VITH in der Apotheke: das Ende des „Vertreter z’vieri“?

Die VITH ist in Kraft seit dem 1. Januar – und zeigt schon erste (teils unerwartete) Auswirkungen in der Apotheke. Es ist die „Verordnung über die Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich„.

Grundsätzlich eine begrüssenswerte Sache, deren Idee es ist jeglichen Einfluss (der Pharmafirmen) auf die Verschreibung und Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten zu eliminieren. Das angestrebte Ziel ist eine Verschreibung, Abgabe und Anwendung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln allein nach objektiven, medizinisch-pharmazeutischen Gesichtspunkten. Nachzulesen ist das hier auf der Seite des BAG: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20190088/index.html

Das betrifft nicht nur die Ärzte, die verschreiben oder wegen der Selbstdispensation selber Medikamente verkaufen, sondern eben auch die Apotheken – und die Drogerien teilweise (was die Rabatte bei den freiverkäuflichen Mitteln angeht)

Ein paar Begriffserklärungen dazu:

Integrität: Alle RX (=rezeptpflichtigen) Medikamente unterliegen den Integritätsbestimmungen, d.h. die Behandlung mit diesen Medikamenten darf nicht durch finanzielle Vorteile beeinflusst werden.

Transparenz: Alle Rabatte, welche auf Medikamente (RX, OTC = freiverkäufliche Medikamente und Medizinprodukte) gewährt werden, müssen vom Geber und vom Nehmer der Rabatte ausgewiesen werden. Dies gilt gegenüber der Behörde, nicht gegenüber dem Patienten / Kunden.

Weitergabepflicht:  Grundsätzlich müssen Rabatte auf SL-Präparaten und MiGeL Medizinprodukten den Krankenkassen weitergegeben werden. Werden Rabatte ausgehandelt, sind schriftliche Verträge mit den Krankenkassen abzuschliessen, max. 49% der Rabatte könnten vom Leistungserbringer einbehalten werden. Dieser Teil muss zur Verbesserung der Qualität eingesetzt werden, diese Verbesserungen sind zu messen. 

Erkenntnisse daraus (bis Ende Januar):

Ich darf noch OTC mit Rabatten einkaufen und Verträge betreffend Rückvergütung machen, ich muss allerdings alles nachweisbar festhalten und die Dokumente aufbewahren.

Nicht mehr erlaubt sind sogenannte Naturalrabatte: also zum Beispiel: 15/12 = 12 Pflaster einkaufen und 15 bekommen.

Rabatte auf Medikamente und Mittel, die von der Krankenkasse übernommen werden sind theoretisch noch erlaubt, ABER dafür muss man vorher schriftliche Verträge mit den Krankenkassen (allen betroffenen) abschliessen, man darf nur knapp die Hälfte des Rabattes selber behalten, UND der Teil muss dann auch noch zur Verbesserung der Qualität der Behandlung eingesetzt werden UND diese Verbesserung muss nachweisbar sein und dokumentiert werden (wie???). Fakt: Viel zu aufwändig und kompliziert! Das macht ziemlich sicher niemand. Also: Keine Rabatte auf SL Produkte mehr.

Arzneimittelmuster sind nur dazu da, dass die Fachperson damit in der Praxis erste Erfahrungen sammeln kann. Ein Weiterverkaufen ist verboten (logisch), gratis Abgabe an die Kundschaft ist aber erlaubt. (Ich frage mich da, wie das bei den Ärztemustern praktisch mit Rezeptpflichtigen Medikamenten aussieht: auch wenn sie das an den Patienten weitergeben, ist das nicht schon Beeinflussung des Verschreibungsverhaltens?).

Im Gegensatz zum Korruptionsgesetz, wo Vorsatz für eine Strafe nötig ist, werden Verstösse gegen das Integritätsgebot auch bestraft, wenn sie nur fahrlässig begangen wurden (Art. 86 Abs. 4 revHMG). Unwissen schützt hier also nicht vor Strafe. Laut Kommentar zum Gesetz steht da aber auch: „Wann Preisrabatte oder Rückvergütungen einen Einfluss auf die Wahl der Behandlung haben können, kann nicht pauschal gesagt werden. Es muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, ob ein Rabatt geeignet ist, die Wahl der Behandlung zu beeinflussen.“ Wir sind also lieber vorsichtig. Vielleicht übervorsichtig.

