Dann kaufen sie es doch einfach! (Warum berate ich überhaupt?)

Kunde in der Apotheke:

„Ich weiss, Sie haben mir Cetirizin für meine Allergie empfohlen. Aber mein Nachbar hat gesagt ich soll Ranimed nehmen. Er ist Tierarzt!“

Arrrgh!

Drei Mal habe ich Anlauf genommen, um ihn den Unterschied zwischen H1 und H2-Histamin-Rezeptoren zu erklären. Es ist wirklich nicht so schwer: H1= Rezeptor, der für die allergische Reaktion verantwortlich ist. H2= Rezeptor, der für die Magensäure-Produktion verantwortlich ist. H1-Blocker = Cetirizin hilft also bei Allergien. H2-Blocker= Ranitidin hilft bei zuviel Magensäure. Nicht umgekehrt, nicht kreuzweise, Njet.

Dann habe ich es aufgegeben und ihm sein Ranimed verkauft.

Soll er doch schauen, ob der Placebo-Effekt für ihn gross genug ist.

13 Kommentare zu „Dann kaufen sie es doch einfach! (Warum berate ich überhaupt?)

  1. *gröhl* Pass auf, der kommt am nächsten Tag wieder: Das hilft GAAAAR nicht! Wie konnten Sie mir das verkaufen?!?! etcpp. Ich glaube ich würde ihn dann freundlichst lächelnd mit der Schachtel Ranimed an seinen Nachbarn verweisen..
    Manche Leute… *kopfschüttel*

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    1. Ja, das ist zu befürchten. Und oft kommen diese Leute dann so: „Die Apothekerin gestern hat mir *dieses* Mittel gegen Allergien verkauft! Das nützt ein Sch$£%&*%!“
      – und das ist dann der Moment, wo ich eine Notiz hinterlasse an die anderen Apotheker die arbeiten, mit einer Erklärung (falls ich nicht arbeite am nächsten Tag sind sie wenigstens vorgewarnt).

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        1. Wahlweise auch: „Das war wohl der Lehrling, oder? Ich will jetzt den Chef sprechen!“ :D
          Bei solchen beratungsresistenten Fällen hinterlasse ich auch einen Vermerk im PC und auf dem Auftrag, so a la: Kunde wurde über XYZ aufgeklärt, ABC passiert auf eigenen ausdrücklichen Kundenwunsch. Dann wissen alle Kollegen Bescheid und können entsprechend reagieren.

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  2. Sich aus dem Körper projezieren, die Szene von aussen anschauen und Gelächter vom Band abspielen… Schon hast du gratis eine Sitcom! :-D
    Spass bei Seite… Ich stelle mir oft vor, ich schaue mir das Beratungsgespräch „von aussen“ an. Meist hilft mir der Abstand lustigerweise, das Ganze nicht so tragisch zu sehen! :-)

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  3. Kann es denn sein, dass der H2-Rezeptor-Blocker bei einigen Tieren tatsächlich gegen Allergien hilft?

    Die Rezeptoren sind ja nicht zwingend gleich.

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    1. PS: Scheinbar wird bei einer Anaphylaxie H1 und H2-Blocker kombiniert. (Quelle Wikipedia).

      Es wird ihm schon nicht schaden. Und morgen ist er eben wieder da.

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    2. Das halte ich für unwahrscheinlich. Hier mal ein paar angaben zur Toxizität:
      H2-Blocker Ranitidin: akute Tox: keine für unsere Betrachtung zielführenden Angaben.; chronische Tox: In einer 54 Wochen dauernden Studie erhielten Hunde 25, 75 oder 225-450 mg/kg KG/Tag. Es wurde gelegentlich die Produktion von weichen Faeces sowie Speichelfluss und Erbrechen beobachtet. Diese Symptome waren Dosis-abhängig. Bei Applikation von 450 mg/kg KG/d traten gelegentlich höhere Atemfrequenz und Muskel-Tremor auf. Ein Hund starb mit deutlichen Anzeichen von Muskel-Inkoordination.
      H1-Blocker Dimetinden: akute Tox: LD50 (mg/kg KG) Hund, i.v.: 40; Im unteren toxischen Dosisbereich treten Sedierung, Ataxie, Tremor und Dyspnoe auf. Im höheren Dosisbereich treten hinzu tonisch-klonische Krämpfe und vermehrt die durch die schwachen anticholinergen Eigenschaften bedingten Wirkungen wie Mydriasis und vermehrte Speichelsekretion.; Chronische Tox: Beim Hund kam es ab 3 mg/kg KG/Tag zur Beeinflussung der Herzfunktion, Frequenzerhöhung, Verkürzung der PQ- und QT-Zeit. 9 mg/kg KG/Tag führten zum typischen Vergiftungsbild von Dimetinden.

      In diesem Fall stimmen die Wirkung bei Mensch und Tier (in diesem Fall Hund) leidlich überein. Die Vergiftungssymtome sind logisch aus der Wirkung an dem entsprechenden Rezeptor ableitbar.

