Der nächste Bitte.

Hier der Grund, weshalb ich Sonntags manchmal echt nichts mehr unternehmen kann. Zu kaputt – nach einem Samstag wie gestern brauche ich viel Rekonvaleszenz-Zeit möglichst alleine, damit ich wieder einigermassen sozial verträglich bin.

Deshalb: (Und das ist die Kurzfassung):

Ich gehe zum Kunden, einem ältereren Mann – (Nennen wir ihn ähMa). Er beginnt ohne meine Begrüssung zu erwidern: „Haben Sie Löwenzahn?“

Pharmama: „Ja. Wie hätten Sie ihn gern?“

ähMa: „Was haben Sie denn?“

Pharmama: „Wir haben Tee und Urtinktur Tropfen zum Einnehmen hier.“ (Spagyrisch auch noch, aber … das Fass mache ich nicht auf, wenn er nicht fragt).

ähMa: „Könnten Sie mir das zeigen, wie das aussieht? Ist der Tee fertig?“

Ich bringe ihm Sidroga Tee und einen Beutel vom Tee, den wir abfüllen als Ansicht. Der Tee ist nicht Löwenzahn, den haben wir noch nicht fertig abgefüllt, nur zum zeigen, wie wir offenen Tee abfüllen. Dazu noch die Ceres Tropfen. Die schiebt er fast sofort zur Seite – „das will ich nicht“. Er nimmt den Sidroga Tee zur Hand, die Packung ist zugeklebt, deshalb erläutere ich hilfreich: „Das sind 20 fertige Teebeutel mit Löwenzahn.“

ähMa: „Was vom Löwenzahn ist da drin?“

Ich schaue auf der Rückseite: „Kraut und Wurzel.“

ähMa: „Da steht das aber nicht.“

Pharmama: „Doch auf Lateinisch – taraxacum herba cum radice.“

ähMa: „Hmm.“… Er stellt den Tee auf den Tisch zurück. „Und das da? Das ist aber nicht Löwenzahn!

Pharmama: „Nein, das ist nur damit Sie sehen können, wie wir losen Tee abfüllen und verkaufen. Wir haben vom Löwenzahn Kraut und Wurzel auch getrennt.“ – insgeheim hoffe ich ja momentan, dass das nicht das ist was er will. Denn abfüllen dauert wieder ein paar Minuten und inzwischen füllt sich die Apotheke schon wieder.

ähMa: „Hmm. Aber Tee machen ist mühsam. Machen Sie den auch zum trinken in der Apotheke??“

Pharmama: „Äh – sie meinen, ob wir Tee brauen, den man dann hier gleich trinken kann?“

Er nickt erwartungsvoll.

Pharmama: „Ah nein. Wir füllen ihn ab, damit Sie das zu Hause machen können.“

ähMa: „Hmmm. Ich will aber eigentlich etwas flüssiges. Da gab es doch einmal so Flaschen, das konnte man direkt trinken …“

Pharmama: „Moment …“ Er hat mich da grad drauf gebracht, was es noch geben könnte. Ich gehe und hole eine Flasche Schönenberger Artischockensaft und schaue rasch, ob und wie die Lieferbarkeit ist vom Löwenzahnsaft, den die tatsächlich auch herstellen.

Pharmama: „Von diesen hier gibt es auch Löwenzahnsaft. Das sieht genau so aus, aber den habe ich nicht hier.“

ähMa: „Das ist aber nicht Löwenzahnsaft.“

Pharmama: „Nein – aber ich kann das bestellen.“

ähMa: „Wieso haben sie das nicht hier? Sie sind doch ein Geschäft, da sollten sie so etwas schon an Lager haben!“

So ganz langsam fängt er mich an zu nerven. In der Zwischenzeit sind auch mindestens 3 Leute mehr hereingekommen und die anderen sind schon am bedienen, so dass ich nicht einmal eine Kasse mit Computer habe zum nachschauen. Aber in dem Fall brauche ich das auch nicht.

