Weshalb Homöopathie (doch) in die Apotheke gehört

Ein Gastbeitrag von M. Hana, den ich Euch auf keinen Fall vorenthalten will. Sie ist Apothekerin in Wien – und ich kann mich ihren Erfahrungen betreffend Homöopathie nur anschliessen … lest hier:

Warum ich Homöopathie mag
In Österreich wird gerade sehr viel über Homöopathie gesprochen, manch einer will einen Verkaufsstop in Apotheken, dann wird ein Wahlfach auf der MedUni gestrichen.
Deshalb möchte ich meine Gedanken dazu niederschreiben.
Ich arbeite seit 4 Jahren in einer Apotheke in Wien. Ich habe das Studium der Pharmazie begonnen, weil ich „in die Wissenschaft“ wollte, erst gegen Ende des Studiums hat mich die Arbeit in der Apotheke zu interessieren begonnen. Evidenzbasierte Medizin ist für mich das A und O in der Beratung, so mancher Kunde hört von mir „in Studien wurde gezeigt…“ oder „nach derzeitigem Stand der Wissenschaft…“.
Als Kind habe ich auch so manche Globuli (von unserer Kinderärztin) bekommen und ich wurde auch nicht Mumps-Masern-Röteln geimpft, weil unsere Kinderärztin der Ansicht war, das sei nicht sinnvoll. Grob fahrlässig in meinen Augen, zumindest aus heutiger Sicht. Zehn Jahre später war sie dann anderer Meinung und meine jüngeren Geschwister wurden geimpft. Für einen Laien ist es glaube ich sehr schwer zu entscheiden, welche Empfehlungen die richtigen sind.
Ich habe nie viel von Homöopathie gehalten, während meines Studiums war ich der Überzeugung, dass man diesen Humbug nicht braucht. Trotzdem habe ich natürlich die Basics gelernt, Herstellungsprozesse, Verdünnungen und Vorschriften muss jeder Pharmazeut kennen.

Erst in der Apotheke wurde mir ein wichtiger Fakt bewusst: Homöopathische Zubereitungen wirken zwar nicht besser als Placebo, aber sie wirken genauso wie ein Placebo!
Wir haben mit der Homöopathie ein gesellschaftlich akzeptiertes Placebo zur Verfügung, also sollten wir das auch nutzen! In vielen Fällen reicht für den Patienten eine Placebowirkung, manchmal haben wir nichts Besseres zur Verfügung.
Ich lüge meine Kunden in der Apotheke nicht an. Das finde ich nicht sinnvoll, ich verspreche keine Wirkung, die nicht belegt ist. Ich habe Kunden auch schon direkt gesagt, dass ihre Globuli (oder ihr Nahrungsergänzungsmittel) zum Abnehmen nicht funktioniert und sie sich das Geld sparen können, ganz direkt und unverblümt ins Gesicht und ihre Antwort war: Macht nichts, ich möchte es trotzdem kaufen.

Ich möchte ein paar Beispiele zur Homöopathie aus den letzten Jahren erzählen:

Schlafmittel
Ich erinnere mich noch gut an eine meiner ersten Homöopathie-Empfehlungen in der Apotheke. Ich war ganz frische Aspirantin, es war Anfang Oktober. Eine Frau zwischen 30 und 40 kommt in die Apotheke und möchte ein Schlafmittel. Ich frage, für wen es ist und wofür, um abschätzen zu können, ob sie etwas Pflanzliches probieren will (beispielsweise Baldrian) oder ob sie eher etwas chemisches braucht (wie ein Diphenhydramin). Sie erklärt mir, es ist für ihre Tochter. Hmmm – wie alt ist die Tochter denn? Ja, also, die Tochter ist 6 Jahre alt und hat gerade mit der Schule begonnen, seitdem schläft sie so schlecht ein.
Wir haben dann ein Gespräch über Schulbeginn geführt, über Klassenkollegen und mögliche Probleme und über allgemeine Maßnahmen für einen gesunden Schlaf. Ihr war glaub ich bewusst, dass sie mit ihrer Tochter vielleicht mehr über die Schule reden sollte, „aber sie hat derzeit einfach nicht die Zeit dazu“. Sie wollte „irgendetwas mitnehmen, das sie der Kleinen geben kann“, also habe ich ihr homöopathische Globuli angeboten, die sie mit Freude gekauft hat. Ich war auch erfreut – dass sie keine richtigen Schlafmittel für ihre 6-jährige Tochter gekauft hat!

