Vor allen Leuten!

Die Kundin, die von uns täglich eine bestimmte Menge eines (abhängig machenden) Medikaments bezieht ruft am Samstag an, kurz nachdem sie die Dosis für das Wochenende abgeholt hat.

Die Apothekerin nimmt das Gespräch hinten im Büro entgegen.

Die Kundin fragt nach mehr Tabletten, weil sie … (such dir eins aus):

  • a) ein paar Tage weggeht und es am Montag nicht mehr reicht, sie dann zu holen.
  • b) sie die Tabletten verloren hat.
  • c) ihr die Tabletten gestohlen wurden.
  • d) sie in einer seelischen Notsituation ist und mehr von den Tabletten braucht.
  • e) sie einer Kollegin ein paar Tabletten ausleihen musste.

Wir haben aber eine klare Abmachung. Und das sagt die Apothekerin ihr auch: „Sie bekommen genau die vorgeschriebene Menge Tabletten. Alle Ausnahmen sonst müssen via ihren Arzt laufen.“

Kundin: „Aber der ist in den Ferien!“

Apothekerin: „Nun, auch für den Fall haben wir eine Abmachung: dann müssen sie mit der Psychiatrischen Klinik XY Kontakt aufnehmen.“

… die Kundin ist alles andere als erfreut und hängt auf.

Kurz darauf ruft die Kundin wieder an und beklagt sich bitterlich bei der Drogisten-kollegin, die im übrigen von dem Ganzen nichts mitbekommen hat, dass „die Apothekerin mir vor allen Leuten gesagt hat, ich müsse in die Psychiatrische Klinik!“

Drogistin, erstaunt: „Äh was, wann? Vor allen Leuten? Ich war die Ganze Zeit im Verkaufsraum und ich habe gar nichts mitbekommen. War das, als sie ihre Tabletten abgeholt haben?“

Am Montag hat sie sich soweit wieder beruhigt, dass sie sich sogar entschuldigt für ihren Ausfall …. „Süchtig zu sein ist Sch…“

4 Kommentare zu „Vor allen Leuten!

  1. Richtig bescheiden ist ja, dass sie nichtmal versuchen kann, davon loszukommen weil sie das Medikament offenbar braucht. Sie hat echt mein vollstes Mitleid.

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    1. Es ist in dem Fall nicht ein zwingend lebensnotwendiges Medikament. Ein Abbauen und dann aufhören wäre also möglich. Aber dafür braucht es doch noch mehr, als Einsicht – auch wenn das ein (erster) Schritt ist.

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  2. Speziell: Dürfte man ihr, wenn sie anruft und mehr möchte, Placebos geben? (also rechtlich; nicht moralisch)

    Allgemein: Gibt es Untersuchungen zu folgender Frage:

    Können (nicht dürfen) Placebos eingesetzt werden um A) Süchtige zu entwöhnen oder B) Entzugserscheinungen (B1 körperliche oder B2 psychische) zu mildern?

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