Unleserliche Rezepte – und die Folgen

Dass die „Aerzteschrift“ oder „Doktorklaue“ nicht nur etwas ist, was den Apothekern die Arbeit schwer macht, ist inzwischen bekannt. Nach Berechnungen des Institute of Medicine der National Academies of Science sterben jährlich in den USA 7000 Patienten wegen unleserlich ausgestellter Rezepte.  Dort wie hier (in der Schweiz) werden Rezepte meist noch handschriftlich ausgestellt. Rezepte wie das im Post gestern sind (immer noch) in der Minderheit.

Wenn die Aerzte sorgfältiger schreiben oder eines der Computerprogramme benutzen würden, mit denen sich Rezepte ausstellen lassen, könnten eine Menge Folge-Fehler vermieden werden.

Das Problem beginnt eigentlich schon bei der Ausbildung der Aerzte, wo dem korrekten Ausstellen eines Rezeptes gerade mal 1 Unterrichtsstunde gewidmet wird – ich weiss das, weil ich, wie die anderen Pharmaziestudenten in dersselben Stunde gesessen und zugehört habe. Dass sie bitte sauber und deutlich schreiben mögen ist in genau 1 Satz abgehandelt worden.

Man kann sich Vorstellen, was dabei alles schief gehen kann, wenn man sich ein paar Beispiele von Rezepten anschaut. Es mangelt es nicht an „schlechten Beispielen“, die ich jeden Tag sehe. Wer wissen will, was da steht, der markiere einfach die weisse Fläche unter dem Bild zwischen den Pfeilen.

Lösung: -> 1x Seretide Discus 250 (60) 2-0-2

1x Muco Mepha 600 (10) 1×1/d

1x Resyl plus Tropfen – <- Na? Erkannt? :-)

-> 1 OP Pantoprazol 40mg DS: 1-0-0 <-

-> Uhrglasverband zur Nacht

Avamys 1×2 bds für 6 Wo <-

-> Rheflumin mite 1×1 100 Stck <-

Dass derartige Rezepte trotzdem oft von Apothekern gelesen werden können liegt an verschiedenem:

1. (Jahrelange) Erfahrung und Rezepte von den gleichen Ärzten, so dass man ihre Schrift schliesslich kennt.

2. Die meisten Ärzte haben ein beschränktes „Repertoire“ an Medikamenten, die sie aufschreiben. Es sind oft die gleichen 20 – 30 Medikamente, die man mit der Zeit erkennt, selbst wenn es dann noch so dahingesudelt ist.

3. Wenn der Patient weiss, für was das Medikament ist, das er bekommt, kann man anhand der Kenntnis der normalerweise gebrauchten Medikamente ein Rezept ausführen, das man eventuell nur Ansatz- oder Auszugsweise lesen kann.

Aber auch in den Fällen kann das gefährlich sein. Immerhin handelt es sich bei den Sachen, die ich in der Apotheke abgebe um Medikamente …. mit Wirkungen und Wechselwirkungen und der Gefahr der Fehldosierung. Grundsätzlich führe ich ein Rezept nur aus, wenn ich ganz sicher bin, dass das richtige Medikament abgegeben wird. Ist trotz all oben erwähntem eine Unsicherheit vorhanden, was da aufgeschrieben ist, wird dem Arzt angerufen zur Abklärung.

Wenn der Arzt nicht gerade erreichbar ist, weil er keinen Dienst hat, muss der Patient leider bis zur Abklärung warten, bevor er das Medikament bekommt. Das kann unangenehm bis schädlich sein, darum liebe Aerzte: schreibt deutlich!!!

Und wenn Ihr ein Telefon bekommt von der Apotheke, denkt daran: wir machen das nicht zu unserem Vergnügen, also seid freundlich. Dem Arzt, der letzthin das Telefon mit einem super unfreundlichen „WAS IST?!?“ abgenommen hat, dem hätte ich gerne noch ein paar Dinge mehr gesagt, was ich wegen dem vor mir stehenden Patienten leider nicht konnte…

35 Kommentare zu „Unleserliche Rezepte – und die Folgen

  1. Das kenne ich. Zwar nicht mit Rezepten, aber mit Nachforderungen, welche mir Handschriftlich auf einen Zettel gerotzt einfach hingelegt werden, damit ich das ZentrifugenOrakel befragen kann, was genau ich da nun machen soll.

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  2. Aber die Frage ist doch eher: Warum schreiben Ärzte oft so?

    Eine Allergie gegen handschriftliche Tätigkeiten, erlernt während dem langjährigen Anfertigen von Vorlesungsnotizen?

    Ein Machtdemonstration gegen dem Patienten und dem Apotheker, im Stil von „drück dich bloss nicht klar aus, sonst könntest Du hinterfragt werden“?

