„Ist Fieber gefährlich?“ fragt letztens der Kinderarzt (KA) in der Weiterbildung für Apotheker.
Allgemeine Unsicherheit.
KA: „Okay. Fragen wir mal anders. Ist eine Körpertemperatur von 38 Grad gefährlich? Hände hoch, wer das glaubt.“
(Keine Hände oben)
„39 Grad?“
Immer noch keine.
„40 Grad??“
Ein paar zögerliche
„41 Grad???“
Ein paar mehr.
KA: „Okay. Also – Was passiert denn bei hohem Fieber?“
Eine unsichere Stimme antwortet: „Da denaturieren Proteine im Gehirn.“
KA: „Ah ja. Die Standardantwort aus dem Textbuch.
Hat denn irgendjemand hier schon einmal jemanden mit so denaturierten Proteinen gesehen?“
Alle schauen sich an. Nö. Kopfschütteln.
KA: „Ich auch nicht – in meinen über 20 Jahren bisher. Einzige Ausnahme war das Baby, das mehrere Stunden im geschlossenen Auto in der Sonne stand. Das war bei über 60 Grad faktisch gekocht worden. Aber von Fieber? Nein.“
Der Körper setzt dem Fieber auch eine Grenze nach oben. Über 41 Grad geht es eigentlich nicht.
Also man muss Fieber nicht grundsätzlich senken. Es ist auch an sich nichts schlechtes – es hilft dem Körper bei der Infektabwehr.
Fieber senken kann man, wenn das einen sehr erschöpft.
Zum Arzt sollte man, wenn Begleiterscheinungen wie Schmerzen, Hautausschlag oder neurologische Beschwerden dazu kommen. Unbedingt sollte man bei kleinen Kindern abklären, woher es kommt – also unter 6 Monaten immer zum Arzt.
Kinder, die zu Fieberkrämpfen neigen, gibt man fiebersenkende Mittel – wobei hier nicht das Fieber selber die Krämpfe auslöst, sondern der (schnelle) Anstieg oder Abfall desselben.
Noch ein paar Worte zur Fiebermessung:
Am genausten ist die Messung rektal – also im After. Das entspricht der Kerntemperatur.
Messung sublingual (also im Mund) gibt Werte die 0.3 – 0.5 Grad niedriger liegen – und wenn man bis 15 Minuten vorher etwas kaltes trinkt stimmt das auch nicht mehr.
Messung unter den Achseln ist mindestens – 0.5 Grad niedriger … und so ungenau, dass man das eigentlich gar nicht machen sollte.
Messung im Ohr mittels Ohrthermometer gibt recht genaue Werte … vorausgesetzt man bedient das Gerät richtig, nicht zuviel Ohrenschmalz oder einen Knick im Gehörgang.
Ohrthermometer sind toll … Ich liebe es besonders wenn ich morgends 37°C Basaltemperatur gemessen habe und beim Blutspenden dann 35,6°C angezeigt wird … Nachmittags
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im Winter?
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Nö. Durchaus auch im Frühling, Frühsommer und Herbst
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Ich möchte etwas anmerken: Fieber ist (natürlich) nicht dazu da, dass körpereigene Eiweiß zu denaturieren. Wenn man das im Lehrbuch findet, ist es ein schlechtes Lehrbuch. Um Fieber besser zu verstehen, muss man sich ein wenig in die Biochemie einfuchsen. Die Pi-mal-Daumen-Regel in der (Nicht-Bio-)Chemie besagt, eine chemische Reaktion läuft bei 10°C höherer Temperatur mit ca. der doppelten Geschwindigkeit. Dies trifft auf die Biochemie so nicht zu, da die Biochemie „Reaktonsvermittler“ einsetzt, die die „Initialenergie“ einer Reaktion senken. Hierzu muss man wissen, dass selbst exotherme chemische Reaktionen – also solche, die schlussendlich Energie frei setzen – eine „Anschubenergie“ brauchen, damit die Reaktion startet. Solche „Reaktionsvermittler“ sind Enzyme. Damit Enzyme mit einem Optimum funktionieren, brauchen sie ein exaktes Temperaturumfeld. Nun haben gleichwarme Lebewesen (im Gegensatz zu wechselwarmen) immer das „optimale Temperaturumfeld“ für ihre Enzyme – das erkaufen sie sich aber teuer mit 1) der Aufrechterhaltung der Körperwärme, und auch 2) mit der Optimierung der Enzyme auf die „voreingestellte Körpertemperatur“. Diese weicht durchaus von Gattung zu Gattung ab, so haben Hunde, Katzen, Pferde, Menschen usw. alle eine leicht unterschiedliche Normaltemperatur.