Ein Mittel gegen Schwindel
Vorweihnachtszeit, Nachmittag. Eine Kollegin in Ausbildung hat einen Stammkunden um die 60, der über Schwindel klagt. Sie möchte ihm kein (rezeptpflichtiges) Vertirosan mitgeben, das er vor vielen Jahren mal bekommen hat, sie ist unsicher, ob ein homöopathisches Vertigoheel (das viele ältere Kunden regelmäßig kaufen) ausreicht und bittet mich um Hilfe. Ich frage genauer nach und muss ihm quasi jedes Detail aus der Nase ziehen… Nach ein paar Minuten kann zusammengefasst werden: Er hat seit ein paar Tagen immer wieder Schwindelanfälle, die beginnen sehr plötzlich und hören dann auch von alleine wieder auf. Er hatte davor noch keine Probleme mit Schwindel. Beklemmungsgefühl in der Brust? Nicht richtig, vielleicht ein bisschen ein
komisches Gefühl.
Ich erkläre ihm, das kann auch vom Herzen kommen und schicke ihn zum Arzt. Er sagt, er hat keine Zeit dazu, er geht nach den Feiertagen hin und probiert inzwischen das homöopathische Mittel aus, „das kann ja nicht schaden und vielleicht hilft es“. Ich sage ihm ganz unverblümt, dass ich ihm das nicht verkaufe, weil ich nicht möchte, dass er den Arzttermin aufschiebt und er damit ein Risiko eingeht: Wenn er Herzrhythmusstörungen hat, kann das gefährlich sein.
Überredet.
Am nächsten Tag kommt er mit einem Rezept für Lovenox und bedankt sich bei uns. Er hat ein neu aufgetretenes paroxysmales Vorhofflimmern und wird über die Feiertage mal mit Lovenox therapiert. Für mich eine Bestätigung, dass ich richtig entschieden habe.

Impfungen
Ein Kunde möchte Hochpotenz-Globuli bestellen, „um die Impfung auszuleiten, die sein Baby bekommt“. Ich suche in unserem PC-System und finde nichts, nach einiger Zeit finde ich in Deutschland das gewünschte Fertigprodukt. Wir bestellen es gerne. Ich glaube nicht daran, dass Globuli eine Impfung „ausleiten“ können (was auch immer das bedeuten soll), ich glaube auch nicht daran, dass man eine Impfung in irgendeiner Form „ausleiten“ muss. Aber ich bin froh darüber, dass er sein Kind impfen lässt.
(Mein Chef hat mit diesen Globuli wohl ein Minusgeschäft gemacht – mein Arbeitsaufwand war wesentlich größer als das, was er an den Globuli verdient… ^^)

„homöopathische Antibiotikatherapie“
Mutter und Tochter im Kindergartenalter kommen in die Apotheke. Die Mutter hat zwei Rezepte von ihrer Hausärztin: ein Antibiotikum für sich und ein antibiotischer Saft für die Tochter. Wie immer frage ich nach dem Gewicht des Kindes und kontrolliere die verschriebene Dosierung (Vier-Augen-Prinzip). In diesem Fall liegt die Dosierung sehr weit unter der Mindestdosis. Ich rufe also die Ärztin an und frage, ob das beabsichtigt ist bzw. ob die Dosierung erhöht werden soll. Ihre Antwort hat mich wirklich entsetzt: „Nein, wissen Sie, das Kind braucht eigentlich kein Antibiotikum. Aber die Mutter wollte unbedingt, dass ich ihr auch eines aufschreibe. Lassen Sie die Dosis ruhig so.“
*facepalm
Ich kann in solchen Fällen das Gespräch nur dokumentieren und vermerken, dass die Dosis wirklich so gewünscht ist… Wären hier Globuli nicht ungefährlicher gewesen?

