Finanziell erzwungene Einsicht

Wie ihr vielleicht wisst, halte ich nicht viel von den Versicherungen, die ihre Kunden alles im Voraus zahlen lassen. Aber … es gibt einen Typ Kunden, bei dem das wirklich Sinn macht. Der nämlich, der keine Ahnung hat – und den es auch überhaupt nicht interessiert was die Medikamente die auf dem Rezept sind, denn so kosten – schliesslich zahlt er das ja nicht, sondern die Kasse.

Da hatten wir einen, der regelmässig mit Rezepten kam, auf denen alles drauf war. Die Blutdruckmedikamente (ok), das Mittel gegen Diabetes (ok), aber auch regelmässig Salben gegen Hautausschlag, diverseste normal käufliche Schmerzmittel und Hautpflegemittel zum einreiben, Grippemittel … gelegentlich hatte man das Gefühl, dass er für die gesamte Familie das Zeug beim Arzt auch noch gleich aufschreiben liess. Die Rezepte waren Listen – von oben bis unten gefüllt.

Das war so bis Anfang Jahr, wo er auf einmal zahlen musste.

Pharmama: „Das macht 431 Franken.“
Er schaut mich an wie ein Reh Nachts im Scheinwerferlicht.
Kunde: „Was?“
Pharmama: „431 Franken. Ihre Krankenkasse hat den Vertrag mit den Apotheken gekündet, sie müssen die Medikamente auf dem Rezept jetzt selbst zahlen und einschicken.“

Muss ich noch sagen, dass er sein Rezept wieder mitnahm?
Und dass er nachher mit der Kasse telefoniert hat – die ihm wohl nichts anderes gesagt hat?
Und es vielleicht noch bei der einen oder anderen Apotheke mit dem gleichen Ergebnis versucht hat?

Nach einer Pause von ein paar Monaten kommt er übrigens wieder und jetzt … sind auf dem Rezept nur noch 2 bis maximal 3 Medikamente drauf.

Das … würde ich sagen, ist ein Erfolg für das Gesundheitswesen.

Es gibt vielleicht ein paar, die da jetzt finden, ich müsste eigentlich damit unzufrieden sein – immerhin nehme ich so auch weniger ein. Ja – aber ich sehe auch die andere Seite: diese Leute, die immer zum Arzt rennen und alles (oft nicht zwingen notwendiges) über Rezept nehmen – und über die Krankenkasse, die schaden dem Gesundheitswesen finanziell. Die sind ein Grund für steigende Krankenkassenprämien – und die zahle ich genauso mit wie jeder auch. Ehrlich: mich freut diese „Einsicht“, auch wenn sie finanziell erzwungen wurde.

14 Kommentare zu „Finanziell erzwungene Einsicht

  1. richtig, liebe Pharmama, viele denken (leider noch immer), „das zahlt doch die Kasse/Versicherung“ und schreien Zeter und Mordio, wenn die Beiträge steigen
    (ein Fall von PISA?)

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    1. Denen ist der Zusammenhang immer noch nicht klar.
      Und dann gibt es natürlich noch das „Konsumdenken“: Wenn ich schon so viel Prämien zahle, will ich auch etwas zurückbekommen. Da haben einige das Prinzip einer *Versicherung* nicht begriffen.

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      1. schlimmer, liebe Pharmama, „Die“ denken oftmals, MINDESTENS das, was sie eingezahlt haben, zurückzubekommen (wegen Zinsen) ;-)
        und Du hast Recht: „die“ haben das Prinzip einer Versicherung (Solidargemeinschaft) nicht verstanden
        .. aber vielleicht wissen „die“ gar nicht, was „Solidar“ bedeutet, von „Gemeinschaft“ ganz zu schweigen :-(

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  2. Hier in D bekommt man freiverkäufliche Arzneimittel gar nicht mehr auf Rezept. Kommt höchstens mal vor, dass der Doc das auf ein „grünes“ Rezept schreibt, die muss man eh selbst zahlen.

