Sie haben eine Tablette vergessen!

«Sie haben eine Tablette vergessen!»

Das von Frau Grumpel, einer Patientin, die bei uns ihr Dosett gerichtet bekommt. Wir haben das eingeführt, weil sie zunehmend Mühe bekundete, mit der Übersicht über ihre Medikamente … Eigentlich ist das nicht ganz korrekt – wir selber mussten sie darauf aufmerksam machen, da die Abstände, in denen sie ihre Medikamente bezog irgendwie nicht mit der Einnahmehäufigkeit korrelierten …

Wir machen das in der Apotheke im Normalfall so, dass wir immer ein neues Wochendosett richten, während eines beim Patient in Gebrauch ist – dann muss man nur einmal die Woche (am selben Tag) vorbeikommen, und das leere gegen das neue austauschen. Wir richten inzwischen dutzende Dosette pro Woche – sie werden von einer Assistentin gerichtet und von der Apothekerin kontrolliert. Das soll nicht heissen, dass nicht einmal trotzdem ein Fehler passieren kann, dass eine Tabette fehlt oder in das falsche Fächlein gerutscht ist … normalerweise erwischen wir das dank Kontrolle vor Abgabe an den Patienten.

Aber hier … ich kenne Frau Grumpel … und ich vermute ein anderes Problem. Schon als wir die Dosette eingeführt haben, hatte sie Mühe. Erst wollte sie partout nur eines und dass wir das jeweils gleich richten … ja, dann musste sie halt jeweils warten. Mindestens 20 Minuten. Irgendwann wurde ihr das zu langweilig, dann haben wir das mit dem zweiten Dosett eingeführt – und seitdem diese Diskussion, dass Tabletten fehlen würden.

Pharmama: «Welche Tablette war denn nicht drin?»

Frau Grumpel: «Das sehen sie doch, die von heute abend fehlt wieder.»

Pharmama: «Nein, die fehlt nicht, die haben sie letzte Woche bekommen und dann auch genommen.»

Frau Grumpel: «Nein, habe ich nicht!»

Pharmama: «Frau Grumpel: sie kommen mit dem leeren Dosett jeweils am Dienstag mittag. Sie bekommen ein komplett gefülltes Dosett – da ist auch der Dienstag abend drin. Sehen sie hier (ich zeige ihr das Dosett). Heute Abend nehmen Sie diese Tablette – und dann nehmen sie das ganze Teil vom Dienstag und fügen ihn unten wieder an. Wenn sie nächsten Dienstag morgen die restlichen Tabletten darin genommen haben, kommen sie wieder vorbei.»

Frau Grumpel: «Das ist so kompliziert. Immer muss ich Tabletten rausnehmen und verschieben!»

Ich will gar nicht fragen, was sie wo schiebt, oder wo die Logik dahinter ist … wo immer sie eine Tablette rausnimmt, fehlt sie ja nachher.

Pharmama: «Sie müssen gar keine Tabletten rausnehmen – ausser zum einnehmen.»

Frau Grumpel: «Aber dann fehlt immer eine!»

Rinse and repeat.

Am Schluss habe ich ihr ein kleines Zettelchen in das Fächlein vom Dienstag morgen gelegt mit der Aufschrift: «erst am Dienstag (Datum) einnehmen» … und einen Strich auf den Dienstagsschieber gemacht, wo sie startet/endet. / ->

Bis nächste Woche …

Das scheint für manche Leute wirklich ein Überlegungsproblem zu sein … und zwar nicht nur, weil sie nicht an einem festen Tag wechseln kommen möchten. Vielleicht erkläre ich das auch nicht richtig?

 

28 Kommentare zu „Sie haben eine Tablette vergessen!

    1. Das Dosette richten meinst Du? Ja – wir verlangen etwas dafür, bei mehr als 3 Tabletten regelmässig genommen pro Woche ist das (auf Rezept) auch der Krankenkasse abrechnenbar. Das nennt sich Compliancepauschale und dient (wie der Name sagt) dazu, dass die Patienten die Medikamente richtig nehmen. Da nur richtig genommene Medikamente richtig wirken können, spart das am Ende dem Gesundheitswesen auch nur wieder Geld. Das haben auch die Kassen erkannt.
      Diskussionen wie obige sind dann in der Pauschale „enthalten“ :-)

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  1. Ich kann inzwischen nur sagen: nein, nicht schlecht erklärt, die alten sind dumm. Die geistige Kapazität und Flexibilität nimmt ab und sie können nur noch so, wie sie sich die Welt vorstellen. Jeder Erklärungsversuch ist nutzlos. Ich diskutiere nicht mehr mit denen, ich lasse sie machen, das spart Zeit und vor allem nerven, bringen tut es eh nichts.

