MiGeL Updates – jetzt mit 2 HVB!

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Die MiGeL – Mittel-Gegenstände-Liste … bleibt ein Thema. Sie wird zunehmends komplizierter, sie listet immer noch auf, was zu wie hohem Preis maximal von der Versicherung übernommen wird, aber es gibt immer mehr Einschränkungen, Limitationen und Differenzierungen. Alleine 2021 gab es 6 MiGeL Änderungen. Es ist schwierig da aktuell zu bleiben, aber wichtig für die Arbeit in der Apotheke.

Bisherige MiGeL-Artikel zum nachlesen:
zum weitergruseln: die MiGeL Änderungen (2019)
Au weh – Pflege und MiGeL (und Spitex!) (2018, wurde jetzt Okt 2021 wieder geändert)
MiGeL oder Mich gruselt es langsam? (2018)
Sparpotential auf dem Rücken der Apotheken (2017)

Hier ein paar der (für die Apotheke relavanten) Änderungen der letzten Zeit:

In der neusten MiGeL wurden die Mietpreise für Inhalationsgeräte weiter gesenkt. Seit einer der älteren Änderung dürfen sie nur vom Lungenarzt verschrieben werden und wir allgemein immer weniger verlangt … Aber bei nur noch 20 Rappen, die die Apotheke pro Tag verlangen darf (für maximal 90 Tage), dürften kaum noch Apotheken das anbieten. Vorher war der Mietpreis bei CHF 1.15. Immerhin … wir dürfen noch eine Pauschale von 25 Franken bei der Rückgabe verrechnen. Auf der anderen Seite gibt es da eine Menge Inhalationsgeräte mit neuen Technologien, die man auf Rezept verkaufen darf … das wird jetzt attraktiver.

Verbandsmaterial: Alle mit Silber beschichteten Wundverbände werden nicht mehr vergütet. (Aber die Silber-Salben die in der Spezialitätenliste sind schon noch). Der Preis pro Kompresse bei Wundverbänden ist weiter runter gegangen. Von manchen Kompressen wird nun pro Packung unter einem Franken vergütet … der Rest ist selbst zu bezahlen, respektive falls vorhanden kann es noch über die Zusatzversicherung versucht werden oder es gibt eine Rechnung.

Wärmetherapie: es werden nur noch 2 Stück wiederverwendbare Wärmetherapiekissen pro Jahr vergütet. HBV CHF 10.60/Stück kleine und CHF 18.90 für grosse (ab 300cm2). Alle nur einfach zu gebrauchenden Pflaster fallen da nicht mehr drunter. Also kein Thermacare mehr auf Rezept (und auch keine Capsicain-Pflaster) – das ist alles nicht wiederverwendbar.

Krückenmiete: Mieten ging ja nur noch für Kinderkrücken – jetzt wurde dort die Grundgebühr gestrichen und dafür der Mietpreis pro Tag etwas erhöht (auf CHF 1.15) und eine maximale Mietdauer von 6 Wochen eingegeben.

Pulsoxymeter (max 1) zur ambulanten Überwachung von akuten Covid-19-Patientinnen und -Patienten zuhause, Kauf
Limitation: Nur für Covid-19-Patientinnen und -Patienten, welche mindestens eines der folgenden Kriterien aufweisen:
Bestehende Schwangerschaft, Bestehende Vorerkrankung, welche einen schweren Verlauf von Covid-19 begünstigen kann (Bluthochdruck; Herz-
Kreislauf-Erkrankungen; Diabetes; Chronische Atemwegserkrankungen; Krebs; Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen;
Adipositas Grad III (morbid, BMI ≥ 40 kg/m2), Relevante körperliche Beeinträchtigung durch Covid-19, so dass als Alternative nur eine Hospitalisation möglich wäre

Immer noch nicht drin in der MiGeL (und häufig verschrieben von den Ärzten): Blutdruckmessgeräte. Der Patient kann versuchen die Rechnung dafür selber einzuschicken. Viele verzichten dann einfach auf den Kauf oder holen sich etwas billiges vom Discounter.

