… oder: ein Einblick in das Schweizer Gesundheitssystem.
Die Frau bringt mir 3 Rezepte und 3 Kassabons.
Sie hat die Medikamente (nicht rezeptpflichtiges) ohne Rezept gekauft.
„Könnten Sie mir das Geld dafür zurück geben und das der Krankenkasse abrechnen?“
Hmm … ich mache das gelegentlich. Hauptsächlich dann, wenn ein Patient etwas gleich braucht und sowieso zum Arzt geht, dann kann er sich beim Arzt dafür ein Rezept ausstellen lassen. Aber bei frei verkäuflichen Sachen, wie die, die auf den Quittungen stehen empfehle ich das eigentlich niemandem, denn: Das Rezept ausstellen lassen kostet beim Arzt auch etwas. In den meisten Fällen lohnt sich das nicht wirklich. Und dann ist da noch die Sache mit der Franchise … aber dazu kommen wir noch.
Jetzt … sind aber 2 der 3 Kassabons nicht von unserer Apotheke.
Das mag ich dann gar nicht, denn das bedeutet hauptsächlich erst mal, dass ich da ausser der Arbeit gar nix dran habe.
Für eine Stammkundin, die das woanders holen musste, weil wir zu dem Zeitpunkt geschlossen hatten (selten, wir haben echt lange Öffnungszeiten), würde ich das machen. Aber … die Frau ist noch nicht mal bei uns im Computer erfasst. Sie hatte noch nie ein Rezept bei uns, keine Kundenkarte oder ähnliches.
Ich könnte jetzt sperren, aber ich bin ja nett und kundenfreundlich.
„Haben Sie mir die Krankenkassenkarte?“ frage ich
„Weshalb?“
„Nun, wenn Sie wollen, dass ich Ihnen dafür das Geld zurückgebe und das via die Krankenkasse abrechne, dann brauche ich die dafür.“
Sie fängt an in ihrem Portmone zu suchen und findet nichts.
„Sie könnten natürlich auch einfach die Quittungen an die entsprechenden Rezepte hängen und das so selber der Krankenkasse einsenden. Dann bekommen sie auch ihr Geld dafür zurück.“
Die Frau verzieht das Gesicht. „Ich weiss noch nicht einmal, ob ich die Franchise erreicht habe“ meint sie.
Die Franchise ist der Teil, den man erst mal selber bezahlt. Sie ist frei wählbar bei Vertragsantritt und erst ab erreichen der Franchise zahlt die Krankenkasse die Medikamente oder Untersuchungen / Behandlungen.
Pharmama: „Nun, wenn Sie sie nicht erreicht haben, dann bekommen Sie, wenn ich das der Krankenkasse einschicke, wieder eine Rechnung von der Krankenkasse dafür. Wenn Sie es selber einschicken, wird es zusammengerechnet und Sie bekommen gegebenenfalls das Geld zurück.“
Das ist – in meinen Augen – unnötiger Ping-Pong und genau die Art Bürokratischer Aufwand, der vermeidbar wäre.
Frau: „Ich weiss nicht, wie man das macht, selber einschicken.“
Pharmama: „Oh, das ist einfach: Sie packen einfach die Rezepte zusammen mit den Quittungen in ein Couvert mit der Adresse der Krankenkasse drauf und schreiben eine kurze Notiz mit Ihrem Namen und vielleicht noch ihrer Versichertennummer dazu.“
Frau: „Das ist mir zu aufwändig. Machen Sie das.“
Pharmama: „Dann brauche ich jetzt die Krankenkassenkarte.“
Frau: „Ich habe sie nicht dabei – ich gehe rasch meinem Mann telefonieren.“
Und geht, noch bevor ich ihr sagen kann, dass sie nicht nur den Kassen-Namen, sondern die 21stellige Nummer braucht, die drauf ist.
Es geht nicht lange, dann kommt sie zurück.
Frau: „Es ist die Assura.“
Oookayyy … dann brauche ich die Nummer gar nicht ….
