Auf diese Liste will keiner (2)

2 Monate vergehen. Wir erinnern uns: Frau Bündchen mit Dauerrezept für Tramadol-retard Tabletten bei uns (und vielleicht noch wo anders?) und Frau Bündchen Senior, deren Dauerrezept für Tramadol-Tropfen (die die Tochter immer für sie bezogen hat) das storniert wurde.

Wir erhalten ein neues Dauer-Rezept für Frau Bündchen über Tramadol Tropfen mit einem Abbau-Schema als Dosierung.

Ja, jetzt bin ich verwirrt. Für die Tropfen hatten wir bisher nur für ihre Mutter Rezepte. Und das Abbau-Schema … das ist schon möglich, nur … ist das demnach anstatt der Retard-Tabletten (wäre logisch, aber nirgends erwähnt) oder hat der Arzt das mitbekommen, dass sie nebenher die Tropfen der Mutter genommen hat und das ist statt denen?

Vielleicht konstruiere ich da nur ein Problem, aber ich nehme das dennoch zum Anlass der Praxis anzurufen und diesmal will ich den Arzt direkt sprechen.

Nun – das war das spannendste und mehr als aufschlussreiche Telefon-Gespräch, das ich seit langem hatte. Ich versuche etwas zusammenzufassen, da der Arzt und ich Anfangsschwierigkeiten hatten zu verstehen, von was wir beide jetzt reden.

Pharmama: „Guten Morgen! Ich rufe an wegen dem neuen Dauerrezept für Tramadol-Tropfen für Frau Bündchen, das sie uns gefaxt haben. Ich habe gesehen, das ist ein Abbauschema … heisst das, dass das anstatt den Tramadol retard Tabletten ist?“

Arzt: „Nein, die nimmt sie ja schon eine Zeitlang nicht mehr. Das ist der Ersatz für das letzte Tramadol-Tropfen Rezept vom (1 Monat her).“

Pharmama: „Oh. Ich habe aber für Frau Bündchen bisher kein Rezept für Tramadol Tropfen erhalten. Das ist das erste Rezept für Tropfen für sie, das ich hier sehe.“ (meine Betonung auf FÜR SIE), das von der Mutter darf ich ja nicht erwähnen.

Arzt: „Wir haben ihr ein Tramadol Dauerrezept für Tropfen mit der Dosierung (…) am (1 Monat her) ausgestellt. Das Rezept hier ersetzt dieses Rezept.“

Pharmama: „Das ist interessant. Weil … dieses Rezept für Tropfen ist nie bei uns angekommen. Sie hat aber ein laufendes Dauerrezept für Tramadol Tabletten, das sie in der Zwischenzeit, also sei (1 Monat her) 2x bei uns weiter bezogen hat.“

Arzt: „…“

Pharmama: „Ausserdem … da war vor ein paar Monaten doch noch ein Zwischenfall bei ihr, wo sie das neue Dauerrezept für Tramadol Tabletten direkt der Patientin gemailt haben. Damit könnte sie theoretisch jetzt ausser bei uns auch noch in anderen Apotheken das beziehen. Wir haben keine Möglichkeit das Nachzuprüfen.“

Arzt: „Also sie bezieht immer noch die Tabletten bei ihnen? Das letzte Dauerrezept für die Tropfen ist nicht zu ihnen gekommen, das bezieht sie wahrscheinlich andereswo … und es existieren eventuell noch weitere laufende Dauerrezepte für das Tramadol in anderen Apotheken?“

Pharmama: „…“ (das muss man mal sacken lassen.) „Ja.“

Der Arzt überlegt etwas, dann bestimmt: „Bitte stornieren sie das Dauerrezept für die Tabletten und auch das für die Tropfen jetzt. Ich werde mit der Patientin Kontakt aufnehmen und schauen, wie das weiter geht. Falls sie vorher zu ihnen kommt, sagen sie ihr, sie muss mit mir Kontakt aufnehmen. Ich werde versuchen herauszufinden, wo die anderen Rezepte sind und von jetzt an nur noch einzelne Rezepte für sie ausstellen, keine Dauerrezepte mehr. Vielleicht setze ich sie auf die Sperrliste, wenn sie mir nicht angibt, wo sie noch bezieht.“

3 Tage später meldet sich Frau Bündchen selber bei uns, um superfreundlich zu fragen, ob sie die Tramadol Tabletten ausnahmsweise 2 Tage früher holen kann, da sie wieder über Wochenende weg ist.