Blutzuckerteststreifen haben seit der Änderung im April 21 diese Limitation: Bei nicht insulinpflichtigen Diabetikern max. 200 Reagenzträger pro Jahr. Man will offenbar einschränken, dass nicht exzessiv gemessen wird bei den Diabetikern, die nur Tabletten nehmen. Dafür wird ein Ausnahmekatalog aufgeführt, wann doch mehr vergütet wird:
In speziellen medizinisch begründeten Fällen kann bei folgenden Indikationen bis maximal die doppelte der genannten Anzahl Reagenzträger
pro Jahr vergütet werden (mindestens eine der folgenden Indikationen muss erfüllt sein):
– Einstellungsphasen (höhere Anzahl Reagenzträger während 6 Monaten), – HbA1C > 7.5 % bei Personen mit wenigen koexistierenden chronischen Krankheiten und intakter kognitiver Funktion, – HbA1C > 8 % bei Personen mit mehrfach koexistierenden chronischen Erkrankungen, kognitiven Beeinträchtigungen oder Pflegebedürftigkeit, – Therapie mit Medikamenten mit erhöhtem Hypoglykämierisiko, – Maturity Onset Diabetes of the Young (MODY), – Mitochondrialer Diabetes, – Diabetesbeginn vor dem Alter von 30 Jahren, – Hämoglobinopathien, bei welchen die HbA1C-Bestimmungen nicht verlässlich sind

Aber die grösste Änderung: Es gibt jetzt 2 Höchstvergütungsbeträge (HVB) für fast jedes gelistete Produkt, je nachdem, ob die Mittel von Privatpersonen oder im Heim durch Fachpersonal angewendet werden.

Für die Apotheken heisst das, dass wir an die Krankenversicherungen der OKP rechtmässig den „HVB Selbstanwendung“ verrechnen dürfen, da wir als sogenannte „nichtberuflich an der Untersuchung oder Behandlung mitwirkende Personen“ gelten. Auch für Patient:innen, die durch eine Krankenpflege oder Hilfe zu Hause (Spitex eingeschlossen) behandelt werden, gilt das, da wir in der Apotheke nicht zur Sicherstellung der Anwender:in des Pflegematerials verpflichtet sind. Bewohnende einer Institution, die nicht direkt an die Krankenkassen abrechnen, sowie Patienten von Kliniken zur Rehabilitation, Kur und Akutbehandlung gehören ebenfalls dazu und erlauben die Verrechnung des «HVB Selbstanwendung» durch die Apotheke.

Was man für die Anwendung im Heim abgibt, hat nun einen niedrigeren HVB. Einerseits ist es schön, dass die Sachen wie Verbandsmaterial, Katheter etc. nun endlich wieder für die Spitex von der Krankenkasse übernommen wird. (Man erinnere sich: vor ein paar Jahren hiess es, dass das auch bei denen bei der Hauspflegehilfe mit den Pflegepauschalen die sie bekommen bezahlt sei). Andererseits habe ich nun das Problem, dass ich nicht weiss, ob das Heim (Altersheim, Wohnheim) in dem der Patient wohnt, schon der Krankenkasse die Pflegepauschalen verrechnet und ich die niedrigere HBV anwenden muss. Eigentlich müsste der Patient mir das selber mitteilen … und ob der da informiert ist? Ich kann nach der offiziellen Heimliste des Kantons gehen – aber auch dann habe ich das Problem: auf der Krankenkassenkarte ist nicht angegeben „Heim X“, sondern nur die Adresse wo Heim X steht. Eigentlich müsste ich also all die Adressen der Heime im Kopf haben und aufmerksam werden, wenn ein Patient kommt.

Frage an die mitlesenden Apotheker: wie macht ihr das?

Doktor „Spiele“

Probleme mit Ärzten oder Praxen haben wir selten, aber doch immer mal wieder. Unangenehmerweise diesmal mit einem Arzt ziemlich in der Nähe.

