Die Folgen der Selbstdispensation

Selbstdispensation nennt man es, wenn die Ärzte die Medikamente nicht nur verschreiben, sondern gleich abgeben / verkaufen. Das ist aus gutem Grund in den wenigsten Ländern der Fall, denn: „Wer verschreibt, verkauft nicht!“

In der Schweiz gibt es aber ein paar Kantone, die die Selbstdispensation der Ärzte erlauben. Manche grundsätzlich, andere nur, wenn keine Apotheke in vernünftiger Entfernung erreichbar ist.

Zuerst einmal: Das soll kein genereller Angriff an die Ärzte sein, deren Arbeit ist sowohl nötig, als auch gut – und speziell die Hausärzte gehören unterstützt. Die Arbeit der Ärzte sollte so abgegolten werden, dass sie es nicht nötig haben sollen, ihr Einkommen mit dem Verkauf von Medikamenten aufzubessern! Die Abgabe von Notfallmedikamenten bei einem Hausbesuch oder von einem Arzt der wirklich weit draussen im Irgendwo arbeitet, wo keine Apotheke erreichbar ist …. das fände ich ja noch ok, aber ansonsten??? Neee!

 

Was sind die Folgen der Selbstdispensation? – Und das sind keine Prognosen, das ist alles in der Schweiz schon so passiert:

1. Die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheke im betreffenden Gebiet verschlechtert sich abrupt– Und zwar nicht nur auf Seiten der Apotheke, sondern v.a. der Ärzte. Grund: Jetzt sind die beiden nicht mehr Partner im Gesundheitssystem (wie es sein sollte) sondern direkte Konkurrenten. Dabei läge es im Interesse des Patienten, dass die beiden gegebenfalls miteinander reden (das ist eins der Dinge, die ich hier im Blog versuche zu zeigen).

2. Die Menge und die Kosten der abgegeben Medikamente steigen. Logisch: Wenn ich an den Medikamenten auch etwas verdiene, gebe ich auch eher welche ab – eventuell auch wenn es mal nicht so nötig ist … Dafür gibt es Belege und Metastudien. (vgl. Beck, Ute Kunze und Willy Oggier, „Selbstdispensation: Kosten treibender oder Kosten dämpfender Faktor?‘, in Managed Care 6/2004).

3. Die Menge der via Abfall und Apotheken entsorgten (weil nicht genommener) Medikamente steigt. Grund: Patienten, die ihre Medikamente nicht nehmen wollen und nicht mehr die Möglichkeit haben, sie einfach mal „nicht“ in der Apotheke zu beziehen. Beim Arzt können sie aber auch nicht sagen, dass sie es nicht wollen, dann landet es halt zuhause im Abfall – oder in der Altmedikamentensammlung der nächsten Apotheke. Auch hier gibt es Vergleiche zwischen Kantonen mit SD und ohne SD und ähnlicher Bevölkerungsstruktur.

4. Die Apotheken in den betroffenen Gebieten werden zum „Lückenbüsser“ weil die meisten Medikamente direkt vom Arzt abgegeben werden. Dadurch werden sie unrentabel und gehen ein. Fazit: Wenn dann doch mal etwas gebraucht wird, müssen viel weitere Wege zurückgelegt werden, die örtliche Gesundheitsversorgung ist nicht mehr gewährleistet. In dem Zusammenhang auch: Auch Ärzte gehen in die Ferien und (im Gegensatz zur Apotheke) hat die Abgabestelle dann halt auch einfach zu. Das kann böse Überraschungen geben – und dann wäre eine Apotheke halt auch wieder gut.

Weitere Fragen, die sich in dem Zusammenhang stellen:

Wir Apotheken haben Vorgaben über die Lagerung der Medikamente, die auch kontrolliert werden. Arztapotheken werden kaum kontrolliert. Wer schaut da auf Lagertemperatur etc?
Und die Lagerhaltung: Der Arzt hat ein wesentlich kleineres Sortiment als in der Apotheke, weniger Lagerhaltungskosten und bekommt trotzdem den gleichen Margenansatz.
Nochmal Lagerhaltung: Angenommen ein Medikament läuft nächstens ab … ein Anreiz für den Arzt mehr, das baldmöglichst loszuwerden, indem er es dem Kunden abgibt? Z.B. „Gut, es ist eine heftigere Erkältung … aber ich habe da noch einen Antibiotikasirup, der nicht mehr sehr lange hält …“

Dann: bei einem Bezug in der Stammapotheke werden auch die Medikamente verschiedener Ärzte miteinander auf Wechselwirkungen angeschaut. – Das kann der einzelne Arzt zwar auch, aber nur, wenn sich der Patient an alle Medikamente, die er nimmt auch erinnert … und die Erfahrung zeigt: da happert’s!

