So ziemlich jeder kennt Aspirin® – und wenn er es nicht selber nimmt, so hat er davon gehört, es in der Werbung gesehen oder im Medizinkästchen der Grossmutter.
In Amerika und anderen Ländern aber ist Aspirin als Generischer Name für Acetylsalicylsäure-Präparate bekannt. In Amerika heisst unser Original „Aspirin Bayer“.
Aspirin® ist der Markenname, den Bayer für ASS gebraucht hat. Der Wirkstoff wird seit 1899 medizinisch verwendet. Wobei Bayer sein Aspirin nicht frei verkäuflich, sondern zuerst nur via Arzt-Rezept und Apotheke vermarkten liess. Zu Beginn des ersten Weltkrieges 1914 bekam Bayer der bedeutendste Produzent von ASS – mit Ablegern der Firma im Heimatland Deutschland aber auch in Amerika und England. Zu der Zeit – lange vor der Entdeckung von Paracetamol (Panadol®), Ibuprofen und Naproxen war das sehr profitabel. Auch wegen des ausgezeichneten Marketing von Bayer mit ihrem Markennamen Aspirin. Den liessen sie patentieren in England, den Vereinigten Staaten und Deutschland selber– wobei sie in Deutschland das Markenrecht dafür schliesslich nicht bekamen.
Das Produkt lief gut – noch besser nachdem Bayer dazu überging Tabletten zu pressen und die Apotheken nicht mehr nur mit dem Pulver zu beliefern.
Vor dem ersten Weltkrieg baute Bayer eine Produktionsstätte in Rensselaer, New York – auch um die Import-Steuern auf das Medikament zu umgehen. Aber als der Krieg ausbrach, entstand ein neues Problem: Phenol wurde knapp. Phenol ist ein Bestandteil den es für die Synthetisierung von ASS braucht … aber auch für anderes: es ist Schlüsselbestandteil für die Produktion von Trinitrophenol – gebraucht in Munition und Explosivstoffen. Der Phenol-Mangel traf Amerika als ihr Hauptlieferant England es selber zur Sprengstoff-Produktion verwendete und die Ressourcen in Deutschland wurden blockiert durch die Britische Blockade des Nordatlantik. Die Fabrik in Rensselaer musste deshalb ihre Aspirin Produktion drosseln – ein Problem, weil das Patent, das Bayer auf Aspirin hatte dabei war auszulaufen, gerade jetzt, wo Bayer eine grosse Marketing Kampagne plante, um die Marke im Bewusstsein der Amerikaner zu verankern.
Bayer wandte sich mit seinem Problem an … Thomas Edison. Ja, der mit der Glühbirne und diversen anderen Erfindungen.
Edison war in ähnlichen Schwierigkeiten, weil er für die Herstellung seiner phonographischen Platten Phenol benötigte. Seine Lösung war, das Phenol selber herzustellen – wobei er eine Fabrik eröffnete, die mehr als das, was er brauchte produzierte. Der Überschuss war eigentlich für das Amerikanische Militär gedacht, aber die deutsche Regierung hatte andere Ideen dafür. Deutschland hatte Abgesandte in den vereinigten Staaten als Teil der Bestrebungen, Amerika neutral zu halten. Einige dieser Abgesandte entwarfen einen Plan: die Phenol-Verschwörung, sagen die Amerikaner heute – worin eine erfundene Kooperation mit Edison eine Abmachung einging, seinen Phenol-Überschuss zu kaufen. So würde das Phenol nicht in Bomben landen und Bayer weiterhin Acetylsalicylsäure produzieren können. Die Presse jedoch bekam Wind von dem Deal, der deswegen nicht zustande kam.
Der Markenname Aspirin® fiel dadurch in der Gunst und die Britische Regierung aberkannte Bayer den Markennamen Aspirin®. Als die Amerikaner sich mit England, Frankreich und Russland verbündeten, wurde das wichtig, denn die Vereinigten Statten anektierten den ganzen Besitz von Bayer in den U.S. inklusive ihren Markennamen (zumindest, wenn im Land gebraucht). In vielen Fällen wurden ähnliche Besitzergreifungen nach dem Krieg zurückgegeben, aber Bayer wurde zum Spezialfall.