In der Schweiz gibt uns das HMG die Möglichkeit Rezepte zu verlängern … also zum Beispiel bei einem einmaligen Rezept eine Wiederholung zu machen (wenn es nicht grad Liste A oder ein Betäubungsmittel ist). Oder ein Dauerrezept zu verlängern – um maximal 1 Jahr tatsächlich. Bei uns in der Apotheke machen wir von diesen Möglichkeiten Gebrauch, aber mit Augenmerk. Zum einen weil ich überzeugt bin, dass es sinnvoll ist, wenn der Arzt den Patienten zumindest einmal im Jahr sieht (ja, auch bei chronischen Sachen)  und zum anderen, weil ich der Meinung bin, das der Patient selber für seine Gesundheit Verantwortung übernehmen sollte – und dazu gehört auch, beim Arzt vorbeizuschauen und neue Rezepte zu organisieren. Auf Wunsch und Möglichkeit besorgen wir natürlich Rezepte beim Arzt oder machen Vorbezüge. Aber … da ist dieser eine Arzt und der hat einige Patienten, denen er einfach keine Dauerrezepte ausstellt. WIr haben ausserdem gelernt, dass wir bei ihm keinerlei Vorbezüge mehr für die Patienten machen. Nicht einmal mehr nach telefonischer Rückfrage vorher bei der Praxis … das nachdem uns der Arzt geweigert hat ein Rezept auszustellen und sich beklagt hat, dass seine Praxisassistentin (die wir am Telefon hatten) gar nicht das Recht gehabt hatte das zuzusagen. Das habe nur er und er geht nicht ans Telefon, wenn er Patienten hat.

Das ist ausserdem genau die Praxis, die es regelmässig nicht schafft, uns ein Rezept zukommen zu lassen. Wir sind dafür erreichbar via Fax (ja, immer noch) und via E-Mail, wenn man es nicht per Post (kostet) oder von Hand (persönlich) rüberschicken will. An was das liegt habe ich noch nicht herausgefunden. Unser Faxgerät und E-mail funktionieren. Die restlichen Ärzte, Spitäler und die Spitex schaffen es uns zu kontaktieren … aber diese eine Praxis nicht. Unser Fax ginge nicht. Das gesendete email kommt nicht an. Immer wieder. Dass sie es gelegentlich an eine falsche E-Mail Adresse schicken wissen wir, weil wir bei unserem technischen Dienst angefragt haben, wo das Problem liegen könnte (irgendwie können die das feststellen). Ich habe der Praxis auch schon mails geschrieben mit der Bitte um Antwort auf diese Adresse und auch der Angabe der Faxnummer. Das Antwortmail kam, das Fax nicht (zuviel Aufwand offenbar). Beim letzten Mal hat es nach 5 Tagen hin und her mit der Patientin dann endlich geklappt, nachdem wir angerufen und unsere E-Mail-Adresse buchstabiert (!) haben. Interessanterweise ist das Rezept für ihren Mann am ersten Tag angekommen, einfach ihres nicht (mehr), trotz Nachfragen von uns und ihr.

So. Nach der Vorgeschichte jetzt zur Story, weshalb ich mich dank der Praxis habe anschreien lassen von einem Patienten.

Er hat erst mal seine Frau vorgeschickt, um etwas abholen zu lassen. Weil sie meiner Kollegin nicht glaubte habe ich es ihr noch einmal erklärt: Für das Mittel, das der Mann will hat er kein Rezept mehr. Der Arzt hat (obwohl der Patient es regelmässig braucht) kein Dauerrezept ausgestellt. Ich habe schon eine Wiederholung auf das letzte, einmalige Rezept gemacht. Bei diesem Arzt (ja, dem von oben) kann ich keine Vorbezüge machen. Bitte nehmen Sie selber mit dem Arzt Kontakt auf damit er uns ein Rezept schickt. Hier ist unsere Karte. Nein, da kann ich es nicht verlangen, das müssen Sie tun.

Erstaunlicherweise bekommen wir das Rezept schon nach einer knappen halben Stunde zugemailt von der Praxis. Mit dem gewünschten Medikament. Es ist wieder kein Dauerrezept. Tatsächlich steht sogar NR (nicht repetieren) drauf.