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Im Falle eines Infekts erhöht der Körper nun die Temperatur, um ein suboptimales Lebensumfeld für den Erreger zu schaffen, dessen mitgebrachte Enzyme zumeist ein (wenig) niedrigeres Temperaturoptimum haben als die des Wirts. Hier können Abweichungen von 1-2°C schon einen dramatischen Effekt bewirken. Dummer Weise funktionieren die eigenen Enzyme dann auch nicht mehr optimal. Von den „schlechter funktionierenden“ Enzymen verstirbt der Erreger meist nicht, aber es gibt dem Wirt ein zusätzliches Zeitfenster, den Erreger abzuwehren.
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Dass man ganz allgemein Eiweiße kaum bei 60°C so effektiv denaturiert bekommt, dass man es mit bloßem Auge sieht, merkt man, wenn man ein Ei bei 60°C kochen will. Auch Warmwasser-Anlagen haben ihre (gesetzlich vorgeschriebe) Kampfgrenze bei 60°C, damit sich niemand zu leicht und zu stark unter der Dusche verbrüht. Dass aber komplexe Eiweiße eine „äußerliche Änderung“ ihrer Struktur auch schon bei geringeren Temperaturen erleiden können, sieht man z.B. daran, dass manche Enzyme bei 42°C ihre Funktionsfähigkeit komplett und irreversiebel verlieren. Solche Struktur- bzw. Konformationsänderungen sind aber nicht unbedingt wärmeabhängig, wie man bei „Prionen“, den (vermutlichen) Auslösern von Creutzfeldt-Jakob und BSE nachgewiesen hat.
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Zum Ohrthermometer: Den Knick im Gehörgang sieht man niemandem an. Und da ich mit den Teilen immer nur Rückgabe-Ärger hatte („Das Teil ist kaputt!“ – [Ich] „Nein, sie müssen aber jedesmal eine neue Schutzkappe nehmen…“ – „Eben. Die Schutzkappe ist nach 10x messen kaputt, ICH WILL MEIN GELD ZURÜCK!“ – Grrrrrr….) lehne ich den Verkauf dieser Teile inzwischen komplett ab. Ich selber bin noch mit einem Glas-Quecksilber-Teil groß geworden, welches 5min in meinem Popo rumoxidierte, unter der Drohung „Wenn Du Dich bewegst, bricht es ab!“ Heutzutage brauchen die Teile 10 Sekunden, und da bricht auch nichts mehr ab…
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Ein kleines „Verzeihung für den langen Salms“ sei nachgereicht – das Thema ist nun einmal sehr komplex…
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Oh, ich habe nicht so schlechte Erfahrungen mit den Ohrthermometern … oder sollte ich sagen mit den Ohrthermometer-Kunden?
Und das mit den 5 Minuten :) die Geschichte erinnert mich an einen Calvin&Hobbes: Da sitzt Calvin im Bett mit dem Fieberthermometer (im Mund) und sagt: „Ich kann immer noch nicht glauben, dass die Dinger 20 Minuten brauchen zum messen!“ (Wahrscheinlich war die Mama einfach froh, war er 20 Minuten ruhig).