      Bitte nicht zu Hause nachmachen und ausprobieren, ob die Werte auch stimmen! ;-)

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      1. mal ganz abgesehen davon, dass bei den klassischen Heuschnupfensymptomen andere Rezeptoren anspringen als bei einer Magenübersäuerung ;) ergo KANN ein Medi für den Magen gar nicht beim Heuschnupfen helfen. So rein praktisch mit meinem laienhaften Sachverstand gedacht :D

        Obwohl.. vielleicht war das ja homöopathisch gedacht? *bösgrins* Nicht dass die besondere Schwingung des einen auf die extravagente Schwingung des anderen reagiert und oh Wunder, einen Effekt hervorruft…*sehrbösgrins*

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        1. Naja, fast. Der H1-Rezeptor und der H2-Rezeptor werden beide über den Botenstoff Histamin „aktiviert“. Nur sind die Auswirkungen, die dann vermittelt werden, halt unterschiedlich. H1-Rezeptoren vermitteln Juckreiz, Schmerz, Kontraktion glatter Muskulatur und damit Verengung großer Blutgefäße, Erweiterung kleinerer Blutgefäße, aber auch Auslösung von Erbrechen und eine Beteiligung am Schlaf-Wach-Rhythmus. (Deswegen hat man die Nebenwirkung „älterer“ H1-Rezeptor-Blocker parallel zur Hauptwirkung erklärt: In Schlafmitteln und Mitteln gegen [Reise]Übelkeit und Erbrechen.)
          H2-Rezeptoren vermitteln hingegen eine stärkere Magensäureproduktion.

          So einen Rezeptor kann man sich vorstellen wie ein Zündschloss am Auto. Steckt man einen Schlüssel rein und dreht, wird etwas ausgelöst. In unserem Fall ist der Botenstoff Histamin der „Generalschlüssel“. Die Medikamente sind so eine Art „Falsch-Schlüssel“. Die passen in das Schloss, aber es läßt sich dann nicht drehen. Und man kann sie nicht mehr so leicht abziehen, was verhindert, dass der richtige Schlüssel die Aktion starten kann – weil das Schloss verstopft ist. Nun sind die Medi-Schlüssel aber so gefeilt, dass sie nur in das H1-Schloss oder in das H2-Schloss passen, während Histamin locker beide Schlösser aktivieren kann.

          Und um beim Vergleich zu bleiben: Blocke ich jetzt das Sündschloss vom LKW, kann der Dieb mit dem Generalschlüssel immer noch den PKW klauen – den er ursprünglich klauen wollte – und ich schaue in die (Auspuff)Röhre. Und danach beschwere ich mich beim ADAC, wieso der Dieb den PKW geklaut hat, wo ich doch den LKW gegen Diebstahl gesichert hatte… :-D

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          1. *gröhl* Danke, jetzt hab ich Kopfkino….:D
            Dass für die Heuschnupfenproblematik Histamin der Auslöser ist, wusste ich. Aber nicht, dass das auch die Magenproblematik auslöst. Und Schlüssel-Schloss-Prinzip.. *im Wissen des Bio-LK krame* sagt mir auch was aus der Neurobiologie :)
            Wenn ich mich richtig erinnere, ist es auch so, dass Cetirizin (und verwandte Medis) auch die Refraktion beeinflussen können, in welcher Hinsicht muss ich jetzt allerdings nachlesen. Im Auswendiglernen von mind. 3 Seiten Medikamenten, wo 10 so, 20 so und der Rest ganz anders beeinflusst, war ich noch nie gut, ;)

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          2. „Unter Refraktion versteht man den Brechungszustand eines Auges.“ Cetirizin zählt zu den H1-Rezeptor-Antagonisten (=Blockern) der 2. Generation (die, die nicht mehr so arg Müde machen als Nebenwirkung). „Akkommodationsstörungen, verschwommenes Sehen, Okulogyration“ finden sich tatsächlich in de Nebenwirkungsliste, aber unter „sehr seltene unerwünschte Wirkungen (< 1/10000)". Da sind Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Übelkeit und Schläfrigkeit wesentlich wahrscheinlicher als Nebenwirkung.

            Das Histamin bei der Heuschnupfen- und Allergieproblematik ist aber erst der zweite Schritt. Blicken wir auf die allergische Reaktion des Sofort-Typs, haben wir als ersten Schritt eine Reaktion des Allergens mit an der Oberfläche bestimmter weißer Blutzellen (Mastzellen und Basophile) sitzenden IgE-Antikörper. Das ganze führt dann zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren durch diese weißen Blutzellen, in unserem Fall unter anderem Histamin und Leukotrienen. Das Histamin gelangt nun an H1-Rezeptoren an unterschiedlichen Stellen und löst dort die oben beschriebenen Wirkungen aus – es sei denn, die Rezeptoren sind bereits mit einem H1-Rezepor-Antagonisten besetzt (also das Schloss ist verstopft). Und hier sind wir dann beim Cetirizin, Loratadin etc. etc.

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  4. @Gedankenknick: und im augenoptischen Sprachgebrauch auch die dazugehörige Messung desselben ;) Es stimmt schon, die Nebenwirkung ist sehr selten, aber falls dann beim messen irgendwelche komischen, nicht zusammenpassenden Dinge auffallen, sollte das auf jeden Fall in Erwägung gezogen werden und muss halt abgefragt werden :) Im einfachsten Fall wiederholt man das messen zu einem anderen Zeitpunkt, im schlimmeren Fall gehörts zum Augenarzt.

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