Krankenkasse in der Schweiz – schonungslose Einblicke

Frage: Muss ich in der Schweiz eine Krankenversicherung haben? Geht das nicht ohne?

Jede in der Schweiz wohnhafte Person (egal wie alt) muss obligatorisch eine Krankenversicherung haben. Die Grundversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben. Eltern zahlen für ihre Kinder. Der Arbeitgeber bezahlt die nicht und man ist auch nicht über ihn versichert. Wer finanziell schlecht dasteht kann Erleichterungen wie Prämienvergünstigungen von den Versicherern und dem Sozialsystem beantragen. Auch Einwanderer (legal oder nicht) haben ein Recht (und die Pflicht) bei einer Krankenkasse versichert zu sein. Solange man im Asylverfahren ist, wird der Bewerber einer Krankenkasse zugewiesen und die Prämien übernommen, nach einer Ablehnung muss man selber dafür sorgen.

Frage: Was ist der Unterschied zwischen Grund- und Zusatzversicherung?

Die Grundversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben. Nicht nur, dass man eine hat, sondern auch die Leistungen, die die Krankenkasse erbringen muss. Medikamente zum Beispiel werden von der Grundversicherung übernommen, wenn sie in der Spezialitätenliste stehen. Dort ist auch festgehalten, ob es Einschränkungen betreffend der Menge gibt, oder auf welche Diagnose hin sie übernommen werden. Für Sanitätsmaterial, Verbandsmaterial etc. sind die Dinge, die übernommen werden in der Mittel-und Gegenstandsliste festgehalten. Was nicht auf diesen Listen steht, wird also nicht von der Grundversicherung übernommen. Es kann aber von der Zusatzversicherung übernommen werden. (Muss aber nicht). Bei den Zusatzversicherungen sind die Krankenkassen sehr frei, was und wieviel sie bezahlen. (Bitte lesen Sie dazu die Versicherungsbedingungen). Mehr zum Thema: Wann/Was bezahlt die Krankenkasse?

Frage: Kann ich die Krankenkasse frei wählen?

Ja! Die Grundversicherung und ihre Leistung ist bei allen gleich und die Krankenkassen dürfen keinen ablehnen, der sie will. Sie versuchen allerdings schlechte Risiken durch (teils nicht legale) Methoden davon abzuhalten sie zu wählen. Schlechte Risiken, das sind die Leute, für die die Kasse erwartet, dass sie mehr zahlen muss: sehr kranke, alte, Schwangere … Zum Beispiel, indem sie den Kontakt erschwerden: wenn der nur via Internet möglich ist. Wenn sie einen ewig lange warten lassen am Telefon, wenn sie drohen, Rückzahlungen sehr spät zu machen, Briefe einfach nicht (rechtzeitig) ankommen … Im Gegensatz dazu sind „gute Risiken“ gesucht. Deshalb zahlen sie den Vermittlern (ja, diejenigen, die einen am Telefon um diese Zeit so nerven) auch gute „Kopfprämien“ – im Bereich von 2-3 Monatsprämien …

Vorsicht bei der Krankenkassen-Wahl: Die günstigsten Versicherungen lassen die Patienten alles in der Apotheke selber zahlen und dann selber von der Versicherung das Geld zurückverlangen. Hier mehr zur Frage: Soll ich die Krankenkasse wechseln?

Frage: Wie steht es um die Zusatzversicherung?

Die ist nicht gesetzlich verlangt, sie kann von Vorteil sein, weil dann mehr von der Krankenkasse übernommen wird – nach Erreichung der Franchise, teilweise, mit Ausnahmen … von „Unterdeckung“ wenn man die nicht hat kann aber keine Rede sein. Bei den Zusatzversicherungen ist die Krankenkasse frei, ob sie jemanden annimmt, für sie ist das lohnender als die Grundversicherung. Ab einem gewissen Alter bekommt man aber kaum eine neue Zusatzversicherung, deshalb kann es besser sein, die alte (so noch vorhanden und gewünscht) zu behalten und nur die Grundversicherung zu wechseln. Sie stellen dafür sonst sehr genaue Fragen zum Gesundheitszustand und erlauben es sich, entweder jemanden ganz abzulehnen oder Teile auszuschliessen. Zum Beispiel, dass sie für vorbestehende Erkrankungen dann nichts zahlen. Falschangaben zu machen ist da schlecht, da die Kasse sich, wenn das herauskommt auch weigern kann, da etwas zu bezahlen.

Die Krankenkassen können jederzeit (!) von sich aus die Zusatzversicherung künden … zum Beispiel, wenn man ein Gesundheitsproblem bekommt und sie auf einmal dafür viel zahlen müssen …

Frage: Brauche ich eine Unfallversicherung?

Ja, aber wenn man mehr als 8 Stunden in der Woche arbeitet, sollte man beim Arbeitgeber versichert sein. Bei der Unfallversicherung hat man übrigens einen geringeren Selbstbehalt, aber die zahlen auch wirklich nur die Sachen, die auch von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen werden und die in direktem Zusammenhang mit dem Unfall stehen – Unfälle müssen der Unfallversicherung gemeldet werden – erst dann wird etwas darüber genommen.

Frage: Ich bekomme nie etwas zurück von der Krankenkasse!?!

