Aber was, WENN?

17.4.12

Eine Patientin hat ein neues Schmerzmittel verschrieben bekommen hat: Tramal Tropfen. Die Schmerztherapie bei ihr ist … etwas schwierig. Sie hat diverse Allergien, verträgt teilweise keine Brausetabletten, von anderem bekommt sie wahlweise Magenschmerzen, Schwindel oder eben Hautausschlag.

Jetzt also zusätzlich Tramal, was im Moment zu funktionieren scheint. Sie hat die Packung am Donnerstag bekommen und soll 3 mal täglich je 15 Tropfen nehmen. Tatsächlich nimmt sie aber im Moment 3 x täglich je 5 Tropfen – weil sie langsam anfangen will. Sie ist ja so empfindlich.

Gut, solange es ausreicht für ihre Schmerzstillung.

Am Freitag ruft sie an, um zu sagen, dass das funktioniert (schön). Sie steigere jetzt langsam – auf 3 x 7 Tropfen.

Am Samstag ruft sie an, weil sie eine zweite Packung will.

Pharmama: „Was? Was ist passiert? Sie müssten noch mehr als genug haben.“

Frau: „Ja, das hat die Praxisassistentin von Dr. Pain (wo sie die Tropfen verschrieben bekommen hat)  auch gesagt. Sie sagt, der Arzt ist im Wochenende und er kann im Moment keine 2. Packung aufschreiben. Darum rufe ich an – kann ich davon einen Vorbezug haben?“

Pharmama: „Aber warum wollen sie jetzt schon eine 2. Packung? Sie haben gerade eben mit der ersten angefangen.“

Frau: „Ja, und es funktioniert auch. Aber … jetzt ist es Wochenende und damit es sicher reicht bis Montag“

Pharmama: „Sie nehmen jetzt wie viel? 10 Tropfen 3 x täglich?“

Frau: „7 Tropfen, vielleicht 8 morgen.“

Pharmama: „Und das Fläschchen hat 10 ml. In einem ml sind etwa 20 Tropfen drin. Das reicht läääängstens.“

Frau: „Aber …. was, wenn mir das Fläschchen umfällt? Es ist so klein!“

Pharmama: „Ist ihnen schon einmal ein Fläschchen umgefallen? Das hat so einen Tropfverschluss, da läuft nicht viel raus, bis sie dazu kommen es wieder aufzunehmen.“

Frau: „Aber … was wenn es mir herunterfällt und kaputtgeht?“

Pharmama: „Alle Eventualitäten kann und muss man nicht abdecken … und : das ist schon reichlich unwahrscheinlich.“

Frau: „Aber was, wenn ….“

Pharmama: „Wenn das wirklich vorkommt, dann können sie noch die anderen Mittel, die sie schon gegen Schmerzen nehmen.  Und sonst: Heute sind wir noch bis abends um 6 Uhr da – dann können sie annrufen. Ansonsten gibt es den medizinischen Notdienst mit der Nummer … und die Apotheke, die Notfalldienst hat, das ist morgen die …. – an die können sie sich auch wenden.“

Übrigens: es ist nichts passiert.

Aber am Montag nachmittag kam der Fax vom Arzt für das 2. Fläschchen.

mit „M“ wie Mysteriöse Packung

Eine Frau kommt in die Apotheke auf der Suche nach einem speziellenProdukt.

Frau: „Ich kam gerade hier vorbei und da mir meine Freundin ein Produkt empfohlen hat, dachte ich ich komme rein und schaue mal, ob sie das haben.“

Pharmaassistentin (PA): „Wissen Sie wie das Produkt heisst?“

Frau: „Ich bin nicht sicher, ich denke, es fängt mit einem „M“ an“

PA: „Ok, und wissen sie für was es gebraucht wird?“

Frau: „Oh, äh, nicht wirklich. Aber ich bin ziemlich sicher, dass es mit „M“ anfängt.“

PA: „Haben Sie eine Ahnung, wie die Packung aussieht?“
… sie versucht wirklich der Frau zu helfen.

Frau: „Nein, meine Freundin hat es mir nie gezeigt. Sie hat es mir nur empfohlen.“

Die PA die ganz offensichtlich nicht wissen kann, um was für ein Produkt es sich handelt, basierend auf der extrem limitierten Beschreibung der Kundin, gibt die Frage an die Kundin zurück: „Sie suchen also nach einem Produkt, das mit „M“ beginnt, sie haben keine Ahnung, für was es gebraucht wird und auch nicht, wie die Packung aussieht?“

Frau (bestimmt): „Ja!“

Die PA, nun leicht amüsiert sagt: „Es tut mir leid, aber wir haben viele Produkte hier, die mit „M“ anfangen. Die werden für eine Vielzahl Beschwerden gebraucht und haben alle unterschiedliche Packungen. Sie werden ihre Freundin nach ein wenig mehr Info fragen müssen oder noch besser: lassen sie sich doch von ihr die alte Packung geben, dann kann ich ihnen hier auch helfen.“

Frau (in einem letzten Anlauf, damit sie nicht ein anderes Mal zurückkommen muss): „Sind sie sicher?“

PA: Ganz sicher.“

So natürlich wie irgend möglich

Vor ein paar Wochen: Eine Frau um die 40 kommt in die Apotheke und verlangt spezifisch die Apothekerin zu sprechen. In dem Fall: mich.

