chronische Schmerzen

Leute reagieren sehr unterschiedlich auf Schmerzen. Und Leute reagieren sehr unterschiedlich wenn sie Schmerzen haben im Gegensatz zu wenn sie keine Schmerzen haben. Das kann sein, als hätte man mit 2 verschiedenen Personen zu tun.

Ich habe das Phänomen schon ein paar Mal beobachtet in der Apotheke – wir haben ja auch diverse chronische Schmerz Patienten, aber es überrascht mich immer wieder.

Praktisch immer Schmerzen zu haben ist enorm anstrengend, auslaugend … ich glaube auch, dass man sich das kaum vorstellen kann, wenn man das nicht hat. Auch nur ab und zu Schmerzen zu haben – auch wenn die dann heftig sind, ist nicht wirklich vergleichbar. Man muss ja trotzdem weiter-funktionieren. Jeden Tag. Trotz ständigen Schmerzen … und da kann es durchaus sein, dass man manchmal einfach … ein bisschen durchdreht.

Zum Beispiel die Frau, die ich gestern am Telefon hatte. Ich musste ihr anrufen, um ein Problem mit der Versicherung zu lösen und sie … hat mich unglaublich fertig gemacht am Telefon. Sie war herablassend, sie war … richtig gemein. Sie hat mir Sachen angehängt … die ich nicht mal Ansatzweise wiederholen möchte – und am Schluss hat sie mir noch das Telefon aufgehängt ohne sich zu verabschieden. Dabei wollte ich ihr eigentlich nur helfen.

Item. Sowas macht einen fertig … und das für den Rest des Tages. Und es nimmt einem so ziemlich jede Motivation, ihr danach noch zu helfen.

Und heute … ruft sie an.

Ich habe sie am Telefon – und kaum höre ich ihre Stimme, steht mir die gestrige Situation wieder vor Augen (oder Ohren).

Sie fragt, ob ich gestern am Telefon war.

Und. Entschuldigt. Sich.

!

Sie habe gestern einen ganz schlechten Tag gehabt, viele Schmerzen, dann kam noch dieses und jenes dazu … und als ich angerufen habe, war das einfach … zu viel.

Ich war so sauer gestern, so verletzt, so überzeugt, dass ich mit ihr nichts mehr zu tun haben will.

Aber jetzt? Ich verstehe das.

Und für das nächste Mal auch.

31 Kommentare zu „chronische Schmerzen

  1. Man kanns ihr ja eigentlich auch nicht verübeln – ständiger Schmerz ist sicher sehr belastend. Manch einer dreht ja schon durch, wenn ein wenig Kopfschmerz da ist.
    Schön aber, dass sie sich entschuldigt hat – ihr wars sicher auch sher unangenehm.

    Like

  2. Sehr schön. :-)

    Ich hab leider schon andere Dinge hören müssen… „Ich war unter nervlicher Belastung, darum hab ich so reagiert.“ – sagte diese alte Dame, nachdem sie mich fast eine Stunde lang angemault hatte.

    Nervliche Belastung?

    Also meine Nerven sind dauerbelastet, sonst würde ich tot am Boden liegen. :)

    Spass beiseite, aber gewisse Leute sind wahre Meister darin, den Grund für ihr Verhalten ausserhalb ihrer Person zu sehen. Nee, persönliche Verantwortung, kenn ich nicht, brauch ich nicht…

    Like

    1. Die Frau hat aber ein anderes Problem, wenn sie die Kraft und Energie hat, dich eine Stunde lang anzumaulen …
      Meine Patientin gehört allerdings nicht zu denen, die die Verantwortung normal von sich abschieben.