Pharmama: „Wie schon gesagt, ich kann das bestellen. Das mache ich auf Nachfrage. Wenn ein Mittel nur einmal im Jahr verlangt wird, dann bringt das gar nichts, wenn ich das an Lager habe, nur damit es dann verfällt.“

ähMa: (etwas erstaunt ob der brüsken Antwort): „Und wie lange geht das mit dem Bestellen?“

Pharmama: „Wenn ich das jetzt mache, habe ich es heute Mittag ab 4 Uhr hier.“ (Das habe ich ja vorher angeschaut)

ähMa: „Oh. Schon. Hmm. … Was ist denn da drin vom Löwenzahn?“

Pharmama: „Moment – ich muss an einen Computer hinten nachschauen.“

Vorne stehen jetzt die Leute Schlange. Ich komme in Rekordzeit zurück (und habe noch 2 Rezepte kontrolliert und eine Frage des Lehrlings beantwortet): „Auch Löwenzahnkraut und Wurzel.“

ähMa: „Hmm. Wissen Sie bisher habe ich Kapseln genommen, die ich im Internet bestellt habe von Deutschland.“

(Grrr – das wäre grad noch zum Diskussionspunkt weshalb wir etwas nicht an Lager haben ..)

ähMa: „Und die gibt es so nicht mehr – jetzt will ich etwas flüssiges zum Einnehmen.“

Pharmama: „Ja – und das habe ich hier (Ceres Tropfen) und das von Schönenberger kann ich bestellen.“

ähMa: „Das muss ich noch etwas überlegen. Wissen Sie, ich möchte das für das Immunsystem.“

Jetzt ist es an mir zu Hmmmen …

Pharmama: „Hmmm. Das ist aber nicht für das Immunsystem. Löwenzahn wird gebraucht um die Leber anzuregen und den Stoffwechsel und für Frühlingskuren.“

ähMa: „Aber im Internet habe ich gefunden, dass das auch für das Immunsystem ist!“

Pharmama (so neutral wie’s geht): „Möglich, dass das da steht – aber ich habe davon noch nicht gehört.“

ähMa: „Vielleicht ist das auch nur nicht der Löwenzahn den man für’s Immunsystem braucht. Ich muss mir das überlegen.“

Pharmama: „Tun sie das. Und wenn sie es doch bei uns bestellen möchten, dann kommen sie zurück und sagen das mir oder einer Kollegin. Wir brauchen nur einen halben Tag dazu.“

Mit einem Blick auf die inzwischen noch mehr angewachsene Schlange (davon diverse mit Rezepten) verabschiede ich mich …

Der nächste Bitte?

So schön kann Phytotherapie sein

Drei Blumen/Pflanzen. Sind sie nicht schön? Und sie werden alle in der modernen Medizin gebraucht.

Wer erkennt sie? Und wofür werden sie gebraucht?
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Alle Bilder sind von mir – Nummer 2 grad aus den letzten Ferien … vorher wusste ich nicht einmal, wie hübsch die Pflanze aussieht. Ich lerne jeden Tag etwas …

Übrigens: im Pharmaziestudium lernen wir diese Pflanzen zu erkennen … allerdings hauptsächlich erst mal die einheimischen in echt, dann die Pflanzenteile von einer Menge mehr getrocknet … und am Schluss dann noch die Pflanzenteile in Mischungen.

Falsche Supplemente in den Regalen

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Manche Phytotherapeutika, also pflanzliche Wirkstoffe mit medizinischer Wirkung, die es früher vor allem in Tees und dann in Kapsel oder Tablettenform in der Apotheke zu kaufen gab, finden sich heute in den Regalen der Supermärkte. Ginkgo, Johanniskraut, Ginseng, Echinacea, Sägezahnpalme, Baldrian, Knoblauch …

Als Nahrungseregänzungsmittel oder Supplemente werden sie beworben und günstig verkauft … ohne dass das noch durch fachkundigen Hände geht. … und ich meine hier nicht mal die Abgabe (obwohl gerade z. Bsp. das Johanniskraut auch durchaus Wechselwirkungen mit unangenehmem Ausgang machen kann). Die Kontrollen sind bei Nahrungsergänzungsmitteln bei weitem nicht so ausgeprägt, wie bei Arzneimitteln … oder anders gesagt; kaum vorhanden.