Ich bin grad dabei es auszuführen, als der Mann in die Apotheke stapft (wütend?). Ohne Maske. Meine Kollegin gibt ihm eine Maske und er fängt schon laut an, wo sein Medikament bleibt, was für eine Frechheit es sei, dass er sein Mittel hier nicht einfach bekommt, immerhin habe er ein Rezept …

Ich drücke der Kollegin das Mittel in die Hand und sage ihr nur, dass sie ihn darauf hinweisen soll, dass das kein Dauerrezept ist, ansonsten haben wir das nächste Mal wieder dasselbe Problem.

Oh boy – Das wollte er gar nicht hören. Der Grundtenor war, dass wir eine miese Apotheke sind, weil wir ihm sein Mittel vorenthalten wollen. Er wird so laut, dass schliesslich ich nach vorne gehe und versuche ihm das zu erklären. Nämlich, dass faktisch nicht wir es sind, die ihm das Mittel vorenthalten, sondern sein Arzt. Klar kann ich ihm eine Kopie des Rezeptes geben. Da steht halt immer noch nicht drauf, dass es ein Dauerrezept ist (weil es keines IST, im Gegenteil: NR) und es ist vermerkt, dass das Mittel schon abgegeben wurde.

Irgendetwas scheint aber doch angekommen zu sein von dem was ich gesagt habe (in wesentlich niedrigerer Lautstärke als er), denn zum Abschluss meinte er nur „OB ich ihm da etwa vorschlage, dass er den Arzt wechselt?!“

Naja, das oder die Apotheke – aber auf das Theater kann ich echt verzichten.

Ganz Cool: Nachdem ich mich zurückgezogen habe und er noch ein paar letzte Worte loswerden musste bei der Kollegin fragt er sie, wie der Chef hier heisst (wohl um sich zu beschweren). Meint sie: „Das ist Pharmama, diejenige, die sie vorhin so angegangen sind.“

… Denkpause. Dann: „Na, das ist dann Euer Verlust.“ Abgang.

Sehe ich anders.

Vermeide das K-Wort

Ich bin noch etwas „schuldig“ vom Twitter-Tag. Die Geschichte, die mich mit einem etwas üblen Nachgeschmack und ziemlich nachdenklich hinterlassen hat, die aber zu lange war für die 140 Zeichen-Folge.

Dafür muss ich etwas ausholen. Seit letztem November oder so sind wir von der Swissmedic (dem Kontrolldienst für Medikamente in der Schweiz) angehalten, Patienten, die Blutdruckmedikamente mit dem Inhaltstsoff Hydrochlorothiazid nehmen – das ist vor allem in Kombinationsmitteln enthalten – darauf hinzuweisen, dass es da neue Erkenntnisse gibt.

Meldung der Swissmedic:Die Zulassungsinhaberinnen … informieren:

  • Pharmakoepidemiologische Studien haben ein erhöhtes Risiko für nicht-melanozytäre Malignome der Haut (NMSC) in Form von Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen unter zunehmender kumulativer Exposition gegenüber Hydrochlorothiazid (HCTZ) gezeigt.
  • Patienten, die HCTZ allein oder in Kombination mit anderen Arzneimitteln anwenden, sind über das NMSC-Risiko aufzuklären und anzuweisen, ihre Haut regelmässig auf jegliche neu aufgetretenen Läsionen sowie Veränderungen vorhandener Läsionen zu kontrollieren und jegliche verdächtigen Hautveränderungen zu melden.
  • Verdächtige Hautveränderungen sind zu untersuchen, gegebenenfalls mittels Biopsie und histologischer Analyse.
  • Patienten sind anzuweisen, sich nur begrenzt Sonnenlicht und sonstiger UV-Strahlung auszusetzen und bei Sonnen-/UV-Exposition angemessenen Lichtschutz zu verwenden, um das Hautkrebsrisiko zu minimieren.
  • Bei Patienten mit Malignomen der Haut in der Vorgeschichte ist die Anwendung von HCTZ möglicherweise sorgfältig zu überdenken

Oder in Kurz: Wahrscheinlich besteht ein erhöhtes Risiko für (empfindliche) Personen, die das Blutdruckmedikament mit HCT über längere Zeit einnehmen, dass sie Hautkrebs bekommen.