Erlaubt sind Vorteile (von bescheidenem Wert) die mittelbar oder unmittelbar der Kundschaft zu gute kommen. Unmittelbar wären: Bestandteile der Apothekenausstattung (wie Stuhl, Wasserspender, Kinderspielzeug, Lektüre im Wartezimmer). Mittelbar: Fachliteratur, Weiter- oder Fortbildung mittels elektronischer Medien, Gegenstände, die von der Fachperson im Praxisalltag eingesetzt werden (Fieberthermometer, Computer-Software, Mobiltelefon für den Notfalldienst). 

Nicht erlaubt: Mittagessen zahlen (auch nicht in geschäftlichem Rahmen). Geschenke zum Jahreswechsel (Wein, Eintrittskarten)

Erlaubt sind „Vorteile von bescheidenem Wert“ in Höhe von höchstens 300 Franken pro Fachperson und Jahr. Und nicht kumulierbar – also etwas wie ein Laptop im Wert von 900 Franken für die Praxis mit 3 Ärzten. Das ist das Beispiel in den Erläuterungen zur VITH vom BAG. Da ich selber noch nie so ein Geschenk in der Apotheke bekommen habe, denke ich auch nicht, dass das ändern wird für uns.

Und jetzt zur Diskussion:

Pharmafirma A (vertreibt sowohl RX wie auch OTC Medikamente), bringt einzelverpackte kleine Muffins vorbei, individualisiert mit Werbung – für das Personal. Was macht ihr damit?

Pharmafirma B unterbreitet Euch ein Angebot mit Rabatt für die neuen Wochendosette, von denen ihr eine Menge braucht. Dürft ihr das Angebot annehmen?

Ihr habt als Apotheke den Ärzten in der Umgebung um Weihnachten herum immer ein kleines Präsent (wie eine Flasche Wein) überbracht für die gute Kommunikation das Jahr über bei Problemen mit Rezept oder Patienten etc. Dürft ihr das dieses Jahr noch machen?

(Meine Lösungen dazu später in den Kommentaren)

5 Kommentare zu „VITH in der Apotheke: das Ende des „Vertreter z’vieri“?

  1. Was vor allen auch sehr stossend ist, ist dass gewisse Pharmafirmen die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen. Zum Beispiel der Retourenregelung: obwohl eine Rückerstattung für bereits gekaufte Produkte sicher nicht verboten wäre und jetzt mit dem Mehrverdienst ohne Rabatte, ohne weiteres rückerstattet werden könnte, machen sie das Gegenteil und schliessen jegliche Rücknahmen aus. Leider nur wenige Firmen haben das begriffen und lockern die bisherige Nichtvergütung von Retouren und verbessern so die Zusammenarbeit.

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    1. Ich kann weder im VITH selber noch in den Erläuterungen dazu etwas lesen, das die Retourenregelung betrifft. Aber klar, dass sie die Unsicherheit zu ihren Gunsten ausnutzen. Das Nicht-wissen darüber übrigens auch: es werden immer noch Rabatte auf RX-Medikamente angeboten, mit dem *-Verweis (oft sehr klein) VITH-Weitergabepflichtig …

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  2. Ein absoluter Witz, es gibt so viele Nischen, zBsp. bekommt man jetzt Geld, wenn man Werbung macht, seien das Sticker oder Teppiche….
    Andere Firmen haben entdeckt, das Vorreservierungen von Kontingenten Rabatte mit sich bringen, und diese Reservierungen sind bezahlte Dienstleistungen…..
    Spitäler machen sich strafbar, wenn Medikamente von einer Abteilung abgegeben werden beim Austritt, diese können nicht korrekt verrechnet werden, wenn überhaupt!
    Bringt die neue Regelung überhaupt was ? Also ich bin mir da nicht sicher…….

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  3. Ich wage mich mal an die 3 Fälle:
    A) Das Personal darf auch keinen Fall in Versuchung gebracht werden! Daher opfere ich mich heldenmütig und führe die Muffins dem biologischen Recycling (aka meinem Magen) zu.
    Oder: Die Muffins sind Gegenstände von bescheidenem Wert (und bei manchen Firmen auch von bescheidenem Geschmack), sie können die Konzentration fördern und so mittelbar dem Kunden dienen (mal juristisch weit aus dem Fenster gelehnt). In D bezieht man sich in der Regel auf das OTC Geschäft, in dem man mit einem OTC-Produkt branded, z.B. Ahoibrause mit Ibu-ratiopharm direkt 400mg statt nur ratiopharm (wenn ich mich richtig an die Geschmacksmuster erinnere)

    B) Zahlt die Krankenkasse die Wochendosetten? Falls nein, geht, falls ja: Verträge mit allen Kassen, 49% der Einsparung in Qualitätsverbesserung und deren Dokumentation…. Also wäre es möglich, aber nicht praktikabel (wie kann ich eine Verbesserung der Qualität der Behandlung messen? Mache ich in der Apotheke überhaupt eine Behandlung?).