Homöopathie verweigern
Ich habe in den letzten vier Jahren ein paar Mal homöopathische Mittel verweigert. Die Fälle kann ich an einer Hand abzählen und es war glaub ich immer der gleiche Grund: Ein Kunde wollte sich den Weg zum Arzt sparen „und mal irgendwas nehmen, ganz egal was, geben Sie mir halt was Homöopathisches“. In meinen Augen sollte das Problem aber sofort von einem Arzt abgeklärt werden. Mein „Nein, ich gebe Ihnen gar nichts mit, weil dann gehen Sie nicht gleich zum Arzt!“ wurde in diesen Fällen dann auch akzeptiert.

Mit der Homöopathie wird viel Humbug betrieben, allerdings liegt das an den Empfehlungen der Esoteriker/ Ärzte/ Pharmazeuten/ Nachbarn/…. Homöopathie könnte an sich gut als Placebo genutzt werden. Ich finde es gut, dass Homöopathie in Apotheken verkauft wird, weil hier eine Fachperson nochmal mit dem Kunden über die Anwendung bzw. das Problem sprechen kann und abschätzen kann, bis wann eine Therapie in Ordnung ist.
Kunden wollen etwas gegen ihre Beschwerden einnehmen, auch wenn manchmal „abwarten und Tee trinken“ oder Sport oder Entspannungstechniken gleich gut oder besser helfen würde. Ich habe Kunden schon so oft gesagt, dass es „keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirkung gibt“ oder dass ich glaube, „dass es in diesem Fall nicht den gewünschten Effekt bringen wird“ (Stichwort Abnehmen) und die Kunden haben es trotzdem gekauft mit der Antwort: „Naja, hilft’s nicht, so schad’s nicht“.

Nicht nur schwarz weiß

Ich habe manchmal das Gefühl, wenn gegen Homöopathie gewettert wird, steht sie für alles Nicht- Wissenschaftliche, für Esoterik und ist das Gegenteil von „Schulmedizin“. Es sollte nicht so schwarz-weiß gesehen werden! Werden Antidepressiva wirklich nur bei schweren Depressionen eingesetzt, wo sie besser als Placebo wirken? Wie oft hilft dem Kunden das Pantoprazol schon 5 Minuten nach der Einnahme, wenn er es selten gegen seine Magenschmerzen nimmt? Ich glaube ihm das durchaus, allerdings ist das sicherlich nicht auf den Wirkstoff zurückzuführen.
Homöopathie sollte als das genutzt werden, was sie ist, ein Placebo, das Wirkung zeigen kann und in vielen Bereichen unterstützend eingesetzt werden kann, wenn der Kunde bzw. Patient das wünscht.
Auf eine Schürfwunde braucht man objektiv gesehen keine Creme schmieren, die heilt auch so, aber manchmal tut es gut, die Psyche ein bisschen zu salben.

Die „homöopathiefreie Apotheke“ wird gerne propagiert, aber … das oben sind in meinen Augen gute Gründe, weshalb die Homöopathie doch in die Apotheke gehört. So nämlich.