In Amerika ist es die FDA (Food And Drug Administration), die (wie die swissmedic in der Schweiz) dafür sorgt, dass die Firmen nachweisen müssen, dass ihre Produkte sicher sind und richtig angeschrieben. Das gilt für Medikamente. Nahrungsergänzungsmittel sind von solchen Tests und Nachweisen ausgeschlossen.

Das wird ihnen jetzt zumindest in Amerika zum Verhängnis.. wo in grossen Warenhäusern (die übrigens oft auch eigene Apotheken haben, aber wo alles das nicht rezeptpflichtig ist im Regal frei verkauft werden darf) jetzt diese Mittel getestet wurden. Mittels DNA Analyse wurden hunderte Mittel untersucht, ob die deklarierten pflanzlichen Stoffe auch drin sind und eventuell anderes, nicht deklariertes vorhanden ist.

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd.

Über alles gesehen waren in 4 von 5 Produkten nicht das drin, was auf der Etikette stand. Oder anders gesagt: nur in 21% konnten die Pflanzlichen Stoffe nachgewiesen werden.

Viele davon auch noch Eigenmarken der grossen Verteiler. Bei Walmarts Produkten enthielten gerade mal 4% die DNA der Pflanzen, die auf den Packungen angeschrieben sind (und dann reden wir noch nicht einmal, ob dann die Menge Wirkstoff im Produkt stimmt).

In Walmarts ginkgo biloba fand sich kaum mehr als pulverisierter Rettich, Hauspflanzen und Weizen … das, obwohl es als Gluten-frei angeboten wird. Im Ginseng von Walgreens fand sich pulverisierter Knoblauch und Reis. Drei von 6 pflanzlichen Mitteln bei Target mit (angeblich) Johanniskraut, Ginkgo, und Baldrian hatten keine dieser pflanzlichen Wirkstoffe drin und enthielten stattdessen Reis, Bohnen, Erbsen und Karotten.

An was liegt das? Es gibt verschiedene Möglichkeiten – ev. Auch eine Kombination davon.

Die Grossverteiler möchten die Inhaltsstoffe möglichst günstig einkaufen und wurden dabei selber betrogen.

Oder: Bei der Herstellung wurde irgendwie die DNA der Pflanzen (komplett) zerstört.

DNA Tests sind sensitiv auf spezifische Teile der DNA der Pflanzen. Es kann sein, dass die in den getesteten Präparaten nicht drin war, wenn es sich dabei nur um Pflanzenauszüge (mit einem Lösungsmittel) handelte, nicht um das Pulver der Pflanze selber. Dann kann der Wirkstoff immer noch drin sein … wobei bei vielen Phytopräparaten noch nicht bekannt ist, welches der oder die wirkenden Stoffe wirklich sind (auch wenn sie das bei uns standardisieren auf die Wirkstoffe von denen sie das denken).

Andererseits findet man genau wegen der Sensitivität dadurch auch schon kleinste Mengen an Verunreinigungen durch andere Pflanzen …

Jedenfalls – dem müssen sie weiter nach gehen. Zum Beispiel auch, indem sie (endlich) einmal richtig testen lassen, was denn da wirklich drin ist. Wenn da drauf steht 200mg standardisierter Extrakt, dann sollten auch diese Nahrungsergänzungsmittel nachweisen können / müssen, wie sie darauf kommen.

Falsche Angaben, Kontamination und falsche Anpreisungen sind illegal … auch bei Supplementen. Wobei gerade da viel getrickst wird. Man denke schon nur an die Heilanpreisungen, die da drauf stehen. (Darüber könnte man noch manchen Artikel schreiben).

Momentan ist es so (auch bei uns), dass für Nahrungsergänzungsmittel gilt, dass sie nicht zugelassen werden müssen und sie als sicher gelten, bis ihnen das Gegenteil nachgewiesen wird. Unschuldig bis zum Beweis des Gegenteils. Dass das dafür nicht der beste Weg ist, zeigt sich hier: In Amerika gab es 2013 einen Hepatitis Ausbruch, bei dem an die 100 Personen erkrankten, der schliesslich auf ein verunreinigtes Supplement zurückzuführen war, 3 Leute brauchten danach eine Lebertransplantation, eine ist gestorben.

