finanzielle Risikopatienten …

Ein Mann kommt mit einem Blatt Papier, das er der Pharmaassistentin in die Hand drückt mit den Worten: „Kann ich das bei Ihnen auch?“

Das Blatt stellt sich als sogenannte Forderungsabtretung heraus. Als selbst verfasste, so wie’s aussieht.

Darauf steht mehr oder weniger „Ich (Name), trete meine zukünftigen Forderungen aus den Medikamentenkosten durch (Apotheke) gegenüber der Krankenkasse an die Apotheke ab.“

„Machen wir sowas?“ kommt meine Pharmaassistentin zu mir.

Das braucht jetzt etwas Erklärung. In der Schweiz gibt es 2 Arten der Abrechnung mit den Krankenkassen. Im Moment üblich ist, dass Apotheke und Krankenkasse einen Vertrag haben, so dass die Apotheke Medikamentenbezüge eines Patienten direkt an die Kasse verrechnen kann und von der Krankenkasse das Geld zurückbekommt. Nennt sich Tiers payant. Variante 2 ist, dass die Kasse keinen Vertrag mit der Apotheke hat und der Patient die Medikamente in der Apotheke selber zahlen, selber die Rezepte und Quittungen sammeln und selber einschicken muss um das Geld dann von der Kasse zurückzubekommen. Dafür sind diese Kassen, da sie einen (grossen) Teil der Verwaltungsarbeit praktisch dem Patienten überlassen dann auch günstiger. Das ist die Tiers garant.

Eine Forderungsabtretung ist die Möglichkeit, dass die Apotheke, obwohl der Patient eine Kasse der Variante 2 gewählt hat, die Rechnung trotzdem an die Krankenkasse einschickt und von der das Geld zurückbekommt. Das geht – mit einem spezifischen Vertrag mit dem Patienten.

Die Apotheke nimmt also dem Patient diese Arbeit ab und schiesst (wie bei der normalen Variante) das Geld dafür vor, bis es von der Kasse zurückkommt. Dem Patienten selber stellt die Apotheke nur noch die Rechnung für die Franchise (den 10 oder 20% Selbstbehalt, den er zahlen muss) oder für Dinge, die die Kasse auch nicht bezahlt.

Warum machen das nicht alle? Und: Warum mache ich das bei diesem speziellen Patienten auch nicht?

Das liegt daran, dass das mit dem zurückzahlen von der Krankenkasse nur so lange gemacht wird, wie der Patient auch seine Prämien und Ausstände bei der Krankenkasse zahlt. Macht er das nicht mehr, stoppt die Krankenkasse sofort alle Zahlungen für den Patienten an die Apotheke.

Die bleibt dann auf den Rechnungen sitzen.

So ein Forderungsübertrag ist also reiner Goodwill der Apotheke – es bedeutet einiges an Mehrarbeit und ist ein finanzielles Risiko – und darum machen das auch nicht alle. Wir machen es nur, wenn wir den Patienten als zuverlässigen und regelmässigen Kunden kennen.

Beides traf bei dem Herrn nicht zu. Nicht nur, dass er das letzte Mal vor über 3 Jahren bei uns war, ist seine Partnerin bekannt für ihre Unzuverlässigkeit. Und dass er sowas wie die Forderungsabtretung kennt zeigt mir, dass er das wahrscheinlich in einer anderen Apotheke hatte. Dass er jetzt das woanders will, liegt höchstwahrscheinlich daran, dass die andere Apotheke das zumindest bei ihm nicht mehr macht. Über die Gründe kann man jetzt spekulieren.

Also ist die Antwort in dem Fall: „Nein.“

7 Kommentare zu „finanzielle Risikopatienten …

  1. Nur wenn der Patient in einen Freihandverkauf seiner Organe einwilligt…

    Nein, in diesem Fall klingt äh riecht das wirklich fishy. Habt ihr eigentlich einen Informationsaustausch zwischen den Apos, oder habt ihr als einzige Informationsquelle euer Bauchgefühl und das Betreibungsamt?

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    1. Nein, kein Informationsaustausch – das widerspräche ja auch dem Patientengeheimnis. Ich habe praktisch nur die Info und Erfahrung über einen Patienten, die ich in meiner Apotheke gemacht habe.
      Auszug vom Betreibungsamt wäre vielleicht noch eine Möglichkeit, wenn man Zweifel hat.

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  2. DAS ist mal ausnahmsweise ein Vorteil für D! ;-) Meines Wissens kann die KK der Apotheke nix, wenn die Beiträge nicht bezahlt wurden! Oder, Knick…? ;-)

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    1. Vielleicht. Dafür suchen sie sich Formfehler in den Rezepten als Grund, einfach gar nichts zu zahlen für die abgegebenen Medikamente. Nennt sich Null-Retaxation – und finde ich viel schlimmer als das was die Kassen hier machen.

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    2. Habe selber Privatpatienten, die sich ihre Medies via Vorkasse nicht leisten könnten und deshalb mit Abtretungserklärungen arbeiten. Habe selber übrigens auch schon Fahrten nach Absurdistan untermommen. Und auch in D gab es schon mindestens einen dokumentierten Fall, bei der die PKV dem Abtretungs-Apotheker die Beitragsschulden des Patienten mit den Arzneimittelkosten großzügig „verrechnete“.

      Und wie zahlungswillig die GKV ist findet sich z.B. hier: http://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/nachricht-detail/urteil-apotheker-rezepturzuschlag-nur-pro-verordnung/ Jeder Handwerker würde vor Freude weinen, wenn er 300 Tage Arbeit hätte und für 24 Tage bezahlt wird.

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  3. ja, diese Null-Retaxationen schreien zum Himmel – m.E. dürfte man einer Apo, wenn sie schon den gigatischen Fehler macht, ein 3,7652334% teueres Produkt abzugeben, nur maximal diese fraglichen 3,7652334% abziehen. DAS wäre gesunder Menschenverstand! Aber um diesen geht es in heutigen Tagen wohl nicht mehr…

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