Politische Geschenke an Apotheke und Arzt? Impfen und Selbstdispensation

In Deutschland wirft die Politik den Apothekern das Impfen praktisch als Zückerchen hin, in der Hoffnung vielleicht, dass die Apotheker dafür den Medikamenten-Versand so wie er ist durchgehen lassen. Dabei ist das definitiv nicht die Rettung der Apotheken, die wegen der ungerechten Bevorzugung der ausländischen Versandapotheken vielerorts noch mehr darben als bisher schon.

Also: Ich bin absolut pro Impfen durch die Apotheker, aber wenn ich sehe, wie in Deutschland an sich gute Ansätze im Gesundheitssystem zu nichte gemacht werden, teile ich die Bedenken der Apotheker dort. Beispiel Pille danach: das dürfen die Apotheker seit letztem Jahr in Deutschland – wie in der Schweiz schon davor. Aber statt zur Kompetenzerweiterung beizutragen und als echte Dienstleistung abgegolten zu werden, wird der Apotheker auch hier wieder nur als «Dispensator» heruntergestuft. Wenn ich in der Schweiz das in der Apotheke abgebe, passiert das nur nach einem persönlichen Beratungsgespräch mit dem Apotheker, wird protokolliert und ich darf dafür etwas verlangen. Das mache ich auch. Hochpotente Medikamente (die vorher aus Grund rezeptpflichtig waren) schiebe ich nicht einfach über den Ladentisch.

Dasselbe gilt für das impfen – so sicher und wirksam es ist. Wir impfen in der Apotheke. Das darf ich unter bestimmten Voraussetzungen. Dazu gehört ein spezieller Ausbildungstitel: Apotheker FPH Impfen und Blutentnahme. Dazu gehören Weiterbildungen alle 2 Jahre. Geeignete Räumlichkeiten (mit einer Möglichkeit den Patienten hinzulegen). Notfallequipment (Adrenalinpens, Beatmungsmaske, ev. Sauerstoff). Dazu gehört die Patientenvorbereitung und Protokollierung: Vor der Impfung klären wir ab, ob die Voraussetzungen gegeben sind. Wir impfen nur Erwachsene, keine Kinder (bis 16 Jahre), keine Schwangeren, keine Immunsupprimierten. Wir impfen nicht unter Blutverdünnern (ausser Aspirin cardio). Wir impfen nicht, wenn Allergien gegen Impfstoff oder Bestandteile vorhanden sind oder bei vorherigen Impfungen Reaktionen aufgetreten sind. Wir sind wirklich vorsichtig … und genau. Und wir können nur gegen einzelne Sachen impfen: Grippe, FSME, ev. Hep A, Hep B, MMR … (kantonal unterschiedlich).

Darum machen wir das auch nicht gratis. Neben dem Impfstoff verlangen wir etwas für die Arbeit drumherum. Das mag tatsächlich in einigen Fällen mehr sein als beim Arzt … andererseits: Bei uns ist kein Termin nötig und kaum Wartezeit. Damit entlasten wir Hausärzte und Notfallaufnahme der Spitäler.

Mit dem Impfen in der Apotheke wird die Apotheke weiter als einfach zu erreichende und kompetente Anlaufstelle für Gesundheitsfragen der Bevölkerung etabliert. Der Beitrag zur Gesundheitsprävention hilft auf weite Sicht auch die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen. Impfen in der Apotheke erhöht die Durchimpfungsrate … wir wollen gesunde Menschen impfen, die sich und andere schützen wollen.

Was die Politik häufig übersieht – und was wichtig ist, festzuhalten – Apotheken sind Unternehmen. Wir bieten Arbeits- und Ausbildungsplätze. Gerade in dörflichen und ländlichen Gegenden erhöht eine Apotheke die Lebensqualität und die Wohnattraktivität der Gemeinden. Als Unternehmen muss eine Apotheke jedoch rentieren – bedeutet: erweiterte Kompetenzen (die durch teure Ausbildungen erworben werden müssen) müssen auch entsprechend vergütet werden.

