Wie Schmerzmittel wirken

gewünscht von Yasha. Beantwortet von TED:

Übersetzung:

Jemand bekommt Sand in die Augen, aber woher weiss man das? Man fühlt – Schmerz, dann macht man etwas – zum Beispiel die Ursache des Schmerzes beseitigen – in dem Fall: den Sand aus den Augen spülen.

Schmerz ist sinnvoll – es gibt Leute, die spüren keinen Schmerz und das ist schlecht, denn diese können sich verletzen und merken es nicht. Schmerz ist das Alarmsignal, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Wir haben spezielle Schmerz-detektoren im Körper – das sind spezifische Nerven genannt Nociceptoren. Die sind in der Haut, Muskeln, in einigen Organen, in den Zähnen. Wie alle Nervenzellen übermitteln sie elektrische Signale – in dem Fall von den Schmerzrezeptoren zum Hirn.

Wie bei anderen Nervenzellen, „feuern“ sie nur, wenn etwas Schaden verursacht (oder Schaden verursachen kann).

Wenn man eine Nadel vorsichtig an der Spitze berührt, dann fühlt man die Nadel – das wird durch normale Nervenzellen übertragen. Je mehr man aber auf die Nadel drückt, desto näher kommt man an die Auslösungsgrenze der Nozizeptoren. Wenn man fest genug draufdrückt und diese Grenze überschreitet, „feuern“ die Nozizeptoren Signale ab. Es schmerzt. Meist genug, damit man damit aufhört das zu tun, was das verursacht.

Aber diese Schmerzgrenze ist nicht fest. Manche Chemikalien können sie verändern.

Werden Zellen beschädigt, schütten sie Substanzen aus, die die Schmerzgrenze der Nozizeptoren erniedrigen. So können dort auch leichtere Berührungen schon Schmerzen verursachen.

Und hier kommen wir zu den Schmerzmitteln.

Aspirin und Ibuprofen blockieren die Herstellung einer Klasse dieser Schmerz-schwelle-erniedrigenden Substanzen: Prostaglandine.

Wenn Zellen beschädigt werden, geben sie Arachidon-säure frei. 2 Enzyme: COX1 und COX2 wandeln diese in Prostaglandin um. Das Prostaglandin wird dann weiter umgewandelt in andere Chemikalien, die noch weitere Effekte haben. Inklusive die Körpertemperatur zu erhöhen, Entzündung zu verursachen und die Schmezgrenze zu erniedrigen.

Alle Enzyme haben eine Aktive Stelle, das ist der Ort, wo Reaktionen stattfinden. Bei COX1 und COX2 passt diese perfekt zur Arachidonsäure. An dieser Aktiven Stelle wirken Aspirin und Ibuprofen.

Aspirin wirkt wie ein Stachel von einem Igel. Es bindet fest an die aktive Stelle und bricht ab – dadurch blockiert es die Bindung von Arachidonsäure. Und die Enzyme werden teilweise deaktiviert.

Ibuprofen bindet auch an diese aktive Stelle, aber nicht dauerhaft. Während es aber gebunden ist wirkt es gleich wie Aspirin als Blockade für Arachidonsäure.

Woher wissen das Aspirin und das Ibuprofen wo der Schmerz ist? – Sie wissen es nicht. Wenn die Medikamente im Körper sind, verteilen sie sich im ganzen Körper und wirken überall.

Aber es gibt noch andere Arten von Schmerz. Neuropathischer Schmerz zum Beispiel. Der entsteht bei Schaden am Nervensystem selber. Dazu braucht es auch nicht unbedingt einen äusserlichen Stimulus.

