Angeschmiert. Eine Betrugswarnung für schweizer Apotheken.

An einem Samstag (logischerweise) kommt eine Kundin in die Apotheke und sagt, sie brauche dringend ihr Insulin. Es sei ihr ausgegangen, ihr Arzt hat zu, sie braucht es aber dringend.
Problem: sie ist keine Kundin von uns und hatte noch nie ein Rezept hier. Sie hat ihr Portemonnaie zu Hause vergessen und hat weder Versicherungskarte noch Ausweis dabei. Sie kann es darum auch nicht zahlen …

Meine Kollegin hat ihr dann nach Diskussion trotzdem das Insulin gegeben – schliesslich ist es ein lebenswichtiges Medikament – und festgehalten, was sie an Information bekam.
Die Kundin versprach, sobald möglich ein Rezept vom Arzt vorbeizubringen.

Das war vor etwas über einem Monat. Seither wurde nichts mehr von ihr gehört.
Die Pharmaassistentin versucht nun selbst ein Rezept aufzutreiben.
Und jetzt kommt das Beste: Die Kundin ist beim Arzt nicht bekannt. Unter der angegebenen Natelnummer nimmt jemand ab, der nicht einmal Deutsch kann (Türkisch irgendwer?), die Adresse ist falsch, bei der Krankenkasse kennt man niemanden mit dem Namen.
Lauter Sackgassen.
Das Geld (im 3-stelligen Bereich) können wir abschreiben.

Was macht man in so einem Extremfall? Für das nächste Mal habe ich Anweisung rausgegeben, dass die Person sich mindestens korrekt ausweisen müssen kann – ansonsten muss sie in den Notfall gehen.

Was ich daran speziell traurig finde ist, dass das Verhalten dieser Betrügerin es der nächsten, ehrlichen Person in ähnlicher Situation praktisch unmöglich machen wird, das benötigte Medikament ohne Umwege zu bekommen.

33 Kommentare zu „Angeschmiert. Eine Betrugswarnung für schweizer Apotheken.

    1. Gar nicht – ausser man hat etwas sehr sinistres vor. Missbrauchen tut sie es nicht, denke ich, aber Apotheken ums Geld bringen, also betrügen.

      Like

      1. Wozu _könnte_ man es denn missbrauchen? Bei nem gesunden regelt der Körper doch den Blutzucker selbst und ich finde Unterzucker nicht gerade lustig….

        Like

        1. Insulin wird gerne von Bodybuildern im Rahmen des Dopings genommen. Vor dem Training wird Insulin gespritzt und dann Kohlenhydrate gefressen, um den Unterzucker auszugleichen.

          Eben so eine Art „Overload“, weil sich die Doper davon erhoffen, dass mit Hilfe der jetzt hoffentlich kurzfristig verfügbaren Kohlenhydrate sich die Muskeln besser aufbauen lassen.

          Auf dem Schwarzmarkt erzielt Insulin daher ziemlich gute Preise. Mehr als der direkte Apotheken-Einkaufspreis. Wars denn ein kurzwirksames Analoginsulin oder ein Humaninsulin ohne Verzögerung? Dann würde ich das für wahrscheinlich halten.

          Überhaupt, Pharmama, wär das nicht einmal eine Idee für ein neues Thema: Was Bodybuilder alles einnehmen, damit die Muskeln wachsen?

          Like

  1. War das eine „Kartusche“ oder eine Packung? Tochterkind hat das Actrapid immer in einer 3er Packung. Den Preis hab ich nicht im Kopf, da wir immer mehrere Sachen kaufen.

    BTW: eine Frage. Die Akku click (Stechlanzetten) gibt es in einer 200 + 4 Packung. Wie viele Packungen gibst Du raus? Wir haben gestern 4 Packungen erhalten. Müssen wir also bei der nächsten Bestellung (nächsten Jahr wohl erst *g*) beim Kinderarzt mit angeben, dass sie das ändern.

    Like

    1. Eine 3er Packung – ich glaube die speziellen gibt es gar nicht anders.
      Stechlanzetten: angenommen, man muss 3 x täglich messen (vor dem Essen), dann wäre das für 3 Monate – so oft darf ich offiziell aufs Mal rausgeben 270 Stück – also 1-2 Packungen. Aber das ist die Regel für die Schweiz – die ich selbst gelegentlich missachte, wenn ich weiss, die Kunden brauchen nicht mehr als wirklich nötig und das regelmässig.