      Like

  3. Ich arbeite in einer Chirurgischen Praxis und wir haben viele Patienten, die mit einem frischen Unfall kommen. Manchmal stehen sie Schlange an der Anmeldung und müssen warten, bis sie sich überhaupt anmelden können. Klar ist es nicht schön, warten zu müssen. Aber was man sich da manchmal anhören muss… Sachen wie: „Wenn ich früher so gearbeitet hätte wie sie, dann hätte mein Chef mich entlassen!“ Wir machen die Vorarbeit an der Anmeldung und nehmen die komplette Anamnese dort auf. Dass dies bei schwierigen Fällen etwas länger dauern kann, dafür ist kein Verständnis da. Auch wenn sich ein blutiger Unfall hinten in die Reihe stellt und man ihn bemerkt und gleich mit in ein Zimmer nimmt, WEIL ER BLUTET, dann kommt von vielen Patienten ein: „Ich war aber eher da!“ und das richtig böse. Jeder ist sich selbst der nächste. Schlimm!!! Ich werde dann auch böse und sage: „Sie bluten aber nicht!!!“ und nehme diesen Notfall vor. Es ist teilweise sehr belastend, was wir uns in der Praxis anhören müssen. Wir geben alles und werden aufs übelste runtergemacht, beleidigt und manchmal sogar bedroht „Wir sehen uns später draußen!“. Auch von oben herab wird man behandelt. Nach dem Motto: „Ich bin Ehemann einer kranken Patientin und sie sind nur eine kleine Sprechstundenhilfe (bin ich nicht, ich bin eine Medizinische Fachangestellte mit diversen Zusatzausbildungen) und ich bin viel größer und besser als sie und sie haben zu spuren…“ Wir schreiben dann eine Notiz in die Karte des Patienten und dieser wird dann vom Arzt gefragt: „Haben sie ein Problem mit meinem Personal, den Wartezeiten, der Praxis oder mir!“ Die Antwort kommt dann Zuckersüß: „Nein, natürlich nicht, es ist alles in Ordnung, so lange warten musste ich ja gar nicht…!“ Dem Halbgott in Weiß beschimpft man natürlich nicht, aber seinen Frust an seinen „Schergen“ auslassen, das geht.

    Ich habe dafür nicht viel Verständnis. Vor allem nicht, wenn man die selben Patienten später beim Friseur sitzen sieht und sie dort ohne Murren auf ihre neue Frisur warten, weil der Friseur ja günstig ist und ohne Termine arbeitet.

    Ein so ein Patient reicht um einen den ganzen Tag zu vermiesen. Und die wenigsten entschuldigen sich.

    Like

    1. Die Lösung mit der Notiz finde ich sehr gut. Der Arzt ist schließlich auch Vorgesetzter/Arbeitgeber und hat damit auch gewisse Pflichten, sich um seine Mitarbeiter zu kümmern.
      Auch wenn Einzelfälle echter grosser Schmerzen (s.u. Beispiel von nora) sicher verständlich sind, benehmen sich manche Patienten wegen Kleinigkeiten daneben. Wer in der Arztpraxis mit Gewalt droht, den würde ich achtkantig rausschmeissen und ins Krankenhaus schicken, wenn das rechtlich machbar ist.

      Like

      1. Mein Chef hat schon von seinem Hausrecht gebrauch gemacht und Patienten die zu ausfallend waren, der Praxis verwiesen. Solange es kein Notfall ist, müssen wir nicht behandeln. Es gibt genügend andere Ärzte. Wenn es ein Notfall ist, z.B. eine Schnittverletzung, dann würden wir eine Notversorgung wie ein Hausarzt machen und den Patienten dann ins Krankenhaus schicken. Aber wie schon geschrieben, die echten Notfälle maulen meist nicht rum…

        Einen Patienten mussten wir von der Polizei abholen lassen, er hatte Rückenschmerzen durch jahrelange Fehlhaltung. Bekam eine gründlich Untersuchung, wurde geröntgt, bekam seine Diagnose, eine Sitzschulung, Tabletten gegen die akuten Schmerzen und ein Rezept f

        Like

        1. (huch, da war es ohne fertig zu sein, einfach gepostet)

          also er bekam noch ein Rezept für Krankengymnastik. Er wollte aber nichts selber machen und meinte, der Arzt müsse ihn nun gesund machen und wurde laut und wollte die Praxis nicht freiwillig verlassen. Er wurde mit Handschellen rausgeführt, weil er sich gegen die Polizisten auch noch aufgelehnt hat. Peinlich in einer Kleinstadt wo quasi jeder jeden kennt.