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Gehirn bestimmt, wie wir auf Schmerzreize reagieren. Wieviel Schmerz wir empfinden kann zum Beispiel davon abhängen, wieviel Aufmerksamkeit wir ihm schenken oder sogar von unserer Stimmung. Da wird immer noch aktiv geforscht, in der Hoffnung, dass wir, wenn wir das besser verstehen auch besser auf Schmerzen ragieren können-

22 Kommentare zu „Wie Schmerzmittel wirken

  1. Danke, das war spannend!

    Gibt`s auch noch Aufklärung, warum man dieses Schmerzmittel eher gegen Kopfschmerz und jenes eher gegen Rückenschmerzen empfohlen bekommt? Das habe ich schon bisher nicht so richtig verstanden. Nach der obigen Erklärung verstehe ich es noch weniger, denn zumindest bei Aspirin und Ibu dürfte es ja demzufolge egal sein, gegen welche Art von Schmerz man es nimmt (mal von der Stärke abgesehen).

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    1. Hmm, eben nicht. Gegen Eingeweideschmerzen sind Ibu und Aspirin nicht wirklich wirksam. Da gibt es Buscopan, zum Beispiel.

      Die Eingeweide werden über den 10. Hirnnerv mit Nervensträngen versorgt, aber nicht wie die Haut, Knochen und Muskeln übers Rückenmark. Deshalb dürften die Eingeweide über andere Schmerzrezeptoren verfügen als der Rest des Körpers.

      Eigentlich könnte Pharmama das Ganze gleich erweitern, aber sie ist ja gerade mit Rezeptfälschungen beschäftigt. :)

      – Opioid-Analgetika wie Tramadol, Morphin, Fentanyl, welche die Blut-Hirn-Schranke überwinden und an den Opioid-Rezeptoren im Hirn wirken. (Die Opioid-Rezeptoren des restlichen Körpers werden auch von Loperamid, dem bekannten Durchfallmittel, angesprochen. Bei Erwachsenen überwindet es die Blut-Gehirn-Schranke kaum, ansonsten… juhu.)

      – Steroide wie Kortison: Helfen aber nur bei Schmerzen durch Entzündungen. Sie hemmen die Entzündung und dadurch den Schmerz.

      Es gibt noch ganz besondere Schmerzmittel, wie zum Beispiel das Ziconotid (Handelsname Prialt), das dem Gift der Kegelschnecke entspricht, 1000 mal stärker als Morphin wirkt, weder eine Toleranz noch Abhängigkeit erzeugt… aber mittels einer Pumpe direkt in den Rückenmarkskanal verabreicht werden muss, weil das Molekül die Blut-Hirn-Schranke nicht überwindet.

      Das war jetzt ein langer Satz und somit wische ich mir den Schweiss von der Stirn.

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      1. Danke!
        Eigentlich dürfte aber dann Ibu auch nicht gegen Halsschmerzen oder? Tut es aber zum Glück. Placebo-Effekt? Oder gehören die Schleimhäute zur Haut?

        Und wenn ich jetzt eine systematik aufmachen wollte, hätte ich also 1. Steroide, 2. Opioid-Analgetika, 3. Buscopan und verwandte Substanzen und 4. Aspirin und verwandte Substanzen sowie 5. exotische Schmerzmittel anderer Art.

        Wo gehört dann Diclo hin?

        Sorry, dass ich so viel frage, aber ich sehe gerade Land, dass ich das Thema tatsächlich mal annähernd durchschaue :)

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      2. Wobei Buscopan nicht ein Schmerzmittel wie Ibuprofen ist, sondern etwas, das die (glatte) Muskulatur entspannt, also bei Krämpfen in den Eingeweiden wirkt. Bei Kopfschmerzen nützt das gar nix.

        Aber die meisten Aussagen betreffend für Rückenschmerzen / Kopfschmerzen / Periodenschmerzen … sind reine Werbegags.
        Es gibt Unterschiede in den Schmerzmitteln:
        Paracetamol ist am besten Magenverträglich und geht auch bei Kindern / Schwangeren – ist aber nicht so stark und nicht entzündungshemmend.
        Aspirin ist ausser entzündungshemmend auch blutverdünnend – wo man also gut aufpassen muss, wenn man Blutverdünner nehmen muss – oder auch vor Operationen (auch bei den Zähnen).
        Ibuprofen ist stärker, auch entzündungshemmend, weniger Blutverdünnend.
        etc.
        … Man sollte auch bedenken, dass es Unterschiede gibt zwischen Individuen, so dass das eine Schmerzmittel beim einen gut wirkt und beim anderen nicht so … vor allem am Anfang ist es darum zum Beispiel nicht schlecht, wenn man verschiedenes versucht, um das zu finden, was gut ist bei einem.
        Bei mir zum Beispiel wirkt Aspirin … aber irgendwie bekomme ich immer Herzklopfen, wenn ich das nehme. Lieber ist mir da Ibuprofen.