      Like

      1. @ pharmama: mit dreimal täglich messen komme ich nicht weit! bei mir sollten es mindestens sieben mal sein –> vor und 2h nach jedem essen, vor dem ins bett gehen.

        grosszügig herausgegeben bei unbekannten menschen. auch wenn mann oder frau kurz kein insulin hat, ist das problem nicht ganz so schlimm. herunterkorrigieren kann auch etwas später geschehen wenns nicht zur regel wird.

        wahrscheinlich wird dein insulin nun auf dem schwarzmarkt oder so verkauft :-(

        Like

      2. Wieso ist die Abgabe von Lanzetten denn begrenzt? Kann man damit etwa auch Schindluder treiben? (außer als Waffe, aber da reicht wohl schon eine einzelne)

        Like

  2. Pharmama,
    Deine Konsequenz ist genau richtig und wird auch von jedem verstanden werden, schliesslich bekommt man ja sein Medikament und einen Ausweis mitzuführen sollte doch auch in der Schweiz Pflicht sein
    .. oder seid Ihr da „liberaler“?
    .. ja, ich lese da gerade bei der alten Tante Wikipedia, dass in Österreich und der Schweiz keine Mitführpflicht gibt. Warum eigentlich?
    Ist das so abwegig?
    Was ist, wenn jemand ohnmächtig wird und kein Bekannter in der Nähe ist?
    Was ist denn durch das Mitführen eines Ausweises gefährdet? Etwa die Privatsphäre, die vielleicht die selbe Person, die „das“ ablehnt, selbst und ohne Not durch Angaben im Internet unterwandert wird – etwas schizophren, oder?
    Alles Fragen, die sich durch den (hoffentlich) halbwegs gesunden Menschenverstand stellen, aber durch so genannte „Datenschützer“ oder „Privatsphären-Freaks“ unterwandert werden.
    Schade eigentlich, denn das Leben könnte so viel einfacher werden, wenn keine Ideologien ins Spiel gebracht würden.
    Liebe Grüße aus Frankfurt am Main
    Hajo

    Like

      1. ja ja, der Fluch des Alters:
        #Zähne rein#
        zu meiner Zeit gab es noch eine Mitführpflicht – ausserdem hab‘ ich die Tante W. nicht zu Ende gelesen ;-)
        #Zähne raus – die drücken so :-( #

        Like

    1. In Deutschland muss man auch keinen Ausweis umherschleppen, soweit ich weiß.

      Ich sehe auch keinen Vorteil an einer Mitführungspflicht. Inwiefern sollte irgendjemandes Leben einfacher werden, weil ich meinen Ausweis dabei habe?

      Like

      1. also, NK, stell Dir doch mal vor, jemand liegt reglos irgendwo rum, da ist e schon hilfreich, zu wissen, wer es ist ..
        und was soll die Geheimniskrämerei?

        Like

        1. Es geht mir gar nicht so sehr um das Geheimnis – ich trage meine Brieftasche immer am Mann und da ist so ziemlich* alles drin, auch der Perso.

          Mich würde aber ärgern, wenn man ohne Not so eine nutzlose bürokratische Regel einführen würde. Auf deren Nichteinhaltung müsste dann ja auch ein Ordnungsgeld stehen und es müsste kontrolliert werden. Diesem Aufwand steht mmn kaum ein Nutzen gegenüber.

          Wenn ich jemanden bewusstlos finde, dann mache ich mir hundert besorgte Gedanken, aber der Name des/der Bewusstlosen wäre mir ehrlichgesagt egal.
          Wichtig wird der Perso zugegebenermaßen im Zusammenhang mit Organspende und Patientenverfügung.

          *außer der Kreditkarte

          Like

    2. Mir geht es nicht um Geheimniskrämerei oder Datenschutz. Der Grund weshalb ich den Personalausweis/Identitätskarte NIE dabei habe, ist einzig weil es ziemlich mühsam und kostspielig ist, sie bei Verlust zu ersetzen. Hab ich einmal gemacht, möchte ich nicht mehr wiederholen. Der Studentenausweis muss bei mir als Ausweis genügen, und wenn ich mein Portemonnaie wieder mal liegen gelassen habe, habe ich eben auch den nicht dabei.

      Like

  3. PM, das ist nicht schön, aber gehen wir einfach mal davon aus, die Person ist mittellos aber in dringender Notlage gewesen – und ihr habt geholfen….

    wenn mir jemand etwas klaut, sag ich mir immer, der jenige muß es sehr nötig gehabt haben, um dafür sogar eine straftat zu begehen …

    Like

  4. Ich kann mir kaum vorstellen, daß die Sache so dringend war, daß die Person nicht noch ihr Portemonnaie und ihren Ausweis hätte holen können… anderenfalls wäre sie ja binnen kürzester Zeit ein Fall für den NA gewesen.

