Abends um halb 6 Uhr bringt mir der männliche, ältere Patient ein Rezept. Dieses hier:
Ich habe Mühe damit es zu lesen, aber da es von einem Urologen (Männerarzt) ausgestellt wurde und der erste Buchstabe höchstwahrscheinlich ein X ist … und die Dosierung 1 pro Tag … ich vermute Xatral uno. Ein Medikament gegen Störungen bei Prostatavergrösserung. Dauerrezept für 1 Monat. Aber ich rufe dem Arzt an, damit ich sicher bin.
Der nimmt das Telefon schon nicht mehr ab – das wird laut Anrufbeantworter nur bis 5 Uhr bedient und morgens ab 9 Uhr.
Gut, ich muss das Medikament sowieso bestellen, also sage ich dem Mann, dass er es morgen abholen kann und ich dann am Morgen halt grad noch den Arzt anfrage.
Am nächsten Morgen rufe ich in der Praxis an. Die Praxisgehilfin will es gefaxt haben. Können wir machen.
Zurück kommt dann dasselbe Fax mit demselben Rezept:
Ah, doch eine Ergänzung. Gesehen? Da steht noch erläuternd 2.5mg. Sonst nix.
Na Super. Das sind dann wohl die anderen Xatral, nicht die uno, die man einmal täglich nimmt. Und die habe ich natürlich nicht bestellt.
Aber … weshalb steht dann bei der Dosierung 1×1?
Bei den 2.5mg steht dies in der Fachinfo unter Dosierung:
Bei Patienten ohne kardiovaskuläre Erkrankungen in der Anamnese beträgt die empfohlene Tagesdosis 3× täglich 1 Tablette zu 2,5 mg (7,5 mg täglich). Die erste Dosis der Behandlung sollte abends vor dem Zubettgehen eingenommen werden.
Ältere Patienten/Hypertoniker unter Behandlung: Bei älteren Patienten (über 75 Jahre) oder bei Patienten mit behandelter Hypertonie sollte die Initialdosis 1 Tablette à 2,5 mg morgens und abends betragen. Die Dosis kann dann je nach klinischer Wirkung angepasst werden.
Niereninsuffizienz: Die Initialdosis beträgt bei Patienten mit Niereninsuffizienz 2× täglich 2,5 mg. Die Dosis kann dann je nach klinischer Wirkung angepasst werden (maximale Tagesdosis: 3× 2,5 mg).
Leberinsuffizienz: Die Initialdosis beträgt bei Patienten mit mässiger Leberinsuffizienz 2,5 mg einmal täglich und kann je nach klinischer Wirkung auf maximal 2× 2,5 mg täglich gesteigert werden.
Nochmals in der Praxis angerufen. Die sehr ungehaltene Praxisassistentin meint nur: „Ja, die Xatral 2.5mg einmal täglich. So hat er es aufgeschrieben.“
Pharmama: „Okay – das ist ungewöhnlich, die uno sind einmal täglich, die 2.5mg nimmt man nur am ersten Tag eine und danach 2 bis 3 pro Tag.“
MPA: „Moment.“ Sie haut mich in die Warteschlaufe, meldet sich mit „Sind sie noch dran?“ wieder (Ja. Ich habe es noch nicht aufgegeben) und sagt: „Er hat aufgeschrieben einmal eine pro Tag, auch im Patientendossier. Dann denke ich, er meint das auch so.“
Pharmama: „Sie denken … Wie sicher sind sie? Wollen Sie nicht vielleicht noch einmal nachfragen?“
MPA: Grummelgrummel … Versetzt mich kommentarlos wieder in die Warteschlaufe … entweder hat sie Angst vom Arzt, oder sie hat sonst Hemmungen ihn direkt zu stören, ich bin sicher, dass sie bisher damit nicht bei ihm direkt nachgefragt hat.
Nach längerere Wartezeit: „Sind sie noch dran?“
Pharmama: „Ja, immer noch.“
MPA: „1 Tablette pro Tag.“
Pharmama: „Okay? dann halte ich das so fest, Danke fürs nachfragen.“
Ich ändere das und nehme die 30er Packung Xatral 2.5mg aufs Rezept.