Übrigens: Die deutschen Ärzte drohen ja jetzt damit, dass wenn die Apotheker impfen «dürfen», sie praktisch im Gegenzug die Selbstdispensation (SD) einführen möchten, also selber Medikamente verkaufen. Mal abgesehen davon, dass ich denke, dass sie nicht wissen, was sie sich da aufhalsen (mit den damit zusammenhängenden Rabattverträgen und Retaxationen in Deutschland), war es bei uns so, dass es die SD schon vor dem Impfen der Apotheker gab. Und die SD wird zwar gerne von den Ärzten als Grund für das «Geschenk» der Politik an die Apotheker angegeben … aber so ein «Geschenk» ist das nicht – es bedeutet auch viel Aufwand. Leider hat sich gezeigt, dass Kommunikationsprobleme zwischen Ärzten und Apothekern oft von den Ärzten ausgehen, häufig im Zusammenhang mit der Einführung der SD, da sie die Apotheker dann als Konkurrenz ansehen und nicht mehr als Mitstreiter im Gesundheitswesen.

(Diese Aussage mache ich aufgrund von eigener Erfahrung in den letzten 20 Jahren und nach Aussagen diverser Apothekerverbände an Sitzungen und Meetings – und ja: ich wünschte es wäre anders).

Und mit dem Impfen sind wir halt noch mehr Konkurrenz. Obwohl … In meinen Augen nehmen wir da den Ärzten nicht viel weg. Die «gesunden» die sonst wahrscheinlich nicht nur wegen dem zum Arzt gegangen wären. Aber die Schwangeren, Kinder, die Kranken und die älteren … all die können bei ihrem Arztbesuch geimpft werden. Dazu muss man als Arzt vielleicht aber auch etwas aktiver werden und wirklich den Impfstatus im Blick haben. Ausserdem wird die Impfung von der Krankenkasse im Normalfall nicht bezahlt ohne Rezept … diejenigen, die das wollen oder müssen gehen ebenfalls in die Praxis impfen.

Also: Wer da von «Geschenken» redet und «Zückerchen» sollte sich bewusst sein, dass das nicht ganz so ist. Egal, ob es um Impfen oder SD geht. Den Ärzten … denen geht es auch nicht viel besser als den Apothekern und prinzipiell streiten sie um dasselbe: eine gerechte Vergütung der gebrachten Dienstleistungen. Die Forderung nach der SD ist auch nur ein Ausdruck desselben.

12 Kommentare zu „Politische Geschenke an Apotheke und Arzt? Impfen und Selbstdispensation

  1. Beim Thema Selbstdispensation haben die Hausärzte nicht nachgedacht. Da jammern die Hausärzte ständig wie überlastet sie wären (was sie wahrscheinlich wirklich sind, wenn man realistisch ist). Vor kurzem wurde eingeführt, dass Ärzte nicht mehr nur 20 Stunden Sprechzeit pro Woche anbieten müssen, sondern sie mind. 25 Stunden pro Woche Sprechstunden für Ihre Patienten anbieten müssen. Auch hier haben sich die Ärzte gegenüber der Politik gewehrt – erfolglos.

    Jetzt auf einmal kommen die Hausärzte daher, dass sie doch noch soviel Kapazitäten übrig haben, um gleich mal noch die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mit zu übernehmen.
    Das macht ihre vorherige Argumentation zwecks Arbeitsüberlastung komplett unglaubwürdig.

    Ich denke, dass der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands den Hausärzten gerade sowas von ins Knie geschossen hat und das noch nicht mal merkt. Man braucht der Politik gegenüber niemals mehr zu argumentieren, dass man überlastet wäre, wenn man doch noch locker zusätzliche Aufgaben übernehmen kann.

    Gefällt 2 Personen

    1. Könnte gut sein … Oder sie denken, das wäre nicht so kompliziert und das kann dann die MPA so nebenbei erledigen… (Boah, kommen die dann auf die Welt).