    Da kann ich jeden Apotheker bestens verstehen, der nicht für hunderte Franken oder Euro Medikamente verschenkt, sondern auf Bezahlung besteht – oder zum nächsten KH schickt, wo man allerdings auch nicht mal eben rausgibt, was grad gewünscht ist.

    Kann man Insulin auf dem Schwarzmarkt verhökern?

    Like

  5. Liebe Pharmama,

    erst mal großes Lob an deinen Blog/ Dich: habe ihn vor kurzem gefunden und bin süchtig! ;)

    Ich arbeite als Approbierte in einer Apo in D, und kenne gerade dieses Phänomen nur zu gut- leider.
    Normalerweise geben wir nichts mehr ohne Vorkasse ab- die Patienten bekommen ihr Geld zurück, wenn sie mit Kassenzettel und Rezept kommen. Und auch so: nur bei Stammkunden und wenn wir im PC sehen können, dass es Dauermedikation ist.
    Ist der Arzt zu erreichen, lassen wir es uns vorab faxen.

    Problem: der von Dir beschriebene Fall. A) ist das Insulin zu teuer für Vorauskasse und b) scheint es ein Notfall zu sein- vertrackt.
    Ich persönlich bleibe inzwischen bei mir unbekannten Kunden knallhart und schicke sie ins Klinikum wenn normale Ärzte schon zu haben.

    Diese Situation ist alles andere als einfach, wirklich!

    Like

    1. Ja, doof. Kommt dazu noch die Weichherzigkeit der Apothekerin und schon hat man die besten Voraussetzungen. Na gut, das nächste Mal eben nicht mehr.

      Like

  6. Du kannst den Fall ja an Swissmedic melden. Womöglich haben die bereits Informationen über mehrere solcher Fälle die sich häufen. Gäbe dann wieder mal ein schönes Rundmail.

    Like

  7. Miese Sache das :(

    Gäbe es nicht für solche Notfälle evtl Einzeldosen? Natürlich auch nur gegen Ausweis und andere stimmenden Daten. Oder sind Einzeldosen auch schon so enorm teuer dass sich der Betrug lohnt?

    Fällt mir nur ein weil man ja bei der Pille u.U. schonmal einen einzelnen Blister bekommen kann, wenn es Wochenende ist und der Arzt nicht zu erreichen. (Wobei man ja bei der Pille eigentlich gut vorausplanen kann – beim Insulin kenne ich mich nicht aus, kann man da auch gut vorausplanen als Diabetiker?)

    Like

    1. @ blogolade: jep. das insulin sollte kühl gelagert werden und ist in 5 ampullen zu 3ml in der packung (die beiden welche ich benötige) und je nach dem wie lange eine ampulle hält – je nach eigenem bedarf des insulins – muss man früher oder später wieder zur apotheke.
      z.b. wenn ich die zweitletzte ampulle aus der packung nehme, plan in den folgenden tagen den weg zur apotheke. eigentlich sehr planbar

      Like

    2. Einzeldosen machen da wenig Sinn zum Herstellen. Insulin wird einfach nicht in Einzeldosen benutzt (daher auch uninteressant für die Industrie zum Herstellen und uninteressant für eine Apotheke zu lagern). Was es gibt, wäre Insulin in einem Vial (Glasgefäß mit Gummistopfen) zum Aufziehen mit einer Spritze (Insulinspritze), allerdings ist das Vial dann auch als geöffnet zu betrachten.

      Folgendes gilt für D:
      Die Praxis, dass man den einzelnen Blister der Pille in vielen Apotheken im Notfall auch mal ohne Rezept bekommt, ist ein reines Entgegenkommen der Apotheke.
      Strafrechtlich gesehen ist das nämlich die Abgabe eines verschreibungspflichtigen Mittels ohne Rezept und da steht strafrechtlich mindestens eine Geldstrafe, im Einzelfall sogar Gefängnis drauf.

      Wie gesagt, das gilt strafrechtlich, die Realität ist folgende:
      Was tut man, wenn ein Mädel ihre letzte Packung der Pille aufgebraucht hat und nächste Woche eh zum Frauenarzt geht, dort nicht mal zum Arzt kommt, sondern das Rezept von der Sprechstundenhilfe ausgefertigt bekommt und dann das Rezept in der Apo nachreicht?
      Was tut man, wenn die ältere Patientin, die man kennt und seit 2 Jahren immer ihre selben Blutdruckmedikamente abholt und am Samstag in der Apotheke steht, kein Arzt zu erreichen ist und ihr die Medikamente ausgegangen sind?
      Was tut man, wenn der insulinpflichtige Diabetiker nachts um 2 Uhr im Notdienst da steht und dringend sein Insulin braucht?

