
Delikates Problem zu dem mich die Pharmaassistentin holt. „Ich habe da die Tochter eines unserer Patienten – sie hat eine Frage zu einem Medikament, das er nimmt: Sildenafil. Darf ich da überhaupt etwas sagen?“
Sildenafil – der Wirkstoffname von Viagra. Das Medikament wird bei Potenzstörungen beim Mann eingesetzt.
„Was will die Tochter denn hier?“ frage ich die Pharmaassistentin.
„Sie hat vom Vater die Liste seiner repetierbaren Medikamente*, die wir für ihn ausgedruckt haben und soll für ihn Medikamente für die Ferien holen. Und jetzt hat sie eine Frage zum Sildenafil.“
Ok, das wird interessant. Normalerweise darf ich keine Auskunft geben, unter das Patientengeheimnis fällt fast alles, eigentlich sogar dass überhaupt jemand bei uns Patient ist und etwas bezieht. Sogar gegenüber Familienmitgliedern. Die Tochter ist Mitte 40 und hat vom Vater den Auftrag bekommen Medikamente von seinen Dauerrezepten für ihn zu holen. Das ist erlaubt. Dass sie von ihm unsere Liste bekommen hat, kann ich als Erlaubnis durch ihn verstehen. (Mehr zum Problem hier: Andere Leute schicken).
Trotzdem … ich gehe nach vorne: „Ich kann ihnen gerne Fragen zum Medikament selber beantworten, aber nicht ob oder wieviel er bezieht.“
Sie: „Das geht in Ordnung. Ich habe nur eine Frage zum Sildenafil.“
Ich nicke – und?
Sie (mit Blick auf die Medikamentenliste): „Weshalb sind da nur 4 Tabletten in einer Packung?“
Obwohl sie weiss, dass er dafür beim Urologen war, der das verschrieben hat, war ihr offenbar nicht bewusst, für was man das braucht. Auf meine Antwort „Weil man das nach Bedarf einnimmt.“ ernte ich nur einen unverständigen Blick.
Also werde ich deutlicher: „Das nimmt man wenn man es braucht …. eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr.“
Sie (lachend-empört): „Mein Vater ist 72, der hat doch keinen Sex mehr!!“
…
Ich hab ihr dann versucht sanft beizubringen, dass auch ältere Leute Sex haben und das nicht abrupt ab einem bestimmten Alter aufhört.
Sie hat dann die anderen Medikamente bezogen, die Sildenafil nicht … vielleicht muss sie sich erst mal an den Gedanken gewöhnen aber auch weil sie die hätte selber zahlen müssen. Die Krankenkasse übernimmt das nicht (Lifestyle-Medikament).
Aus eigenem Interesse habe ich nachher mal geschaut : er hatte bisher in diesem Jahr 3 Packungen. Sieht stark danach aus, dass er doch noch Sex hat :-)
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