Hokuspokus aus der Apotheke: die Spezialmischung

Erzählt mir die Apothekerkollegin von der sehr wirksamen Lösung, die sie für die Freundin eines älteren Mannes gefunden hat. Der hatte ein weitverbreitetes Problem: Wie viele andere im höheren Alter nahm der nämlich zu wenig Flüssigkeit zu sich. Das Durstgefühl geht teils verloren. Die Dehydration (Asutrocknen), die daraus folgt ist nicht ganz ungefährlich. Unter anderem wird „zu wenig trinken“ als Ursache von vielen Änderungen im mentalen Status angenommen, lies: Vergesslichkeit, Aggressivität etc.

Jedenfalls hat sie versucht ihn dazu zu bringen, mehr zu trinken, aber das funktionierte so nicht … bis in der Apotheke dafür eine Medizin fand.

Die Tropfen wurden speziell für sie hergestellt.

Von diesen hochwirksamen Tropfen musste ihr Freund jeweils genau 3 in ein grosses Glas Wasser geben. Sie mussten unbedingt so verdünnt werden. Und das musste unbedingt pro Tag 3 x gemacht werden, damit es ihm half.

Und es half. Seine Stimmungsschwankungen verschwanden und sein Allgemeinzustand besserte sich auch laut eigener Aussage wesentlich.

Was war in den super-hochwirksamen Tropfen? … auch nur Wasser. Als Spezialmischung abgepackt und professionell beschriftet. Aber damit hat er zumindest 3 Gläser Wasser getrunken pro Tag.

Natürlich … das geht in die selbe Richtung, wie der Monster-Spray:

monsterspray

Wenn’s hilft? Wieso nicht. Überzeugung ist dabei mehr als die halbe Wirkung.

Ich will gefallen – Placebo (Sampler)

Nachdem das gestern ein paar Diskussionen losgetreten hat mit dem Placebo – dachte ich, ich könnte eine Zusammenstellung machen, was ich hier auf dem Blog schon über Placebo geschrieben habe.

Die Macht der Placebo: Erklärungen um Placebo und Placeboeffekt.

Ich werde gefallen – wann und wie setzen Ärzte Placebos ein?

Placebos braucht man vor allem um neue Medikamente zu testen. Im Beitrag Trau keiner Statistik steht, auf was man bei den Studien achten sollte.

In Ich: Versuchskaninchen steht, was ich an Studien mitgemacht habe – und ob ich ein Placebo hatte?

Demonstrierter Placeboeffekt. Es wirkt!

Placebo gewünscht gegen Haarausfall.

Dialoge aus der Apotheke / 13 – sicher psychisch.

Als der Arzt Placebo auf Rezept verordnet hat.

Rückruf … ruf … ruf …. – und was danach draus entstanden ist: Ein Verpackungsfehler und 113 schwangere Frauen – es gibt Pillenpackungen mit Placebotabletten

Mehr Magie in der Medizin forderte Von Hirschhausen.

Der Nocebo Effekt ist praktisch der böse Bruder des Placebo Effektes.

Mit der falschen Anwendung kann eine eventuelle Wirkung auch nur auf dem Placebo-Effekt beruhen.

Genau das richtige für ihr Problem! Hoffentlich.

Kleben ist das neue „Schmieren und Salben“ wobei mir das letztens bei den Rückenschmerzen tatsächlich geholfen hat.

Würden Apotheker Generika kaufen? (Und was hat das mit dem Placebo-Effekt zu tun?)

Dann kaufen Sie es doch einfach! (Wofür berate ich eigentlich?)

Wieso sind manche Tabletten bunt? Weil das die Wirkung unterstützen kann – aber nicht nur.

Tag der seltsamen Kundenwünsche. Placebo-Globuli?!

Ich will ein Antibiotikum! … und weshalb das bei den meisten Erkältungen eine Placebo-Gabe ist.

Das kann ja nichts nützen. Nocebo-Effekt des Medikamentenpreises?

Beratung für … nix? Placebo-Mittel gibt’s auch im Kaufhaus.

Ich hoffe, das hat Euch gefallen :-)

Falls ihr noch Ideen für weitere Sampler habt: melden!