Das finde ich ziemlich beunruhigend. Ich weiss jedenfalls, wo ich mein Schlafmittel mit Baldrian herbekomme (oder meine Johanniskraut-Kapseln) … und das ist nicht aus dem Supermarkt.

Quellen: Photo: Attorney General’s Office http://wnyt.com/article/stories/s3695948.shtml    http://www.webmd.com/vitamins-and-supplements/news/20150203/retailers-fake-supplements

Alternative Medizin und die Übernahme durch die Krankenkassen

Worum geht es? Vorläufig mal um die 5 bekannteren Teile der sogenannten alternativen Medizin:
Die anthroposophische Medizin,
die Homöopathie,
die Neuraltherapie,
die Phytotherapie
und die traditionelle chinesische Medizin

Von Ex-Bundesrat Pascal Couchepin wurden diese 2005 (wieder) aus dem Leistungskatalog der Grundversicherungen geworfen – wo sie zwecks Überprüfung der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Unbedenklichkeit seit 1999 waren – den Voraussetzungen, damit ein Medikament überhaupt auf die Spezialitätenliste kommt.

Die Datenlagen sind bei einigen dieser Methoden mehr als spärlich – für die Phytotherapie, die Behandlung mit Pflanzenauszügen, Tees, Extrakten … gibt es einige positive Studien, weshalb es auch in der Zwischenzeit Präparate gab, die übernommen wurden; aber für die Homöopathie – so beliebt sie ist, gibt es keine brauchbaren Studien betreffend Wirksamkeit, bisher deutet dort alles auf einen positiven Placeboeffekt …

Ich finde es eigentlich ok, dass nicht einfach alles übernommen wird (obwohl es das für mich als Apothekerin natürlich einfacher machen würde) – es gab und gibt ja noch die Zusatzversicherung – und wenn man derartiges übernommen haben will, kann man sich eine aussuchen, die das macht.

Dann gab es 2009 die grosse Volks-Abstimmung, (ich habe darüber berichtet) in der die Alternativ-Medizin-Befürworter gewonnen haben. (Mit 67% und allen Ständen). Damit ging folgender Auftrag an den Staat:

Art. 118a (neu) Komplementärmedizin
Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Berücksichtigung der Komplementärmedizin

Und dann war längere Zeit Ruhe – fast schien es, dass sich der Staat absichtlich Zeit damit lässt und eine Entscheidung vor sich herschiebt, aber jetzt heisst es zumindest die obengenannten 5 Zweige werden ab 2012 wieder von den Krankenkassen vergütet – zunächst mal bis 2017. Bis dahin sollen die umstrittenen Alternativmethoden neu evaluiert werden. Und zwar von Vertretern der alternativen Behandlungsmethoden (ob die das zahlen können?) und parallel dazu wird das EDI eine international anerkannte – (welche ?) Institution beauftragen, ein unabhängiges Gutachten zu erstellen. Damit wären wir so in etwa wieder am gleichen Punkt wie 1999. Mehr lesen im Artikel der NZZ.

Ab nächstem Jahr erwarten Experten, dass von den Krankenkassen für etwa 50 Millionen Franken derartige Alternativmedizin-Methoden und Mittel übernommen werden müssen. Ob dann deshalb die Kosten in der westlichen Medizin sinken werden … wird sich zeigen.
Ich wage es zu bezweifeln. Eher schlägt sich das wieder in einer rechten Steigerung der Krankenkassenprämien nieder.

Und wie es mit den übrigen zahlreichen Methoden der Alternativemedizin aussieht … da ist auch noch nichts geklärt.

Einen positiven Effekt dürfte das Ganze aber haben: nämlich, dass es dann wirklich vernünftige Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geben wird. Ich bin gespannt.

Was ich in den Diskussionen hier eher vermeiden möchte sind Kommentare im Sinn von „derartiges gehört nicht in die Apotheke!“ Es ist in der Apotheke und wird hier bleiben – weil das Stimmvolk in der Schweiz und demnach der Staat es so will.

Trotzdem ist Skeptik angesagt – und die dürfen wir auch äussern. Als die Fachpersonen, die wir sind.

Danke für Eure Gedanken! Pharmama