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        1. Ich meide ja AcetylSalicylSäure (= Aspirin), weil ich immer Nasenbluten von bekomme. Aber da ich sonst selten Probleme mit der Nase habe, will ich mir die fragliche Ader einfach nicht veröden lassen… ;-)

          Und um alle nun komplett zu verwirren, haue ich mal noch „Gabapentin“ und „Pregabalin“ in die Runde. *grins*. Das sind Wirkstoffe, die ursprünglich zur Verhinderung epileptischer Anfälle gedacht waren, aber auch bei neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden.

          Dazu nehmen wir noch bei Migräneattacken die Wirkstoffklasse der Triptane – die aber bei „normalen“ Schmerzen und Kopfschmerzen nicht einzusetzen sind.

          Und zu erwähnen blieben noch Schmerzen, die mit Schmerzmitteln einfach nicht zu unterdrücken sind. Tumorschmerzen sind da ein klassischer Fall. Oder eine richtig nette fortgeschrittene Zahnwurzelentzündung. Hier können – im begrenzten Maße – Lokalanästhetika helfen, die aber auch so ihre Vor- und Nachteile haben. (Achtung – Eigenerfahrung. Es war die schöööönste Spritze meine Lebens bisher….)

          So, liebe Pharmama, haben wir alle zusammen noch etwas vergessen?

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          1. Und was ist mit Naproxen? Das macht bei Periodenschmerzen warmwattigweich im Bauch und bei Migräne warmwattigweich im Kopf. Arbeiten geht halbwegs(statt GAR NICH), Auto fahr ich aber lieber nicht dann, auch wenn da nix zu steht in der Packungsbeilage. Vielleicht ist es auch nur das Glücksgefühl durch die nachlassenden Schmerzen…

            Ist doch auch ein NSAR, aber ASS macht mir Würfelhusten und wirkt ebensowenig wie Ibu, das mir für zwei drei Tage alle Eingeweide durchkaut. Naproxen macht außer warmwattigweich im entsprechenden Gebiet und Schmerzfreiheit gar nix.

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          2. Naproxen gheört – richtig – zu den NSAR. Naproxen zeichnet sich durch eine hohe Plasmahalbwertszeit aus, will meinen eine Tablette wirkt sehr lange. Naproxen hemmt die Bildung der Prostaglandine nicht nur über die COX, sondern auch über „hormonsensitive Lipase“, bringt also noch einen alternativen Wirkweg mit. Aber Naproxen hat ebenso wie alle anderen NSAR eien umfangreiche Nebenwirkungsliste, die ähnlich der anderen NSAR liegt: Leber- u. Nierenfunktionsstörungen, Magen- und Darmgeschwüre, Übelkeit, Erbrechen, Magengeschwüre usw.
            Naproxen sollte nie länger als 10 Tage am Stück eingenommen werden. (Das sollten andere NSAR ohne ärztliche Rücksprache auch nicht, aber bei Naproxen liegt das Nebenwirkungssprektum so breit, dass ich mich an eine Backungsbeilagen-Änderung deswegen erinnere.)

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        2. Ich bin für die drei halben Schmerztabletten, die ich pro Jahr brauche, inzwischen auch bei Ibuprofen gelandet. Wobei bei meinem Verbrauch andererseits Aspirin ganz praktisch wäre, weil man das nach Auskunft einer Apothekerin am Ort so lange über Verfall nehmen kann, bis es nach Essig riecht… und ich habe noch nie eine Packung Schmerzmittel vor Verfall aufgebraucht.