Ich musste das verneinen und habe sie wie besprochen an den Arzt verwiesen.

Seitdem ist Funkstille, weder von ihr noch vom Arzt haben wir etwas gehört. Ich bin noch nicht sicher, dass sie auf der neusten Sperrliste ist, aber grundsätzlich: das ist eine der Möglichkeiten, da drauf zu landen.

Mehr vom Patientengeheimnis in dem Sampler hier. https://pharmama.ch/2016/06/07/vom-geheimnis-des-patienten-sampler/

Auf diese Liste will keiner (1)

Vor ein paar Jahren habe ich hier gelernt, dass auch die Krankenkassen so etwas wie Sperrlisten führen. Das heisst, sie kontrollieren die Medikamente darauf, ob die Dosierungsintervalle plausibel sind – und wenn jemand exzessiv darüber geht (vor allem bei Medikamenten mit Limitatio wie Bezodiazepinen) dann bekommt der Patient erst mal einen Brief mit einer Warnung … bevor ihm die Medikamente dann irgendwann nicht mehr bezahlt werden. Da die meist sowieso nicht so teuer sind, führt das wahrscheinlich meistens einfach dazu, dass die Patienten das dann in der Apotheke halt selber zahlen. Problem gelöst – für die Kasse zumindest.

Eine Sperrliste (Namen sicher unterschiedlich) existiert intrakantonell und wird von den Gesundheitsdiensten geführt. Da landen die Personen drauf, die mehrfach Rezepte ge- oder verfälscht haben, Ärzte- und Apothekenhopping betrieben haben und (trotzdem) so aufgefallen sind, dass versucht wird, ihrem Missbrauch entgegenzutreten. Die werden dann „gesperrt“ für bestimmte Medikamente, die sie dann nur noch von einem bestimmten Arzt und einer bestimmten Apotheke beziehen dürfen. Es ist nicht ganz einfach auf der Liste zu landen. Es ist fast schwerer, da wieder runter zu kommen, obwohl ich im letzten Jahr das tatsächlich mehrmal gesehen habe. Auffallend, dass beim letzten Update grad 3 gestrichen wurden, die gestorben sind.

Wie man auf der Liste landet, dazu habe ich ein Beispiel aus unserer Apotheke (Info verändert, wie immer):

Auftritt Frau Bündchen. Frau Bündchen ist mittleren Alters (um die 45), hat keine Familie, kümmert sich aber um die Mutter, die ebenfalls in der Nähe wohnt. Sie selber ist soweit gesund, bis auf ein Schmerzproblem, für das sie vom Arzt Tramadol retard verschrieben bekommen hat, als Dauermedikation. Die Mutter ist (für ihr Alter nicht ungewöhnlich) polymorbid und bekommt eine Vielzahl Medikamente. Sie hat ausserdem die Hauspflege, die hauptsächlich für sie sorgt und die auch Medikamente von uns bezieht. Sowohl Frau Bündchen als auch ihre Mutter sind also bei uns Patienten – auch wenn ich die Mutter nie gesehen habe. Die Rezepte und Bestellungen der Medikamente sprechen für sich.

Frau Bündchen ist immer sehr nett, wenn sie in der Apotheke ist – sie redet sehr viel, macht Smalltalk, wenn sie ihr Medikament abholt, oder etwas für die Mutter … und erklärt auch sehr viel, warum sie (diesmal) wieder zu früh dran ist mit dem Tramadol-Tabletten-Bezug.
Das häuft sich. Ferien? Wochenendausflug? Spitalaufenthalt der Mutter? – Wir machen, was wir immer machen in so Fällen: Wir machen deutlich auf die verschriebene Dosierung aufmerksam (die hier sehr am oberen Ende des Möglichen liegt). Beim nächsten Mal machen wir darauf aufmerksam, dass es danach zu früh ist und dass das nicht sein sollte bei dem Medikament und der Dosierung. Und vom nächsten Mal an schreiben wir auf die Dosierungsetikette drauf, wie lange die Packung halten muss / ab wann der nächste Bezug möglich ist.
Frau Bündchen durchgeht die Stufen recht schnell und zeigt sich auch sehr verständlich (wenn auch gerne diskutierend und auf Ausnahmen bedacht).