    C) Keine Geschenke mehr möglich. Wir spenden statt Geschenken für die Ärzte und das für uns versorgte Heim (wir haben in D den §299a StGB) für lokale Vereine und Projekte, z.B. den Förderverein des Heims…

    Arzneimittel-Muster: sind meiner Meinung nach indirekte Beeinflussung des Verschreibungsverhaltens. Wer in der Apotheke kennt nicht Patienten, die nur die eine Firma wollen, weil sie die schon „immer“ haben („ich will das Original von – hier beliebiges Generikum einsetzen-„).

    Zur Retourenregelung: Retouren sind definitiv weder Preisrabatt noch Rückvergütung. Und damit nach dem Verordnungstext nicht verboten. Skonti können in der Schweiz bei den AM der Spezialitätenliste kritisch werden (Art. 8 Abs 1 Satz 2). Mit der Argumentation der retourenverweigernden Firmen kann ich auch den Ersatz bei Arzneimittelrückrufen streichen – und das ist sicher nicht mit Rückvergütung gemeint,

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  4. Das mit dem „kann nicht verrechnet werden“ im Spital habe ich am Montag auch erlebt.

    Wir hatten uns nach dem Tod unseres alten Familienkaters am Freitag der vergangenen Woche 2 junge Katzen (eine Katze und ein Kater) vom Buurehof geholt. Als ich die beiden am Sonntag vor einer Woche entwurmen wollte, hat mich die Katze mehrfach herzhaft in beide Hände gebissen.

    Ich habe die Wunden sofort ausgespült und desinfiziert und vorsorglich 2g Co Amoxi oral eingenommen, aber die Wunden schwollen innert 2 Stunden dermassen an, dass ich mich von meiner Frau ins Spital fahren liess. Dort wurden die Wunden wieder eröffnet und debridiert, anschliessend musste ich über Nacht bleiben, u.a. auch für eine i.v.-Antibiose mit 2.2g Co Amoxi 3x täglich. Meine Hände wurden erstmal in Unterarmschienen ruhiggestellt (und ich sage Euch: das ist ein echter Spass, damit zu essen!).

    Am nächsten Morgen ging es dann ins MRT – mein allererstes. Das MRT der Hand ist quasi die „Höchststrafe“ bei der Untersuchung in der Röhre, dann man muss pro Hand 35 Minuten mit ausgestrecktem Arm auf dem Bauch liegen. Danach spürt man seinen Schultergürtel aber so richtig übel.

    Das MRT zeigte, dass sich auf der linken Seite ein grösseres Ödem an der Zeigefingerstrecksehne gebildet hatte, was eine Fortsetzung der i.v.-Antibiose für mehrere Tage erforderlich machte. Deshalb sollte ich noch ein paar Tage im Spital bleiben. Ich wies den Chefarzt der Chirurgie (mit dem ich persönlich befreundet bin) darauf hin, dass wir in der Praxis gerade Hochsaison haben und ein Ausfall meinerseits deswegen nicht zu verkraften wäre. Also kamen wir überein, dass ich die i.v.-Antibiose in den folgenden Tagen zuhause bzw. in der Praxis machen würde, ebenso die täglichen Verbandswechsel und Laborkontrollen der Entzündungswerte.

    Und genau da begann das Problem: meine Frau konnte mich – eben wegen der vollen Praxis – erst nach 18:30 Uhr abholen. Zu diesem Zeitpunkt sind aber die Apotheken bei uns bereits geschlossen, wir hätten dann bis nach Basel rein gemusst, um das Antibiotikum zu holen. Für den folgenden Dienstagnachmittag hatte ich dieses bereits telefonisch über unsere MPA bestellt, es fehlten aber die Gaben für Montag 24 Uhr und Dienstag 8 Uhr.

    Ich konnte das zwar mit dem CA klären, aber irgendwie wurde diese Information nicht an die Stationspflege weitergeleitet. Und als ich dann mit der Nachmittagsinfusion am Montag auch meine Entlassungsunterlagen erhielt und auf den Bedarf von 2 Fläschchen Trockensubstanz hinwies, hiess es eben genau: „das ist nicht möglich, das können wir nicht abrechnen“. Nach einigem hin und her erhielt ich zwar eine Flasche, aber eben nicht zwei.

    Am Ende hat sich dann nach Schichtwechsel doch noch eine Schwester erbarmt…

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