Und das sollen wir ihnen jetzt erklären bei der Abgabe – möglichst ohne sie so zu verunsichern, dass sie das Medikament absetzen, das wäre nämlich akut ein grösseres Gesundheitsrisiko.

Nun habe ich also am Mittwoch diese wirklich alte Patientin, die mit der hilfreichen Nachbarin in die Apotheke kommt und ein Bilol comp von ihrem Dauerrezept holen kommt (das ist Bisoprololi fumaras (2:1); Hydrochlorothiazidum). Also hole ich es, schreibe es an und sage bei der Abgabe:

„Ich soll neu zu diesem Medikament sagen, dass es möglicherweise vermehrt Hautveränderungen machen kann – vor allem, wenn man an die Sonne geht. Bitte schützen Sie sich gut vor der Sonne und kontrollieren Sie von Zeit zu Zeit ihre Haut auf Veränderungen.“

„Was?“ fragt mich die alte Frau. Ich hätte daran denken sollen, dass sie schwerhörig sein könnte. Also schaue ich ihr in die Augen und sage deutlich noch einmal:

„Das Medikament kann Hautveränderungen machen … „

Und genau da sehe ich etwas. Auf ihrer Nase. Da ist eine Läsion die für mein Mittel-geübtes Auge deutlich nach einem Basaliom aus. Erhabener Rand, perlig schimmernd, Loch in der Mitte – und schon fast 1cm Durchmesser. Mist. Also stolpere ich etwas, fahre dann aber weiter:

„…So wie das auf ihrer Nase. Das sollten Sie unbedingt von ihrem Arzt anschauen lassen!“

Sie beginnt sofort abzuwinken: „Ach was, ich will nicht zum Arzt. Mir gehts gut. Das ist reine Zeitverschwendung“

„Ja, aber diese Hautveränderung … das wird tiefer werden …“

„Neinnein, das geht schon.“

Die Nachbarin, die bis jetzt ruhig daneben gestanden hat und die ich fast vergessen habe:

„Hör doch auf die Apothekerin! Ich habe Dir auch schon gesagt, dass Du das zeigen gehen sollst. Das sieht wirklich nicht gut aus.“

„Ach was, das macht doch nichts … das ist schon eine Zeit so.“

„Ja – aber das könnte Hautkrebs sein …“ (Da. Ich hab’s gesagt. Das K-Wort, das man eigentlich vermeiden sollte. Aber wie mache ich ihr sonst deutlich, dass das bei ihr etwas „dringenderes“ ist?) „Und ich würde mich wirklich besser fühlen, wenn ich weiss, dass sie das abklären lassen.“

Sie liess sich nicht überzeugen. Hat sie mich wirklich verstanden? Akustisch und intellektuell? Die Nachbarin meinte noch beim Rausgehen, dass sie versuchen würde etwas auf sie einzuwirken. Aber es hat mich schon etwas nachdenklich gemacht. Gut – sie ist alt. Über 90. Aber ausser dass sie nicht mehr so mobil ist und etwas schwerhörig ist sie noch ziemlich fit. Jetzt kann man wohl noch (relativ einfach) etwas machen. Später wird das schwieriger.

Einer der Hautärzte hat in einer Weiterbildung letztens gemeint: „Nun, das ist jetzt böse, aber die Frage ist: ‚Wie krebsfrei soll die Leiche denn sein‘?“ – denn es ist nicht unüblich, dass im Alter (aus verschiedenen Gründen) mehr Krebsarten auftreten und man muss nicht zwingend alles und alle behandeln.

Und auch meine Kollegin meinte: „Vielleicht würde ich in dem Alter auch nicht mehr zum Arzt wollen.“

Trotzdem. Das Gefühl danach war nicht wirklich schön. Ich würde mich besser fühlen, wenn ich wüsste, dass sie sie Entscheidung da nichts zu machen trifft, wenn sie die Konsequenzen davon wirklich kennt.