Wer nimmt die Tropfen?
Dennoch fällt das auf. Was auch auffällt: ich habe ja geschrieben, dass sowohl die Hauspflege als auch sie Medikamente für ihre Mutter bei uns beziehen. Die Hauspflege bezieht alles mögliche: Blutdruckmittel, Diuretika, Cholesterinmittel, Inkontinenzprodukte etc. Frau Bündchen holt dafür praktisch ausschliesslich das Schmerzmittel: Tramadol-Tropfen. Zwischendurch auch mal ’ne Packung Tena, aber sonst: immer Tramadol-Tropfen. Und auch hier: in Mengen, dass wir auch bei denen bald anfangen müssen die Abgabeintervalle auf die Dosierungsetikette zu schreiben. Dazu brauchte ich hier die Dosierung, die ich auf Nachfrage auch beim Arzt bekomme. Auch da eher obere Grenze der Empfehlungen. Und auch hier: das wird ausgeschöpft: Frau Bündchen steht immer rechtzeitig zum „Termin“ zum Abholen in der Apotheke.

Die misstrauischeren unter meinen Lesern denken jetzt vielleicht dasselbe wie wir nach einer Weile: ist es wirklich die Mutter, die die Tropfen nimmt? Tramadol ist ein Opioides Schmerzmittel für mittelstarke bis starke Schmerzen. Sie können Abhängig machen. Die retard Tabletten haben eine langsame Aufnahme und längere Wirkung im Körper. Die Tropfen werden schnell aufgenommen und wirken schneller und können ein „High“ machen, was bei den retardierten Tabletten schwierig/er ist. Unser Verdacht ist, dass die Tochter das Medikament für sich nimmt, aber aus Gründen des Patientenschutzes ist das Nachfragen dazu etwas „delikat“. Die Haushilfe wurde beim Bezug der anderen Medikamente einmal gefragt, ob sie auch das Tramadol mitnehmen will? Das hat die Frau von der Haushilfe mehr als verwirrt: laut ihr hat Frau Bündchen senior nämlich gar keine Schmerzmittel. Jedenfalls habe sie nichts auf der Liste der Sachen, die sie ihr geben. Etwas später kommt Frau Bündchen selber in die Apotheke: „Die Haushilfe weiss nichts von dem, weil sie (die Tochter) für die Gabe der Tropfen der Mutter verantwortlich zeichne und das mache. Da ist alles okay.“ Offenbar hat die Haushilfe da nachgefragt …

Neue Rezepte benötigt
Zeit vergeht, ohne dass sich gross etwas ändert. Ein neues Rezept vom Arzt wird nötig für Frau Bündchen. Der Arzt schickt uns eines – per Fax, aber es ist kein Dauerrezept.
Wir machen sie bei der nächsten Abgabe darauf aufmerksam und sie verspricht dafür zu sorgen, dass ein Dauerrezept ausgestellt wird. Sie will nicht, dass wir den Arzt dafür kontaktieren.
20 Tage gehen um, kein neues Rezept erscheint, aber Frau Bündchen steht wieder hier für die nächste Packung: „Oh, ich war sicher, er hat es inzwischen geschickt. Ich frage noch einmal nach.“ Noch am selben Nachmittag steht sie mit vor ein paar Tagen neu ausgestelltem Dauerrezept wieder da.
Aber: das Rezept ist ein (Farb-)Ausdruck. Die Unterschrift nicht Original. Kein Stempel. Auf Nachfrage erklärt sie, dass der Arzt ihr das Rezept per Email zugesendet habe. Damit habe ich ein Problem – siehe auch hier: ist das elektronische Rezept gültig?
Ich will sie jetzt nicht da drauf ansetzen das zu missbrauchen, also sage ich bei ihr nicht viel weiter, aber ich kontaktiere danach doch den Arzt, respektive die Praxis – ich muss mich ja versichern, dass das ein richtiges Rezept ist … und ausserdem möchte ich ihn darauf aufmerksam machen, dass er weiss, wie regelmässig sie das bezieht, respektive wie häufig.

