Kein Ausnahmefall

Nach dem neuen Heilmittelgesetz, das in der Schweiz in … wie nennt man das … Vernehmlassung(?) Revision(?) ist, sollen die Apotheken vermehrt Liste B Medikamente (also eigentlich rezeptpflichtige) abgeben können, ohne dass sie dafür ein Rezept brauchen. In der Presse ist das teils jetzt schon drin mit sehr irreführenden Titeln wie: „Apotheker sollen mehr Medikamente verschreiben dürfen“ (Quelle)

Umm … wir verschreiben gar keine Medikamente. Das dürfen und machen nur Ärzte. Wenn die Krankenkasse ein Medikament übernehmen soll, dann muss es vorher auch auf einem Rezept stehen.

Was stimmt ist: wir dürfen (schon jetzt) „in begründeten Ausnahmefällen“ rezeptpflichtige Medikamente ohne Rezept abgeben. Dass das hier dann auch nur gemacht wird, wenn sich der verantwortliche (!) Apotheker der Sache sicher ist, dürfte einigermassen klar sein. Es ist dabei immer eine Einzelfall-Entscheidung, ein Abwägen von Nutzen und Risiko, oder anders gesagt: Was kann passieren, wenn ich das gebe geben was kann passieren, wenn ich das nicht gebe?

Was es sicher nicht ist, ist ein „Recht“, das der Patient da hat, dass er das Medikament auch von mir bekommt. Er kann immer noch (jederzeit) zum Arzt und es sich verschreiben lassen – wenn der das für Sinnvoll erachtet.

Trotzdem kommt es gelegentlich zu solchen Diskussionen:

Frau um die 50 in der Apotheke: „Weshalb bekomme ich in anderen Apotheken auch rezeptpflichtige Sachen ohne Rezept und hier nicht?“

Pharmama: „Hmmm. Vielleicht weil Sie dieses spezielle Medikament noch nie in einer anderen Apotheke verlangt haben, weder auf Rezept noch ohne. Aber es ist so: Ich kann ihnen das Paspertin nicht geben.“

Frau: „Warum?“

Pharmama: „Ich erkläre es Ihnen gerne: Sie hatten es noch nie. Die Empfehlung Ihrer Freundin genügt da nicht. Es gibt rezeptfreie Alternativen, die auch gut sind für Ihre Magenprobleme.“

Frau:Weshalb bekomme ich das von ihnen nicht?“

Pharmama: (Noch einmal) „Weil dieses Medikament rezeptpflichtig ist. Das hat seinen Grund. Ausserdem steht das hier momentan unter verstärkter Beobachtung, da schon öfters üble Nebenwirkungen aufgetreten sind. In Deutschland haben sie letztes Jahr sogar die Tropfen vom Markt zurück gezogen und nach den neuen Richtlinien in Europa soll das auch nur jeweils wenige Tage angewendet werden.“

Frau: „Aber das ist Europa – wir sind hier in der Schweiz!“

(Man sollte denken, die Leute wären dankbar, dass man ein Auge hat auf die Sicherheit von Wirkstoffen auch ausserhalb unseres kleinen Gärtchens Schweiz, aber: Neeeinn…)

Pharmama: „Ja. Wenn Sie vom Arzt ein Rezept dafür besorgen dann kann ich es Ihnen geben … vorher nicht.“

Frau: „Aber woanders habe ich auch schon rezeptpflichtiges ohne Rezept bekommen!“

(Seufz)

Pharmama: „Ich mache das gelegentlich auch. Aber in Ihrem Fall ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis einfach nicht so, dass ich dafür die Verantwortung übernehmen möchte. Wenn Ihnen etwas passiert, bin ich schuld, weil sie es von mir haben. Es gibt sichere und wirksame Alternativen, die sie von mir bekommen können. Das hier jetzt nicht.“

War das jetzt klar genug?

27 Kommentare zu „Kein Ausnahmefall

  1. „Frau: „Aber das ist Europa – wir sind hier in der Schweiz!““

    :D :D :D

    …jetzt stelle ich dir 1 Packung Beruhigungs-Triazolam, 1 Schreibtischreinigung und 1 Kaffee in Rechnung…

    Auf Dauerrezepte stempelt die Apotheke ja gerne einen Vermerk, damit bei der folgenden Einlösung nach der Verträglichkeit gefragt wird. Gibt es für die Ärzte eigentlich die Möglichkeit, auf ein Rezept gleich draufzuschreiben, wie oft es wiederholt werden dürfe, und unter welchen Bedingungen?

    Like

    1. Auf Dauerrezepte stempelt die Apotheke ja gerne einen Vermerk, damit bei der folgenden Einlösung nach der Verträglichkeit gefragt wird.