      Ich erwähn das, weil es da auch folgende Kundschaft gibt:
      „Ich brauch dringend mein Benzodiazepin (Schlafmittel, stark süchtig machend)! In der anderen Apotheke krieg ich das immer ohne Rezept! Ich will ihren Chef sprechen! Was??? Das Benzodiazepin geben Sie mir nicht? Sie haben mich das letzte Mal gesehen! “ Sorry, geht gar nicht…

      „Ich bin Sprechstundenhilfe und sie MÜSSEN (!) mir ohne Rezept die Pille geben!“ – „WIE, SIE GEBEN MIR DAS NICHT? Ich verschreib sonst auch immer den Patienten und meinen Kollegen ihre Pille (auf den Blankorezepten, die der Arzt schon alle unterschrieben hat und die bei ihr in der Schublade liegen)!“ Geht auch nicht…

      Selbst erlebt…

      Like

      1. In der Schweiz sind sie ein bisschen liberaler, so dass die Abgabe ohne Rezept in Ausnahmefällen (!) erlaubt ist. Trotzdem *müssen* wir das auch nicht – das ist reiner Goodwill. Und nach so etwas geht bei mir der goodwill rasant runter. :-(

        Like

  8. Naja, ich bin schon mal beim Nachladen des Pens dummerweise auf die aus der Hand gefallene letzte Ampulle getreten- da nutzt dann die Planung gar nichts. Arzt, Apotheke und so sind dann die nächsten Schritte. Dumm ist, dass ich immer die Kosten vorstrecken muss, und eine Packung Insulin (schnelles) wechselt dann für knappe 130 € den Besitzer.
    Aber letztens hab ich bei einem Wochenendausflug versehentlich den fast leeren Fertigpen mit Lantus mitgenommen, den vollen Ersatz jedoch zu Haus vergessen. Das hab ich dann bemerkt in 250 km Entfernung von zu Haus und am Wochenende… Zum Glück hat mir ein Bekannter mit seinem Langzeitinsulin aushelfen können.
    Gibts eigentlich eine Möglichkeit, sich in einem Krankenhaus Ersatz zu besorgen? Mit einem Diabetikerausweis, beispielsweise?

    Like

  9. Hi Pharmama,
    jedes System hat seine Schwächen. Klar, Gutherzigkeit wird ausgenutzt. Und ja, es ist dein Verlust. Das ist Mist. Andererseits hatte ich auch den Gedanken von oben: vielleicht nur die notwendigste Dosis herausgeben.

    Allerdings: wenn sie nicht in der Nähe wohnt und kein Geld und keinen Ausweis dabei hat, hätte auch das wohl wenig Sinn gemacht. Sie wäre dann wahrscheinlich auch nicht wiedergekommen, selbst wenn sie die Wahrheit gesagt hätte. Da liegt einem der Gedanke dann ja schon nahe: diese ein oder zwei Ampullen sind ja nicht so ein großer Verlust, dass ich da noch mal hin muß und das bezahlen muß. Oder so ähnlich.

    Es ist vertrackt. Aber du wirst es nicht lösen können und kannst auch nicht in die Menschen hineinschauen. War sie in Not, so hast du wenigstens geholfen. Wenn es finanzielle Not war, so hast du zumindestens eine gute Tat getan. Und wenn es nun vertickt wird, ist es Mist — aber leider auch nicht mehr zu ändern.

    Mach es so, wie du dich am wohlsten fühlst dabei.

    Und die Schwächen eines Systems — um den Anfang aufzugreifen — sorgen leider immer dafür, daß bei einer Beseitigung ebendieser auch die Ehrlichen drunter leiden. Leider.

    Like

  10. Als Diabetikermama spekuliere ich mal, dass ein Diabetiker eigentlich immer mindestens sein Messgerät dabei hat, eigentlich auch Pens/Spritzen bzw. wie meine Mittlere ihre Pumpe.
    Aber, im Zweifel würde ich denjenigen in die nächste Klinik schicken. Zur Not halt mit dem Rettungswagen, wenns sooooooo dringend ist (wirds eigentlich nicht, wenn derjenige noch gerade stehen und denken kann (klingt hart, ist aber so)).
    Blöd, dass es immer Leute gibt, die Systeme ausnutzen. :(

    Like

  11. ganz blöde sache. noch dazu, wenn ihr jetzt für den schaden bezahlen müsst. vielleicht hatte die dame ja andersweitig „dreck am stecken“. wird polizeilich gesucht oder so und hat deswegen nicht ihre richtigen personalien hinterlassen. man kann da ja sehr viel hineinspekulieren und interpretieren. es ist halt wirklich nur schade, das immer die falschen dann die rechnung für solche dinge bezahlen müssen.

    liebe grüße
    anna

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Blogolade Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..