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    1. Ja, aber die Medikamente auf dem grünen Rezept kann man dann wenigstens noch von der Steuer absetzen. Ich lasse mir mittlerweile jedes benötigte Schmerzmittel, Durchfallmittel, Antihistaminika auf ein grünes Rezept schreiben, wenn ich wegen Schmerzen, Magen-Darm oder Allergie zum Arzt gehe. Da läppert sich übers Jahr auch ein erklecklicher Betrag zusammen, den ich dann wenigstens noch steuerlich geltend machen kann. Ohne Rezept erkennt das Finanzamt diese Kosten ja leider nicht an.

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  3. Das System in der Schweiz durchschaue ich auch nur halb. In Ö ist es z.B. so, dass man rezeptpflichtige Sachen auf Rezept hat. Da ist immer eine Rezeptgebühr von 5 Euro damit verbunden, wenn man es einlöst. (Es kann ab einer gewissen Menge eine Befreiung erfolgen) und alle anderen Sachen muss man selbst zahlen.

    Finde ich auch total okay und gut gelöst :)

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    1. @Nua: das haengt aber auch ein bisschen von der Krankenkasse ab – bei manchen (meiner zB) muss man auch zunaechst alles selbst zahlen, dann das Rezept samt Rechnung einreichen und bekommt dann einen (meist recht groszen) Anteil zurueckerstattet. Da findet man dann ziemlich schnell raus, was wie teuer ist, dafuer faellt die Rezeptgebuehr weg (;

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    2. In der Schweiz ist es so, dass der Arzt eigentlich alles auf ein Rezept schreiben darf. Rezeptpflichtiges und frei verkäufliches. Aber: nicht alles davon muss von der Krankenkasse übernommen werden.

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    3. @Nua, so ist das in D auch. Rezeptgebühr beträgt 10% des Medikamentenpreises, mindestens jedoch 5 Euro, maximal aber 10 Euro. Sprich, wenn das Medi einen Wert von bis zu 50 Euro hat, zahlt man 5 Euro. Kostet es zwischen 50,01 und 100 Euro, zahlt man 10% des Preises selbst. Alle Medikamente ab 100,01 Euro kosten grundsätzlich 10 Euro.
      Stehen auf einem Rezept 2 oder 3 Medikamente, gilt diese Regel für jedes einzelne Medikament.
      Allerdings gibts in D auch Medikamente mit bestimmten Wirkstoffen, die generell von der Zuzahlung befreit sind (gibts eine Arzneimittelliste) oder Hersteller, die für ihre Medikamente einen besonderen Vertrag mit der Krankenkasse haben.

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  4. Es ist ja nicht nur gut um die Kosten für die Versicherung unten zu halten. Ich denke er tut sich (und seiner Familie?) auch selbst einen Gefallen, wenn er nicht gegen jedes Zipperlein und Schnüpfchen ein Medikament nimmt sondern dem Körper erst mal selbst die Chance gibt, sich zu heilen.

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  5. Das ist in der Tat ein Erfolg für das Gesundheitswesen, wenn er nur die wirklich notwendigen Sachen erhält. Vermutlich sogar mit einem positiven Effekt auf die Compliance.

    Hätte er denn wie vorher alles erstattet bekommen, oder hat sich da auch was geändert?

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  6. Kenne ich aus meiner angeheirateten Familie nur zu gut. Da gibts jemanden, der aufgrund Hartz4 zuzahlungsbefreit ist und der lässt sich für sein erwachsenes, selbstversichertes „Kind“ mit eigenem, ziemlich gutem Einkommen so ziemlich alles aufschreiben, was sonst 5-10 Euro an Zuzahlung kosten würde… Aber sich beschweren, weil man ja soooo viel an Versicherungsbeiträgen zahlen muss *augenroll*

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