlich etwa 250’000 Impfungen – die wollen möglichst sinnvoll eingesetzt werden.

Wer wird geimpft? Die Impfung ist prioritär für folgende Zielgruppen vorgesehen:
1. Besonders gefährdete Personen (ohne schwangere Frauen)
2. Gesundheitspersonal mit Patientenkontakt / Betreuungspersonal von besonders gefährdeten Personen
3. Enge Kontakte (Haushaltsmitglieder) von besonders gefährdeten Personen
4. Personen in Gemeinschaftseinrichtungen mit erhöhtem Infektions- und Ausbruchsrisiko (mit altersdurchmischten Bewohnern).
Im weiteren Verlauf wird auch eine Impfung für alle anderen Erwachsene, die nicht unter 1.-4. fallen, möglich sein. – Das kann ein paar Monate dauern.

Ich weiss noch nicht, ob wir in der Apotheke zur 2. Gruppe gehören und dann geimpft werden, aber ich bin froh, dass meine Eltern voraussichtlich bald drankommen. Dann kann ich mich etwas sicherer fühlen, auch wenn ein paar Fragen betreffend der Impfung noch offen sind: kann das Virus durch geimpfte Personen noch übertragen werden? Wie lange hält der Impfschutz an? Die geltenden Hygienemassnahmen müssen auf jeden Fall noch eine ganze Weile weiter durchgeführt werden.

Für das Gesundheitssystem ist das aber sicher eine Entlastung – eine dringend benötigte ausserdem. Inzwischen sind die Spitäler voll, das Pflegepersonal am Anschlag (und darüber) – die Situation ist wirklich furchtbar, auch wenn das trotz gelegentlicher Meldungen in den Medien immer noch nicht zu den Leuten auf der Strasse durchgedrungen ist. Aktuell will ich nicht krank werden oder einen Unfall haben und im Spital landen müssen. Nach aussen „verhält“ das noch als Sicherheitsnetz, aber … nein. Eigentlich will ich nicht mal drüber schreiben. Wir sind vielleicht noch knapp nicht am „sterbende Leute in den Spital-Gängen liegen lassen“, aber soooo weit davon auch nicht mehr. Denkt mal darüber nach und (Bitte) passt euer tägliches Verhalten danach an. Grad jetzt in der Ferien- und Feier-Zeit. Übrigens: Man kann sich jetzt immer noch gegen die Grippe impfen lassen. Bitte tut das – das macht grad jetzt noch Sinn.

Aber konzentrieren wir uns auf die guten Dinge. Wir haben jetzt eine wirksame und sichere Impfung. Meine Familie ist gesund: immer noch alle, wofür ich wahnsinnig dankbar bin. Sogar meine Eltern haben dieses Jahr überstanden (und das sah aus verschiedenen Gründen zeitweise nicht gut aus). Wir haben mehr als genug zu essen, eine warme Wohnung (die aufgeräumter sein könnte), Kontakt mit den Liebsten – halt nicht mehr so häufig und vor allem meist nicht mehr als Treffen, sondern mit Telefon, Chat etc. Dafür bin ich dankbar.

In dem Sinne: Euch allen schöne Festtage und bleibt gesund!

Leise stirbt die Arztpraxis und die Vor-Ort-Apotheke

Die Apotheke schliesst für immer. Die Patienten stehen vor einer verlassenen Arztpraxis. Für die Patienten und Besucher kommt das fast immer überraschend – überraschender jedenfalls als für Angehörige der Berufsgattung Mediziner oder Apotheker: die wissen um die Probleme, mit denen ihr Beruf heute zu kämpfen hat. Die Probleme sind meist die Finanzen einerseits und die Nachfolge andererseits. Trotzdem … man kämpft teils über lange Zeit und versucht die Praxis oder Apotheke zu erhalten. In den letzten Wochen hat sich die Situation aber verschärft – nicht nur wegen Corona.

Hier zwei aktuelle Beispiele, die ziemlich Auswirkungen haben und noch haben werden.

Fall 1 – MeinArzt-Praxen in der Schweiz

Man stelle sich vor, man ist Hausarzt, schon lange ansässig, nähert sich vielleicht dem Pensionsalter und sucht (händeringend) eine Nachfolge für die eigene Praxis, auch damit der Ort weiter medizinisch versorgt wird. Die Situation ist schwierig aber eigentlich finanziell stabil, die Praxis läuft gut, man hat Angestellte, die bezahlt werden müssen, Material muss eingekauft, Laboranalysen gemacht werden – nur einen Nachfolgerarzt, der die Praxis übernehmen will, findet man nicht. Zu wenig Nachfrage? Ort nicht attraktiv genug?

In der Situation bekommt man ein Angebot der Arzt-Praxis-Kette MeinArzt. Es wird angeboten, dass sie die Praxis und alle Angestellten übernehmen, einen Nachfolger suchen, man selber darf weiter arbeiten, so lange man noch will (einfach als Angestellter Arzt, statt als Eigentümer), sie übernehmen zentral einiges an der Bürokratie (Abrechnungen, Mietzahlung, Lohnauszahlungen etc.). Praktisch: alle Probleme gelöst!