          Im Fall von Nora bin ich der Meinung, man dürfe sich auch nicht alles gefallen lassen. Wenn die Medizinischen Fachangestellten sie so schlecht behandeln, dann darf man auch mal zurückmotzen, wenn man vor Schmerzen nicht mehr kann…

          Bei uns werden solche Schmerzpatienten vorgenommen. Zumindest versuchen wir das. Außerdem sieht man einem Patienten an, ob er vor Schmerzen gleich umkippt. Sollte man jedenfalls. Dann hat man bestimmt irgendwo eine Liege frei, wo der Patient sich hinlegen kann und der Arzt ist ja auch nicht weit… …hinterher anblaffen, man sei zu doof zum Stehen und hätte das mit Absicht gemacht ist ja wohl heftig… …wenn ich so etwas sage, dann muss ich damit rechnen, dass der Patient böse wird und sich verteidigt…

          Like

  4. Das mit den Schmerzen kenne ich auch. Habe selbst immer wieder genügend damit zu tun. Was ich aber nicht leiden kann (egal, ob jemand Schmerzen hat oder nicht): seine schlechte Laune an anderen auszulassen. Ging mir auch schon mal so (Entschuldigung kam dann auch später), hat aber unterm Strich mit dazugeführt, dass die Freundschaft beendet wurde.

    Like

  5. Ich würde das Verhalten der Kundin trotzdem nicht entschuldigen, immerhin hatte sie noch genug Zeit und Kraft um dich zu beschimpfen und zu beleidigen.

    Wenn es einem nicht gut geht, kann man am Telefon sagen, dass es so ist und der Anruf jetzt nicht passt oder gar nicht erst ans Telefon gehen.

    Aber erstmal schimpfen, beleidigen und das alles dann mit Schmerzen entschuldigen zu wollen, kann ich nicht verstehen.
    Und sie wusste ja, dass du am Telefon warst und ihr helfen wolltest. Und trotzdem hat sie alles bei dir abgeladen, nee, ich hätte ihr beim zweiten Telefonat gesagt, das ihr Verhalten verletztend war und es dafür keine Entschuldigung gibt.

    Like

    1. Wenn du so rational bist, zu sagen dass der Anruf jetzt nicht passt läufst du wohl auch nicht in Gefahr, dabei etwas zu sagen was du später bereust. Nur ist man in manchen Stuationen eben nicht rational. Genau darum geht es ja.
      Ich finde es jedenfalls toll, dass Pharmama Verständnis dafür hat und ich finde es auch anständig, dass die Kundin extra nochmal angerufen hat sich zu entschuldigen. Das zeigt ja, dass sie ihr Verhalten selbst nicht in Ordnung fand. Manche Leute bügeln über sowas einfach hinweg und tun beim nächsten Mal so, als wäre nie was geschehen oder als wäre es völlig normal, sich so aufzuführen, bei Schmerzen oder warum auch immer. DAS würde ich nicht entschuldigen.

      Like

      1. Komischerweise sind es oft die Patienten mit Schmerzen, die nichts sagen, sozusagen still leiden und einfach nur dankbar sind, das man versucht ihnen zu helfen. Und die, die vor Schmerzen mal ein wenig unwirsch sind, entschuldigen sich meist sogar gleich, wenn man sie darauf aufmerksam macht, dass sie sich gerade etwas im Ton vergreifen. Die die sich nicht entschuldigen sind meist Ekel, selbst wenn sie keine Schmerzen haben und werden dann richtig schlimm… …ich glaube, jeder sollte sich so weit im Griff haben, dass er sich benimmt und Andere respektvoll behandelt. Allerdings werde ich eher ruhig, wenn ich Schmerzen habe und versuche niemanden zur Last zu fallen. Und meine Migräne ist ab und an wirklich so schlimm, dass ich nur im stillen abgedunkelten Zimmer liegen kann und die Schmerzen trotzdem die Hölle sind.

        Like

  6. Entschuldigungen nehme ich auch an. Wenn ich allerdings merke, dass es sich um verbale Ablasszettel handelt, überlege ich nochmal neu.

