Bewilligung zur Berufsausübung – nach dem Studium nicht zu erlangen?

Gedankenknick bringt ja gerne den aktuellen Wahnsinn des deutschen Gesundheitssystems in Bezug auf die Apotheken. Jetzt erreichte mich etwas, das zeigt, dass es auch bei uns so geht.

Angenommen, ich bin Apothekerin und ich möchte in einer Apotheke arbeiten. Nicht sie leiten, nur arbeiten.
Dann brauche ich dafür eine Bewilligung vom Kanton in dem ich arbeiten will. Denn immerhin habe ich eine Menge Verantwortung zu tragen – da müssen also Voraussetzungen erfüllt sein. Die Verwalterin der Apotheke hat noch ein paar Bedingungen mehr zu erfüllen – sie rechnet ja schlussendlich mit den Krankenkassen ab – und ist auch dafür Verantwortlich, dass nur fähiges Personal angestellt wird und dieses entsprechend arbeitet.

Für diese Berufsbewilligung jedenfalls brauche ich verschiedenes:

  • Das eidgenössische Apothekerdiplom (respektive eine Kopie davon) oder das ausländische Diplom plus die Anerkennungsbestätigung von ausländischen Diplomen durch das Bundesamt für Gesundheit in Bern.
  • Ein Auszug aus dem schweizerischen Strafregister – Original, nicht älter als 3 (manchmal auch 6) Monate oder den Strafregisterauszug/Führungszeugnis des Herkunfstlandes wenn ich innerhalb der letzten 12 Monate (manchmal bis 5 Jahre) zugezogen bin.

Obiges verlangen so ziemlich alle Kantone. Dazu kann noch kommen:

  • Eine Wohnsitzbescheinigung der Wohngemeinde (Original, nicht älter als 3 Monate) oder eine Kopie der Aufenthaltsbewilligung
  • Nachweis bisheriger Weiterbildungen (wie die FPH) oder Doktorate
  • Berufsausübungsbewilligung anderer Kantone falls vorhanden
  • und falls man schon in einem anderen Kanton gearbeitet hat: eine Bestätigung der unbescholtenen Berufsausübung (Unbedenklichkeitserklärung) durch die Aufsicht derjenigen Kantone
  • Eine ärztliche Bescheinigung der physischen und psychischen Eignung der Berufsausübung im Original
  • Der Nachweis einer genügenden Berufshaftpflichtversicherung

Aber: Nur im Kanton Basel Stadt wird seit einer (idiotischen) Gesetzesänderung Anfang letztes Jahr (?) verlangt, dass auch die Apothekerin, die als Stellvertretung arbeitet, vorher schon 2 Jahre zu 100% in einer Apotheke gearbeitet hat. Ansonsten darf sie nicht allein als Apothekerin in einer Apotheke stehen. Diese Bedingung musste bisher nur die Verwalterin erfüllen.

Äh, WAS ????
Hände hoch: wieviele von euch Apothekern – speziell schweizer Apothekern hat (nach dem Praktikumsjahr und der Einarbeitungszeit) schon gleichzeitig mit einem anderen Apotheker gearbeitet? Und ich meine nicht die Überschneidungszeit am Mittag, wenn man abtauscht, sondern: tagelang.
Ich behaupte mal, das ist die absolute Minderheit. Das hat einen Grund: als kleine Apotheke (Quartier, Dorf etc.) kann man sich nicht mehr als 1 Apothekerin gleichzeitig leisten. Das geht höchstens in Bahnhof-Apotheken oder sehr grossen Zenter-Apotheken mit entsprechend Umsatz und Einkommen.

Diese neue Regelung in Basel-stadt bedeutet (kurz gesagt), dass Apothekerinnen frisch vom Studium in Basel keine Arbeit mehr finden.

Sie müssen auf einen anderen Kanton ausweichen – dort 2 Jahre arbeiten – dann können sie auf Basel arbeiten kommen. Wenn sie dann noch wollen.
Das bedeutet aber auch, dass Apotheken, die in Basel neue Angestellte suchen, kaum jemanden finden. Sie dürfen zwingend nur noch solche nehmen, die schon über 2 Jahre irgendwo gearbeitet haben – und wir haben in der Schweiz schon eher einen Mangel an Apothekern. Was man merkt, wenn man mal jemanden suchen muss.