 

Dialoge aus der Apotheke / 13

Es war grad Vollmond, oder? Anders kann ich mir den gestrigen Tag in der Apotheke nicht erklären – respektive das Verhalten gewisser Leute.

apodialog6

Patient: „Könnten Sie mir Placebo geben?“

Apotheke: „Oh? Wir haben kein …“

Patient: „Natürlich haben Sie! Was geben Sie den Verrückten? Geben Sie mir das!“

Apotheke (denkt). Uh – Medizin?

Ich weiss – in Deutschland gibt es Placebotabletten (sogar so angeschrieben) zu kaufen – aber bei uns sucht man das vergeblich in der Apotheke. Ich habe inzwischen einen Lieferanten gefunden, wo man das noch bekommt (Dynapharm). Allerdings ist das eine Direktlieferung … und da wir das so wenig brauchen, lohnt sich das nicht. Unter anderem brauchen wir das so wenig, da der Patient ja ausdrücklich ein Recht darauf hat, informiert zu sein, mit was er denn da behandelt wird. Ausdrücklich wirkstofflose Tabletten zu geben, macht da wenig Sinn. Wenn wirklich so etwas gewünscht wird, kann ich Kapseln herstellen mit nur Füllstoff (Mannitol) … oder homöopathische Tabletten geben.

Die homöopathiefreie Apotheke

Häufig in Kommentaren gelesen, Aussagen wie:

Dann würden ich Apotheken auch wieder ernster nehmen können…: “Globuli? Nein so etwas führen wir nicht, wir führen nur medizinische Produkte.”

Die Abgabe von und Werbung für Homöopathie widerspricht leider der Grundidee, dass Apotheken dafür da sind, ihre Kunden – auf gegenwärtigem wissenschaftlichem Stand – über die Sicherheit und Anwendung von Medikamenten zu beraten. Das geht irgendwie nicht richtig zusammen.

Wenn man den ganzen Homöopathieklimbim in Ihren Schaufenstern sieht, dann ist doch die wirtschaftliche Absicht nicht zu leugnen.

Homöopathika sind keine Medizin, sondern werden nur als solche beworben. Daher hat solches Voodoo nichts in der Apotheke verloren.

Wenn ich so etwas lese (hier oder anderswo), dann … nervt mich das immer etwas. Weshalb? Nicht weil ich Homöopathie-Verfechter bin, als Apothekerin bin ich mir der fehlenden wissenschaftlichen Studienlage sehr wohl bewusst und meine Eigenerfahrung hat mir gezeigt, dass das bei mir nicht (genug) wirkt, als dass ich das aktiv weiterempfehlen könnte. Aber so Aussagen und Forderungen die Homöopathie komplett aus der Apotheke zu verbannen gehen einfach an der Realität vorbei. An der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und der Gesetzes-mässigen.

So sieht die Realität aus: Seit 2013 gibt es eine Website, die die Adressen von Homöopathiefreien Apotheken in Deutschland sammelt: Das ist sie:

homoeopathiefreieapo

Was fällt dem geneigten (oder auch unwilligen) Betrachter auf? Genau: Da steht bisher EINE Apotheke drauf. Die ist in der Schweiz und … genau genommen ist auch sie nicht homöopathiefrei. Thomas Kappeler von der Apotheke Schaffhauserplatz schreibt:

Nur in Spezialfällen empfehlen wir Homöopathie Arzneimittel – dann aber als „Pseudoplacebos“. Es ist erwiesen, dass Placebos wirken können, z.B. durch Zuwendung und Liebe. In diesem Sinn kann Homöopathie gerade bei Kindern mit banalen Erkrankungen durchaus nützlich und sinnvoll sein.