    Like

  7. ich hatte letztes jahr trotz meiner damlas 20 jahre einen mehrfachen bandscheibenvorfall mit zum schluss absoluter spinalkanalstenose. frisch von mama weg in eine andere stadt gezogen zum studium, alles alleine schaffen wollen und unsympathische ärzte, die mir keinerlei therapiemöglichkeiten außer einer sofortigen OP andrehen wollten haben mich dazu gebracht, dass ich monatelang eigentlich nur im bett liegen konnte. ich hatte trotz ibu 1000 vllt eine schmerzfreie stunde pro woche. wenn die schmerzen so schlimm werden, dass man jede nacht heulend vom bett auf den boden kriecht, aufs sofa, zurück ins bett, um einfach nur eine position finden zu können in der man wenigstens dösen kann, geht das unglaublich an die substanz. ich war zu der zeit auch oft zickig, irgendwann einmal hab ich mich unter auferbietung aller kräfte zum netto geschleppt, stand an der kasse, nur noch am zittern vor schmerzen und erschöpfung, als sich eine ältere frau vordrängeln wollte. ich habe sie angeguckt und laut gesagt dass ich hoffe, sie würde bald sterben. es hat mir im nachhinein so leid getan, aber ich konnte in dem moment nicht anders. wenn man selbst permanent unter starken schmerzen leidet, schottet das vom „rest der gesellschaft“ ab, da man gefühlen anderer gegenüber abstumpft. es kommt einem im vergleich zur eigenen belastung automatisch irrelevant vor. die eigene situation ist schließlich das schlimmste was man sich in dem moment vorstellen kann, da „sollen sich die anderen mal nicht so anstellen“.
    ich habe mich damals vor mir selbst sehr geschämt, habe generelll sehr viel geweint zu der zeit. wenn das kopfkissen zu hoch aufgeplüscht war, musste ich weinen. wenn werbepause war, musste ich weinen. wenn die fernbedienung aus dem bett gefallen ist, wenn das handy geklingelt hat, wenn ich leute auf der straße gehört habe die einfach ihr leben leben konnten, immerzu hab ich geweint.
    irgendwann sollte ich zu meinem dämlichen neurochirurgen (leider der einzige in der stadt) und musste bei der anmeldung hinter ca 10 leuten schlange stehen. nur leider hat mir das stehen solche schmerzen bereitet, dass ich wieder weinen musste. ich habe eine sprechstundenhilfe um einen stuhl gebeten, sie hat mich angeschnauzt ich solle mich mal nicht so haben. nach ca. 5minuten war ich so erschöpft, dass ich umgekippt bin und meinen kopf an einem blumentopf aufgeschlagen habe. es hat geblutet und das praxisteam hat mir unterstellt, ich wäre wohl auf drogen, denn „so blöd kann man ja wohl nicht sein“. in dem moment konnte ich nicht anders und habe den damen mit absicht vor die füße gekotzt, gelächelt und laut gesagt dass ich nun wohl eine gehirnerschütterung hätte und sie mir doch bitte einen krankenwagen bestellen mögen.
    ich war während der ganzen monate nicht nett zu meiner umwelt. es war aber wirklich nicht mit absicht.

    Like

    1. Schade, dass Du keine vernünftige Schmerztherapie bekommen hast. Das wäre nicht notwendig gewesen. :-(
      Mit sehr starken Schmerzen habe ich glücklicherweise wenig zu tun gehabt in meinem Leben, nur ein Mal direkt im Aufwachraum nach einer OP (Doppeldosis Dipidolor half dann) und bei einer starken HNO-Entzündung über fast zwei Wochen. Bei letzterer war ich wirklich nahe einer Verzweifelung, da ich kaum essen und trinken konnte und jeder Schluck weh tat. Langfristige Schmerzen würde ich vermutlich nicht gut tolerieren und in irgendeiner Form „austicken“.

      Like

    2. *das* ist genau das, was ich meinte. Man würde sich sonst nie so verhalten, aber dann wird es irgendwann einfach zu viel. Sehr gut geschrieben … Ich hoffe, es geht Dir jetzt besser mit dem Rücken!