Sie fängt an mir etwas über den Schmerz in ihrem Knie zu erzählen. Ziemlich typisch bis dahin, aber dann beendet sie ihre Geschichte mit: „Warum?“

Ich erkläre ihr, dass wir kaum eine Möglichkeit haben, zu wissen, woher ihre Schmerzen kommen – es sei denn vielleicht, sie geht das Knie scannen.

Frau: „Oh, das ist eine gute Idee, könnten Sie das Knie für mich scannen?“

Pharmama: „Umm, nein, das kann ich nicht, dafür müssen sie zu einem Arzt oder besser noch, ins Spital. – Aber ich kann ihnen vielleicht etwas geben, gegen die Schmerzen. Zum Beispiel diese Salbe hier…“

Frau: „Nein, danke, ich mag keine Medikamente und chemischen Sachen. Ich hätte gerne etwas natürliches.“

Auch die Wallwurz Salbe kam nicht an – nicht natürlich genug. Und Homöopathie? Zu mainstream.

Na dann nicht. Sie ging dann nach langer, langer Zeit, ohne irgendetwas gekauft zu haben.

Und jetzt ist sie zurück und beklagt sich über ein Jucken.

Am liebsten würde ich ja sagen: „Sie suchen etwas natürliches, nicht? – wie wäre es mit kratzen?“

Ach – ich wünschte.

Tell me what you want, what you really, really want

Kommunikation als Informationsaustausch ist so wichtig. Auch in der Apotheke. Vom Personal und von den Kunden.

Hier zwei Beispiele, wie es nicht gemacht wird.

Die Pharmaassistentin bringt mir verschiedenes vom Dauerrezept nach hinten zum kontrollieren, das die Patientin bei ihr vorne verlangt hat. Aspirin cardio, Magnesiumbeutel ohne Zucker, Cholesterinmittel, Schmerzmittel. Alles angeschrieben. Ich kontrolliere, visiere und sie geht es abgeben.
Eine Minute später ist sie wieder da, mit einer Packung Magnesiumbeutel ohne Zucker (angeschrieben) und dem Rezeptausdruck: „Sie will zwei Magnesium.“
Okay. Kontrollieren, visieren, sie geht wieder nach vorne.
Zwei Minuten später kommt sie wieder. Mit 2 Packungen Magnesiumbeutel mit Zucker, angeschrieben und dem Rezeptausdruck. „Sie will jetzt die mit Zucker. Ich habe es auf dem Dauerrezept geändert. Sie will keine künstlichen Süsstoffe.“ Gesagt mit etwas Augenverdrehen.
„Wir können das ersetzen.“
„Ja, ich weiss – mich nervt nur … ich bin jetzt wegen ihr drei Mal hier und muss jedesmal im Computer das ändern, raussuchen, anschreiben, auf dem Rezept anschreiben und kontrollieren gehen. Das wäre in einem Mal und 5 Minuten weniger lang gegangen.“
Das ist übrigens nicht das erste Mal bei der Patientin. Bei ihr habe ich manchmal das Gefühl, sie macht das absichtlich.

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Oder der Herr Freitag Abend.
Wir sind nur noch zu zweit, als er in die Apotheke kommt. Ich begrüsse ihn freundlich und er schaut mich an und sagt. „Pflaster für Knie“ (keine weitere Info. Ok.)
Ich bringe ihn zu unserem Pflaster und Wundmaterial-Sortiment und zeige ihm die Pflaster, die speziell für Wunden am Knie sind …
„Ist es für sie selber?“
„Ja.“
„Das hier sind Pflaster für Schürfwunden und derartiges am Knie, sie sind speziell geformt, elastisch, damit man sich damit auch bewegen kann und man kann sie, wenn die Wunde sauber ist, auch 2-3 Tage drauf lassen.“
„Krankenkasse?“
„Ah, ich glaube nicht, dass die Krankenkasse die zahlt.“
„Ich habe ein Rezept.“
Wortkarg, der Herr, aber mir dämmert langsam etwas.
„Sie haben ein Dauerrezept?“
„Ja.“
„Wie ist der Name?“ – ich suche es heraus aus dem Computer und schaue, was er zum wiederholen hat das „Pflaster für Knie“ sein könnte.
„Die Flector?“ (Diclofenac Pflaster – gegen Schmerzen).
„Ja.“
Ich hole sie, schreibe sie an, gebe sie ihm.
Er: „Das ist für den Tag, wo die für die Nacht?“
Okay, nochmal Patientendossier aufgemacht. Liste durchschauen. Weiter unten werde ich fündig.
„Die Neurodol?“ (Pflaster mit Lidocain, einem lokal betäubenden Mittel)
Er zuckt die Schultern.
„Weisse Packung?“
Ich bringe sie ihm und es ist das richtige. Wiederholen, anschreiben, abgeben.
Er: „Ja. Blaue Packung für Tag, Weisse Packung für Nacht. Für Knie.“
„Genau. Könnten sie das nächste Mal das hier mitbringen?“ (Ich zeige auf die Dosierungsetikette der Packung) „Damit finde ich viel schneller, was sie brauchen.“
Er lächelt, nickt und wir verabschieden uns freundlich.
Hoffentlich geht das das nächste Mal besser.