35 Arztpraxen in der Schweiz haben das Angebot (seit 2019) angenommen. Mindestens 30 davon sind aktuell geschlossen (für immer?), nachdem in den letzten Monaten zunehmend Probleme aufgetaucht sind. Miete und Löhne und Rechnungen wurden nicht mehr bezahlt, es kam kein Geld mehr herein, Material kam bei jeder Bestellung von einer anderen Firma, die Angestellten in der Zentrale von MeinArzt waren plötzlich nicht mehr erreichbar…. Schliesslich sprangen die Mitarbeiter der Praxis ab (wer arbeitet heute schon unbezahlt?) und die Arztpraxen mussten (meist sehr überraschend) von einem Tag auf den anderen schliessen. Patienten kommen oft nicht einmal mehr an ihre eigenen Patientenunterlagen. Einige dieser Praxen waren die einzige Arztpraxis im Ort (Beispiel Staufen).

Der Inhaber von MeinArzt – Christian Neuschitzer, ein österreicherischer Investor mit etwas zweifelhaftem Hintergrund (Swingerclubs? nix medizinisches bisher) hat sich nach Italien abgesetzt, wo er inzwischen verhaftet wurde und wegen Vermögensdelikten angeklagt wurde. Quelle https://www.srf.ch/news/schweiz/betrugsverdacht-betreiber-von-meinarzt-praxen-in-haft

Übel. Aber – „nur“ 35 Praxen (von ca 14’500 in der CH), wobei ich da den Verlust jeder einzelnen schlimm finde.

Fall 2 – AvP Insolvenz und 19’000 Apotheken in Deutschland

Man stelle sich vor, man betreibt eine Apotheke und versorgt täglich an die hundert (oder mehr) Patienten mit den benötigten Arzneimitteln, die vom Arzt verschrieben wurden und die mit den Krankenkassen abgerechnet werden müssen. In Deutschland kommt zusätzlich noch das Problem dazu, dass die Rezepte und Abrechnung so korrekt ausgestellt werden müssen, dass die Kasse da nicht (auch noch den kleinsten Form-)Fehler findet und überhaupt nichts daran bezahlt. Das nennt sich Retaxe. Um den bürokratischen Aufwand kleiner zu halten, bedient sich die Apotheke Abrechnungsstellen. Die gibt es in der Schweiz auch (Ofac und Ifak hier) und ohne sie wäre der Aufwand kaum zu bewältigen. Sie sorgen dafür, dass man das Geld bald bekommt – manche der Kassen lassen sich da ziemlich Zeit, so dass man auch weiterhin Medikamente beim Lieferanten einkaufen kann. Das ist wichtig, denn für Hochpreismedikamente (die schnell mehrere Tausend Euro kosten können) streckt die Apotheke da faktisch das Geld vor.

Es gibt verschiedene Abrechnungsstellen, aber von den insgesamt 19’075 Apotheken haben rund 3500 Apotheken die AvP. Diese Apotheken wissen aktuell nicht, ob sie für die in den letzten Wochen eingeschickten und (eigentlich) abgerechneten Rezepte überhaupt noch Geld zurückbekommen. Ohne das Geld können die Lieferanten nicht mehr bezahlt werden und man kann keine neuen Medikamente mehr einkaufen oder bestellen. Durchschnittlich schuldet die AvP einer Apotheke 120’000 Euro. Mindestens 3%, also 700 Apotheken sind deshalb in so akuten finanziellen Nöten, dass sie wahrscheinlich demnächst schliessen müssen. Das sind 5000 Angestellte und auch hier oft Apotheken auf dem Land oder in ländlichen Gebieten, wo es nicht so viele gibt. Quelle: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/09/25/avnr-apothekensterben-verdoppelt-sich

Aktuell wird gegen 2 Personen bei der AvP wegen Bankrott ermittelt. Erklärung: Beim Bankrott handelt es sich um eine betrügerische Insolvenz, vor der Vermögenswerte beiseite geschafft wurden.

Habt ihr davon mitbekommen? Vor allem interessiert es mich, ob das die Leute ausserhalb meiner „Apotheken-bubble“ davon gehört haben, denn ich denke, das sind so Nachrichten, die gehen an den meisten vorbei – ausser sie sind direkt betroffen als Arzt, Apotheker oder Patient einer dieser betroffenen Orte.

Sehr unschön finde ich auch, dass da von Politik-Seite so wenig passiert. Auf der einen Seite haben wir Arztpraxen und Apotheken, die gerade in der letzten Zeit sehr viel (und mehr) geleistet haben … und noch werden (ich sag nur Corona). Aber den 35 Praxen in der Schweiz und den (mindestens) 700 Apotheken in Deutschland wird nicht geholfen. Sind wahrscheinlich nicht „too big to fail“ …. und es gibt ja noch genug. Oder????

Quicky (32)

Donna zur alten Kundin, die mit dem Rollator in der Apotheke ist: „Oh. Sie sind ja nicht ganz Hundert!“

Ich daneben (entsetzt) schaue im Patientendossier und sehe, dass sie Jahrgang 21 hat. 1921.

Kann man nicht mit allen machen – aber die Frau hat gelacht :-)

Laaange keinen Quicky mehr gehabt hier, aber wenn ihr die alten nachlesen wollt:

Quicky (31), Quicky (30), Quicky (29), Quicky (28), Quicky (27),  Quicky (26)Quicky (25)Quicky (24),   Quicky (23)Quicky (22),   Quicky (21),   Quicky (20),    Quicky (19),    Quicky (18),    Quicky (17),  Quicky (16)   Quicky (15),   Quicky (14)   Quicky (13),   Quicky (12),   Quicky (11),   Quicky (10)    Quicky (9),   Quicky (8)    Quicky (7),   Quicky (6)    Quicky (5),   Quicky (4)    Quicky (3),   Quicky (2)   Quicky (1)