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*hehe* Nun ja. Also ich habe diese Negativ-Erfahrungen mit dem OT-Verkauf wirklich. Dummer Weise bin ich das Vorzeigebeispiel eines Ohrthermometer-Nonresponders, ich habe nämlich nicht nur einen Gedanken-, sondern eben auch einen Gehörgang-Knick, und mein Trommelfell ist nicht (ohne weiteres) einsehbar. Ich bin von den Teilen einfach nicht überzeugt, da kann *pieeeeep* noch so viel Werbung schalten. Mit den Kampfpreis-Angeboten der Supermarktketten halte ich dabei sowieso nicht mit. Also sollen sich die Supermärkte mit den stinksauren Eltern rumärgern – die haben genug Kulanz-Budget…
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Das „Geratherm Classic“-Thermometer, welches aktuell mit „Galinstan“ – einer Gallium-Indium-Zinn-Legierung, welche auch bei Raumtemperatur flüssig ist – arbeitet, und welchem von Hersteller nebenbei (eine m.E. in der EU gar nicht zugelassene) lebenslange Garantie auf Präzision auf den Pappkarton gedruckt ist – braucht laut Packungsbeilage für eine Messung eine Messzeit von 4 Minuten („die nicht unterschritten werden darf“). Also waren die 5min damals schon o.k. Und wie man sieht, ich habe es überlebt. Psychologische Folgeschäden habe ich bisher nicht untersuchen lassen… ;-)
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Es ist derzeit leider sehr in Mode Fieber bei Säuglingen und Kindern ziemlich schnell zu senken – und zwar auf eigene Faust. Ich höre das ganz häufig im Umfeld: „Ja, der XY hatte gestern Abend 39,irgendwas, da haben wir ihm ein Zäpfchen gegeben und es war gleich viel weniger.“ So oft! Ich finde das gruselig! Unsere einzige Fiebersenkaktion machten wir beim großen Kind mit knapp über anderthalb, notfallärztlich vorordnet, am Ende des zweiten Tages mit über 40 Grad. Flux war das Kind scheinbar fit, aß und spielte und machte dann die Nacht zum Tage (denn es ging ihm ja gut). Am nächsten Tag war alles wieder beim Alten. Ich stehe all dem sehr skeptisch gegenüber und bin froh über einen regulären Kinderarzt, der es ähnlich sieht wie ich. Wenn sich sagen lässt, woher das Fieber rührt (3-Tage-Fieber, Zahnen, Impfreaktion, whatever), dann beobachte ich lieber den Zustand des Kindes, sehe zu, dass es trinkt und warte ab.
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Jau. Das Problem ist auch: Wenn Junior Fieber hat, neigt er dazu ziemlich … reizbar zu sein. Aber kaum gibt man ihm etwas zum Fiebersenken rennt er wieder rum, als wäre nix. Und das finde ich auch nicht so optimal. Ein bisschen Schonen wäre gut. Also .. bekommt er von mir auch nur dann etwas, wenn er sich ziemlich übel fühlt.
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Das kenne ich auch. Krank, Dank Schmerzmittel aktiv wie nichts und am Abend wieder platt/das kleine Häuflein Elend. Zuletzt gesehen bei Coxitis fugax, der Kinderarzt verordnete 3/4x täglich Ibuprofen und Ruhe. Tja, aber halt mal ein schmerzfreies (dank Ibu) Kleinkind vom Toben ab… wir mußten den Fernseher zum Ruhigstellen einsetzen (wurde vom KiA auch explizit empfohlen).
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Ich bin auch dafür, ein Kind mal fiebern zu lassen. Aber wenn es apathisch über Stunden vor sich hin glüht und nichtmal was trinken mag, dann bekommt es Fiebersaft. Oder wenn es wegen den Alpträumen die immer mit dem Fieber kommen nachts nicht zur Ruhe kommt. Dann gebe ich etwas auf die Nacht, und am nächsten Tag darf es dann mit Fieber weiter auskurieren. Davon, es einfach pauschal zu unterdrücken damit das Kind herumrennt halte ich nichts. Und ich beneide meinen Mann (und alle, die das können) wenn er sich EINE Nacht schwitzend ins Bett legt und am nächsten Tag wieder gesund ist während ich meine Krankheiten über Wochen dahinschleppe, weil ich einfach kein ordentliches Fieber bekomme.