So fängt es an.

Der Mann in der Apotheke steht mit Maske hinter der Plexiglasscheibe und murmelt auf mein freundliches „Guten Tag“ nur etwas wie „Kalanta“.

Ganze Sätze oder gar noch die Begrüssung werden ja heute echt überbewertet, aber mein Problem: Was will er?

„Entschuldigen Sie, könnten Sie das wiederholen? Was möchten Sie bitte?“

„Calentra!“

Nein, ich habe ihn nicht besser verstanden. Maske und Plexiglasscheibe helfen bei der Verständigung auch rein gar nicht. Nach noch einem Versuch nachzufragen: „Für was brauchen sie es denn?“ steht auch fest, dass der Mann kaum Deutsch kann. Leider auch kein Englisch oder Französisch, oder …

Ok – vielleicht klappt das: ich halte ihm Stift (frisch) und Notizpapier hin und bitte ihn: „Könnten Sie es mir vielleicht aufschreiben?“

Er schreibt:

Yup. Auch das hilft mir nicht weiter. Er schreibt tatsächlich noch schlechter als ein Arzt (Sorry).

Calendula? Calantura? Kalantra? Was??

Jetzt einigermassen verzweifelt hole ich die Kollegin zu Hilfe – vielleicht versteht sie ihn besser oder hat eine Ahnung, was er will.

Weitere 3 Minuten später haben wir es.

Er will einen Kalender! Klar – ist ja auch schon Oktober und die gibt’s schliesslich gratis in der Apotheke wie immer, oder?

Boah.

Volles Haar ist dir gegeben … (von der Apotheke?)

Telefon (momentan läuft ja viel mehr übers Telefon als „vorher“): „Pharmama, Apotheke?“

Männerstimme (MäSti): „Sind Sie Apothekerin?“

Pharmama: „Ja.“ (Und denke: wofür braucht er wohl unbedingt die Apothekerin – am Telefon?)

MäSti: „Oh gut. Ich habe ein Rezept für Regaine 5% vom Arzt.“

Pharmama: „Ja – das Mittel haben wir hier.“

(Es ist ein Mittel gegen Haarausfall und enthält Minoxidil. Das 5% ist bei uns für Frauen rezeptpflichtig, Männer bekommen es auch ohne. Das 5% wirkt nur die ersten paar Monate besser, danach kann „Mann“ auch auf das 2% wechseln. Als Lifestile-Medikament wird das von der Krankenkasse nicht übernommen – und es ist nicht gerade günstig und muss dauernd angewendet werden.)

MäSti: „Ich habe gelesen, das ist LPPV, wird also von der Zusatzversicherung übernommen.“

Pharmama: „Es ist auf der LPPV. Aber das ist die Liste, welche die Krankenkassen NICHT übernehmen. Auch nicht mit Zusatzversicherung. Dinge, die die Zusatzversicherung übernimmt sind auf der NLP.“

MäSti: „Aber ich habe extra im Internet nachgelesen, da steht, dass die Kassen die LPPV Produkte übernehmen.“

Pharmama: „Das stimmt leider nicht.“

Ich arbeite mit diesen Listen. Täglich. SL ist die Spezialitätenliste – das wird von der Krankenkassen Grundversicherung übernommen. NLP heisst Nicht-Listen-Pflichtig, das sind die Sachen die eventuell von der Zusatzversicherung übernommen werden. Was die Abkürzung LPPV bedeutet habe ich schon lange vergessen, aber ich weiss wenn ich das sehe: Keine Chance. Die Versicherungen bezahlen das nicht. Nie. Uns jedenfalls. Ich erkläre ihm das noch einmal. Auch dass das für die Generika gilt – von denen es noch eines gibt.

MäSti: „Oh. Sie sind nicht die erste, die das sagt, aber: ich suche eine Apotheke, die das für mich an die Krankenkasse abrechnet.“

(Er war aber noch nie bei uns.)

Pharmama: „Ich verstehe. Aber wir machen das nicht.“

MäSti: „Danke. Dann muss ich halt weitersuchen.“

(Ich hab da nicht viel Hoffnung, aber:) „Viel Glück!“

Etwas seltsam, der Anruf. Als typisches „Lifestile-Mittel“ wird das Minoxidil nicht übernommen … volles Haar ist halt nicht gerade wichtig für die Gesundheit. Vielleicht war es auch ein Test-Anruf? Mist. Dann habe ich vergessen, ihm die eine Variante zu sagen, wie das vielleicht doch ginge: dann nämlich, wenn er die Krankenkasse überzeugt, dass sie eine Kostenübernahme dafür ausstellt. Dafür muss der Arzt einen Antrag stellen und die Kasse die Übernahme schriftlich bestätigen. Damit könnte ich das dann theoretisch direkt der Krankenkasse abrechnen.