Das Telefonat war aufschlussreich auf verschiedenen Ebenen. Zuerst einmal, dass die Praxis darin kein Problem sieht, Rezepte per email an die Patienten zu schicken. Das machen sie offenbar häufiger. (Sie sind nicht die einzigen, ich glaube auch, die meisten Apotheken haben es aufgegeben da zu informieren und geben die Medikamente einfach trotzdem ab, ausser vielleicht, es handelt sich um etwas das missbraucht werden kann. Dazu gehört auch Tramadol). Ich erkläre also mein Problem damit und bekomme die Antwort, die mich tatsächlich laut lachen lässt am Telefon: „aber Tramadol wird doch nicht missbraucht.“ Hahahah…doch. Frau Bündchen, zum Beispiel ist klar davon abhängig und holt das regelmässig in der nach der Dosierung maximal erhältlichen Menge – also alle 20 Tage. Bei uns. Auf das Dauerrezept. Mit dem von ihnen per email erhaltenen Rezept kann sie es mehrmals ausdrucken und in mehrere Apotheken das beziehen gehen. Vor allem auch, wenn die nicht so gut drauf schauen, ob das jetzt nicht etwa ein Farbausdruck ist und kein Original. Ich empfehle dringend (und allgemein) deshalb Rezepte nur direkt an die Apotheken zu faxen oder emailen. Sie versprach mir, zumindest einen Kommentar bei der Patientin zu machen, aber das Rezept sei gültig.

Kleiner Einschnitt: Es IST ein Problem. Es gibt keine zentrale Datenbank auf die Apotheken oder Ärzte Zugriff haben, wer für was wo ein Rezept hat. Ich kann nicht bei einer anderen Apotheke Einblick halten, ob dort schon etwas bezogen wurde. Wenn das über die Krankenkasse verrechnet wird, fällt das eventuell (!) auf – aber nicht unbedingt bei etwas, das keine hinterlegte Limitation hat, wie beim Tramadol. Wenn die Person bei verschiedenen Ärzten das Rezept holt und das in verschiedenen Apotheken einlöst kann das sehr lange dauern, bis so was überhaupt auffällt. Und wenn es auffällt …. dann liegt es am Engagement der Apotheke, ob und wie schnell da etwas gemacht wird. Denn auch wenn da im Gesetz steht „Missbrauch ist entgegenzutreten“ – an nicht abgegebenen Medikamenten verdienen wir auch nichts.

Mehr Ungereimtheiten
In der Zwischenzeit wird auch für die Mutter, Frau Bündchen Senior ein neues Tramadol-Tropfen-Rezept nötig, für die restliche Dauermedikation haben wir eines bekommen. Auch hier will Frau Bündchen nicht, dass wir den Arzt (einen anderen) kontaktieren: sie mache das. Zur Sicherheit mache ich sie darauf aufmerksam, dass das Rezept bitte direkt zu uns gesendet wird. Tatsächlich kommt es kurz darauf zu uns – per Email. Ein Dauerrezept.
Aber: keine Dosierung angegeben. Und die brauche ich – wie gesagt, das wird genauso regelmässig in der Maximaldosierung bezogen, wie die Tabletten. Grund bei der Praxis nachzufragen!

Auch dieses Telefonat war interessant. Die medizinische Praxisassistentin meinte erst nur, „nach Bedarf“, erst als ich ihr mein Problem damit erklärte und die bisher verschriebene hohe Dosierung, die regelmässig in der Maximaldosierung bezogen wird (von wem darf ich nicht sagen, oder?) und dass die Haushilfe, die sie sonst betreut auch nicht weiss, wie viel sie nimmt, da das die Tochter unter sich hätte. Sie verspricht mir das mit dem Arzt anzuschauen und sich wieder zu melden.
Die Rückmeldung ein paar Tage später bringt mir die Antwort: in der gleichen Dosierung wie bisher, sie wollen das aber mit der Patientin selber noch anschauen.

