Medikamentenabfall

Wir bekamen von einem Mann eine grössere Menge Medikamente retour. Der Mann wohnt zwar noch bei sich zu Hause, kommt aber alleine kaum mehr vor die Türe. Die Mehrheit der Medikamente bezieht er entweder direkt vom Arzt (was bei mir in der Gegend eigentlich illegal ist, leider aber von einzelnen Ärzten trotzdem praktiziert wird) oder von einem Lieferdienst – das sieht man an manchen Etiketten auf der Packung. Ganz selten braucht er sonst etwas von der Apotheke und dann bringen wir es ihm vorbei – bei einer dieser Auslieferungen haben wir auch die Medikamente zurück bekommen.

Die Menge war … überraschend. Speziell weil darunter ganz viele unangebrochene Packungen waren.

Sortis, Lansoprazol, Zaldiar, Aspirin cardio …

Der Wert der Packungen etwas über 1000 Franken.

Weil ich mit dem Herrn schon zu tun hatte (per Telefon meist), wagte ich einen Anruf bei ihm zu Hause. Ich wollte von ihm wissen, warum er seine Medikamente offensichtlich nicht nahm – und vor allem warum er sie trotzdem bezog.

Er ist ja nur bedingt einer „unserer“ Patienten, aber … das ist ein allgemeines Problem .. und hier hatte ich einmal jemanden zu Hand, den ich fragen konnte. Unverbindlich sozusagen.

Anfangs war er ziemlich beunruhigt, dass er jetzt Schwierigkeiten bekommen würde – und ich musste ihn beruhigen, dass das nicht der Fall war, dass ich einfach nur wissen wollte wieso und nur sein Bestes im Sinn habe.

Ich wollte eigentlich nur herausfinden, wieso und ob er die richtige Entscheidung getroffen hat – ja, manchmal ist es richtig, seine Medikation zu stoppen, aber …

Seine Erklärungen weshalb er sie nicht nahm:

–      er wusste nicht mehr, für was sie ihm verschrieben worden waren

–      er dachte, er brauche die Medikamente nicht wirklich

–      und er wollte den Arzt nicht enttäuschen, indem er sie nicht mehr bestellte

Ich habe dann mit ihm gesprochen über die Medikamente und das warum und wie und dass es wichtig ist, dass er sie nimmt. Auf das Zaldiar kann er verzichten, wenn er nicht so Schmerzen hat, aber für sein Herzproblem wäre es besser, wenn er vorsorgend seinen Blutverdünner und den Cholesterinsenker nimmt.

Der Arzt hat sich wahrscheinlich auch schon gefragt, warum  die Medikamente nicht anzuschlagen scheinen – anhand dessen, dass ich in den Retouren sowohl Aspirin cardio 100er und 300er gefunden habe und 2 Stärken Sortis, hat er es wohl auch schon mit einer Dosisanpassung versucht.

Es ist halt schon so: Medikamente, die man nicht nimmt, wirken auch nicht.

Ich habe ihm dann geraten einen Termin mit dem Arzt zu machen und das nochmals zu besprechen. Falls er das Gefühl hat, sein Arzt nehme ihn nicht ernst, … kann er immer noch einen anderen aussuchen.

19 Kommentare zu „Medikamentenabfall

  1. Ob es helfen würde, wenn der behandelnde Arzt ihm bei jeder Visite sagen würde, wofür/wogegen die einzelnen Medikamente sind? Und sich für ihn noch ein paar Minuten mehr nähme? Der gute Mann scheint ja einem ältere Semester anzugehören und der Compliance muss vielleicht nur durch einfache Erklärung ein bisschen auf die Sprünge geholfen werden.