      Eine etwas ähnliche Frage stellt man in der Apotheke regelmässig bei allem. Bevor die Aufklärungsbotschaft gestartet wird, wird man gefragt, ob man das Medi kennt. Oft kann ich dann dem Frolein sogleich ihre wohlgemeinte Bemühung rechtzeitig beenden, wenn ich sagen kann, dass ich es schon seit Jahrzehnten kenne und nutze.

      Gruss
      Thomas

      Like

    2. Wirklich interessant fand ich dabei ja, dass sie selber höchstwahrscheinlich nicht Ursprungsschweizerin ist.
      Zu Deiner Frage: das können die Ärzte drauf schreiben. Entweder indem sie drauf schreiben: Dauerrezept bis am …. / oder X Monate (wenn nichts steht ist es hier herum 6 Monate gültig) oder X Mal bis am …. oder jeden Monat 1 Packung etc.

      Like

      1. Ist dann also ein zehn Jahre lang gültiges Dauerrezept möglich? So dass es in der Verantwortung des Patienten liegt, für sein Problem jeweils das Medikament zu holen, und sobald er eine Veränderung seiner Lage spürt, muss er abklären lassen, ob sein Medikament noch die richtige Behandlung darstellt?

        Like

        1. Die Diskussion hatte ich letzthin wegen einem 2 Jahres-Dauerrezept. Ich war der Meinung, dass das nicht möglich ist, der Arzt schon … Naja, die Antwort liegt (wie üblich) irgendwo dazwischen. In der Schweiz ist das kantonal geregelt, wie lange ein Dauerrezept gültig sein kann. Im Normalfall ist das zwischen 6 Monate bis 1 Jahr. Es gibt aber Kantone, die Dauerrezepte bis 2 Jahre zulassen.
          Grosses ABER: die Krankenkasse hat in ihrem Vertrag (LOA) mit der Apotheke drin, dass Dauerrezepte (maximal) 1 Jahr gültig sind. So lange, wie ein Rezept allgemein gültig ist und eingelöst werden kann. Das heisst: Nach dem Jahr müssen sie nicht mehr zahlen …
          Es macht aber durchaus Sinn, dass man zumindest 1 x im Jahr beim Arzt vorbeischaut und die Dauermedikation kontrollieren lässt. 2 Jahre finde ich auch schon lange.

          Like

  2. Wirklich irreführend ist der Titel des verlinkten Artikels nicht. Oder wo ist der Unterschied, ob der Arzt oder der Apotheker die Bewilligung für den Erhalt eines rezeptpflichtigen Medikamentes gibt? Der eine gibt die Bewilligung mittels Rezept, der andere ohne Rezept. Ob man zweiteres nun juristisch formal als Verschreibung oder nicht als Verschreibung bezeichnet, ist schlussendlich nur Wortklauberei.
    Im Übrigen gibt es auch beim Arzt kein Recht darauf, ein bestimmtes Medikament verschrieben zu bekommen.

    Like

    1. Naja. für mich ist eine Verschreibung etwas schriftliches, konkret vom Arzt.
      Und du hast Recht: auch der Arzt verschreibt etwas nur, wenn es sinnvoll ist und er es verantworten kann.

      Like

    1. Europa war die Tochter des phönizischen Königs Angor, und eine Geliebte des Zeus – na gut, so viele Geliebte hatte der ja nicht… – und letzterer entführte sie, als Stier getarnt, nach Kreta, wo sie mit seiner tatkräftigen Mithilfe die Kinder Minos, Rhadamathys und Sarpedon gebar. (Also können wir davon ausgehen, dass Zeus sehrwohl mal in Europa war… ;-) ). Von Unterhaltszahlungen seitens Zeus sowie Babyjahr oder Erziehungswochenenden berichtet die Mythologie nicht. Daraus folgt messerscharf: „Nicht in Europa zu sein“ ist biologisch sehr einfach…

      Des weiteren gibt es eine Insel im Kanal von Monsambique, zahlreiche Schiffe (Liste hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Schiffen_mit_dem_Namen_Europa ), einen Asteroiden im Hauptgürtel und natürlich den Jupiter-Mond. Aber dann hieße es korrekt: „Wir sind hier nicht AUF Europa.“

      Nicht zu vergessen natürlich die Rakete „Europa“, der Sportwagen „Lotus Europa“ sowie dessen Nachfolger „Lotus Europa 2006“. Auch in diesen dreien NICHT zu sein fällt nicht weiter schwer.