Es vergehen 2 Monate, bis sie das offenbar wirklich tun – wir erhalten nur die Meldung, dass das Dauerrezept gestoppt sei. Frau Bündchen Senior benötige keine so starken Schmerzmittel (mehr).
Die Tochter wirkt einigermassen überrascht von dem, insistiert jedoch nicht auf einer weiteren Abgabe, nachdem sie informiert wurde. Das ist einerseits erfreulich (vielleicht haben wir uns ja getäuscht), andererseits frage ich mich, ob sie da nicht noch andere Bezugsquellen hat. Seit dem „Dauerrezept-mail an Patient“-Vorfall scheint sie selber nicht mehr ganz so zeitig in der Apotheke zu stehen, die Tabletten abzuholen…

Wird fortgesetzt ….

Kein Sex mehr ab … (füge Alter ein)?

Photo by KM L on Pexels.com

Delikates Problem zu dem mich die Pharmaassistentin holt. „Ich habe da die Tochter eines unserer Patienten – sie hat eine Frage zu einem Medikament, das er nimmt: Sildenafil. Darf ich da überhaupt etwas sagen?“

Sildenafil – der Wirkstoffname von Viagra. Das Medikament wird bei Potenzstörungen beim Mann eingesetzt.

„Was will die Tochter denn hier?“ frage ich die Pharmaassistentin.

„Sie hat vom Vater die Liste seiner repetierbaren Medikamente*, die wir für ihn ausgedruckt haben und soll für ihn Medikamente für die Ferien holen. Und jetzt hat sie eine Frage zum Sildenafil.“

Ok, das wird interessant. Normalerweise darf ich keine Auskunft geben, unter das Patientengeheimnis fällt fast alles, eigentlich sogar dass überhaupt jemand bei uns Patient ist und etwas bezieht. Sogar gegenüber Familienmitgliedern. Die Tochter ist Mitte 40 und hat vom Vater den Auftrag bekommen Medikamente von seinen Dauerrezepten für ihn zu holen. Das ist erlaubt. Dass sie von ihm unsere Liste bekommen hat, kann ich als Erlaubnis durch ihn verstehen. (Mehr zum Problem hier: Andere Leute schicken).

Trotzdem … ich gehe nach vorne: „Ich kann ihnen gerne Fragen zum Medikament selber beantworten, aber nicht ob oder wieviel er bezieht.“

Sie: „Das geht in Ordnung. Ich habe nur eine Frage zum Sildenafil.“

Ich nicke – und?

Sie (mit Blick auf die Medikamentenliste): „Weshalb sind da nur 4 Tabletten in einer Packung?“

Obwohl sie weiss, dass er dafür beim Urologen war, der das verschrieben hat, war ihr offenbar nicht bewusst, für was man das braucht. Auf meine Antwort „Weil man das nach Bedarf einnimmt.“ ernte ich nur einen unverständigen Blick.

Also werde ich deutlicher: „Das nimmt man wenn man es braucht …. eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr.“

Sie (lachend-empört): „Mein Vater ist 72, der hat doch keinen Sex mehr!!“

Ich hab ihr dann versucht sanft beizubringen, dass auch ältere Leute Sex haben und das nicht abrupt ab einem bestimmten Alter aufhört.
Sie hat dann die anderen Medikamente bezogen, die Sildenafil nicht … vielleicht muss sie sich erst mal an den Gedanken gewöhnen aber auch weil sie die hätte selber zahlen müssen. Die Krankenkasse übernimmt das nicht (Lifestyle-Medikament).