    Es kostet doch gar nichts, wenigstens eine halbe Stunde pro Woche eine leserliche Handschrift zu üben. Und es muss ja keine Schnürlischrift sein.

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    1. Ich denke nicht, dass das böse Absicht ist. Eher Gedankenlosigkeit.
      Immerhin stellen sie täglich einige Rezepte aus, häufig für die gleichen Medikamente – da wird man mit der Zeit wohl hastig bis schlampig beim Schreiben.

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      1. Okay, Gedankenlosigkeit…

        Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass man keine Zeit hätte, die paar Zeilen auf dem Rezept sauber auszufüllen. Auch wenn man nur 10 Minuten mit einem Patienten zu tun hätte… Zeit gespart am falschen Ort.

        War es früher eigentlich anders mit der „Doktorklaue“? War früher das Rezepte-Schreiben eine Ehre aus der Sicht des Arztes, während es heute zu einem notwendigen „Patient, hier steht drauf was du brauchst“-Kram verkommen ist?

        Naja, ich bin auf jeden Fall nie aus einer Arztpraxis gelaufen ohne mir erklären zu lassen, was auf dem Rezept steht. :)

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  3. mein Arzt sagte mir mal, dass er die Postkarten an seine Eltern jeweils in die Apotheke schicke, da diese nur dort gelesen werden können:-)
    Aber so im Alltag nervt es wirklich und ich hatte schon so manchen wortreichen Disput mit den Aerzten

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    1. Speziell schön auch, wenn der Arzt grad nicht da ist und die Praxisassistentin weder die Unterlagen in der Praxis noch das gefaxte Rezept entziffern kann …

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  4. Grad bin ich am überlegen, wann ich das letzte Mal ein handschriftliches Rezept gesehen habe. Von meiner Hausärzin letztes Jahr vielleicht?
    Frauenarzt und Allergologe stellen den Kram immer auf computerbedruckten Rezepten aus. Ist durchaus praktischer so. ;-)

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  5. Beim vorletzten Bild hätte ich „Ich glaube damit zur Nacht“ gelesen, und war dann doch sehr überrascht, daß immerhin das „zur Nacht“ richtig gelesen war!

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  6. Hihi, bevor ich in der Apotheke angefangen habe, habe ich mich auch immer gefragt, ob die Apotheker in der Uni einen extra Kurs belegen in dem sie lernen dieses Gekrakel zu lesen. Unsere Ärzte hier geben sich auch immer extra Mühe so unleserlich wie möglich zu schreiben, Heilpraktiker übrigens auch.
    Aber einer von uns findet sich immer, der es lesen kann und wenn’s gar nicht mehr geht, wird der Chef gefragt. Wenn selbst der es nicht mehr lesen kann, tja dann ans Telefon. Wir sind heilfroh, dass die meisten Ärzte hier ihre Rezepte drucken, oder ihre Helferinnen schreiben lassen ^^

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    1. Ah was vergessen..
      Mein kleiner Bruder hat unseren Krakelschrift-Arzt mal vollkommen außer Fassung gebracht. Der gute Doktor schreibt das Rezept und mein kleiner Bruder, süß wie er damals noch war
      „Du, Onkel Doktor, ICH werde später auch mal Arzt!“
      Arzt: „So? Warum das denn?“
      Bruder: „Meine Handschrift kann auch keiner lesen!“
      Damit war der gute Mann so aus dem Konzept, dass er das Rezept zerriss und von vorne anfing *g*

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  7. Ich schwörs – ich KANN nicht schön schreiben, konnt ich noch nie, und ich ärger mich täglich über Schriften von kollegen.
    Ich schreib aber immerhin alles, was möglich ist, über PC – vieles ist aber leider nicht möglich.
    Vielleicht liegts daran, daß man als Arzt einfach unendlich viel schreiben muß….

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    1. Eine Sauklaue habe ich auch. Ich glaube nicht, dass es Pharmama darum ging. Aber wenn man Lisino (Loratadin; Antiallergikum) mit Lisinopril (Blutdruckmedikament) aufgrund der Schrift verwechselt, wird es gefährlich.

      Beim oben abgebildeten ersten Rezept hätte ich beim zweiten Posten auf den ersten Blick selbst Amox Mega 600 (also Amoxicillin, ein Antibiotikum) gelesen und nicht unbedingt Muco Mepha 600 (also den Schleimlöser ACC). Stutzig hätte mich nur gemacht, dass Amoxicillin normal eine 1000er-Dosierung hat.