… Dabei bin ich bin schon Jahre bei derselben Versicherung und habe sie nie gebraucht, ich zahle immer meine Prämien, die werden jährlich höher und ich bekomme nie etwas zurück oder Geld von der Krankenkasse. Das ist unfair! Ja – aber keine Frage. Seien sie zufrieden und glücklich, wenn sie gesund sind und nichts oder nur wenig brauchen. Die Krankenkasse ist ja keine Sparkasse sondern eine Versicherung für den Fall. Das heisst, wenn Sie mal etwas haben, eine plötzliche Krankheit, Krebs, Hepatitis irgendwas übles, dann kann das sehr schnell sehr teuer werden heute. Krankenhausaufenthalte, Untersuchungen, Behandlungen, Medikamente … das geht heute sehr schnell in Bereiche von Zehntausenden Franken und mehr. Das kann man sich im Normalfall nicht leisten. Damit sie trotzdem die bestmögliche und angemessene Behandlung bekommen … dafür ist dann die Krankenkasse da. Sie machen ja auch keine Delle ins Auto, nur damit sie mal etwas von der Autoversicherung zurückbekommen, oder?

Frage: Was passiert, wenn ich die Prämien der Krankenkasse einfach nicht bezahle?

Sofortige Exekution. Nein, natürlich nicht. Die Krankenkasse kann einem nicht die Grundversicherung künden – auch weil das Gesetz vorschreibt, dass man eine haben muss. Aber (je nach Kanton) setzen sie einen auf eine „schwarze Liste“ und es werden dann wirklich nur noch Notfallbehandlungen übernommen. Eventuelle Zusatzversicherungen verliert man so sofort. Natürlich gibt das einen Eintrag ins Betreibungsregister mit allen möglichen Folgen für eine spätere Wohnungs- oder Arbeitssuche etc. Betreibungen aufgrund von Krankenkassenschulden haben übrigens eine ziemlich hohe Priorität.

Man kann in so einem Fall dann auch nicht einfach Ende Jahr die Grundversicherung wechseln – das geht erst, wenn die geschuldeten Prämien alle abbezahlt sind. Vorher muss einen keine neue Krankenkasse annehmen … und sie machen das auch nicht.

5 Kommentare zu „Krankenkasse in der Schweiz – schonungslose Einblicke

  1. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Krankenkasse (ohne Zusatzversicherung) bereit ist Produkte zu bezahlen, die sich nicht auf diesen Listen befinden, falls sie dabei deutlich Sparen. Mir bezahlten sie beispielsweise Grapefruitsaft (da ich damit weniger Medikamente brauche) und 50+ Sonnencreme (da ich ein hohes Hautkrebsrisiko habe).

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  2. Liebe Pharmama,

    du schriebst:

    Die Grundversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben

    und hast auch ausführlich elaboriert warum und weshalb. Ich habe deinen Ausführungen entnommen, dass das Schweizer und das deutsche System nicht sehr unterschiedlich sind, nur frage ich mich:

    Sie machen ja auch keine Delle ins Auto, nur damit sie mal etwas von der Autoversicherung zurückbekommen, oder?

    Macht ihr das nicht in der Schweiz? „Ich komm mal vorbei zum Rammen“ hält sich in Niederbayern hartnäckig.

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  3. Interessante Ausführungen! Ein paar Fragen dazu:

    1) gibt es Ärzte, die jemanden mit Grund-oder gar Zusatzversicherung nicht behandeln? Nur Privatabrechnung – ist die irgendwie geregelt oder gibt es nach oben keine Grenze?

    2) Gut, Patient X hat Grundversicherung und – nehmen wir mal an – Diabetes Typ 1 und starken Bluthochdruck. Zahlt er den Beitrag nicht, kann er dann bis in the year 2525 trotzdem mit Behandlung rechnen?

    3) Die Zusahlung bei Medikamenten kann ja bei teueren Produkten recht heftig sein – gibt es da soziale Abfederung – wenn ja, wie?

    Würde mich einfach mall interessieren… :-)

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    1. 1) das gibt es. Aber eher selten. Als mein Kuschelbär operiert werden musste am Rücken hat er zumindest einen Teil selber zahlen müssen. Die Versicherung übernahm was im Vertrag mit dem Spital stand (grundpauschale?) aber nicht das, was der Arzt verlangt hat … Das wussten wir vorher. Wenn er da nicht zugestimmt hätte, hätte ein Assistenzarzt oder so die Operation nach Tarif schon gemacht …. Es gibt sicher auch Ärzte die gar keinen Vertrag mit den Krankenkassen haben und wo man dann alles zahlen muss.

      2) ja. Insulin und Blutdruckmedikament wird weiterhin übernommen, da das unter Grundversicherungsleistung fällt (und beides lebensnotwendig ist).

      3) Schweiz: keine Zuzahlung. Wir kennen hier den Selbstbehalt und die Franchise. Die Franchise ist der Teil, den man erst mal selber zahlt, bevor die KK überhaupt etwas übernimmt. Das ist wählbar zwischen 300 und 2500 Franken. Der Selbstbehalt beträgt 10% des Medikamentenpreises (20% bei teuren Originalprodukten) … Aber auch die zahlt man nicht bis nach oben offen. Das ist pro Jahr auf (glaub?) 700 Franken gedeckelt. Das ist wirklich super, wenn man mal Krebsmittel oder Hepatitis-Medikamente braucht, in anderen Ländern landet man mit sowas im Privatkonkurs.

      Von meinem iPad gesendet

      >

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  4. Das ist gut erklärt, vielen Dank. Als Neuling, der noch nicht weiss, welche Einzelheiten bei der Krankenversicherung in der Schweiz zu berücksichtigen sind, helfen mir solche Artikel sehr. Gerade das mit den Krankenkassenprämien hatte ich bisher noch nicht zu hundert Prozent verstanden.

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