Aus eigenem Interesse habe ich nachher mal geschaut : er hatte bisher in diesem Jahr 3 Packungen. Sieht stark danach aus, dass er doch noch Sex hat :-)

Mehr Beiträge zum Thema Patientengeheimnis:

Ebola und das Patientengeheimnis … wäre nett, wenn die Medien sich auch daran hielten.
Patientengeheimnis – Fragen (und Diskussion in den Kommentaren)
Patientengeheimnis und Minderjährige
Vom Patientengeheimnis und ungeduldigen Kunden
Zwischen Paranoia und Patientengeheimnis
Patientengeheimnis und meine Erfahrung beim Arztbesuch
Schlechte Wortwahl – wenn man mal super-vorsichtig sein will
Wenn Sie in der Apotheke telefonieren, rede ich nicht mit ihnen.
Auch wenn sie der Partner sind – vorenthaltene Information
Einblick verboten
In der Grauzone landet man noch schnell
Fundsache Medikamente ja, die sind meist angeschrieben
Eine Trauerkarte von der Apotheke – darf/soll ich das?
Versehentlich ruiniertes Eheleben

Doktor „Spiele“

Probleme mit Ärzten oder Praxen haben wir selten, aber doch immer mal wieder. Unangenehmerweise diesmal mit einem Arzt ziemlich in der Nähe.

In der Schweiz gibt uns das HMG die Möglichkeit Rezepte zu verlängern … also zum Beispiel bei einem einmaligen Rezept eine Wiederholung zu machen (wenn es nicht grad Liste A oder ein Betäubungsmittel ist). Oder ein Dauerrezept zu verlängern – um maximal 1 Jahr tatsächlich. Bei uns in der Apotheke machen wir von diesen Möglichkeiten Gebrauch, aber mit Augenmerk. Zum einen weil ich überzeugt bin, dass es sinnvoll ist, wenn der Arzt den Patienten zumindest einmal im Jahr sieht (ja, auch bei chronischen Sachen)  und zum anderen, weil ich der Meinung bin, das der Patient selber für seine Gesundheit Verantwortung übernehmen sollte – und dazu gehört auch, beim Arzt vorbeizuschauen und neue Rezepte zu organisieren. Auf Wunsch und Möglichkeit besorgen wir natürlich Rezepte beim Arzt oder machen Vorbezüge. Aber … da ist dieser eine Arzt und der hat einige Patienten, denen er einfach keine Dauerrezepte ausstellt. WIr haben ausserdem gelernt, dass wir bei ihm keinerlei Vorbezüge mehr für die Patienten machen. Nicht einmal mehr nach telefonischer Rückfrage vorher bei der Praxis … das nachdem uns der Arzt geweigert hat ein Rezept auszustellen und sich beklagt hat, dass seine Praxisassistentin (die wir am Telefon hatten) gar nicht das Recht gehabt hatte das zuzusagen. Das habe nur er und er geht nicht ans Telefon, wenn er Patienten hat.

Das ist ausserdem genau die Praxis, die es regelmässig nicht schafft, uns ein Rezept zukommen zu lassen. Wir sind dafür erreichbar via Fax (ja, immer noch) und via E-Mail, wenn man es nicht per Post (kostet) oder von Hand (persönlich) rüberschicken will. An was das liegt habe ich noch nicht herausgefunden. Unser Faxgerät und E-mail funktionieren. Die restlichen Ärzte, Spitäler und die Spitex schaffen es uns zu kontaktieren … aber diese eine Praxis nicht. Unser Fax ginge nicht. Das gesendete email kommt nicht an. Immer wieder. Dass sie es gelegentlich an eine falsche E-Mail Adresse schicken wissen wir, weil wir bei unserem technischen Dienst angefragt haben, wo das Problem liegen könnte (irgendwie können die das feststellen). Ich habe der Praxis auch schon mails geschrieben mit der Bitte um Antwort auf diese Adresse und auch der Angabe der Faxnummer. Das Antwortmail kam, das Fax nicht (zuviel Aufwand offenbar). Beim letzten Mal hat es nach 5 Tagen hin und her mit der Patientin dann endlich geklappt, nachdem wir angerufen und unsere E-Mail-Adresse buchstabiert (!) haben. Interessanterweise ist das Rezept für ihren Mann am ersten Tag angekommen, einfach ihres nicht (mehr), trotz Nachfragen von uns und ihr.