      Like

      1. hachja, das morphium kurz vor der not-op hat für alles entschädigt ;)
        ich weiß ehrlich gesagt nicht, wieso der behandelnde arzt mich bzgl. der schmerztherapie komplett ignoriert hat, nach 6 massageterminen sagte er, er könne nichts mehr für mich tun, wenn ich mich nciht operieren lasse. im nachhinein weiß ich, dass ich viel früher die notbremse hätte ziehen müssen, aber damals dachte ich dass ich das durchhalten müsste. aber alles hat seine positiven seiten, ich habe dadurch ein ganz anderes verhältnis zu schmerzen bekommen. kopfschmerzen, seitenstrangangina- es ist alles erträglich, ohne dass ich gleich schmerzmittel nehmen muss. und ich hab gelernt, dass die menschheit nunmal impulsgesteuert ist und man nicht jede patzige antwort persönlich nehmen muss. auch arrogante kundschaft lässt sich besser ertragen, wenn man sie bedauert. schließlich ist es keine schöne sache, sein selbstwertgefühl nur durch arroganz gegenüber dienstleistern aufpolieren zu können…wir kennen den hintergrund der menschen nicht, vielleicht haben sie körperliche schmerzen, vielleicht psychische, vielleicht haben sie komplexe oder ängste die wir nicht nachvollziehen können. aber ich wage mal zu behaupten, dass kein kunde uns eigentlich etwas böses will. mit dem hintergedanken ist es leichter, selbst abstand von solchen zwischenfällen zu nehmen.

        Like

    3. Oh ja! Deine beschriebenen Erlebnisse decken sich mit meinen.
      Auch ich bekam vor ein paar Jahren einen Bandscheibenvorfall, der aber aus einem bestimmten Grund monatelang nicht als solcher diagnostiziert wurde.
      In dieser Zeit hatte ich die schlimmsten Schmerzen meines Lebens, lag oft abends gekrümmt und heulend in der Ecke. Sogar Selbstmord-/Selbstverstümmelungs-Gedanken trieben mich um, in der Hoffnung, daß dadurch die Schmerzen ja dann zu Ende seien. :(
      Immer Nachhinein bin ich eigentlich über mich selbst erschrocken.

      Seit dieser Zeit habe ich ein sehr viel größeres Verständnis für Schmerzpatienten entwickelt. Es ist eben was Anderes, wenn man es aus der Theorie oder aus eigenem Erleben kennt.

      Like

      1. ja, die suizidgedanken… wenn in manchen nächten eine flinte neben dem bett gestanden hätte, ich hätte sie benutzt. wir hatten wohl glück, dass keine waffen in reichweite lagen, aufstehen war ja nicht drin ;)

        Like

    4. Heute poste ich doch mal etwas anonymer meinen Senf hierzu, Pharmama wird merken wer ich bin.

      Vor einigen Jahren hatte ich einen Autounfall, der einen schweren Schock nach sich zog. Psychische Umnachtung, Todesangst, Panikattacken, schwer depressiv, alles auf einen Schlag. Ich war nicht mehr ”ich selbst”.
      Die Autobahnpolizisten, die den Unfall aufgenommen und den Rettungswagen gerufen haben, hatten nicht den blassesten Schimmer, wie man mit Menschen unter Schock umgehen sollte: mir wurde angedroht, man würde mir das Handy (=mein einziger Anker, denn damit konnte ich meinen Partner anrufen) wegnehmen, wenn ich nicht \”koopieriere\”.
      Der Hausarzt, der auf Hausbesuch kommen musste, ließ mich und meine Familie deutlich merken, wie genervt er davon war, vor mir sagte er zu meiner Mutter, dass er mich ja einweisen könne, wenn ich mich nicht zusamenreiße. Zu mir meinte er, ich solle doch mal an meine Mutter denken, die mache sich schließlich Sorgen – ach nee.
      Beim Notfallpsychiater am nächsten Morgen bat ich eine Sprechstundenhilfe, mich während des Wartens hinlegen zu dürfen, was sie mir irgendwie auch ermöglicht hat. Dem Arzt selbst habe ich infolge meines \”Speechless Terrors\”, das man ja im Zusammenhang mit Schockzuständen kennt, kaum geantwortet, meine Mutter hat das übernommen. Ich saß eigentlich nur da und habe vor mich hin gestarrt, was den Psychiater geärgert haben muss – er wurde ungehalten und verlangte Antworten auf seine Fragen. Ich erwiderte darauf: \”Mit Verlaub, Sie sind ein Idiot\” – fragt mich nicht, wie ich darauf gekommen bin, aber ich hatte im Schock weit weniger Hemmungen, meine Gefühle auszudrücken. Besagter Psychiater wurde daraufhin recht laut.
      Nachdem der akute Schock etwas nachgelassen hatte, schämte ich mich für diese Beleidigung. Im Nachhinein erschüttert mich die erfahrenen Inkompetenz seitens aller Instanzen, die mir hätten helfen sollen.