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      1. Ich muss mir zum Glück keine Gedanken um Compliance bei Medikamenteneinnahme machen. Aber die Elenden Diskussionen über
        – Dauerkatheter? Das hatte ich noch nie bei einer Operation, das will ich nicht (Doch, hatten Sie, ist sogar bei jeder OP der letzten fünf Jahre bei Ihnen dokumentiert)
        – Noch eine Infusion? Das brauche ich nicht. (Doch, sonst würde ich es mir sparen.)
        – Warum legen Sie mir eine Nadel? Das haben die beim letzten Mal auch nicht gebraucht. (Und die Narkose haben Sie getrunken, oder was?)
        Und so weiter. Was soll man da diskutieren?

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  2. Ja, da fehlt Eine.
    Die ist dann diese Woche dabei.

    Anders geht’s einfach nicht, man macht sich mit den Erklärungen nur selber verrückt.

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  3. Darum haben wir bei uns eingeführt, dass jeweils 3 Dosetts im Kreislauf sind. Seit da funktioniert es bei uns besser und wir haben weniger Verwirrung der Kunden und weniger Diskussionen mit ebendenselben. :)

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    1. auf das bin ich in Härtefällen auch schon ausgewichen … ist einfach doof, weil das Dosett selber von der Kasse nur anteilsmässig bezahlt wird.

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  4. Oh je!
    Ich kann mich an ein ähnliches Gespräch während eines Sonntagsdienstes erinnern, an dem auch noch gut zu tun und ich alleine war.
    Eine ältere Dame kommt mit einer komplett aufgebrauchten (!) Packung Aciclovir 400, 35 Tabl. und erklärt mir, dass ihr eine Tablette fehlen würde.
    Ich frage also nach, wie sie darauf kommt und bekomme erklärt, dass die Tablette für Sonntagabend fehlen würde.
    Ich versuche ihr klar zu machen, dass bei einer Dosierung von 5 Tabl. tgl. 7 Tage lang 35 Tabletten exakt die richtige Menge sind.
    Sie bleibt hartnäckig bei ihrer Meinung. Der Arzt hätte ihr gesagt, sie müsse es 7 Tage lang einnehmen und sie hätte ja keine mehr für Sonntagabend.
    Ich versuche es anders und frage sie, wann sie denn mit der Einnahme angefangen hätte.
    Antwort: (Logo!) Sonntagabend vor einer Woche.
    Ich habe also nochmal mit ihr alles durchgerechnet.
    Dann werde ich angefaucht, dass sie Realschullehrerin gewesen wäre und deshalb wüsste, dass eine Tablette fehlen würde.
    Ich (gedacht): ‚wohl nicht für Mathe!‘ und habe daraufhin die ganze Sache abgekürzt und ihr gesagt, egal wie, ich brauche sowieso erst ein Rezept, denn ohne Rezept gibt es keine Aciclovir 400.
    Am Sonntagabend kam sie dann tatsächlich mit einem Rezept… wahrscheinlich hatte der Arzt auch aufgegeben, ihr die Sache zu erklären.
    Der absolute Clou war, dass ein paar Tage später meine Chefin einen Beschwerdebrief von ihr bekam, wo sie sich darüber beklagte, dass ich ihr die Aciclovir als Notfall nicht ohne Rezept gegeben hätte. Und natürlich betonte sie nochmal, dass die Realschullehrerin gewesen wäre.
    Oh Mann!

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  5. Wirklich krasse Geschichte! Ich bewundere die Geduld, die hier aufgebracht werden muss. Dienst am Kunden, bin ich froh, dass ich sowas nicht hab. Dazu wäre ich sowas von ungeeignet…

    Ich mag die Geschichten! Sie geben einen Einblick backstage und somit bekommt man mehr Verständnis für die Probleme der Angestellten/Verkäuferinnen/Beraterinnen.
    Danke dafür!

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  6. Um ehrlich zu sein: Ich hab das jetzt auch nicht verstanden. Was muß sie denn unten anfügen? Und wo unten an was anfügen?

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    1. Die Tages-Dosette sind in einer Halterung, das aktuelle ist zuoberst. Da nimmt man der Reihe nach (es hat ja in jedem Tages-Dosett 4 Fächer) zum entsprechenden Tages-Zeitpunkt.
      Ist die letzte Tablette des Tages genommen, schiebt man das leere Dosett zuunterst in die Halterung, so dass man am nächsten Morgen mit dem nächsten Tag weitermachen kann.
      Frau Grumpel nimmt offenbar morgens und abends Tabletten. Da sie Dienstag Mittag kommt, soll sie abends die Dienstagabend-Tablette einnehmen und danach das Dienstags-Dosett unten in die Halterung schieben. Am nächsten Dienstag Morgen hat sie dann noch die morgens-Tablette, danach ist das Dosett leer.
      So die Theorie… aber ehrlich: ich glaube nicht, dass sie das hinbekommt. Vermutlich nimmt sie am 1. Dienstag beide Tabletten, deshalb fehlt ihr dann am Dienstag danach eine.
      Ich bin heilfroh, dass meine Mutter es noch hinbekommt, sich jeden Nachmittag ihr Dosett für den Folgetag selber zu füllen.

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  7. Hach, Dosetten.