So. Nach der Vorgeschichte jetzt zur Story, weshalb ich mich dank der Praxis habe anschreien lassen von einem Patienten.

Er hat erst mal seine Frau vorgeschickt, um etwas abholen zu lassen. Weil sie meiner Kollegin nicht glaubte habe ich es ihr noch einmal erklärt: Für das Mittel, das der Mann will hat er kein Rezept mehr. Der Arzt hat (obwohl der Patient es regelmässig braucht) kein Dauerrezept ausgestellt. Ich habe schon eine Wiederholung auf das letzte, einmalige Rezept gemacht. Bei diesem Arzt (ja, dem von oben) kann ich keine Vorbezüge machen. Bitte nehmen Sie selber mit dem Arzt Kontakt auf damit er uns ein Rezept schickt. Hier ist unsere Karte. Nein, da kann ich es nicht verlangen, das müssen Sie tun.

Erstaunlicherweise bekommen wir das Rezept schon nach einer knappen halben Stunde zugemailt von der Praxis. Mit dem gewünschten Medikament. Es ist wieder kein Dauerrezept. Tatsächlich steht sogar NR (nicht repetieren) drauf.

Ich bin grad dabei es auszuführen, als der Mann in die Apotheke stapft (wütend?). Ohne Maske. Meine Kollegin gibt ihm eine Maske und er fängt schon laut an, wo sein Medikament bleibt, was für eine Frechheit es sei, dass er sein Mittel hier nicht einfach bekommt, immerhin habe er ein Rezept …

Ich drücke der Kollegin das Mittel in die Hand und sage ihr nur, dass sie ihn darauf hinweisen soll, dass das kein Dauerrezept ist, ansonsten haben wir das nächste Mal wieder dasselbe Problem.

Oh boy – Das wollte er gar nicht hören. Der Grundtenor war, dass wir eine miese Apotheke sind, weil wir ihm sein Mittel vorenthalten wollen. Er wird so laut, dass schliesslich ich nach vorne gehe und versuche ihm das zu erklären. Nämlich, dass faktisch nicht wir es sind, die ihm das Mittel vorenthalten, sondern sein Arzt. Klar kann ich ihm eine Kopie des Rezeptes geben. Da steht halt immer noch nicht drauf, dass es ein Dauerrezept ist (weil es keines IST, im Gegenteil: NR) und es ist vermerkt, dass das Mittel schon abgegeben wurde.

Irgendetwas scheint aber doch angekommen zu sein von dem was ich gesagt habe (in wesentlich niedrigerer Lautstärke als er), denn zum Abschluss meinte er nur „OB ich ihm da etwa vorschlage, dass er den Arzt wechselt?!“

Naja, das oder die Apotheke – aber auf das Theater kann ich echt verzichten.

Ganz Cool: Nachdem ich mich zurückgezogen habe und er noch ein paar letzte Worte loswerden musste bei der Kollegin fragt er sie, wie der Chef hier heisst (wohl um sich zu beschweren). Meint sie: „Das ist Pharmama, diejenige, die sie vorhin so angegangen sind.“

… Denkpause. Dann: „Na, das ist dann Euer Verlust.“ Abgang.

Sehe ich anders.

Gültigkeit und Dauer von Rezepten

Immer wieder ein Thema – und beliebte Suche hier im Blog: Wie lange ist ein Rezept gültig? Wie lange darf ich ein darauf verschriebenes Medikament beziehen? Darf es wiederholt werden? Wie schreibt der Arzt das richtig auf?

Die Antworten darauf im 4. Erklärvideo zur Rezept-Reihe:

Gilt natürlich nur für die Schweiz. Eigentlich sollten die Patienten hier ziemlich glücklich mit den Regelungen sein … in Deutschland gibt es keine Dauerrezepte für von der Krankenkasse bezahlte Medikamente.

Morgen wird es richtig interessant: da komme ich zu den Betäubungsmitteln.

Über den Beruf Apotheker in DACH – Teil 6: Umgang mit rezeptpflichtigen Medikamenten

UnterschiedeDACHApotheke

Umgang mit rezeptpflichtigen Medikamenten: Sind Mehrfachabgaben oder ein Bezug ohne Rezept möglich?