Und irgendwie bin ich mir da nicht so sicher.

Weshalb ich dafür kein Dosett richten darf.

Muss ich das verstehen? Wir haben einen Dosett-Patienten übernommen (zu uns gezügelt), dessen Dosett ich nicht vollständig richten darf.

Zur Erläuterung: er bekommt Medikamente von 2 Ärzten verschrieben, einem Hausarzt und einem Psychiater. Das ist im Normalfall kein Problem, wir haben noch andere mit Medikamenten von verschiedenen Ärzten – wir erstellen einfach einen Rüstplan für alles zusammen. Teurer wird das auch nicht – ab 3 regelmässig genommenen Medikamenten pro Woche bezahlt die Krankenkasse die Pauschale von 21 Franken fürs richten.

Hier ist das aber ein Problem: Die Medikamente vom Hausarzt darf ich in das Dosett richten, die Medikamente vom Psychiater (Selbstdispensierend) nicht. Ich habe beim Arzt nachgefragt – immerhin scheint er stabil eingestellt zu sein und selbst wenn nicht: bei einem Wechsel sind wir einigermassen schnell.

Nein, ich darf nicht, er (der Psychiater) will die Medikamente weiterhin selbst abgeben, da er dann mehr Kontrolle darüber hat, ob der Patient sie auch nimmt.

Ja, klar. Weil der Patient sie dann sicher nimmt? Abgeben ist nicht gleichbedeutend wie nehmen. Weiss jeder, der Medikamente wieder retour nimmt zum entsorgen. Ich kann gar nicht sagen, was ich da alles ungbraucht (oder nur einzelne Tabletten entnommen) wöchentlich entsorgen muss.

Und in die Dosette richtet es der Arzt (oder die MPA) selber auch nicht.

Ich habe dem Patient angeboten, dass er uns die vom Arzt abgegebenen Medikamente bringt, dann würden wir sie auch einfüllen. Heh- alles für eine bessere regelmässige Einnahme der Medikamente! Wollte er auch nicht – dann müsste er noch öfter kommen.

Schade.

Switcheroo Two

Ihr erinnert Euch vielleicht noch an Herrn Oblidat? Gestern hat er wieder angerufen. Der sehr komplizierte Patient meint am Telefon, nachdem er etwas vom Rezept bestellt hat: «Ich habe da noch ein grosses Problem. In der einen Packung Tabletten, die ich von ihnen bekommen habe, sind andere drin.»

Pharmama: «Wie meinen Sie das?»

Herr Oblidat (H.O.): «Ja, in den Komm-dro-sulf Tabletten, die schreiben sich mit C wie …»

Pharmama: «Alles klar, ich kenne die. Die Condrosulf.»

H.O: «Ja, die für die Gelenke? Also, da ist eine von diesen silbrigen Plättchen, wo die Tabletten drin sind, da sieht man ja nicht rein …»

Pharmama: «Die Blister.»

H.O.: «Nennt man die Verpackung so? Jedenfalls, da waren ganz andere Tabletten drin.»

Huh? Seltsam.

Pharmama: «Oh. Das ist nicht gut. Aber hier am Telefon kann ich nicht viel machen. Könnten Sie die ganze Packung, so wie sie ist vorbeibringen, damit ich das anschauen kann?»

H.O.: «Nein, das ist gar nicht gut! Wer weiss was das ist? Das könnte gefährlich sein. Wenn Sie mir da etwas gegeben haben, das … »

Irgendwie steigert er sich da in etwas rein?

Pharmama: «Deshalb will ich das anschauen.»

H.O.: «Gut, ich bringe sie mit, wenn ich das andere abholen komme.»

Nachmittag. Er bringt mir die Packung Condrosulf.

Sie ist angebraucht (war zu erwarten) und zwar nicht ganz neu. Etwa die Hälfte der Blister ist noch drin. Ein Blister sieht nicht nur anders aus, er ist abgeschnitten worden. Auf der Rückseite erkenne ich gerade noch ein /12.5 und die Firma: Takeda.