    Ich erinnere mich noch an einen Notfall-Samstag-Abend-Dienst. Eine ältere Dame wurde zu uns eingeliefert. „Ich habe alle Medikamente dabei“ erzählte sie stolz. Toll, mal ne einfache Aufnahme, dachten mein Assistenzarzt und ich, damals noch Studentin.

    Joah. Nein. Ich bekam ne Dosette in die Hand gedrückt und eine Migros-Tüte voller Schachteln. Eine Liste gebe es nicht „Das macht mir immer die Spitex. Aber sie haben ja die Tabletten, da steht ja alles drauf“.

    Der Chefarzt lachte sich kaputt, als ich im Büro sass und über 2 Meter Schachteln aufgereiht hatte und mit dem Compendium in der Hand versuchte heraus zu finden, was nun genau in den Dosetten drin war. Schliesslich waren da auch „nur alle 2 Tage“ oder 1x pro Woche Präparate dabei, halbierte, geviertelte und Generika. Und die Reserven. Und natürlich war NICHTS von der Apotheke her angeschrieben, schliesslich richtete die Spitex nach der Liste des Hausarztes, die aus unerklärlichen Gründen nicht in der Tüte dabei war. Und natürlich weder auftreibbar bei der Apotheke noch Hausarzt noch bei der Spitex selbst (oder durch die Angehörigen in der Wohnung).

    Gut sind Studenten unbezahlte Arbeitskräfte. Ich hatte 2 Stunden, um die Liste zusammenzubasteln. Hallelujah. Danach spendierte mir der Assistent nen Kaffe und der Chef ein Schoggistängeli :D

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    1. „Toll, mal ne einfache Aufnahme, dachten mein Assistenzarzt und ich, damals noch Studentin.“

      Typisch studentisch-naiver Fehlschluss. Es gibt keine einfachen Aufnahmen!

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  8. Und jetzt noch mal flink der Vergleich zu Deutschland: Wenn ich so etwas anbieten würde, würde ich da exakt NULL €uro für von der Kasse bekommen, denn das ist ja irgendwie zum Arzneimittel gehörig, und bei Arzneimitteln ist JEDE Dienstleistung in den 8,35€ abzüglich 1,77€ Kassenrabatt schon mitbezahlt. Also sowohl die Dienstleistungen, die 2004 schon existierten (als diese Vergütung berechnet und schon vor Einführung um über 2€ eingekürzt wurde); als auch die Dienstleistungen, die sich zwischendurch seitens der kranken Kassen ausgedacht und bei den Apotheken zwangseingeführt wurden (siehe Rabattverträge und Medikationsplan); und natürlich auch die DIenstleistungen, die sich nor gar niemand ausgedacht hat. Alles schon eingepreist.

    Übrigends, Pflegedienste bekommen für solche Arbeiten separat Geld seitens der kranken Kassen vergütet.

    Es geht sogar noch besser: Wenn ich für ein Heim verblisteren würde, müßte ich einen Belieferungsvertrag abschließen, in denen heutzutage meißt standardmäßig festgehalten ist, dass eine Verblisterung für den Einzelbewohner selbstverständlich (und) kostenlos erbracht wird durch die Apotheke. Das Heim rechnet dann die Position „Medikamente stellen“ separat als Pflegeleistung ab. Alles klar?

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  9. Habt ihr so Einweg Behälter wie man im KH kriegt für Bedarfsmedikation/Tropfen? Also nicht mit 4 Abteilungen für die Tageszeiten sondern so ein 2x2x3cm Becherchen. Die haben ja nen Deckel, ich würd ihr das fürn Abend des aktuellen Tages dort reinfüllen und die Dosette so hinstellen, dass der Mittwoch vorne is, befüllt ist dann bis Dienstag morgen/mittag.
    In der Hoffnung, dass sie das dann hinkriegt und versteht, erst am nächsten Tag mit der großen Dosette zu starten.

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  10. Diese Diskussion um die Dienstag- (oder Sonntag-)Abend-Tablette erinnert mich an die Frage (wer weiß es noch ?), wann eigentlich astronomisch korrekt das 21. Jahrhundert angefangen hat.
    Am 1. Januar 2001!
    Aber natürlich haben alle am 1. Januar 2000 gefeiert.
    Wenn jemand die Feier um ein Jahr verschoben haben sollte – bitte melden…
    Also etwas Nachsicht für die Patienten, die das mit der Woche nicht auf die Reihe kriegen

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        1. Jupps. Ich habe damals bei Schering gearbeitet. Wir alle hatten größte Sorge, dass am 03.01.2000 dei Zugangskarten nicht mehr funktionieren würden und wir deshalb alle bezahlten Zwangsurlaub bekommen würden… trat aber nicht ein. :)

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  11. Ich denke nicht, dass Du falsch erklärst. Würde es eher auf das Alter und die „Eigenheiten“ der Patientin schieben. Wenn ich so etwas lese hoffe ich immer, dass ich im Alter nicht so bin

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