Der Vertrag von Versailles beendete den Krieg was Deutschland anging – und die Deutschen mussten danach Millionen Dollar an Wiedergutmachung zahlen.
Weil ein Auszahlen des Geldes in Bar zu einer Hyperinflation der Deutschen Mark führen würde – und dadurch den Wert der Zahlungen selber vermindern, wurden die beteiligten Partien kreativ. Deutschland stimmte zu stattdessen Kohle, Stahl und andere Ressourcen zu übergeben. Und – wichtiger für diese Geschichte, Deutschland erklärte sich auch bereit ihren Anspruch auf manches „Geistiges Eigentum“ aufzugeben (ein anderes Wort für Patente) – so wie „Aspirin“ als Markenname.
Darum gilt Aspirin heute in den meisten Teilen der Welt als generischer Name.
Übrigens: ein weiterer Markenname den Bayer so verlor, war Heroin.
Interessanter Bericht. Danke!
Wobei ich sicher bin es wäre besser gewesen wenn dieser Wirkstoff weiterhin verschreibungspflichtig geblieben wäre.
Ich finde vor allem die Werbemasche von Bayer mehr als grenzwertig, wie sie ihre Aspirin-Produkte regelrecht als Livestyle Produkt verkaufen.
Bei jedem kleinsten Zipperlein … erst mal ne Aspirin hinein!
Denn soo gut verträglich und nebenwirkungsfrei wie es vermarktet wird ist es nun wirklich nicht.
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„Bei jedem kleinsten Zipperlein … erst mal ne Aspirin hinein!“ Hast Du den Spruch schon Bayer zur Miete angeboten?
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Lach.. wär ja mal ne Idee ;)
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Interessant!
Warum ist in dem amerikanischen Aspirin nur 325 mg und nicht 500?
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bei beiden Beispielen anscheinet. Hmm – keine Ahnung. Vielleicht ist das dort die Standarddosierung? Das würde auch erklären, warum man zum Beispiel in Filmen häufiger Leute sieht, die sich gleich 2-3 von den Dingern nach hinten kippen.
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Aspirin?
Das kaufe ich, wenn ich ein Placebo benötige… :)
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Verdammt ungesundes Placebo ;)
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Zum Glück gibts Ibuprofen… ASS hat nach meiner Sicht nur noch als Thrombozytenaggregationshemmer eine Daseinsberechtigung.
Aber verblüffend, dass schon damals Grundstoffe aus den Raffinerien so weit verbracht wurden! Ich dachte, das wäre mehr ein Zeichen unserer Zeit (Öltanker und Containerfrachter quer über den Teich..)
Danke für die Geschichtsexkursion!
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Die Grundlagen der heutigen Chemie wurden zwischen 1880 und 1920 erarbeitet. Es ist erstaunlich, was alles nicht in „unserer“ Zeit entdeckt wurde.
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Die Nummer, dass die deutsche Pharmaindustrie infolge des 1. Weltkriegs enteignet wurde, zeigt sich noch an zwei weiteren Beispielen:
a) In Deutschland gab es die Firma Schering aus Berlin. Wegen des verlorenen 1. Weltkriegs wurden die Sitze dieser Firma in den USA enteignet. Seither gab es zwei Firmen mit dem Namen Schering: Die Schering AG in Berlin und die Schering-Plough in den USA. Die Schering AG in Berlin ist mittlerweile in der Firma Bayer, Leverkusen aufgegangen.
b) In Deutschland gibt es die Firma Merck in Darmstadt. Wegen des verlorenen 1. Weltkriegs wurden die Sitze dieser Firma in den USA enteignet. Seither gibt es zwei Firmen mit dem Namen Merck: Die Merck KGaA in Darmstadt und die Firma Merck & Co. Inc. in den USA (bei uns bekannt unter MSD: Merck, Sharp & Dohme).
Nur so am Rande…
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Hauptsache, Pharmama bastelt aus ihren Quellen etwas, das sich ganz interessant liest. :)
(Auf Informationen an sich gibts übrigens kein Urheberrecht – nur auf die kreative Darstellung von Informationen.)
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