      „Nicht in Europa zu sein“ scheint also wesentlich einfacher als „in Europa zu sein“. Wenn die gute Dame natürlich meinte, sie befinde sich in der Schweiz nicht innerhalb der Grenzen des KONTINENTS Europa (also letzthin sowohl „in Europa“ als auch „auf Europa“), so irrt sie sicherlich. Dass sie sich dabei nicht in der „Europäischen Union“ aufgehalten hat, mag tatsächlich richtig sein (auch wenndie Schweiz von der EU geradezu umzingelt ist und man sich deshalb innerhalb der Schweiz je nach Definition auch immer innerhalb der EU befindet kicher), dies hat aber nur sehr begrenzt etwas mit dem „Kontinent Europa“ zu tun – zumindest wenn ich mir die Ausläufer des britischen „Commenwealth“ oder – ich kanns nicht besser sagen – die französischen ex-kollonial-Inseln anschaue, die auch immer noch zur EU gehören. Und dass die Schweiz zumindest teilweise der „Europäischen (Witschafts)Gemeinschaft“ angehört und sich die gute Dame da nur durch Grenzübertritt noch lange nicht der EG entzogen hat… nun ja.

      Aber ganz ehrlich: Das Leben heutzutage ist schon verdammt kompliziert… =8-P

      Like

      1. Rah! Aber: Danke Knick. Was sie sicher sagen wollte ist, dass die Schweiz nicht zur EU gehört. In wievielten Vorschriften und Gesetzen, wir uns aber schon an der orientieren (müssen) wird halt gerne verdrängt …

        Like

  3. Auf die Aussage „woanders habe ich auch schon rezeptpflichtiges ohne Rezept bekommen“ könntest du auch erwidern, wenn Sie mir sagen, welches Medikament das war (offensichtlich war es ja nicht das gleiche), in welcher Apotheke und unter welchen Umständen, dann kann ich Ihnen vielleicht erklären, warum es damals ging. Das ändert aber nichts daran, dass es mit diesem Medikament und diesen Umständen hier nicht geht. (Extrapolation ist nicht immer zulässig ;-) )

    Like

  4. Wahrscheinlich wird es beim Kunden schon daran scheitern, dass er oder sie nicht mehr weiss, wie das Medikament damals hiess.

    Like

  5. Und die Nebenwirkung denkt sich dann „Ups, nee. Das hier ist die Schweiz. Hier darf ich nicht auftreten. Nebenwirkungen immer nur in der EU.“ Oder wie stellte sie sich das vor?

    Like

  6. Ich benötige ab und zu Paspertin um meine Verdauung so weit zu beruhigen, dass ich meine Medikamente behalten kann und bekomme deshalb vom Arzt bei bedarf einen Blister für meine Hausapotheke. Da Paspertin ja nicht ständig genommen werden sollte, frage ich mich, weshalb es nur 50er Grosspackungen und schnell verderbliche Tropfen gibt?

    PS: Revision wird der gesammte Prozess beim überarbeiten eines bestehenden Gesetzes genannt. Vernehmlassung wird die Umfrage zu Beginn genannt (2009/2010 beim HMG Teil2).

    Like

    1. Paspertin bzw. MCP gibt es als Filmtabletten in Einheiten zu 20 Stück, 50 Stück und 100 Stück. Woher hast Du die Information, dass es nur 50er Packungen geben würde?

      Like

      1. Ups, sorry, Schweiz. Bei Euch ist wirklich die 50er Packung die kleinste Einheit. Wobei die 50er Packung bei Euch billiger (ca. 10 Euro) ist als die 20er Packung in Deutschland (12,50 Euro). Wenn Dir der Arzt für 2 Euro auseinzelt, kann ich ihn verstehen.

        Like

    2. Das dürfte dann in der Schweiz sein. Was mich natürlich dazu bringt zu fragen, wieviel der Arzt denn für die fraktionierte Abgabe des Medikamentes berechnet …
      (und so verderblich sind die Tropfen nicht).

      Like

      1. bei Euch gibts das noch als Tropfen? …. der beste Beweis, dass die Schweiz NICHT „Europa“ist :-)))

        Like

        1. Jaaa – oder, dass sie langsamer sind beim vom Markt nehmen. Aber … eigentlich nicht. In wichtigen Fällen kann das sehr schnell passieren. MTC Tropfen wurden aber auch nie so viel verschrieben hier.

          Like

      2. Komisch, auf dem Rückvorderungsbeleg, den ich von der letzten Abgabe bekam, ist weder Paspertin, noch etwas aufgelistet, das diese Medikamentenabgabe sein könnte. Da es sich bei meinem Arzt um ein Ambulatorium eines grossen Spitals handelt und die meisten PatientInnen dort (wie ich) sehr regelmässig Tabletten brauchen, gehe ich davon aus, das die Paspertin Abgabe alltäglich ist. Trotzdem, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein verschreibungspflichtiges Medikament nicht verrechnet wird. Bei der nächsten Kontrolle werde ich mal nachfragen.
        Ich habe einen so robusten Magen, dass 10 Tabletten länger als ein Jahr reichen und finde deshalb 6 Monate haltbare Tropfen als ungeeignet für mich.

        Like

Was meinst Du dazu? (Wenn Du kommentierst, stimmst Du der Datenschutzerklärung dieses Blogs zu)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..