Ich persönlich arbeite noch gerne mit jungen Apothekern – die kann man noch formen nach eigenen Zielsetzungen. Da hat man auch noch nicht so ein Problem mit Ferien (Schulferien bei Müttern) etc. Und mir persönlich ist jemand junges (auch wenn noch etwas unerfahrenes) fast lieber, solange sie vernünftig und vorsichtig ist, als jemand älteres, die das Gefühl hat, sie weiss schon alles und kann gar nichts falsch machen.

Was passiert, wenn andere Kantone das auch einführen?
Der Offizin-Apothekerberuf wird (noch) unattraktiver und weniger wählen das als Beruf. Das gibt ein Nachwuchsproblem. Noch weniger Auswahl bei der Angestelltensuche. Noch mehr finanzielle Probleme bei den übriggebliebenen Apotheken – weil die Personalkosten in die Höhe schnellen. Oder der Anfangslohn für die Apotheker in den ersten Jahren müsste stark sinken – auch das macht den Beruf noch weniger attraktiv. Ausserdem löst das in den ersten Jahren nicht das Problem, dass ja immer eine andere Apothekerin mit genug Arbeitszeit anwesend sein muss – und nach den 2 Jahren: ginge das dann nur mit dem geringeren Lohn weiter, oder müsste die junge Apothekerin dann auch die Stelle wechseln?

Autsch! Wer hat diese Gesetzesänderung denn erlassen? Und weshalb hat da der Apothekerverein in Basel nicht vorher interveniert und versucht das zu verhindern? Oder der schweizerische Apothekerverein? Ich hoffe, da läuft etwas. So kann man die Apotheken nämlich auch kaputt machen.

Nachtrag 2016: anscheinend hat man es geschafft und diese Vorschriften wieder aufgehoben. Vernünftig.

14 Kommentare zu „Bewilligung zur Berufsausübung – nach dem Studium nicht zu erlangen?

    1. Vielleicht ein Behördenhengst in grosszügiger Einzelstallhaltung ohne Kontakt zur Realität… oder ein um die „Sicherheit“ besorgter Poly-Dicker…

      Like

  1. Was?

    Und ich musste schon ungläubig dreingucken als mir eine Medizinstudentin sagte, sie hätte den Bachelor.

    Ja, Bachelor. Dass er *nicht* zur Berufsausübung berechtigt steht sogar auf dem Diplom.

    Für was gibt man dann so einen Wisch raus? Damit man, Schreibtalent vorausgesetzt, bei einer Zeitung arbeiten kann? Abteilung Gesundheitsbereich?

    Oder ist das heutige Zeitungsbudget schon überstrapaziert, wenn sie jemanden einstellen, der Profülaxe richtig schreiben kann? ;)

    Like

      1. Nö, für den Sudel bezahlt man nix. Also ich hab jedenfalls nix bezahlt, und meiner ist letzten Sommer gekommen. Das Ganze *muss* halt einfach so sein – das Bolognasystem gilt für alle, da gehts ums Prinzip. Und so wurde unser Studium, statt sinvoll in Vorklinik und Klinik aufgeteilt, eben in 3+3 zerhackt. Bachelorarbeit müssen wir auch keine schreiben, nur eine Masterarbeit. Die dürfen wir dafür irgendwo reinquetschen, im gegensatz zu den anderen Studiengängen, die dafür doch mindestens ein Semester frei haben. Und die Diss kommt dann natürlich noch dazu, die darf man jetzt frühestens ein Jahr nach dem Staats abgeben. Nix mit Doktor auf die Staatsfeier hin.

        Fazit: Mit dem blöden Bolognese wurde alles schlechter, nix wurde besser. Je länger je mehr merke ich, wie schlecht das Studium eigentlich ist, Aufteilung, Koordination, Inhalte… Aber bald ists ja durch. Und bis dahin gibts Pharmama, die mich unterhält mit schönen und lustigen Geschichten.

        Like

  2. Das ganze macht, wenn ich das im Zusammenhang mit der (deutschen) Politik sehe, sogar verdammt viel Sinn. Und alle dürfen mich nun einen „Verschwörungstheoretiker“ nennen:
    – In Basel wird es Apothekermangel geben
    – Um Apotheker ranzubekommen müssen also höhere Gehälter versprochen werden.
    – Dieses können sich kleine Apotheken nicht leisten, und sterben irgendwann an Überarbeitung des Apothekenleiters.
    – Politik erkennt klipp und klar: Mangelversorgung der Bevölkerung in Basel.
    – Politik freut sich, diesen Mangel via Vereinfachungen für (große) Konzerne, die auf den Markt streben, abzufangen.
    – Politiker bekommt Aufsichtsratsposten beim Konzern.

