Falsche Supplemente in den Regalen

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Manche Phytotherapeutika, also pflanzliche Wirkstoffe mit medizinischer Wirkung, die es früher vor allem in Tees und dann in Kapsel oder Tablettenform in der Apotheke zu kaufen gab, finden sich heute in den Regalen der Supermärkte. Ginkgo, Johanniskraut, Ginseng, Echinacea, Sägezahnpalme, Baldrian, Knoblauch …

Als Nahrungseregänzungsmittel oder Supplemente werden sie beworben und günstig verkauft … ohne dass das noch durch fachkundigen Hände geht. … und ich meine hier nicht mal die Abgabe (obwohl gerade z. Bsp. das Johanniskraut auch durchaus Wechselwirkungen mit unangenehmem Ausgang machen kann). Die Kontrollen sind bei Nahrungsergänzungsmitteln bei weitem nicht so ausgeprägt, wie bei Arzneimitteln … oder anders gesagt; kaum vorhanden.

In Amerika ist es die FDA (Food And Drug Administration), die (wie die swissmedic in der Schweiz) dafür sorgt, dass die Firmen nachweisen müssen, dass ihre Produkte sicher sind und richtig angeschrieben. Das gilt für Medikamente. Nahrungsergänzungsmittel sind von solchen Tests und Nachweisen ausgeschlossen.

Das wird ihnen jetzt zumindest in Amerika zum Verhängnis.. wo in grossen Warenhäusern (die übrigens oft auch eigene Apotheken haben, aber wo alles das nicht rezeptpflichtig ist im Regal frei verkauft werden darf) jetzt diese Mittel getestet wurden. Mittels DNA Analyse wurden hunderte Mittel untersucht, ob die deklarierten pflanzlichen Stoffe auch drin sind und eventuell anderes, nicht deklariertes vorhanden ist.

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd.

Über alles gesehen waren in 4 von 5 Produkten nicht das drin, was auf der Etikette stand. Oder anders gesagt: nur in 21% konnten die Pflanzlichen Stoffe nachgewiesen werden.

Viele davon auch noch Eigenmarken der grossen Verteiler. Bei Walmarts Produkten enthielten gerade mal 4% die DNA der Pflanzen, die auf den Packungen angeschrieben sind (und dann reden wir noch nicht einmal, ob dann die Menge Wirkstoff im Produkt stimmt).

In Walmarts ginkgo biloba fand sich kaum mehr als pulverisierter Rettich, Hauspflanzen und Weizen … das, obwohl es als Gluten-frei angeboten wird. Im Ginseng von Walgreens fand sich pulverisierter Knoblauch und Reis. Drei von 6 pflanzlichen Mitteln bei Target mit (angeblich) Johanniskraut, Ginkgo, und Baldrian hatten keine dieser pflanzlichen Wirkstoffe drin und enthielten stattdessen Reis, Bohnen, Erbsen und Karotten.

An was liegt das? Es gibt verschiedene Möglichkeiten – ev. Auch eine Kombination davon.

Die Grossverteiler möchten die Inhaltsstoffe möglichst günstig einkaufen und wurden dabei selber betrogen.

Oder: Bei der Herstellung wurde irgendwie die DNA der Pflanzen (komplett) zerstört.

DNA Tests sind sensitiv auf spezifische Teile der DNA der Pflanzen. Es kann sein, dass die in den getesteten Präparaten nicht drin war, wenn es sich dabei nur um Pflanzenauszüge (mit einem Lösungsmittel) handelte, nicht um das Pulver der Pflanze selber. Dann kann der Wirkstoff immer noch drin sein … wobei bei vielen Phytopräparaten noch nicht bekannt ist, welches der oder die wirkenden Stoffe wirklich sind (auch wenn sie das bei uns standardisieren auf die Wirkstoffe von denen sie das denken).

Andererseits findet man genau wegen der Sensitivität dadurch auch schon kleinste Mengen an Verunreinigungen durch andere Pflanzen …

Jedenfalls – dem müssen sie weiter nach gehen. Zum Beispiel auch, indem sie (endlich) einmal richtig testen lassen, was denn da wirklich drin ist. Wenn da drauf steht 200mg standardisierter Extrakt, dann sollten auch diese Nahrungsergänzungsmittel nachweisen können / müssen, wie sie darauf kommen.

Falsche Angaben, Kontamination und falsche Anpreisungen sind illegal … auch bei Supplementen. Wobei gerade da viel getrickst wird. Man denke schon nur an die Heilanpreisungen, die da drauf stehen. (Darüber könnte man noch manchen Artikel schreiben).

Momentan ist es so (auch bei uns), dass für Nahrungsergänzungsmittel gilt, dass sie nicht zugelassen werden müssen und sie als sicher gelten, bis ihnen das Gegenteil nachgewiesen wird. Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. Dass das dafür nicht der beste Weg ist, zeigt sich hier: In Amerika gab es 2013 einen Hepatitis Ausbruch, bei dem an die 100 Personen erkrankten, der schliesslich auf ein verunreinigtes Supplement zurückzuführen war, 3 Leute brauchten danach eine Lebertransplantation, eine ist gestorben.

Das finde ich ziemlich beunruhigend. Ich weiss jedenfalls, wo ich mein Schlafmittel mit Baldrian herbekomme (oder meine Johanniskraut-Kapseln) … und das ist nicht aus dem Supermarkt.