Das erscheint mir einer der auffälligsten Unterschiede in den verschiedenen Gesundheitssystemen. Im Prinzip lässt es sich auf „Wieviel Kompetenz / Verantwortung hat der Apotheker?“ herunterbrechen. Medikamente werden nicht ohne Grund als rezeptpflichtig eingeteilt – es geht dabei nicht immer um den Inhaltsstoff und dessen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, sondern auch um die Indikation, also: für was man etwas braucht. Und während die Diagnose klar in ärztliche Hand gehört, wird das bei weiterführender Therapie unterschiedlich gehandhabt, wer das jetzt macht, respektive wie lange therapiert wird, ohne dass der Patient den Arzt sieht.

CH: Dauerrezepte sind in der Schweiz möglich und häufig – sie müssen vom Arzt entsprechend gekennzeichnet werden. Damit sind Bezüge (auch via Krankenkasse abrechnenbar) bis maximal 1 Jahr nach dem Ausstellen möglich. Es gibt Medikamente mit Limitationen: Einschränkungen in der Dauer und welche Menge übernommen wird von der Krankenkasse. Aber auch ohne Dauerrezept-Vermerk darf die Apotheke (ausser bei Liste A Medikamenten und Vermerk „ne repetatur“ NR) innerhalb von einem Jahr nach Ausstellungsdatum einmalig eine Wiederholung auf ein bestehendes Rezept machen und auch das wird von der Krankenkasse übernommen.

Fall (noch) kein Rezept für ein Medikament vorliegt, liegt es hier in der Verantwortung des Apothekers zu entscheiden, ob eine Abgabe möglich ist. Im Gesetz ist ausdrücklich eine „Abgabe im Ausnahmefall“ erlaubt. Sie muss nach entsprechender Abklärung durch den Apotheker mit entsprechender Kompetenz erfolgen und dokumentiert werden. Meist handelt es sich hier auch um die Weiterführung einer bestehenden Therapie. Normalerweise wird durch den Patienten für den Vorbezug ein Rezept nachgereicht, auch damit das Mittel der Krankenkasse verrechnet werden kann.

 

D: In Deutschland gibt es keine Dauerrezepte bei den von der Krankenkasse übernommenen Rezepten. Ausnahmen sind möglich bei den Privatrezepten, die von den Patienten selber bezahlt werden. Die „Haltbarkeit“ eines Privatrezeptes legt der Arzt fest.

Die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten ohne Rezept ist gesetzlich verboten. Auch als Vorbezug und auch im Notfall ist das nicht möglich. Apotheker, die das trotzdem machen, machen sich strafbar. Es braucht deshalb immer ein Original-Rezept. Keine Kopie und kein Fax. Eventuell kann ein Medikament auf Faxrezept abgegeben werden, wenn das Originalrezept am nächsten Tag nachgereicht wird.

 

Ö: Wenn die Krankenkasse in Österreich das Rezept bezahlt, darf es nur einmal eingelöst werden. Es muss wieder neu ausgestellt (und bei Bedarf auch bewilligt) werden. Bei Privatrezepten, wo vom Kunden gezahlt wird, können die Medikamente im Normalfall innerhalb eines Jahres 6 Mal bezogen werden (Ausgenommen Suchtgifte und spezielle Medikamente oder der Arzt schreibt ausdrücklich darauf „Ne repetatur“)

Es liegt hier in der Verantwortung des Apothekers Rezeptpflichtiges ohne Rezept abzugeben, allerdings nur in der kleinsten im Handel erhältlichen Packung (siehe Notfallparagraph). Vorbezüge nennt man in Österreich „Einsatz“. Der Apotheker kann die kleinste Packung abgeben und der Patient muss dann ein Rezept „nachbringen

Das wars mit der Miniserie zum Vergleich der Apothekenarbeit in den DACH-Ländern. An der Stelle möchte ich noch einmal  Pharmapro.ch – für die Idee und Unterstützung Danken. Der Artikel kommt (zusammengefasst und mit den Erkenntnissen aus den Kommentaren ergänzt) auch dort.