Polypharmazie: Manchmal ist weniger mehr

Polypharmazie nennt man es, wenn ein Patient eine Vielzahl von Medikamenten gleichzeitig einnehmen muss.
Das tritt v.a bei älteren Patienten auf, die Blutdruckmedikamente nehmen müssen (manchmal mehrere), dann etwas gegen Altersdiabetes, Cholesterinsenker, wahrscheinlich noch ein Schmerzmittel gegen Arthritis oder Rheuma, Blutverdünner … ab 5 Medikamenten wird es extrem unübersichtlich und ein echtes Problem was die Wechselwirkungen und Nebenwirkungen angeht.

Noch schwieriger wird es, wenn der Patient zu verschiedenen Ärzten geht – und noch nebenbei selbst gekaufte Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel einnimmt.

Ganz toll sind auch Austritte aus dem Krankenhaus – es wurde einmal statistisch angeschaut, wie viele Medikamente dann jemand nehmen muss: das sind über 8 pro Person.

Ich würde sagen, da sind Probleme praktisch vorprogrammiert.

Es hilft, wenn der Patient eine Stammapotheke hat, die im Computerdossier seine ganzen Medikamente gespeichert hat, so kann man auch bei einem neuen Arzt oder neuen Medikamenten schauen, ob sie sich gegenseitig vertragen.

Dennoch ist es so, dass es von Zeit zu Zeit Sinn machen kann, beim Hausarzt (oder Allgemeinmediziner), seine ganzen Medikamente durchzuschauen, ob man da nicht auch etwas weniger nehmen kann.
Ohne dem Arzt in das Behandlungsschema reden zu wollen, hier ein paar Fragen, die man stellen kann:

  • Braucht es wirklich 3 Blutdruckmedikamente?
  • Ist der Magenschutz, der seit Jahren verschrieben wird wirklich immer noch nötig?
  • Der Cholesterinsenker, den man seit langem nimmt: wie sind die Cholesterinwerte jetzt? Wie ist das Verhältnis LDL zu HDL? (schlechtes zu gutes Cholesterin: bei einem hohen HDL kann man ev. trotz leicht erhöhtem LDL auf den Cholesterinsenker verzichten).

Ev. Lässt sich auch mit Diät etwas bewirken: heute gibt es Speziallebensmittel, die helfen können den Cholesterinwert zu senken.

Mit regelmässiger Bewegung und eventuell einer Senkung des Körpergewichtes kann man durchaus aktiv etwas dazu beitragen, dass man dann weniger Medikamente nehmen muss. Nicht nur vorbeugend. Wenn sie aufhören mit einem oder beidem – dann helfen auch die ganzen Medikamente nicht ewig.

Manchmal ist weniger mehr. Sei mutig und frag deinen Arzt, was möglich ist. Setze aber nicht von dir aus einfach die Medikamente ab! Das kann ausgesprochen unangenehme und schädliche Effekte haben.

Wenn Du unsicher bist, kann die Apotheke helfen, indem sie einen sogenannten Polymedikationscheck mit dir durchführt (gilt für die Schweiz). Dabei wird angeschaut was für Medikamente und wie sie genommen werden – und auch so Sachen wie oben können diskutiert werden. Das macht nur der Apotheker und der Aufwand kann der Krankenkasse verrechnet werden.

Also: Ist es an der Zeit die Medikamentenliste einmal durchzugehen? Wie wäre es mit jetzt?

4 Kommentare zu „Polypharmazie: Manchmal ist weniger mehr

  1. Ein sehr wichtiges Thema!!
    Auch in Deutschland kann die Apotheke einen Check der Medikamente machen. Hier spricht man immer mal wieder von der Brown-Bag-Analyse. Der Kunde/Patient packt also alles zusammen, was er so nimmt und bringt es in die Apotheke. Die prüfen den Inhalt und machen daraus einen Einnahmeplan mit Wechselwirkungscheck und Hinweisen. Ich weiß grad gar nicht, ob da inzwischen geklärt ist, wer da wie viel für bezahlt.
    Im Klinikum gehört dieser Check auch schon oft dazu (leider noch nicht flächendeckend) und auch hier gruselt man sich dann über Medikationen mit bis zu 12! verschiedenen Arzneimitteln. Und nicht jeder Klinikarzt will sich in die ambulante Therapie „einmischen“ und „unnötiges“ absetzen.
    Aber jetzt gibt es ja den TOLLEN Medikationsplan. Damit wird sicher alles besser. Ironie aus
    Ich finde die Idee super, ich zweifel nur noch an der Umsetzung.

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  2. „Sei mutig und frag deinen Arzt“ – ich glaube, gerade bei älteren PatientInnen ist das ein Problem. Wann immer ich meine Mutter frage „hast du deinem Arzt gesagt, dass du… (Vitamin D zusätzlich nimmst, Medikament XY anders als verschrieben einnimmst, Beschwerden Z hast)?“ antwortet sie „Das interessiert ihn nicht, deshalb sage ich ihm nichts.“
    Und traurig, aber wahr: ich glaube, ein Stück weit hat sie recht, ich war schon bei Arztterminen dabei.
    So lange sie alle Medikamente in der gleichen Apotheke holt und dort ein Auge auf die Medikation geworfen wird, halte ich mich raus, ich kann ja nicht alle 3 Wochen durch halb Deutschland fahren, um bei ihren Arztbesuchen dabei zu sein.

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  3. Ich bin dabei ;)
    irgendwann wirds tatsächlich kompliziert… aktuell nehm ich 4 dauermedis plus tropfen bei bedarf, das (8,5 Tabs pro Tag) kann man noch überblicken, aber wenns nochmal mehr wird, muss ich mir was überlegen.
    Also ich fänd nen PMC (oder einen Arzt der die eingenommenen Medis kritisch beäugt) super 👍🏼
    So Klassiker wie Blutdruck, Cholesterin, Diabetestabs sind bei mir allerdings nicht dabei und ich bin aktuell viel zu zufrieden mit der Wirkung, als dass ich da jemanden rumpfuschen lassen würde.
    LG

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  4. Das Problem der vielen Medis nach Entlassung hab ich grad bei meinem Vater nach schwerem Schlaganfall/ Hirnblutung. Bereits in der Reha kamen Medis nur dazu und wurden nicht oder nur nach Nachfragen durch uns auch mal abgesetzt – das Levetiracetam (VA Epilepsie – keine gesicherte Diagnose!) hat er immer noch keiner traut sich ran, ein Cholesterinsenker, Blutdruckmedis, etwas gegen Diabetes,…
    aktuell habe ich bei ihm 11 Medis – und bin erstmal auf der Suche nach einem Arzt, der sich alles in Summe anschaut

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