Quellen: Photo: Attorney General’s Office http://wnyt.com/article/stories/s3695948.shtml    http://www.webmd.com/vitamins-and-supplements/news/20150203/retailers-fake-supplements

6 Kommentare zu „Falsche Supplemente in den Regalen

  1. Schön finde ich immer die Frage, warum die Schachtel mit 100 Tabletten Johanniskraut im Supermarkt nur 5 Euro kostet, während man in einer Apotheke für eine Schachtel mit 100 Tabletten etwa 50 Euro bezahlen muss.
    Man muss dann immer erklären, dass die Supermarktware nicht 900 mg Extrakt, sondern 300 mg der gesamten Arzneidroge beinhaltet. Würde man aus den 300 mg Arzneidroge einen Extrakt herstellen, würde man daraus etwa 50 mg Extrakt erhalten. Die Ware im Supermarkt ist also pro Tablette etwa 20fach unterdosiert, also eher ein Placebo.

    Hilfreich ist es auch nicht, dass Ärzte den Unterschied auch nicht kennen und gerne an den Supermarkt verweisen.

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    1. Das ist sehr einfach beantwortet: Die Tabletten aus der Apotheke mit dem hohen Preis sind zugelassene Arzneimittel. Die Produktion ist angefangen vom Extrakt des Johanniskraut bis hin zu den (Film)tabletten und der Verpackung sehr engen Regeln unterworfen und das Arzneimittel auch genau so zugelassen bei der zuständigen Behörde (in Deutschland Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte).
      Dazu gehören auch klinische Studien, validierte Produktions- und Prüfmethoden usw…

      Im Supermarkt sind das Nahrungsergänzungsmittel. Die sind nicht zugelassen und der Hersteller entscheidet über das, was er in die Tabletten packt. Da darf dann aber auch nicht z.B. „zur Behandlung von Depressionen“ draufstehen. Als Nahrungsergänzungsmittel muss er nur sicherstellen, dass er niemanden vergiftet und die Produkte hygienisch produziert sind. Seine Deklaration an Inhalt muss auch stimmen, aber es besteht kein Wirkanspruch wie bei Arzneimitteln.

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      1. Das Produkt aus dem Supermarkt, welches ich oben genannt habe, war sogar wirklich ein Arzneimittel und kein Nahrungsergänzungsmittel. Eine Registrierungsnummer ist auf der Umverpackung drauf.
        Schau Dir das Produkt hier an: http://www.zirkulin.de/produktdetail/johanniskraut-dragees-von-zirkulin-aktivieren-die-lebensfreude/#tabItem3534

        Du siehst, dass es sich um ein Arzneimittel handelt. Es ist aber nicht zugelassen, sondern nur registriert. Der Inhaltsstoff ist 300 mg Johanniskraut und nicht 300 mg Johanniskrautextrakt (und schon mal gar nicht 900 mg Johanniskrautextrakt wie bei Laif 900).
        Schön finde ich, dass auf der Vorderseite groß steht „Tagesdosis 900 mg Johanniskraut“, was mich selbst auf den ersten Blick zu der Vermutung hinreisen lassen würde, dass ein Dragee 900 mg Johanniskraut enthalten würde. Man sieht auf den ersten Blick nicht, dass ein Dragee deutlich weniger enthält.

        Ich vermute, dass der normale Laie hier denkt, dass er für etwa 5 Euro ein Präparat erhält, wofür er in der Apotheke 50 Euro zahlen müsse. Ich vermute, dass ein Laie hier denkt, Johanniskraut ist gleich Johanniskraut.

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      2. Was die von Dir angesprochene Indikation angeht:
        Auf der Supermarktware ist die Indikation „Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung“. Aber auch das apothekenpflichtige Laif 900 Balance hat als Indikation nur „leicht vorrübergehende depressive Störungen“. Wenn Du ein „Arzneimittel zur Behandlung von leichten bis mittelschweren depressiven Episoden“ haben möchtest, benötigst Du für das verschreibungspflichtige Laif 900 ein Rezept.

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  2. Die Studie finde ich sehr seltsam. Die Methode rein auf DNA abzielen zu lassen erscheint mir komplett unpassend. Eigentlich ist die FDA da sehr präzise und würde nicht schwach bewiesene Behauptungen aufstellen
    Es gibt gerade im Onlinehandel sicher viel Schindluder. Aber aus einer alten Tätigkeit kenne ich die Nahrungsergänzungsmittelindustrie in den USA ein wenig und die großen Mitspieler habe einen sauberen Qualitätsanspruch. Da ist das drin was draufsteht. Die Wirksamkeit ist ein anderes Thema – sind ja keine Arzneimittel – aber einen so hohen Anteil an komplett falsch deklarierten Produkten quasi ohne Inhalt halte ich für ausgeschlossen.

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  3. Das ist hier in Oz auch so, dass solche Produkte im Supermarkt verkauft werden, wobei die Marken im Supermarkt und in der Apotheke vorwiegend dieselben sind – fast alles kommt von drei, vier sehr bekannten Herstellern (solche Supermarkt-Eigenmarken habe ich bislang nur bei „Basics“ wie Multivitaminen und Fischöl gesehen). Die Preise unterscheiden sich somit auch kaum. Ich weiss nicht, ob es gewisse Dinge gibt, die nur in Apotheken verkauft werden dürfen, denn auch dort stehen diese Produkte alle frei zugänglich in einem Regal, wo man sich selber bedient und dann zur Kasse geht – eine Beratung ist also nicht obligatorisch. Dieser Bericht erstaunt mich – ich dachte immer, die FDA sei ziemlich streng und würde sowas routinemässig sehr testen lassen, bevor das Produkt in den Regalen landet.

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