          Vielen Dank nochmal für die Zusammenfassung und die vielen Infos.

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          1. Also wenn ASS nach Esig riecht, ist die AcetylSalicylsaure zu Essig und Salicylsäure zerfallen… und die Salicylsäure geht extrem auf den Magen.
            ASS-Tabletten, die nach Essig riechen, dringend entsorgen. Wirklich.

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  2. „Woher wissen das Aspirin und das Ibuprofen wo der Schmerz ist? – Sie wissen es nicht. Wenn die Medikamente im Körper sind, verteilen sie sich im ganzen Körper und wirken überall.“

    Genau, allerdings sammeln sich ASS und Ibu bevorzugt in Geweben mit Entzündungsgeschehen. Das ist fast schon ‚gezielt‘. :-)

    @Gedankenknick:
    Ich hab mal ASS-Tabletten untersuchen dürfen, die deutlich nach Essig gemüffelt haben. Entsprachen trotzdem noch den Herstellervorgaben.
    Die Chargen hatten auch extremes Klima hinter sich, normal kommst du innerhalb der doppelten Laufzeit nicht aus den Specs (ist ja der Sinn der Sache).

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  3. Mir fehlt noch Novalgin – da ich NSAR auf gar keinen Fall nehmen darf…
    Wo setzt das an?

    Und Tramadol ist ein Opiod, oder? Und damit wieder magenverträglicher?

    Danke!

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    1. Ja, Tramadol ist ein Opioid. Übelkeit und Erbrechen sind mit 10-15% Häufigkeit nicht selten, aber es gibt kaum Magenbeschwerden. Auch bei Morphintropfen gibt es kaum Magenprobleme, aber auch wieder Übelkeit und Erbrechen.

      Der Wirkmechanismus von Novalgin/Metamizol ist aber noch ungeklärt…

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  4. Jetzt wo ich den ganzen Thread gelesen habe…

    Muss auch mal Naproxen ausprobieren. Für die Sehnenentzündungen, die es nach dem Sport immer mal gibt. Hat jemand einen Restposten? ;)

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    1. Dolormin GS ist genau wie Dolormin für Weibsvolk, nur ohne Azofarbstoff. Hatte ich schonmal erwähnt/gefragt und wollte nur noch mal drauf hinweisen. Zu den oben erwähnten bösen Nebenwirkungen. Die hab ich bei anderen NSAR ja in schöner Regelmäßigkeit gehabt. Also die, die ich sofort gemerkt hab wie halt Magenschmerzen und Dünnpfiff und so. Aber son Leberschaden passiert ja doch eher langsam.

      Ich nehme ja jeden Monat wegen Regelschmerzen den Kram und zwei bis vier Mal im Jahr wegen Migräne. Ich muss ja wohl noch ne ganze Weile mit dem Sch… leben. Ist Naproxen so böse, dass ich lieber einen Großteil der Schmerzen aushalten sollte(bisher hat ja nix anderes nennenswert geholfen) und aus Verzweiflung um irgendwas zu tun ne knappe Woche Höchstdosis Para, Ibu, Aspirin und Co futtern und mich mit schöner Regelmäßigkeit krank schreiben lassen. Oder lieber zwischen einer einzigen bis maximal vier Naproxen in anderthalb Tagen? Ich meine diese Frage nicht sarkastisch oder so sondern wirklich ernst. In der Apotheke denk ich immer nicht dran zu fragen und mein Arzt ist auch unsicher. Ich hab eh schon n bisschen Nierenprobleme und meine Leber hasst mich für meinen früher sehr hohen Apfelsaftkonsum.

      Würde ich mich mit der Frage in einer Schmerzsprechstunde total lächerlich machen? Ich hab ja nur ne Handvoll Tage im Jahr Schmerzen und das ist doch eher für Tumorpatienten und sowas gedacht, oder? Ich bin echt verunsichert gerade :/

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