Generika und Rabattverträge

Ein Leser des Blogs schickt mir den Link zur Dokumentation eines Vortrags der DPhG (Deutsche Pharm. Gesellschaft) in dem es um das Thema Generika und ihre Anwendung geht. Vor allem auf das Problem des Austauschs zwischen verschiedenen Generika wird eingegangen:

http://www.uni-duesseldorf.de/kojda-pharmalehrbuch/fortbildungkoeln/Aut_Idem_DPHG_Muenster_Oktober_2010_Kojda.pdf

Darin zeigt Prof. Kojda (Inst. f. Pharmakologie und Klinische Pharmakologie, Uni Düsseldorf), dass zwar bei den Generika nachgewiesen ist, dass diese zwar bioäquivalent zum Originalpräparat sind (-20% – Orginialpräparat – +25%)
– wenn man aber 2 Generika hat, die sich jeweils links und rechts der Abweichgrenzen zum Originalpräparat befinden, hat man definitiv 2 Generika mit dem gleichen Wirkstoff, die nicht bioäquivalent sind. Da diese Bioäquivalenzdaten normalerweise nicht veröffentlicht werden, hat er dies am Beispiel Verapamil klar gestellt, zu denen es Untersuchungen von Mutschler et. al gibt.

Fallbeispiel:

Frau G.S., 78 Jahre, betritt die Offizin. Sie kennen die nette alte Dame schon eine Weile. Etwas zögerlich beginnt sie: „Es tut mir leid, aber ich glaube mit meinen Tabletten stimmt etwas nicht. Ich bin immer so müde, habe Kopfschmerzen und manchmal ist mir schwindelig, besonders beim Aufstehen. Haben Sie sich vielleicht mit den Tabletten von vor ein paar Tagen vertan?“

Sie schauen in der Kundenkartei nach und sehen, dass sie ein verordnetes Generikum (Verapamil 80mg Filmtabletten) gegen ein Rabatt-Generikum ausgetauscht haben. Es sieht alles in Ordnung aus.

Nochmal: Das Problem hier liegt im Austausch der Generika. Weil die Generika bestimmte Unterschiede in der Bioverfügbarkeit gegen das Original haben dürfen, können sie untereinander noch grössere haben – und dann sind sie nicht mehr so einfach austauschbar. Wenn die Frau bei Generikum A eine bestimmte Plasmakonzentration hatte – und bei Generikum B eine um 30% höhere, dann ist zu erwarten, dass auch die Wirkung (und die Nebenwirkungen) stärker sein werden. Und dann macht das Blutdruckmedikament einen übermässigen Blutdruckabfall, Schwindel, Empfindungsstörungen etc.

Das heisst hier, dass die Frau entweder zu ihrem alten Medikament zurück sollte, oder aber sie muss auf das neue auch neu eingestellt werden (und eine niedrigere Dosis bekommen).

Die Rabattverträge (und der damit verbundene Wechsel der Generika) betreffen vor allen Dingen ältere multimorbide Menschen und sind gerade für diesen Personenkreis äußerst kritisch, da hier Interaktionen vorhanden sein dürften.

In dem Vortrag sind auch ein paar Folien, die zeigen, was Ärzte, Apotheker und die Krankenkassen tun können, um Patienten vor den möglicherweise negativen Folgen der Rabattverträge zu schützen.

Anscheinend hat auch in Deutschland jeder Apotheker das Recht, aufgrund „pharmazeutischer Bedenken“ das Originalgenerikum herauszugeben und den Rabattvertrag zu verweigern, dies wird aber aufgrund der Angst vor Retaxationen nicht (oder nur selten) getan. Auf jeden Fall ist auf Reaktionen wie die im Fall oben genannte zu achten und mit dem verhandelnden Arzt zu diskutieren.

Wer mehr über Generika lesen möchte kann das in auch in meinen bisherigen Artikeln dazu.

5 Kommentare zu „Generika und Rabattverträge

  1. „Anscheinend hat auch in Deutschland jeder Apotheker das Recht, aufgrund “pharmazeutischer Bedenken” das Originalgenerikum herauszugeben und den Rabattvertrag zu verweigern, dies wird aber aufgrund der Angst vor Retaxationen nicht (oder nur selten) getan. Auf jeden Fall ist auf Reaktionen wie die im Fall oben genannte zu achten und mit dem verhandelnden Arzt zu diskutieren.“

    Nicht nur anscheinend, sonder SO ist es! Man muss halt immer eine Begründung mit aufs Rezept schreiben, warum man pharmazeutische Bedenken geltend macht.

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  2. Ich bekomme auch ausschließlich Generika meiner Medikamente. Bisher allerdings immer identische. Ob das jetzt Zufall ist oder der Aufmerksamkeit meiner Apotheke zu verdanken kann ich leider nicht sagen ;)

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  3. Ich nehme ein Medikament, von dem ich normalerweise 4 Tropfen brauche. 3 Tropfen sind zu wenig, 5 zuviel.*

    Wenn ich überlege, dass diese 80%-125% Bandbreite obigen unwirksam-überwirksam-Bereich abdeckt: Lecker.

    * das sind empfohlene Mengen – ich weiß auch nicht was sich die Autoren der NRF gedacht haben

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  4. Ich finde das unmöglich, jetzt muss man beim Arzt *betteln* das man ja auch sein Medikament bekommt!

    LG TB

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  5. Hiho,

    meine Freundin ist Epileptikerin, auf ein Lamotrigin -Generika eingestellt. In Deutschland ist es so, dass das Lamotrigin von Hersteller A bei Kasse Z zuzahlungsfrei ist, von Hersteller B nicht.

    Sie ist eingestellt auf Lamotrigin von Hersteller B, nur bedeutet eine Neueinstellung in diesem Fall, dass ein Krankenhausaufenthalt fällig wäre… Epileptiker können nicht einfach so mal das Medikament wechseln, das ist ein langwieriger Prozess über Monate. Die Abweichung in der Bioequivalenz von 80 bis 125% für ein Generikum ist für einen Epileptiker, der auf das Milligramm eingestellt ist, definitiv zu viel.

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