Pharmama: „Diese Krankenkasse hat keinen Vertrag mit den Apotheken. Ich kann also nicht direkt mit der Krankenkasse abrechnen. Da bleibt ihnen nichts übrig als die Rezepte und die Quittungen so, wie ich gesagt habe selber einzuschicken.“
Frau: „Aber man hat mir gesagt, dass das geht mit dem Geld zurück und dass Sie das direkt mit der Krankenkasse abrechnen!“
Pharmama: „Im Normalfall ist das auch so. Aber: es gibt Ausnahmen bei den Krankenkassen. Das ist eine davon. Dasselbe gilt für die Intras, die Supra, die Compact …“
Die Frau verzieht noch mehr das Gesicht, packt ihre Rezepte und Quittungen zusammen und geht wieder.
Ja, sieht so aus, als wäre ich wieder die Böse. Wenn sie mir nicht glaubt, kann sie es ja noch in den anderen beiden Apotheken versuchen, wo sie die anderen Quittungen her hat.
Fällt mir auf, dass ich gar nicht so weit gekommen bin, sie auf das Problem hinzuweisen.
Und dann ist noch die Frage, ob sie auch eine Zusatzversicherung hat, denn nicht alle Medikamente (speziell wenn sie frei erhältlich sind) werden von der Grundversicherung übernommen.
Die war nicht alt, die Frau. Und Schweizerin. Und trotzdem keine Ahnung von unserem Gesundheitssystem und keine wirkliche Übersicht über ihre eigenen Ausgaben oder Leistungen der Kasse.
Da sie dafür vom Arzt Rezepte hat ausstellen lassen, wird sie dafür auch zahlen, der Arzt schickt einfach eine Rechnung später – also hat sie mehr Ausgaben gemacht als nötig / sinnvoll. Und vom Aufwand mal ganz abgesehen …

naja, wer keine Arbeit hat, macht sich welche :P Blöd nur, wenn ihr das ausbaden müsst. Aber sie muss doch mal irgendwann diesen Vertrag abgeschlossen haben, oder? Und in der Regel bekommt man da Unterlagen, wo so wichtige Sachen drin sind.. Also theoretisch.. Praktisch scheint das Nachsehen (und selber Denken hust) doch schwierig zu sein …
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Jaaa … da sieht man mal wieder, wer das so liest (Antwort: wenig genug). Ich selber habe die am Anfang, als ich gewechselt habe, einmal durch gearbeitet, seither auch nicht mehr, aber … ich weiss ja von der Arbeit auch viel, wie das geht.
Vielleicht sollte ich mal einen Post schreiben: so funktioniert das Schweizer Gesundheitssystem (Teil Apotheke – Medikamente – Krankenkassen)
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Ja, ich glabe auch. Viele Deiner Leser kommen nicht aus der Schweiz. Mich eingeschlossen.
Für uns wäre es sicher ziemlich hilfreich. Und bei Deinem Schreibstil wäre es sicher für alle unterhaltsam :)
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Das ist eben genau der Denkfehler, die Kurzsichtigkeit: Ich bezahle nichts, also ist es gratis. Dass hier zahlreiche Ressourcen unnötig verpuffen, erkennt die Dame nicht: Deine Zeit, die Zeit des Sachbearbeiters, die administrativen Kosten. Aber Hauptsache, ich kann 10 Franken sparen, und nach mir die Sintflut.
Genauso läuft es bei uns auf dem Notfall. Immer wieder werden Personal, Zeit, Labor- und andere Kosten völlig unnötig verschwendet, einfach nur, weil man zu faul ist, sich einen Hausarzt zu suchen oder Termine abzumachen – wozu auch, wenn ich auf den Notfall gehen kann, wann immer es mir passt? Aber dann über steigende Prämienkosten motzen. Herrlich.
