Was macht ein Arzt ohne Berufsausübungsbewilligung?

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Offenbar lautet die Antwort auf die Frage „Was macht ein Arzt, der die Berufsausübungsbewilligung verliert?“: er praktiziert einfach weiter.

Jedenfalls muss ich das denken, wenn ich da ein bisschen dahinter schaue. Aus eigenem Interesse bin ich dem vor ein paar Tagen mal nachgegangen … und habe einiges erfahren, das etwas beunruhigend ist.

Was ist eine Berufsausübungsbewilligung? Wer Patientinnen und Patienten in eigener fachlicher Verantwortung behandelt, braucht eine kantonale Berufsausübungs- bzw. Betriebsbewilligung, weil Gesundheit in unserer rechtlichen Güterabwägung wichtiger ist als die Wirtschaftsfreiheit. BABs werden vom Kanton in der er/sie praktiziert ausgestellt – und sind ähnlich, wie die für uns Apotheker (wie hier von mir beschrieben). Sie sind 10 Jahre gültig, oder bis der Arzt (oder die Ärztin, ich beschränke mich für den Text auf die männliche Form, es gilt aber natürlich alles auch für weibliche Ärzte) 70 ist, dann muss alle 2 Jahre eine neue beantragt werden (wobei eigentlich geschaut werden soll, dass der Arzt noch in der Lage ist Patienten zu behandeln).

Was muss ein Arzt machen, damit ihm die Berufsausübungsbewilligung entzogen wird? Dafür braucht es recht viel und meist geht das lange. Gründe dafür wären zum Beispiel: Wiederholter Pfusch bei Behandlungen, Abrechnungsbetrug und Veruntreuung (merkt vielleicht die Krankenkasse), Gefährdung des Patientenwohls (all das reichte damals bei mir nicht), Sexuelle Übergriffe auf Patientinnen und Patienten. Alles triftige Gründe – die dann auch noch nachgewiesen werden müssen. Meist reicht wohl auch ein einzelner Vorfall nicht … und dann folgen längere Verhandlungen vor Gericht. Ärztinnen und Ärzte, die wegen Fehlverhaltens oder Pfuschs gemahnt oder gebüsst wurden, können nirgendwo eingesehen werden.

In der Schweiz sind rund 38’000 Ärztinnen und Ärzte tätig. 108 Ärztinnen und Ärzte sind gemäss Schweizerischem Medizinalberuferegister (MedReg) in einem oder mehreren Kantonen gesperrt. Die Liste der Ärzte kann auch auf Comparis.ch nachgesehen werden: Gesperrte Ärzte in der Schweiz.

Trotzdem praktizieren in der Schweiz einige Ärzte trotz entzogener oder verweigerter BAB weiter. Wie ist das möglich? Mit etwas flexibilität ist das offenbar recht einfach, man nutzt einfach die Bürokratie und den Kantönligeist.

1. In einem anderen Kanton weiterarbeiten
Sperrungen gelten nur für den Kanton, in welchem die Sperrung ausgesprochen wurde, und nicht für die ganze Schweiz. Somit kann ein Arzt in einem Kanton gesperrt sein und dennoch in einem anderen eine gültige Berufsausübungsbewilligung haben. Eigentlich ist der Kanton, der die Sperrung verhängt hat verpflichtet die anderen Kantone zu informieren, aber das führt dort nicht automatisch zu Sperrungen.

2. Im selben Kanton weiterarbeiten
Gesperrte Ärztinnen und Ärzte dürften nicht mehr in eigener fachlicher Verantwortung praktizieren. Das bedeutet aber, dass sie im Angestelltenverhältnis ohne fachliche Verantwortung weiter arbeiten dürfen. Ein anderer Arzt hat dann die Aufsicht (und nimmt sie hoffentlich wahr) und die BAB.

3. Im (grenznahen) Ausland weiterarbeiten
In der Schweiz gesperrte Ärztinnen und Ärzte eröffnen im grenznahen Ausland eine Praxis und werben gezielt um Patientinnen und Patienten in der Schweiz, denn in anderen Ländern gelten andere Zulassungsregeln.