      Like

      1. „Das bisschen Haushalt macht sich von allein – sagt mein Mann. Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein – sagt mein Mann. Wie eine Frau sich überhaupt beklagen kann, ist unbegreiflich – sagt mein Mann.“

        Ersetze „Mann“ durch „Arzt“ und „Haushalt“ durch „Apotheke“. ;-)

        Ich denke ja, dass der Arzt das selbst macht – Profi wie er halt ist. :-)

        Like

  2. Liebe Pharmama,

    Besser kann man es nicht sagen!
    Ich könnte mich zwar auch vorstellen, in der Apotheke zu impfen, aber im Moment hätten wir gar nicht die Zeit oder den Raum dafür! Auch die Apotheken sind voll ausgelastet mit Arbeit – nicht nur die Ärzte, Pflegekräfte und alle anderen Heilberufler.

    Like

  3. Der Witz bei der SD durch Ärzte in D dürfte werden, dass sie dann eben NICHT den ganzen Auflagen unterliegen, die Apotheken erfüllen müssen. Ganz vorne: Kein Kontrahierungszwang. Das heißt im Endeffekt, dass der Arzt die Arzneimittel beliefern DARF, an denen man Geld verdient (alles unter 25€ Gesamtpreis, aber keine BtM und Kühlwahre), und der Rest darf wer anders.
    Womit sich die Ärzte WIRKLICH ins Knie schießen würden – und was so ziemlich keinem Arzt bewußt ist, der nicht schon mal (vor langer Zeit) mit Arzneimitteln besch….önt hat – ist, dass beim „Verkauf“ von Arzneimitteln plötzlich MwSt. fällig wird. In diesem Augenblick werden aber auch alle heilberuflichen Rechnungen (ärztliche Leistungen, bisher 0%MwSt.) Mehrwertsteuer-pflichtig, und zwar mit 19%. Da der Arzt an die Abrechnungssätze gebunden ist, aber plötzlich ca. 16% der Gesamtsumme dann ans Finanzamt abzugeben hat, muss er wirklich einen HAUFEN Arzneimittel verkaufen, bevor er den Verlust wieder rein holt. Bis dahin sind aber noch mehr Apotheken pleite.

    Ich bekenne übrigends freimütig: Zu DEN Konditionen, die Spahn vorschlägt, will ich NICHT impfen! An einer Grippeimpfung „verdiene“ ich mit viel Glück 1€. An einer TD-Pur ca. 7€. Dafür einen mehrseitigen Beratungsbogen durchzugehen, Notfallmedikamente einzukaufen und vorrätig zu halten, ein Beatmungsgerät und Sauerstoff anzuschaffen (und ersteres regelmäßig warten zu lassen), und last but not least alle 1 bis 2 Jahre teure und zeitaufwendige Weiterbildungen mitzumachen – das rentiert sich nicht. Es kann nicht angehen, dass immer alles bei deutschen Apotheken schon „inklusive“ im Arzneimittelpreis ist! Und beim impfen erst recht nicht. Wenn die Kassen mir nichts dafür bezahlen wollen, dann hab ich das eben nicht. Ist wie mit vielen Hilfsmitteln – können wir nicht mehr machen, haben wir nicht, bekommen wir nicht mehr rein. PUNKT.

    Übrigends zum Thema „Pille danach“. Ich habe den Beratungsbogen der BAK für meine Bedürfnisse angepasst und erweitert. Ich ziehe da jedes mal eine Beratung durch, die mindestens 10min dauert. Da ich keine „Beratungsgebühr“ nehmen darf, habe ich den Preis dafür nach Freigabe der Rx-Pflicht in den (nun frei kalkulierbaren Preis der Pille als OTC) eingepreist. Wenn ich die Abgabe ablehne, kostet es nix extra. Und ich sage den Preis VOR dem Gespräch – wem das zu teuer bei mir ist, der kann das auch VOR dem Gespräch sagen. Wer die „Pille danach“ bekommt, bezahlt die Beratung mit. (Ich hatte auch schon Beschwerden darüber, aber das ist mir egal. Freie Marktwirtschaft und so.)
    Ich fand es eh eine Ober-Schweinerei, dass mit Abschaffung der Rx-Pflicht die Hersteller den Einkaufspreis erhöht und den (empfohlenen) Verkaufspreis gleich gelassen haben, so dass ich bei wesentlich mehr Arbeitsaufwand noch zusätzlich einen wesentlich kleineren Verdienst haben soll(te). All inclusive, aber bitte billig billig billig. [facepalm]
    Wer die fragliche „Pille danach“ übrigends auf ein Privatrezept bekommt, zahlt bei mir dann den empfohlenen Verkaufspreis, denn ich brauchte ja keine Beratungsleistung zu erbringen, und der Arzt wurde ja – von wem auch immer – auch bezhalt. Dieses Vorgehen halte ich für fair – und mein Aufschlag dürfte immer noch weit unter den Kosten für ein Beratungsgespräch beim Arzt liegen.