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    1. Das mag stimmen, aber wenn der gute Mann immer brav nickt und jaja sagt, und der Arzt sich nicht von sich aus prophylaktisch die Zeit nimmt, alles regelmäßig zu besprechen, sondern nur fragt „dann machen wir so wie sonst weiter?// ja klar Herr Doktor“, dann kann eine Konstellation bestehen, wo solche grundsätzlichen Mißverständnisse und Bedürfnisse nicht auffallen. Sollte natürlich nicht sein, ich kenne eine Internistin/Hausärztin, die geht bei jedem Besuch alle Medikamente mit dem Pat. genau durch. Das machen aber nicht alle.

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      1. Zumal er seinen Arzt ja auch «nicht enttäuschen» wollte, indem er die Medikamente nicht mehr bestellt und zunächst auch Ärger vermutete, als Pharmama bei ihm anrief. Von daher ist eben jene Konstellation eingetreten, die etwas ungünstig ist. Ob hier eventuell eine einfache Liste weiterhelfen würde: Medikament X: für/gegen Y?
        Dem Arzt mache ich ja keinen Vorwurf und die Internistin hat sicher aus ihrer Erfahrung mit solchen Fällen heraus eine Taktik entwickelt, die Compliance und damit die Wirkung der verschriebenen Medikamente zu erhöhen. Das umzusetzen, kann sich zeitlich aber auch nicht jeder Arzt leisten. Dilemma…

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        1. Die von mir genannte Internistin macht genau das mit der Liste auch, und sie sagte, daß sie seitdem kaum Complianceprobleme hätte und Ihre Asthma- und Hypertonuspatienten hervorragend eingestellt seien und auch blieben (da sie ja tatsächlich alles nehmen, aber eben auch nciht zuviel). Ich fand das inspirierend, daß sich mal jemand darum schert und sich die Zeit nimmt, ist ja auch eine INvestition in die Zukunft, da ein zufriedener und gut eingestellter Patient weniger vermeidbare Folgebesuche im Quartal hat (nichts gegen notwendige Besuche!). Man muß es sich einfach leisten, denn wenn wenn das Patientenwohl nicht im Vordergrund steht (wird durch viele Arbeitgeben schon stark verzerrt bzw. erschwert, siehe Kosteneffizienz und wirtschaftlicher Gewinn diverser Klininkverbände), sollte man diesen Job einfach nicht machen! Als Mediziner kann man schließlich auch Journalist, Komiker oder sonstwas werden. ;-)

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          1. Das mit der Liste ist eine ausgezeichnete Idee … schön, wenn mehr Leute das machen würden (und mehr Ärzte).
            Immerhin bekommt man vom Spital hier auf einem Blatt oben Rezept und unten Medikamentenliste (sieht gleich aus, einfach ohne Stempel/Unterschrift Arzt) mit – die kann man auch abtrennen und dem Patienten mitgeben.

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          2. Die Internistin hat es offenbar begriffen, dass einfaches Verschreiben oft nicht reicht. Leider kapieren das zu wenige.
            Dabei bringt es gleich doppelt was:
            a) Man hat ein Erfolgserlebnis als Arzt/Ärztin. Es muss doch sonst frustrierend sein, seine Patienten nicht stabil zu kriegenhn..
            b) Die Patienten sind zufrieden, kommen einmal im Quartal. „Passt?“ „Passt!“ „Bis in drei Monaten“. Krankenkassenkarte zücken lassen, Geld einsacken, fertig. Keine subventionierten Folgebesuche.

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  2. Da sieht man sehr schön, was für einen Unterschied eine freiwillige Dienstleistung Deinerseits machen kann, die eine Versandapotheke nicht leistet … leider haben das nicht alle Apotheken geschnallt.

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  3. Ich habe da Mühe damit… Schliesslich bezahlt die Allgemeinheit für diese Medikamente mit – Stichwort Prämienerhöhungen. Dieser Mangel an Interesse und Eigenverantwortung geht mir tierisch auf die Nerven. Was ist nur aus unserer Gesellschaft geworden..? Ich habe grössten Respekt vor Deiner Geduld und Deinem Bemühen, hier zu helfen. Ich habe diese Gabe nicht…

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    1. Der Mann ist hochgradig invalide: Der Mann wohnt zwar noch bei sich zu Hause, kommt aber alleine kaum mehr vor die Türe.
      Der kann wahrscheinlich gar nicht mehr, und irgendwann geht dann zwangsläufig das Wollen auch vor die Hunde. Es ist leicht, darüber zu richten, wenn man jung und gesund ist.