Also: Nicht gerade das, was ich jetzt als homöopathie-frei bezeichnen würde. Aber ich denke DIESE Aussage können die meisten anderen Apotheker unterstreichen und dazu stehen. Mich inbegriffen. Das ist auch die Meinung, die ich von den anderen Apothekern meist höre, wenn ich es wage über das Thema zu diskutieren. Mit Apothekern kann man das nämlich … problematischer wird es mit manchen wirklich aggressiven Skeptikern. Das soll nicht abwertend sein gegen alle Skeptiker und Verfechter von Vernunft und Wissenschaft. Gar nicht. Aber auch diese müssen die aktuellen Realitäten von Gesellschaft, Gesundheitswesen und Gesetz anerkennen.

Und die sind im Moment so:

Homöopathie wird verlangt, wird verschrieben (ja, von Ärzten, auf Rezepten) und wird von den Krankenkassen übernommen. In der Schweiz wird sie mit anderen sogenannten alternativen Heilverfahren sogar von der Grundversicherung übernommen.

Das finde ich ja persönlich auch alles andere als gut – meiner Meinung nach gehört das in die Zusatzversicherung, aber das wäre ein Thema für einen anderen Blogpost. Die Homöopathie ist in der Grundversicherung gelandet nach einer Volksabstimmung 2009, wo alle Ständeräte und 67% der Bevölkerung den Artikel „Zukunft mit Komplementärmedizin“ angenommen haben.  Das ist (leider) eine deutliche Mehrheit.

Dann etwas, das so verlangt und nachgefragt ist nicht an Lager zu halten – und womöglich auch nicht zu bestellen (nur) um der „Grundidee“ und „wissenschaftlichen Ansehen“ in den Augen einer (offensichtlichen Minderheit) zu entsprechen kann man sich einfach nicht leisten. Das ist die Realität.

Und um beim wirtschaftlichen zu bleiben: Bei dem Zerfall der Medikamentenpreise kann eine Apotheke nur mit den Medikamenten auf Rezept nicht überleben. Dazu braucht es den OTC-Verkauf. Und auch dazu gehören die homöopathischen Sachen. Die Preise bei denen sind (für das, was man bekommt) eher im oberen Bereich angelegt, das gilt aber auch für die Einkaufspreise dieser Mittel, das sollte man nicht vergessen. Ich denke nicht, dass die sehr nach unten gingen, wenn die Mittel woanders verfügbar wären.

Und damit wären wir beim nächsten Punkt, weshalb die Homöopathie in die Apotheke „gehört“: unpopuläre Meinung von mir und ich bin sicher, es gibt auch unter den Apothekern schwarze Schafe, aber: Homöopathie sind Heilmittel – für medizinische Anwendungen gedacht. Wir haben mit unserem medizinischen Hintergrundwissen die Möglichkeit einzugreifen. Zum Beispiel, wenn etwas behandelt werden soll, das unter Ärztliche Aufsicht gehört, weil es halt nicht mehr „banal“ ist. Malaria, HIV, Herzinfarkt … Im Beratungsgespräch kann der Apotheker herausfinden, ob das noch mit einem – um Thomas Kappeler zu zitieren – Pseudoplacebo behandelbar ist, oder ob es da wirksame Medikamente gibt oder ob es zum Arzt gehört. Das lernen wir im Studium. Das ist Wissen, das wir gerne weitergeben.

Zum Punkt „Pseudoplacebo“ wäre noch einiges zu schreiben. Inzwischen weiss man, dass Placebos praktisch eine Eigenwirkung haben. Das ist besonders gut ersichtlich bei der Wirkung gegen Schmerzen oder gegen Depressionen. Viel hängt davon ab, wie das Medikament gegeben wird (wie empfohlen, wie verabreicht, welche Nebenwirkungen zeigt es? wie teuer ist es?) Wahrscheinlich fallen noch eine Menge Medikamente in dem Sinn unter Pseudoplacebos …