Das ist definitiv nicht Condrosulf. Es ist aber auch eine ganz andere Firma und dazu nur ein halber Blister. Kaum möglich, dass das von der Firma untergemischt wurde.

Ich habe keine Patienten-Retouren gehabt die wieder in die Schubladen versorgt wurden. Und falls das vorher passiert ist (bei unserem Lieferanten) wäre es sehr ungewöhnlich, dass er das erst jetzt merkt.

Aber ich habe schon eine Vermutung. Herr Oblidat ist ja allgemein etwas verwirrt. Die Chance ist gross, dass die Untermischung ihm selber passiert ist. Also schaue ich in sein Patientendossier im Computer. Und finde da «Blopress plus 32/12.5mg» von Takeda.

Ich zeige ihm die Packung, die ich hier habe.

H.O.: «Das sind Tabletten, die ich auch habe!»

Pharmama: «Ja, genau. Und sehen Sie hier die Blister von denen …»

Sehen genau so aus, wie der von ihm entdeckte.

H.O.: «Oh, das muss das sein. Vielleicht habe ich am Morgen im Halbschlaf …  Darf ich mal die Tabletten anschauen?»

Das ging leider nicht, die Blisterpackungen sind inzwischen durchgehend Alu – ich konnte sie ihm nur in der App des Kompendiums zeigen und eine von dem Blister den er mitgebracht hat herausdrücken.

Er war noch nicht ganz überzeugt: «Die Tabletten, die ich zu Hause habe, sind aber grösser, da bin ich ziemlich sicher.»

Pharmama: «Ich denke, es sind wirklich die, aber gehen Sie doch nochmals nachschauen.»

Er geht.

Später am Tag bekomme ich wieder einen Anruf:

H.O.: «Ich muss mich entschuldigen, da habe ich wohl einen Sturm im Wasserglas ausgelöst. Es sind die Blopress plus. Meine Tabletten sehen genau gleich aus. Ich habe sie wohl am Morgen falsch eingepackt.»

Gut konnten wir das klären.

Ich schätze das übrigens sehr, dass er sich da entschuldigt hat. Einige andere Patienten hätten selbst dann noch versucht, den Fehler woanders zu suchen.

Datenschutz als Verzögerungstaktik

In Wien montieren sie dutzende Namensschilder an Häusern ab – weil jemand reklamiert hat, dass das dem Datenschutzrecht widerspricht. Keine Ahnung, wie die Post in Zukunft da den richtigen Briefkasten finden will, aber bei uns in der Schweiz sind Namensschilder an Klingeln etc. anscheinend sogar vorgeschrieben. Jedenfalls: Es herrscht allgemeine Verwirrung, was den Umgang mit „persönlichen Daten“ betrifft … das stimmt auch in der Schweiz. Auf der anderen Seite wird der Datenschutz auch hier gerne als Vorwand genommen. Aktuelleres Beispiel:

Vor 3 Wochen bekam ich ein Rezept zugefaxt von der Onkologie des Spitals für einen Patienten. Das Medikament ist ein teures Krebsmittel, für das mir unser Computersystem meldet, dass es für die Übernahme durch die Krankenkasse eine Kostengutsprache benötigt. Da der behandelnde Arzt das veranlassen muss, rufe ich dort an. Der ist überhaupt nicht erfreut ob meinem Anruf und versucht mich erst mal abzuwimmeln mit der Aussage, dass er das schon verschiedene Male verschrieben habe und die Kasse das im Normalfall übernimmt. Es sei ja ein notwendiges und wichtiges Medikament und ausserdem habe er keine Zeit für noch mehr Bürokram. Ich stimme ihm zu (absolut!), trotzdem brauche ich für die Abrechnung mit der Kasse diese Bestätigung. Ich kam mit ihm überein, dass er der Krankenkasse den Antrag übermittelt und mir das zukommen lässt, dann gebe ich das Medikament ab, ohne dass der Patient das gleich bezahlen muss. Ausserdem verspricht er mir, die Bestätigung zuzuschicken, sobald sie sie haben, was etwa 2 Wochen dauern sollte. Wir geben das Medikament rechtzeitig zu Behandlungsbeginn ab.