Dauerrezepte gibt es so halt keine, dafür muss man bei jedem Bezug wieder zum Arzt, der für den Besuch auch die entsprechenden Taxpunkte aufschreibt – hier haben wir auch keinen Vorteil gegenüber der Abgabe in der Apotheke. – Wir dürfen ja auch nur für rezeptpflichtige Medikamente, die über die Grundversicherung gehen die Checks verlangen (maximal Franken 7.20 pro Medi), der Arzt die Taxpunkte für den Besuch aber auch für nicht zwingend rezeptpflichtige Sachen und solche, die über die Zusatzversicherung gehen-

Der neuste Ansatz ist, dass der Arzt die Medikamente nicht mehr selbst abgibt, sondern via Grosshandel – genauer gesagt wohl dem Ärzteeigenen Grossist (und Versandapotheke) „zur Rose“. Dafür gibt’s natürlich für den Arzt Rückvergütungen etc. Die Apotheke wird bei diesem Ansatz auch wieder übergangen – und den Vorteil von „man hat es grad in der Hand“ fällt hier auch weg. Ich glaube an dem sieht man am ehesten, das es eben doch um das Geld geht, das sich mit den Medikamenten verdienen lässt.

10 Kommentare zu „Die Folgen der Selbstdispensation

  1. Ich bin ganz froh das mir meine Hausärztin die Medikamente abgibt.
    In dem Dorf, in dem ich wohne, haben wir zwar eine Apotheke, aber die hat dann zu, wenn sie gebraucht wird.
    Weil die Apotheke klein ist, hat sie das meiste nicht an Lager. Wenn ich es richtig kapiert habe, dann wurde diese Apotheke verkauft und ist nur noch eine schlecht bestückte Zweigstelle einer Apotheke aus dem nächstgrösseren Ort.
    Das hat zur Folge, dass das Personal alle paar Wochen wechselt, was nicht förderlich zur Vertrauensbildung ist.
    In einer grossen Stadt, in der immer eine offene Apotheke zu finden ist, mag dies anders sein. Auf dem Land aber, ist die Abgabe der Medikamente durch die HausärztInnen eine nützliche Dienstleistung.

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    1. Wenn ich den Eintrag noch mal lese, ist das, was du beschreibst und beklagst, aber doch gerade eine Folge der Selbstdispensation: erst dürfen die Ärzte selbst Medikamente verkaufen, und dann gehen die Apotheken ein…

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    2. Die hat dann zu, wenn sie gebraucht wird? Wie ist denn die Arztpraxis geöffnet? Sicher nicht länger als die Apotheke, oder?

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  2. Hatte neulich ein Kunde in der Apotheke, er wollte wissen was die Vorteile einer Versandapotheke seien. Er hat nämlich einen Brief von seiner Krankenkasse bekommen, darin stand, daß er Kosten sparen könne, wenn er seine Medis über eine Versandapotheke bezieht.
    vielleicht kriegt er ja dort seine Mittel etwas günstiger, aber dann kommen doch jedes mal noch Portospesen hinzu.
    und wenn man mal was dringend braucht, wie z.B. Antibiotika, kann man warten bis das Päckchen per Post kommt. auch nicht gerade ideal…

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  3. In D geben die Ärzte nur ab und an kostenlose Muster ab, die ein Vertreter dagelassen hat.
    Da muss man aber immer aufpassen, dass es noch haltbar ist. Kontrolliert wird das scheinbar nicht bei den Ärzten wo ich bisher Muster bekommen habe.

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  4. […] Das kann ich so nur unterstreichen. Abgesehen davon, dass die SD die Apotheken und Ärzte auf einmal zu Konkurrenten macht, statt zu Partnern im Gesundheitswesen, fühlen sich die Patienten auf einmal zwischen den Fronten. Man hört davon, dass den Patienten auch ein schlechtes Gewissen gemacht wird, wenn sie lieber ein Rezept ausgestellt haben wollen – und auch das mit dem Verweigern ist nichts neues. Wer mehr über die Folgen der Selbstdispensation lesen möchte kann das hier. […]

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  5. Sowas von Selbstabgabe wäre nur sinnvoll, wenn es zb ein Notfall ist und man nicht ins nächste KH oder so kann…und das ist auf dem Land das Problem, wenn man 30-120 Minuten fahre müsste, und derjenige dann zb als Grunderkrankung Epilepsie hat und nicht fahren darf…

    Und ja, das kommt vor…

    Wobei eine Apotheke, die einem das geben kann, auf nachgereichtem Rezept!, sehr gut wöre, wenn wirklich Woxhenende, Feiertage, Urlaub ist und kein Arzt in der Nähe erreichbar ist…

    Es ist nämlich echt blöd, wenn nicht irgendwo hin kommt, da zu weit und dann noch keine Apotheke im Ort hat.

    Aber generelle Abgabe durch Arzt halte ich nicht fųr gut!

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    1. Es gibt tatsächlich so Ausnahmen bei uns schon – der Arzt darf Notfallmedikamente gleich selber abgeben … und wo die Apotheken weit entfernt sind, ist Selbstdispensation auch schon erlaubt. Finde ich jetzt nicht so schlimm – aber dass der Arzt grundsätzlich das macht, selbst wenn eine (oder mehrere) Apotheken rasch erreichbar sind -Nö.

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