      Schmerzen, egal ob körperlicher oder psychischer Natur, verändern Menschen. Genauso wie ich mich damals nicht ”zusammenreißen” konnte, kann man eine Schwangere nicht bitten, das Schreien doch bitte sein zu lassen (oder jemanden mit chronischen Schmerzen, jeden Tag freundlich zu sein). Die Leute drumherum, vor allem die im Bereich der öffentlichen Ordnung und der Medizin, sollten im Umgang damit mehr geschult werden (es erwartet ja niemand, dass man mit sowas automatisch umgehen kann, ohne es sich zu Herzen zu nehmen).

      Das ist ausdrücklich nicht an Pharmama gerichtet, denn dein geschildertes Verhalten finde ich eigentlich prima so. Aber wenn ich hier menche Kommentare lese, wird mir speiübel.

      Like

  8. Ich bin von beiden beeindruckt.
    Von der Patientin, die anruft und sich entschuldigt und von Pharmama die das auch annimmt.
    Beides ist leider heutzutage nicht mehr so üblich!

    Was Schmerzen aus einem Menschen machen können ist für die meisten Menschen einfach nicht nachvollziehbar.
    Wer höchstens mal normale Kopfschmerzen hat kann nicht verstehen wie sehr jemand unter Migräne leidet oder auch unter leichtem Kopfweh, das sich aber über Tage permanent hinzieht.
    „Nimm doch ne Tablette, dann gehts wieder.“
    Wenn man aber schon die zweite 600er Ibuprofen intus hat bringt einem der Satz sowas von garnichts…

    Liz, leider ist das Fachpersonal meist noch unsensibler als normale Menschen. Und allzuoft sind es gerade die Fachleute die einen nicht ernst nehmen.
    Bei mir ist es leider so das ich neben Asthma und Co auch Migräne habe, dazu kommen kaputte Halswirbel und diverse teils starke Schmerzen wo ich nicht weiß woher und warum.
    Bis jetzt haben mich die Ärzte angesehen, mein Gewicht registriert und mich gedanklich in die Schublade „Fette Patientin“ geschoben, da kann ich dann reden und argumentieren wie ich will, der Arzt hat mich eingeordnet und behandelt mich dementsprechend.
    Seit nun 6 Jahren bin ich auf der Suche nach einem Arzt der mir hilft, gerate immer wieder an solche und brauche immer länger um mich nach einer erneuten Enttäuschung zu einem neuen Versuch aufzuraffen.
    Wie es scheint habe ich endlich eine Hausärztin gefunden die wirklich mich sieht, nicht nur mein Gewicht. Die mich sofort auf meine leichte Schwerhörigkeit angesprochen hat, nach über 3 Jahren die erste die das gemerkt hat! (Ich bin immer von einem Streßsymptom ausgegangen, dank ihr und einem tollen HNO habe ich nun eine Diagnose die behandelbar ist)
    Ob sie mir auch bei meinen andere Sachen helfen kann oder, wie die anderen Hausärzte vor ihr, nur als „Rezeptgeber“ für meine Asthmamittel dienen kann wird sich zeigen. Ich hoffe so sehr das ich in ihr endlich eine gute Ärztin gefunden habe.