3 Wochen später (nach meinen Ferien) und der Patient bringt ein Dauerrezept für eben dasselbe Medikament … und ich habe immer noch keine Kostengutsprache bekommen.

Wieder rufe ich im Spital an und muss den anwesenden Arzt nerven (einen anderen) – er zeigt sich einsichtig, aber kann mir nicht weiterhelfen, er hat selber heute schon fast eine Stunde am Telefon mit der Krankenkasse verbracht und auch sie haben die Kostengutsprache noch nicht zugeschickt bekommen. Zumindest hat er den Vermerk noch drin, dass, falls sie kommt, man sie uns zuschickt.

Ich rufe also der Krankenkasse an. Ich nenne Patientenname, Geburtsdatum zur Indentifikation und frage, wie es mit der Kostengutsprache steht.

Krankenkassenfräulein (Krakaf) zirpend: «Die ist immer noch in Abklärung»

«Was», sage ich – «nach 3 Wochen? Der Patient hat schon eine Packung bekommen – und ich muss wissen, bevor ich das weiter abgeben kann, ob sie das übernehmen. Heute noch. Er braucht morgen die nächste Packung.»

Krakaf  (zirpend): «Moment»

Warteschlaufe.

Eine andere Mitarbeiterin der Krankenkasse (Krakaf2) meldet sich. Ich erkläre ihr nochmal mein Anliegen und dass ich die Kostengutsprache dringend benötige.

Krakaf2: «Ja, ich sehe in den Unterlagen, dass der Entscheid da ist.»

Pharmama: «Oh, sehr gut, dann können sie mir das faxen.»

Krakaf2: «Nein, das geht nicht»

Pharmama: «Wieso nicht?»

Krakaf2: «aus Datenschutzgründen».

Pharmama: «Was? Das ist doch Unsinn, was hat das mit Datenschutz zu tun? Ich habe ja alle Daten schon hier: Patient, Geb.Datum desselben, Krankenkasse, Arzt und Rezept und Behandlung / Medikament – und ich brauche von Ihnen nur die Bestätigung, dass sie als Krankenkasse das Medikament auch übernehmen.»

Krakaf2: «Tut mir ja leid, aber ich darf das nicht an sie schicken, da sie kein Leistungserbringer sind.»

Pharmama: «Wie bitte?!?!»

Da bin ich dann doch etwas lauter geworden – immerhin BIN ich der Leistungserbringer: ICH (als Apotheke) gebe das Medikament ja an den Patienten heraus und gehe dafür in Vorauszahlung!

Warteschlaufe. Ich koche leise vor mich hin. Dass in der Zwischenzeit wegen so Mist andere Patienten, die hier sind warten müssen, macht mich nur noch ärgerlicher.

Krakaf2 ist dann etwas zurückgerudert und hat gemeint, sie dürfen die Kostengutsprache Bestätigung nur an den Arzt schicken. Sie könne mir die Bestätigung allerhöchstens mündlich geben … und würde das heute noch ins Spital faxen.

Zu mehr war sie nicht zu bewegen, mit allen Argumenten nicht.

Also habe ich die Bestätigung mündlich bekommen, wobei sie sich noch immer anhörte als sei das reiner Goodwill von ihnen. Praktisch nützt mir das aber gar nichts, wenn sich die Krankenkasse danach umentscheiden sollte – ich habe da gar nichts in der Hand.
Am nächsten Morgen habe ich von der Onkologie die Kostengutsprache bekommen.

Happy End für alle – und ich hoffe, die Therapie schlägt beim Patienten an.

Aber echt jetzt: Aus Datenschutzgründen? Meiner Meinung nach hier ein reiner Vorwand und Verzögerungstaktik – zu Lasten des Patienten. Das übrigens von derselben Krankenkasse die eine Zeit lang keine Adresse des Patienten auf dem Krankenkassenkärtchen gespeichert hatte. Vielleicht sollten sie wirklich mal intern einen Datenschutzbeauftragten ernennen, der sich darin ausbildet und den Rest der Angestellten instruiert?