Dieses Jahr hat die FDA (die amerikanische Gesundheitsbehörde) schon die Zweite verschreibungspflichtige Diätpille zugelassen. Im Normalfall dauert es nicht lange, dann kommen die auch nach Europa.
Die beiden sind: Belviq™ (Lorcaserin) und Qsymia™ (Phentermin und Topiramat). Beides Appetitzügler, eines ein Serotoninagonist und das andere ein Amphetamin, letzteres auch noch kombiniert mit einem Wirkstoff, der als Antiepileptikum verwendet wird.
Ich bin davon alles andere als begeistert. Auch die werden wohl den gleichen Weg gehen wie all die anderen Abnehm-Mittel, die wegen unakzeptabler Nebenwirkungen und Mortalitätsraten wieder vom Markt verschwunden sind.
Es wundert mich nicht, dass sie auf den Makt kommen – immerhin haben wir – und noch mehr die Amerikaner ein Problem mit Übergewicht und den gesundheitlichen Folgen davon.
Das kombiniert mit unserer „Ich will das jetzt“ Mentalität – einer Gesellschaft, die dafür oft willig Pillen, Shakes und Mischungen schluckt, ohne sich darum zu kümmern, wie es um die Sicherheit des Produktes steht (das kann man an den tonneweise Bestellungen im Internet genau dieser Produkte sehen) oder das Gewicht langfristig durch Ernährungsumstellung abzubauen – wird auch diese Pillen zumindest Zeitweise zu einem Erfolgsprodukt werden lassen. Zumindest für die Vertriebsfirmen.
Die OTC Mittel, die es früher mal gab – wie z.Bsp. Adipex™ (Phentermin) waren Amphetamine – die wirken praktisch wie hohe Dosen Coffein: machen nervös (dann essen die meisten Leute nicht mehr so viel) und erhöhen den Blutdruck … und das bei jemandem der von der Konstitution her wahrscheinlich schon einen hohen Blutdruck hat. Dann braucht es wenig mehr – zum Beidpiel andere, ähnliche Medikamente oder Drogen oder auch nur viel Kaffee .. … die Leute landeten dann tatsächlich im Notfall … oder schlimmeren.
Das ist der Grund, warum sie nicht mehr frei verkäuflich sind.
Die letzten Produkte auf dem Markt wurden gut verkauft, auch wenn sie (jetzt) rezeptpflichtig waren und oft nicht von den Krankenkassen übernommen.
Reductil™ zum Beispiel (Sibutramin) – bis es wegen aufgetretenen Herzproblemen … und damit verbunden Neubewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnissen (das schlecht aussah) 2010 vom Markt gezogen wurde.
Oder Acomplia™ (Rimonabant) dessen Marktzulassung 2008 sistiert wurde. Das ist zwar für einmal ein anderer Ansatz, es ist ein Cannabinoid-Rezeptorantagonist, kein Amphetamin. Aber eine Reevaluation der bereits bekannten psychiatrischen Risiken (Depressionen und vermehrt Selbstmorde) liess auch hier das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig aussehen.
Nun dann, jetzt also Serotoninagonisten, Amphetamine und Antiepileptika. Zum Abnehmen.
Seufz.
Nochmal: die Wunderpille gibt es nicht.
Wie ist es mit Orlistat?
Ich fand es irgendwie… vergnüglich zu lesen, dass der ölige Stuhlgang eigentlich keine Nebenwirkung sei, sondern dem Patienten einen Anreiz gibt, auf fetthaltige Speisen zu verzichten…
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Natürlich gibt es keine Wundermittel. Ich nehme zugunsten der Pillenschlucker aber an, dass es einen erheblichen Leidensdruck gibt, wenn es um das eigene Gewicht geht. Viele etwas fülligere Menschen werden – und das durchaus nicht unbegründet – sagen, sie hätten schon alles versucht.
Es hat sich zwar inzwischen etwas besser herumgesprochen, dass Diäten aus diversen Zeitschriften wenig hilfreich sind, ich bezweifle trotzdem, dass diese Information schon alle Betroffenen erreicht hat. Immerhin liegen „Informationen“ zu aktuellen Lifestyle-Diäten in vielen Wartezimmern beim Arzt…
Nun, für die Diätwundermittelchen muss ein Betroffener inzwischen tatsächlich ein Rezept bekommen. Werden die Mediziner ihrer Verantwortung gerecht? Ich glaube, dass es bessere Chancen (auch für die Prävention) gibt, wenn man beim Arzt ansetzt.
Ich könnte hier jetzt noch weiter ausholen und über mangelnden Fitnesszustand palavern, das spare ich mir. Statt Diät wäre imo den meisten Betroffenen mit 1-2 längeren Spaziergängen am Tag schon geholfen.
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„Statt Diät wäre imo den meisten Betroffenen mit 1-2 längeren Spaziergängen am Tag schon geholfen.“
Und sich weniger oft zu stressen und mal richtig den faulen Pelz zu tragen anstelle die Alltagskleidung.
Wenn man gedankenlos etwas in sich hineinstopft, dann oft, um sich auf eine leicht falsche Weise zu lieben und zu „beruhigen“…
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Warum soll es eigentlich nicht irgendwann ein Mittel geben, das Körperfett abbaut? Die Pharmakologie bringt noch ganz andere Effekte zustande. Von daher ist es durchaus realistisch, dass manche auf ein solches Mittel hoffen.
Und die, bei denen nur ein längerer Spaziergang am Tag zum Idealgewicht fehlt sind sicher nicht die Hauptabnehmer dieser Pillen.