Im Studium lernt man inzwischen standardmässig auch einen Teil Alternativmedizin – und die Homöopathie gehört dazu. In der Schweiz kann man sich auch speziell weiterbilden und den „FPH klassische Homöopathie“ machen – was ziemlich aufwändig und auch teuer ist. Man verzeihe es also den motivierten Apothekern, die nach dieser Indoktrinierung wirklich zur Homöopathischen Apotheke stehen. Für mich ist das okay – solange sie nicht anfangen die wissenschaftlich belegten Methoden zu diskreditieren, so wie die Impfungen zum Beispiel …

Manchmal hat man auch einfach nichts (anderes), das man geben kann. Es ist vielleicht gegen jede Krankheit ein Kraut gewachsen … aber Medikamente gibt es noch nicht gegen alles und für jeden. Speziell bei Kindern gibt es da grosse Defizite und auch bei Schwangeren, wo man wirklich vorsichtig ist – Homöopathie kann man eigentlich immer geben (vorausgesetzt es gehört nicht zum Arzt).

Das ist etwas, was man ausprobieren muss. Ich weise die Patienten und Kunden darauf hin, dass das etwas homöopathisches (oder anthroposophisches, Spagyrisches etc.) ist, wenn ich ihnen etwas empfehle. Ich empfehle etwas dann, wenn ich kein Medikament sonst dagegen habe, oder vielleicht ergänzend als Zusatzverkauf (Don’t kill the messenger, please). Ich weise die Leute nicht extra darauf hin, wenn sie so ein Mittel direkt bei mir verlangen – dann frage ich höchstens nach, für was sie es brauchen – denn ich denke, dass das ihnen schon bewusst sein sollte. Genauso wenig empfehle ich es Leuten, die schon mit der Aussage: „Aber geben Sie mir etwas, das wirkt und nichts so pseudomedizinisches!“ in die Apotheke kommen.

Aber darauf verzichten, nur um einem Ruf gerecht zu werden, nein, das kann ich auch nicht.

Und jetzt hoffe ich, dass ich nicht grad gesteinigt werde von den Homöopathie-Gegnern und dass eventuelle Diskussionen (auch von Seiten der Befürworter wo es genauso heftige Verfechter gibt) sich in anständigem Rahmen bewegen.

Über den Nocebo Effekt

 Nocebo ist sozusagen der böse Bruder vom Placebo.

Ihr wisst schon: wenn man vom Medikament eine Wirkung erwartet, dann tritt die auch eher ein. Genau so steht es aber mit den Nebenwirkungen.

Besonders mächtig ist sowohl der Placebo als auch der Noceboeffekt im Bereich der Schmerzen. Wird Kopfschmerz dem Patient als mögliche Nebenwirkung mitgeteilt, so steigt die Eintrittswahrscheinlichkeit mindestens um das Zweifache an.

Mit ein Grund, weshalb es keine gute Idee ist die Packungsbeilage mitsamt allen möglichen und eventuellen und noch so unwahrscheinlichen Nebenwirkungen vorher zu studieren. Also: schon, wie man es richtig anwendet, aber eben, die Nebenwirkungen würde ich grosszügig überlesen.

Wie eindrucksvoll der Effekt sein kann zeigte auch dieser bekannte Fall (nachzulesen auch hier):

Der depressive Patient Derek Adams nahm an eine Antidepressiva- Therapiestudie teil, als er beschloss zu sterben. Er schluckte alle verbliebenen 29 Tabletten. Und fiel in einen lebensbedrohlichen Zustand. In der Klinik griffen die Reanimationsmassnahmen nicht recht. Bis die Ärzte die Patientenakte entblindeten und sahen: der Patient hatte ein Placebo bekommen.

Das war tatsächlich so, dass sie seinen Blutdruck, der lebensbedrohlich abgefallen war nicht in den Griff bekamen … bis zu dem Moment, wo sie dem Patienten mitteilten, dass das Mittel, das er genommen hatte – keinen Wirkstoff enthielt.

Der menschliche Geist ist etwas wunderbares.