… Und muss dann beim bestellen merken, dass es das auf einen anderen als unseren üblichen Grossisten genommen hat … Weshalb? Lieferant nicht eingetragen. Hmmm? Noch ein Bestellversuch. Artikel nicht lieferbar, inaktiv. Huh?
Na dann. Muss es halt trotzdem die 60er Packung sein.
Gottseidank geht das bei uns und ich muss nicht nochmal in der Praxis anrufen um das Rezept ändern zu lassen … die MPA hätte mir wohl sonst den Kopf abgerissen.
Einen Monat später (nach dem nächsten Arztbesuch des Patienten also) kommt dieses Rezept:
Ah. Ja.
Geht doch?
Rezepte in Handschrift sollten zugunsten der Patientensicherheit schlicht verboten werden.
LikeLike
Und bei Hausbesuchen? Selten genug finden sie noch statt… Darf der Arzt jedes mal seinen Praxis-PC mit Drucker bei sich tragen? ;-)
LikeLike
Es wäre besser lesbar, allerdings: Hausbesuche, die älteren Ärzte vor der Pension haben häufig nicht mal eine computerisierte Praxis und bei uns ist das (immer noch) ein gewisser Fälschungsschutz :-) Auffällig, wenn es zu lesbar ist / oder Schrift oder Stift anders….
LikeLike
Was mich hier wieder einmal aufs Neue den Kopf schütteln läßt, ist die mangelnde Bereitschaft von Arztpraxen (MPAs UND Ärzten) mit den Apothekern zum Wohle das Patienten zusammenzuarbeiten. Ist es wirklich so schwer, die Größe zu haben, einen Irrtum oder schlicht ein Versehen (Fehler sage ich bewußt nicht, da dieses Wort prinzipiell negativ behaftet ist) zu erkennen, und dementsprechend zu handeln? Wir wollen doch alle den Patienten bestmöglich versorgt wissen.
LikeLike
Ja, der einzige der bei fehlender Zusammenarbeit wirklich leidet ist der Patient selber.
Es ist ja nicht so, dass ich da einen Fehler finden (oder zeigen) wollte -auch kein Versehen … ich muss einfach sicher sein, dass der Patient das richtige Medikament in der richtigen Dosierung bekommt. Wenn die Dosierung hier so ausser der Norm sein sollte – das ist möglich, aber das ist auch etwas, was der Arzt dem Patienten sagen müsste: ich schreibe ihnen hier eine niedrigere Dosis auf, da ich bei ihnen vorsichtig anfangen will (weil er eventuell Herzprobleme, Bluthochdruck etc. hat).
LikeLike
Und da haben wir ein weiteres „Problem“… kennst du viele Ärzte, die so mit ihren Patienten sprechen, und derart genau informieren?
LikeLike
Ich hatte schon mit einigen Ärzten zu tun, und ja, die meisten haben entsprechend informiert. Die Frage ist allerdings, was davon beim Patienten hängen bleibt, wenn er nichts von der Thematik versteht.
LikeLike
Ich habe beruflich genug mit Ärzten zu tun… und diejenigen, die ihre Patienten über die Dosierung eines Medikaments so genau informieren, kann ich vermutlich an einer Hand abzählen. Privat suche ich mir meine eigenen Ärzte nach genau diesen Gesichtspunkten, auch wenn der Arzt mit mir als Pharmazeut auch ein bißchen „technischer“ sprechen kann.
Aber „was bleibt beim Patienten hängen“ ist auch ein nicht außer Acht zu lassender Punkt, denn sonst hätte ich nicht immer wieder Patienten, die ein Medikament seit Jahren nehmen, und weder genau wissen weshalb, noch wie es heißt. Das macht die Suche nach dem richtigen Präparat, wenn es einmal einen Vorbezug geben soll, nicht immer einfach, wobei die aufgezeichneten Daten bei Stammkunden enorm helfen.
LikeLike