    Glaubt keiner? Man schaue nach Schweden (Landapotheken). Man schaue sich die „Zur Rose“-Versandapotheke an, die sich de jure im Besitz eines deutschen Apothekers, de facto aber im Besitz einer schweizer Medizingesellschaft (größten Teils bestehend aus schweizer Ärzten) befindet… usw. usw.
    Die selbe Marschrichtung ist seit 15 Jahren in Deutschland usus. Auf diesen Dreh ist aber bisher (noch) niemand gekommen. Na, nu haben wir ja ein löbliches Beispiel, da wirds bei uns wohl auch schnell gehen… ;-)

    Like

    1. Oh, ich hoffe ernsthaft, dass die anderen Kantone (und Länder) da mehr Vernunft aufbringen und derartig kontraproduktive – um nicht zu sagen schädigende – Gesetze nicht zulassen.

      Like

      1. Warts ab. „Das Universum und die menschliche Dummheit sind unendlich. Nur beim Universum bin ich mir nicht sicher.“ A.E. Ich drücke Euch in der Schweiz allerdings die Daumen, dass ihr schlauere (im Sinne von „nachhaltiger planenden“) Politiker habt als wir…

        Like

  3. Ich habe vor etwa 3 Jahren mal von einer Kollegin aus Basel-Stadt mitbekommen, dass die Kantonsapothekerin es verbietet, dass man während des Dienstes (am Tag!) den Verkaufsbereich verlässt… Das bedeutet: Sie durfte nicht ins Labor (z.B. zur Einwaagekontrolle bei der Lehrtochter) nicht auf die Treppe, erst recht nicht die Treppe runter und auch nicht aufs Klo!! Deshalb musste die Apotheke (es war eine Kette) mit Arbeitsplänen nachweisen, dass immer 2 Apotheker da sind, beziehungsweise maximal 2h oder so alleine eingetragen ist…
    Da musste ich schon den Kopf schütteln… Ich wiederhole: nicht aufs Klo!! Wo gibts denn sowas?!?
    Ich finde es sinnvoll, dass immer ein Apotheker anwesend sein muss… Aber ich darf doch wohl mal für 2 Minuten aufs Klo oder schnell die Treppe runter im Keller etwas aus dem Gestell holen..?!

    Wer hat diese Gesetzes-Änderung erlassen und wieso?
    Die einzige (sinnvolle) Erklärung, die ich mir vorstellen kann, ist, dass es in Basel überwiegend junge Apotheker gibt… Da die Uni in Basel ist… Und dass den Behörden dies ein Dorn im Auge ist – warum auch immer…

    Like

    1. Das ist ja … die verbietet also ernsthaft den Leuten auf’s Klo zu gehen?
      Also – es ist ja so, dass immer ein Apotheker anwesend sein muss während den Öffnungszeiten, aber … 2 Minuten Pinkelpause sollten drin liegen.

      Like

  4. Also ich habe mir das nochmals gründlich überlegt… Da sollte mal ein Jurist (vom Apothekerverein) darüber schauen. Ich persönlich halte es für möglich, dass diese Verordnung/dieses Gesetz (?) gegen ein Bundesgesetz verstösst und somit ungültig ist… Schliesslich ist auf bundesebene geregelt, was ein Apotheker ist und wie man dieses „Apotheker sein“ erreichen kann (=Studium).

    Like

    1. Nachtrag HMG:

      Art. 24 Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel
      1 Verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen:
      a. Apothekerinnen und Apotheker auf ärztliche Verschreibung und in begründeten
      Ausnahmefällen auch ohne ärztliche Verschreibung;
      b. …

      Art. 25 Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel
      1 Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen:
      a. Personen, die verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben dürfen;

      Ich als Leihe verstehe das so, dass ich als Apotheker (auch frisch vom Studium) Medikamente abgeben darf!
      Da sollten jetzt die Betriebe, Angestellte und der Verband gemeinsam eine (oder ev. viele) Klage(n) einreichen..!

      Like

    2. HMG:

      Art. 30 Bewilligung für den Detailhandel
      1 Wer Arzneimittel in Apotheken, Drogerien und andern Detailhandelsgeschäften
      abgibt, benötigt eine kantonale Bewilligung.
      2 Die Kantone regeln die Voraussetzungen und das Verfahren für die Erteilung der
      Detailhandelsbewilligung. Sie führen periodisch Betriebskontrollen durch.

      Like

Was meinst Du dazu? (Wenn Du kommentierst, stimmst Du der Datenschutzerklärung dieses Blogs zu)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..