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    2. Non-Compliance ist ein RIESEN Problem. Eben: nicht oder falsch genommene Medikamente können nicht richtig wirken. Und wir reden hier von Prozentzahlen um 30 % … an Leuten, die die Medis wirklich korrekt nehmen…

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  4. Ach Du meine Güte.. und da wundert sich der Arzt dann über den therapieresistenten Hypertonus etc. :-( Wenn der gute Mann dann überraschend pflegebedürftig (also noch pflegebedürftiger) wird, und jemand ihm die Medikamente dann wirklich gibt, dann hat er gleich eine zu hohe Dosierung… aber so steht es dann im Dossier. Bis das überprüft wird, kann es dauern, in manchen Altenheimen hinterfragt das kein Arzt, sondern es werden einfach die alten Rezepte verlängert. Ein Fall, wo es von Nutzen wäre, wenn Patient, Arzt und Apotheker zusammen arbeiten dürften (denn vielleicht traut sich der Patient doch nicht, es beim nächsten Mal zu erwähnen).

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    1. Ja, auch das ist ein Problem.
      Ich bin sehr für bessere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern – das kann dem Patienten nur zu gute kommen.

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  5. ach? medikamente wirken _nur_, wenn man sie auch einnimmt?

    im ernst: im kundengespräch bekomm ich oft zu hören, dass man produkt xyz schon zu häuse hätte. auf rückfragen, ob man es denn nehme, bekomm ich sehr sehr oft entsetzte blicke.

    der glaube versetzt (keine) berge!

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  6. gibt es bei euch keinen Medikamentenplan? Also welches Medi wann und wofür und wieviel genommen werden muss?
    Ich habe das jetzt schon öfters gesehen, wenn ich bei Augenprüfungen nach möglichen Medikamenten frage, zücken die (meist älteren) Leute einen Zettel mit den ganzen Daten :) Erleichtert mir natürlich auch die Einordnung :D
    LG Elawen

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  7. Vielleicht käme er das ein oder andere Mal häufiger vor die Tür, wenn er die Medikamente genommen hätte? :-(
    Sehr schade sowas. Er hat leider über 1000 Franken an nutzlosen Kosten verursacht, alleine für die Arzneimittel, von der Arztbetreuung mal zu schweigen. Die Betreuung solcher Patienten muss einfach optimiert werden. Das kostet zwar auf den ersten Blick ein paar Euro oder Franken mehr, aber was man alles mit guter Compliance einsparen könnte, seufz.

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  8. „Medikamente, die man nicht nimmt, wirken auch nicht“

    würde ich so nicht unbedingt sagen. ich habe z.b. für notfälle lorazepam zu hause. manchmal reicht mir allein das wissen, *dass* die tabletten da sind und ich sie nehmen könnte, um wieder zur ruhe zu kommen – ohne, dass ich wirklich eine nehmen muss.

    aber in den meisten fällen hast du wohl schon recht: keine einnahme – keine wirkung – und der arzt wundert sich, warum seine therapie-bemühungen nicht fruchten…

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    1. Ich sehe einen deutlichen Unterschied zwischen (1) Notfallmedikamenten, die auch nur für einzelne Einnahmen gedacht sind und (2) Dauermedikationen, die nur funktionieren, wenn täglich nachgefüllt wird, bis der Pegel langfristig stimmt.
      Und die „wenn ichs brauch, dauerts nur zwei Sekunden, dann hab ichs, also brauch ichs nicht“-Effekt, ist bei der Rubrik (2) vernachlässigbar.
      Trotzdem: gut, dass du deine Sorte (1) selten brauchst ;-)

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