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  8. Hallo, mein Arzt benutzt glücklicherweise eines dieser Programme – aber kann man denn nicht leserlich schreiben? Ich meine im Sinne des Patientenwohls oder so?
    Sagt denen keiner, wie sie schreiben?
    Mein Onkel war Arzt, schrieb furchtbar, aber seine Rezepte immer mit Druckschrift.

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    1. „Sagt denen keiner, wie sie schreiben?“ … Doch, ich ( und die anderen Apotheker) jedesmal, wenn wir wegen einem unleserlichen Rezept wieder anrufen müssen.
      Ich habe schon ernsthaft darüber nachgedacht Ende Jahr 2 Preise zu verleihen: für die am deutlichsten geschriebenen Rezepte eines / und so was wie die Goldene Himbeere (vielleicht die Goldene Hyroglyphe?) für den Arzt, der die übelst lesbaren produziert.

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  9. Oh ja, das kenne ich auch. Ich hab früher bei einer privaten Krankenversicherung gearbeitet, und die Rezepte mussten wir natürlich auch abrechnen… Kam auch oft genug vor, dass wir zum Hörer gegriffen haben und wahlweise beim Arzt oder in der Apotheke angerufen haben.

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    1. Es ist eine durchsichtige Plastikkappe (eben, wie ein Uhrglas), welche luftdicht aufs Auge aufgeklebt wird.

      Normalerweise sorgt die Tränenflüssigkeit und die Bewegung des Augenlids dazu, dass die Hornhaut feucht gehalten wird. Wenn aber die Augenlider nicht mehr richtig schliessen, verhindert der Uhrglasverband, dass die Tränenflüssigkeit verdunstet.

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  10. Also hier in Norddeutschland habe ich seit vielen Jahren kein handschriftliches Rezept gesehen. Das geht seit mindestens 10-15 Jahren durch den (gleichen) Nadeldrucker.
    Bei allen Ärzten, die ich besucht habe.

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  11. Ärzte und ihre Schriften,
    ärgere mich jedesmal beim Tabletten richten im Nachtdiemst.
    (Fieberkurven werden auch sehr leserlich und und verständlich geschrieben—Ironie off)

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  12. Also, die Ärzte mit ihrer „Sauklaue“ sind aber nicht schuld daran, dass 7000 Patienten jährlich sterben. Die Apotheker sollten lieber einmal zu viel, als zu wenig nachfragen.

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  13. Nicht nur schriftlich – auch akustisch können Fehler passieren.
    In einem medizinischen Praktikum „durfte“ ich mal mit dem chirurgischen Chefarzt auf die Privatvisite mit.

    Es ging bei einer Patientin mit Krampfadern, die nach einer OP noch nicht aufstehen durfte, irgendwie um die Gefäße und die Durchblutung, so viel hatte ich mitbekommen…
    Mit seiner schnodderigen Aussprache brummelte er mir etwas zu, was ich als „Geben Sie ihr Heparin“ verstand… was mir in Sachen Durchblutung ja auch einleuchtete.
    Zum Glück musste ich das immer erst den Schwestern zeigen, die meinte, dass di ePatientin ja schon postoperativ Heparin bekam – die fragte nach, weshalb die Patientin nochmals Heparin haben sollte – Antwort des Chefs: „Nicht Heparin – sondern Reparil!“

    Da ich das „Reparil“ damals noch nicht kannte, hatte ich halt „Heparin“ in seine Aussprache hineininterpretiert.

    Gut, dass da noch so viele „Kontrollinstanzen“ dazwischengeschaltet sind.

    Ach ja, dann hatte ich noch den Patienten, der sich wunderte, dass er jetzt fast die zehnfache Menge an Insulin spritzen sollte.
    Wie sich herausstellte, hatte der Pflegeschüler
    „101 E. Insulin“ also „101 Einheiten Insulin“ gelesen,
    anstatt, wie aufgeschrieben
    „10 I.E. Insulin“ also „10 Internationale Einheiten Insulin“.

    Das I. wurde da gleich mal als eine 1 gelesen,
    und schon hatte man die zehnfache Dosierung… :o

    Der Patient hat zum Glück nochmals nachgefragt,
    und da der Pflegeschüler sich eh unsicher war, vor allem wegen der seltsam krummen Zahl 101, hat er auch lieber nochmals nachgefragt.

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    1. Da fällt mir auch glatt noch ein anderer Kollege ein, da ging es aber um unleserliche Konsilschein-Befunde.
      Der hatte keine Skrupel, einen unleserlichen Befund zurückzuschicken mit dem Vermerk: „Unleserlich zurück!“

      Hat funktioniert :)
      Die Kollegen bemühten sich um Leserlichkeit oder ließen ihre Befunde gleich durch eine Schreibkraft abtippen.

      :D

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