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Die OTC Mittel, die es früher mal gab – wie z.Bsp. Adipex™ (Phentermin) waren Amphetamine – die wirken praktisch wie hohe Dosen Coffein: machen nervös (dann essen die meisten Leute nicht mehr so viel)
Bitte?? Ich bin zwar kein Experte, aber der Wirkmechanismus von Amphetaminen ist doch wohl ein anderer! Ich hoffe mal, das hast du nur so geschrieben um deine Leserschaft nicht zu ueberfordern? Trotzdem ist es irgendwie Mumpitz.
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Amphetamine und Koffein halten den Adrenalinspiegel hoch. Und ein hoher Adrenalinspiegel nützt bei allem, was zum akuten „Überleben“ notwendig ist (flüchten und kämpfen), während unnütze Dinge wie Appetit und die Verdauung hingegen blockiert werden.
Es stimuliert das sympathische Nervensystem, einfach erklärt. Das parasympathische Nervensystem ist dann aktiv, wenn du dich erholst, verdaust, schläfst…
Ich bin gerade ein wenig müde ;) und bin nicht sicher ob ich richtig gelesen habe, aber sowohl Koffein wie Amphetamin wirken auf das Norepinephrin im ZNS. Ich glaube gut und gerne, dass Koffein in hohen Dosen (http://www.leshop.ch/images/ProductsBig/91777.JPG zeigt hingegen eine eher flache Dose) gleich wirkt wie Amphetamin…
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„Qsymia“
Wer denkt sich denn solche Namen aus? Da braucht der Beipackzettel einen neuen Abschnitt „Wie spreche ich den Handelsnamen aus“.
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Wenn ich aufgedreht bin, esse ich mehr Schokolade. Also für mich kommen wohl solche Medikamente nicht in Frage. eine Sorge weniger.
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Ich finde, die Firmen könnten sich ruhig mal kreativer anstellen. Schon wieder ein Amphetamin-Derivat? Macht doch wie die anderen Mittel zuvor sicher nur nervös, aggressiv und nach spätestens 6 Wochen hat es nichtmal mehr den gewünschten Effekt.
Interessanter ist sicherlich der Off-Label Gebrauch von Diabetesmedikamenten.
Zum Bleistift die Inkretine, mit denen selbst bei Diabetikern gern mal 10-15 Kilogramm von den Hüften purzeln oder der neue Na+/Gluc-Transporter-Hemmstoff, mit dem man 200-300 kcal pro Tag einfach wieder ‚auspisst‘.
(Das ist ein Cheeseburger am Tag! Oder 2 Bier.)
Ich bin beim Abnehmen generell dafür, alle (auch kostspieligen) Maßnahmen frühzeitig auszuschöpfen. Sportliche Betreuung, Ernährungsberatung, Medikamente, OPs… Wenn man vergleicht, was ein Diabetiker an Folgekosten nach sich zieht – Schnäppchen.
Und für die 200kg-Kampfkolosse ist es sicherlich spätestens dann nicht mehr witzig, wenn sie gebrechlich und/oder dement im Altenheim liegen und der Dekubitus fröhlich grinst, weil das Wenden und Fettlappensäubern bei solchem Gewicht für die Pfleger immer unzumutbarer wird.
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Amphetaminderivat? Wie sieht es mit dem Abhängigkeits- und Missbrauchspotential aus bei solchen Mitteln?
Das gute alte MDMA wurde ja auch ursprünglich als Appetitzügler entwickelt. Die Strukturformel von Phentermin unterscheidet sich ja jetzt wirklich nur mehr minimal vom klassischen Speed. Und wie mir aus der Szene kolportiert wurde, hat es doch auch vielseitige Gründe, warum die Nächte durchtanzenden Liebhaberinnen elektronischer Musik oft eher nahe am gängigen körperlichen Schönheitsideal sind.
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Na, mir (als von Übergewicht, Depressionen, Essstörung, Diabetes -Typ 1… Betroffener) scheint, dass diese Chemie wirklich noch mehr Leute auf die Matte bringen wird.Dummerweise nutzen Kenntnisse wenig. Ich könnte mehrere abendfüllende Vorträge zu gesunder Ernährung halten, ohne mich zu wiederholen und auch durchaus korrekte Informationen damit unters Volk bringen- aber das ändert absolut nichts am eigenen Verhalten, wenn man versucht ist, fehlende Wärme im Leben mit isolierendem Körperfett zu ersetzen. Und zur Schokolade „Ich fress dich auf“ zu sagen, ist manchmal mehr, als man den ganzen Tag gesprochen hat- da ist einfach sehr schnell ein Kreislauf des Übels entstanden, aus dem noch der magische Ausweg fehlt.
Magersucht, Bulimie und Binge-Eating haben übrigens mehr gemein, als man den Patienten jeweils ansieht. Und aus allen dreien ist der Ausstieg wirklich, wirklich schwer.
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Wenn das mal kein Plädoyer für andere Ansätze ist: Ist die fehlende Wärme nicht Symptom, sondern Ursache – dann muss hier, besser eher als bei Erreichen der 200-Kilo-Klasse, angegriffen werden.
Eine Rezeptpflicht der „Abnehm“-Medikamente hat immerhin den Vorteil, ein Gespräch mit einem Mediziner zu erzwingen. Wenn der Einfluss nehmen kann, statt täglicher Pille zu Therapie, Selbsthilfegruppe, …. zu kommen, ist dem Patienten vermutlich oft besser geholfen. Sicher haben das etliche Menschen mit Essstörungen gemein mit Alkoholikern und Extrem-viel-Rauchern.
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