(übrigens: krabkebkasse? :D )
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das musste ich jetzt suchen. Ups – da habe ich doch im gleichen Wort gleich 2 x danebengehauen. Ich geh‘ mich jetzt kurz schämen und das korrigieren…
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nun ja, manchmal ist die Schuhgrösse eben größer als der IQ…Ironieoff und
ganzschnellweckduckundaucheinbischenschämengehenfürdiefrechheitdaszuschreiben
gibt es in allen Ländern, Altersklassen und Geschlechtern (und Haarfarben ;-))
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Kunden sind komische Leute…
Nicht nur in Apotheken. Ich habe früher in Tankstellen gearbeitet, da sind die Kunden auch teils ziemlich komisch.
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kann ich mir vorstellen :-)
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Naja ganz ehrlich, was meine Kasse zahlt und was nicht durchblicke ich auch nicht. Bei meiner Schilddrüsen-Dauermedikation muss ich z.B. was zuzahlen, aber meine Migränetabletten übernimmt die Kasse komplett. Ich hab keinen Schimmer warum das so ist, und ich will auch nicht die Zeit der Apothekerin dafür beanspruchen dass sie mir das eventuell erklärt.
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Krankenkassen-Mathematik und Krankenkassen-Logik in der BRD haben NIX mit dem zu tun, was ein gesunder Menschenverstand unter Mathematik und Logik versteht.
Ich sag meinen Kunden immer, dass sie ihr Gehirn mal kurz ausschalten solle in den Bereichen, wenn ich ihnen so Dinge wie Zuzahlung, Festbetrag und Mehrzahlung erkläre…
Festbetrag ( = FB):
Die gesetzlichen Kassen (= GKV) legen für bestimmte Wirkstoffe in bestimmten Stärken und Menge je einen Preis fest, den sie bezahlen. Will der Hersteller mehr, muß der Patient die übersteigende Summe als
Mehrzahlung
bezahlen, eventuell zusätzlich zur
Zuzahlung:
Eigentlich 10 Prozent des Arzneimittel (= AM)-Preises. Liegt der Preis aber unter 50 Euro, sind es 5 €, liegt der Preis unter 5 €, zahlt der Patient nur den Preis des AM. Liegt der Preis über 100 €, sind es 10 € Zuzahlung.
Wenn der Preis aber eine bestimmte Spanne (weiß ich gerade nicht genau und hab keine Lust, in den Paragraphendschungel zu steigen) unter dem FB liegt, kann die einzelne Kasse auf die Zuzahlung verzichten – das machen dann aber nicht alle einzelnen Kassen und nicht immer für alles…
Zusätzlich darf die GKV Hausarzt-Modelle oder Disease-Management-Programme anbieten, bei denen dann auch evtl. die Zuzahlungen wegfallen können…
Was im Endeffekt dazu führt, dass das gleiche AM für einen Patienten was kostet und für den anderen nicht.
Die Mehrzahlung fällt übrigens auch bei befreiten Personen (auch Kindern) an.
Und eigentlich muss der Verordner die Patienten vorher darauf hinweisen!
Zuzahlungsbefreiung:
Muss bei der GKV unter Angabe sämtlicher Einkommensverhältnisse beantragt werden.
Manchmal müssen auch erst mal alle Belege gesammelt werden, bis die Belastungsgrenze erreicht wird.
Ach ja, und das Geld für Zuzahlung/Mehrzahlung verbleibt NICHT in der Apotheke, es wird mit den Zahlungen der GKV für die AM an die Apotheke verrechnet.
So, jetzt dürft ihr eure Denkmaschine wieder anwerfen. Ich hoffe ich habe genug Klarheiten beseitigt ;-)
Falls noch Fragen sind:
Glaubt nicht, dass die Sofas (Sozialversicherungsfachangestellten) eurer Versicherung im Callcenter euch gültige Auskünfte über Preise oder Zuzahlungen geben (können oder wollen). Die haben meist keine gültige Lauer-Liste vorliegen sondern nur eine Ro.te Lis.te,die 14 Tage nach Drucklegung veraltete Preise enthält.
Fragt lieber in der Apotheke eures Vertrauens in einer ruhigen halben Stunde.
Oder hier.
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