    Denn was habe ich mir nicht schon alles von Ärzten und ihrem Personal anhören müssen!
    „Sie nehmen erstmal ab, dann reden wir weiter. Vorher brauchen sie garnicht wiederzukommen.“ (Hausarzt, ich war dort wegen Halsschmerzen)
    „Nun stellen sie sich mal nicht so an, das sind doch keine Schmerzen!“ (Hausarzt, meine erste Begegnung mit den kaputten Halswirbeln. Ich war völlig neben mir vor Schmerz)
    „Was, Gelenkschmerzen? Na kein Wunder bei ihrem Gewicht!“ (Was mein Gewicht mit Gelenkschmerzen in den Fingern und Handgelenken zu tun hat konnte er mir nicht beantworten….)
    „Ach Kind, was heulst du denn? Meine Güte, was machst du denn wenn du mal ein Kind kriegst, hm?“ (Ich war da 27 und Mutter eines 1jährigen Kindes, trotzdem habe ich geheult weil der Arzt nun schon zum 6. Mal nicht die Ader traf, sondern weiter fröhlich im Arm rumstocherte)
    „Boah, nimmst du die Fette? Ich hab keinen Bock die zu sehen.“ (Arzthelferin zu Kollegin, ich stand in Hörweite.)
    „Kaufen sie sich Aspirin gegen die Schmerzen, nehmen sie 8 am Tag, denn Ibuprofen schreibe ich ihnen nicht auf! Was, Asthma? Na und?“ (Ich reagiere nicht auf Ibu, aber je nach Zustand schonmal auf Aspirin)
    „Entspannen sie sich! Menschenskinder, entspannen!“ (Orthopäde, schreiend, während er mir Spritzen in die Schultern schob. Die Halswirbel hatten sich verschoben und ich konnte nicht mehr laufen vor Schmerz, geschweige denn die völlig verspannten Schultermuskeln entspannen)
    „Kortison macht nicht dick und ihre 25 mg pro Tag sind eine Dosis für alte Omas.“ (Lungenfacharzt. Ich war froh auf die 25mg runterzusein, die Jahre davor braucht ich bis zu 40mg pro Tag)
    Und so weiter und so fort….

    Like

    1. Du Arme, „Kortison macht nicht dick“ ist ja echt der Brüller, und kam das: “Ach Kind, was heulst du denn? Meine Güte, was machst du denn wenn du mal ein Kind kriegst, hm?” von einem Arzt? Wo der seine Approbation herhat, wundert mich echt. Der hat wohl nichts begriffen..

      Like

      1. Ich habe einfach immer „Glück“ mit Ärzten…
        Zwischendurch finde ich echte Perlen, wunderbare Ärzte! Aber entweder ziehe ich 350 Kilometer weit weg, oder sie gehen in Rente, oder sterben.

        Like

  9. bei uns passiert es nicht so oft, dass sich die leute wieder anrufen und sich entschuldigen. einmal ist es passiert: ruft X an und sagt zu mir, er/sie wollte sich bei meiner Kollegin entschuldigen. normalerweise tun wir das nicht, aber ich habe den Anruf weiter geleitet.
    ein anderes Mal ist es mir passiert: ich sollte seit Wochen einen Pack bekommen, ich hab um die 10 Anrufe in verschiedene Bueros gemacht, und dann wieder in die Selben. als ich endlich mit dem lokalen Buero sprach, war ich stink sauer und die Frau meinte, sie solle das Ding zurueckschicken, damit der Absender wieder schicken konnte und weiss ich nicht mehr noch was. meine Kollegen waren stark erstaunt als ich die Frau antwortete, ich sei persoenlich hingefahren, um meinen Pack abzuholen und ich waere dort geblieben solange sie mir den Pack gegeben haette.
    ich hab sie nicht fertig gemacht, aber ich war so sauer, dass ich absolut unhoeflich war. sie meinte nur, sie haette am folgenden Tag den Pack mir abliefern lassen, aber ich haette am Vormittag sofort anrufen sollen.
    ich habe angerufen und mit seinem Kollege gesprochen: da habe ich ihm gebeten, meine Entschuldigung ihrer Kollegin zu berichten, da ich total sauer war und trotzdem haette ich nicht so aggressiv sein sollen.
    in Italien sagt man sowas: manchmal ziehen sie es aus den Mund.

    Like

  10. Ich bin auch so ein Schmerzpatient und ich muß sagen manchmal gibt es Tage da sieht man mir trotz enormer Schmerzen nichts an und dann gibt es wieder Tage da reicht die kleinst Fliege im Raum und man könnte sofort hochgehen.
    Ich selber habe mich aufgrund der Schmerzen auch schon im Ton vergriffen aber mich im nachher auch immer wieder Entschuldigt. Besonders für die Familie kein ein Leben mit einem Schmerzpatienten manchmal ganz schön anstrengend sein aber gut das sie da ist und noch zu einem hält.

    Sven

    Like

Was meinst Du dazu? (Wenn Du kommentierst, stimmst Du der Datenschutzerklärung dieses Blogs zu)

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..