    Gefällt 1 Person

    1. Dein Vorgehen bei der Pille danach ist ziemlich analog meinem hier in der Schweiz. Nach dem was ich gelesen habe, halten es aber (leider) nicht alle so.
      Und dass Du unter „den“ Voraussetzungen nicht impfen willst, ist auch klar.

      Like

  4. „da sie die Apotheker dann als Konkurrenz ansehen und nicht mehr als Mitstreiter im Gesundheitswesen“

    Das, liebe Pharmama, sag mal den Apothekern hier in der Gegend. Da wird inzwischen so aggressiv gegen unsere SD agiert, immer mehr Patienten auf Apobezug abgeworben. Meine SD ist in diesem Jahr um rund 15% eingebrochen. Parallel zu den Verlusten aus dem TARMED-Eingriff war das echt happig.

    Like

    1. Nun (ich bin jetzt böse) … aber die SD war ja auch nicht der Ur-Zustand, auch die Abgabe in der Apotheke hat Vorteile für den Patienten …
      Aber abgesehen davon: Das mit dem TARMED-Eingriff ist echt übel. Und ich bin sicher, dass die meisten in der Bevölkerung das nicht mitbekommen haben. (Ich selber nur am Rande). Änderungen in der Tarifstruktur? Spezialisten wieder mal bevorzugt vor Allgemeinmediziniern und Hausärzten? Kannst Du die Auswirkungen auf deine Praxis erläutern?

      Like

      1. „die SD war ja auch nicht der Ur-Zustand“

        Jau, aber die ach-so-umfangreiche SD hier im Kt SO wird ja immer wieder gerne als Begründung für den niedrigen Taxpunktwert von nur 0.84 herangezogen.

        Was den Tarifeingriff angeht: vor allem die Deckelung der Hausbesuchsdauern, der Konsultationsdauern und der Leistungen in Abwesenheit des Patienten haben ein grosses Loch gerissen. Hätten wir in 2018 nicht haufenweise neue Patienten gewonnen, hätten wir jetzt echt ein Problem.

        Like

        1. Hi Flo, ich muss jetzt mal nachfragen: Habe ich das in Deinem Post richtig gelesen, dass die Krankenkassen echt bei Euch in der Schweiz gegenüber Euch Schweizer Ärzten argumentieren, dass sie für Eure ärztlichen Leistungen weniger bezahlen möchten/werden, WEIL ihr ja noch einen Zusatzverdienst durch die Selbstdispensation habt? Ich würde mich über eine kurze Antwort von Deiner Seite aus freuen.

          Ich selbst sehe es aus deutscher Sicht so: Die Krankenkassen werden beim Thema Impfen den Apothekern weniger zahlen als sie den Ärzten zahlen. Beim Thema Dispensation werden die Krankenkassen den Ärzten weniger zahlen als sie den Apothekern zahlen.
          So spielt man geschickt beide Berufsgruppen gegeneinander aus.

          Like

          1. „Habe ich das in Deinem Post richtig gelesen, dass die Krankenkassen echt bei Euch in der Schweiz gegenüber Euch Schweizer Ärzten argumentieren, dass sie für Eure ärztlichen Leistungen weniger bezahlen möchten/werden, WEIL ihr ja noch einen Zusatzverdienst durch die Selbstdispensation habt?“

            Genau. In den Kantonen, die keine SD haben, ist der Taxpunktwert dementsprechend höher.

            Like

Was meinst Du dazu? (Wenn Du kommentierst, stimmst Du der Datenschutzerklärung dieses Blogs zu)

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..