4. Nicht mehr als Arzt eine Praxis betreiben, sondern als Heilpraktiker, Homöopath, Coach oder ähnliches
Die Krankenkasse übernimmt nach Entzug der BAB keine Behandlungen mehr, Medikamente dürfen nicht mehr alle verschrieben werden, aber man kann trotzdem weiter Leute anschauen und (im manchen Kantonen) selber (zumindest nicht-rezeptpflichtige) Mittel abgeben / verkaufen. Eine Zulassung als Naturheilpraktiker oder Komplementärtherapeut ist viel einfacher zu bekommen, man kann auch ohne Titel praktizieren. Psychiater können ihr Wissen weiter als Coach einsetzen.

Die Hoheit über die Vergabe und den Entzug der Berufsausübungsbewilligung haben die Kantone. Sie sind auch in der Pflicht zu kontrollieren, dass das Gesetz eingehalten wird. Berufsausübungbewilligungen müssen alle 10 Jahre erneuert werden. Dazwischen finden kaum Kontrollen statt, ausser wenn gravierende Verstösse gegen die Sorgfaltspflicht gemeldet werden. Naturheilpraktiker stehen nicht unter derselben Art der Kontrolle. Der Begriff Coach (zum Beispiel) ist nicht geschützt oder reguliert.

Also … lohnt es sich wohl für Patienten zukünftige Ärzte oder Therapeuten mal rasch nachzuschauen, nicht nur anhand der google Bewertungen.

4 Kommentare zu „Was macht ein Arzt ohne Berufsausübungsbewilligung?

  1. „als Homöpath“ soll wohl heißen „als ein mit homöpathischem Etikett versehener Irgendaws, aber nicht Arzt“. Oder ist in der Schweiz „Homöopath“ eine vollständige Berufsbezeichnung??

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  2. Hierzulande in Deutschland ist es so, dass ein Arzt ebenso wie bei Euch in der Schweiz eine Approbation erwerben muss. Diese gilt dann allerdings nahezu lebenslang.
    Mit etwa 65 oder 67 Jahren muss er allerdings seine Kassenzulassung abgeben. Er darf anschließend nur noch Privatpatienten behandeln (also: Selbstzahler).

    Im Groben und Ganzen finde ich das auch durchaus richtig so. Es ist da meiner Ansicht nach auch etwas ein Unterschied, ob man jetzt einfach nur – etwas übertrieben formuliert – Herztransplantationen durchführt oder einfach nur als Hausarzt Paracetamol verordnet.

    Apotheker haben interessanterweise hier keine Altersbeschränkung. Falls Du Lust hast, kannst Du hierzulande auch mit 80 Jahren noch eine Apotheke betreiben.
    Letzteres könnte man mal ändern. Wenn ein Arzt oder ein Notar ab einem gewissen Alter nicht mehr arbeiten darf, sollte das für einen Apotheker IMHO ebenfalls gelten.

    Wie ist denn das in der Schweiz (neugierig nachfrag): Muss man als Apotheker da auch alle 10 Jahre seine Berufsausübungsbewilligung verlängern? Gibt es hier für Apotheker eine Altersgrenze, ab der er nicht mehr arbeiten darf?

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  3. Also mir wäre es neu, wenn ich als Arzt meine BAB alle 10 Jahre erneuern müsste. Habe auch grad noch mal auf der kantonalen Internetseite nachgeschlagen, da heisst es:

    „Eine BAB wird grundsätzlich unbefristet erteilt.“

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    1. Flo, Besten Dank für Dein Statement.

      Pharmama, eine kleine Bitte von mir als deutschem Apotheker: Könntest Du das bitte noch etwas recherchieren, warum bei Euch in der Schweiz ein approbierter Arzt nach zehn Jahren auf einmal kein Arzt mehr sein sollte?

      Ich habe Dir/Euch die Situation in Deutschland gestern in meinem Post geschildert. Und obwohl die Gesetzgebung in unser beiden Länder echt unterschiedlich sein kann/könnte, glaube ich selbst nicht daran, dass ein approbierter Arzt mit ordnungsgemäßen Medizinstudium und -abschluss in der Schweiz auf einmal nach zehn Jahren kein Arzt mehr sein könnte.
      Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass Ihr in der Schweiz Euren Ärzten nach zehn Jahren quasi ein Berufsverbot reinhaut – nicht mal ansatzweise.

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