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leicht O.T. und für Kinder und Männer uninteressant: Vaginal kommt man auch an die Kerntemperatur — wie ich finde angenehmer und bequemer als durch rektale Messung.
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Das geht sicher.
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Das mit der Kampfgrenze bei der Warmwasseranlage war unserem Hauswirt anscheinend nicht klar… im EG kommt dampfendes Wasser aus dem Hahn, definitiv zu heiß (auf jeden Fall heißer als in jeder vorherigen Wohnung). Das Argument? Sonst bekommt der Nachbar im Dachgeschoß kein heißes Wasser… wir haben nun in allen Kindgenutzten Bereichen (Dusche, Wanne) diese Armaturen mit Temperatursperre eingebaut. Und auch ich möchte mich dort nicht abkochen. :P
Jetzt verstehe ich, warum ich in manchen Apotheken gar kein Ohrthermometer finden konnte. Nachdem ich keines zur Ansicht bekam, habe ich dann auch auf die Anschaffung verzichtet. Noch seltsamer ist das Gerät aus dem Kindergarten, wo sie eine Art Laserpointer auf die Stirn richten und ablesen… na ob das zuverlässig ist?
Wir halten das immer noch so: subjektives Krankheitsgefühl und „fühlt sich kochend heiß an“ wird bei uns als Fieber gewertet, bzw. ist mein Kind zuverlässig am Zentrieren und bekommt bei wirklichem Fieber (über 39,5) eiskalte Hände… ohne messe ich meist gar nicht, wenn es ihm sonst gut geht. Schmerzmittel oder Fiebersenker gibt es nur, wenn das Leid offensichtlich ist und z.B. Schlaf verhindert. Bislang ist noch jede Paracetamolflasche bei uns nach ein, max. zwei Gaben wieder abgelaufen und verworfen worden… ich kaufe es auch nur für die Reiseapotheke immer wieder nach. (So eine Verschwendung, zumindest bei uns.)
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Anekdote zu Ohrfieberthermometern am Rande: neulich, in einem urlaubenden Familienschlafzimmer.
Das ältere Kind kann nicht mehr schlafen, will dauernd trinken, fühlt sich unwohl … messen wir doch mal Fieber mit dem guten alten Teil. 33 Grad bla, beeeestimmt. Anderes Ohr, ebenso. Selbst schlaftrunken fliegt das Teil einfach nur fluchend in die Ecke, Nacken und Stirn sagen, dass da nichts ist, Kind will weiterkuscheln, na gut, schläft es halt so.
Zwei Stunden später: normales Aufstehen, nur erbricht das Kind jetzt mehrfach einfach nur das getrunkene Wasser. Dolles Ding. Fieber nochmal messen? Funktioniert wieder nicht. Während die Mutter das Kind umsorgt, guckt sich der Vater das Thermometer bei Tageslicht näher an: IIIIH, was ist denn da auf dem Sensor? Ohrenwachs? *rubbelwischsauber* *mess* *Referenzeltern messen* … ok, das Kind hat kein Fieber, die Eltern auch nicht und das Thermometer funktioniert auch wieder. Urlaublichen Kinderarzt heraussuchen … uuuuuuuund dem Kind geht es plötzlich einfach wieder so gut.
Merke: die Teile auch mal saubermachen ;)
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nicht Saubermachen, sondern die Einmalschutzkappen auch wirklich nach einem Benützen wegwerfen. Wenn ich mir vorstelle, wir hätten dem Junior 1in den aktiven Chemophasen und den Wochen bis zum Wiederanlaufen des Immunsystems bei jeder Kontrolle der Temperatur (bis zu 6 mal am Tag) ein Thermometer in den Hintern gepackt … .
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