Interview mit Pharmama

Pharmapro, die Seite für Stellensuchende und Informationen für Apotheken in der Schweiz, hat mir im Zuge ihrer Interviews mit Apothekern der Schweiz ein paar Fragen gestellt:

Xavier Gruffat (Pharmapro GmbH) – Ich habe den Eindruck, dass Sie etwas weniger oft bloggen als noch vor ein paar Jahren, aber vielleicht mit längeren und interessanteren Artikeln. Sehe ich das richtig?
Pharmama – Es stimmt, ich blogge nicht mehr so häufig – eigentlich müsste ich den Slogan „zu lesen einmal täglich ändern“? Das hat verschiedene Gründe: manches würde sich wiederholen – und ich bin kein Fan von Repetition. Es gibt immer noch viel bloggenswertes Material, das die Patienten liefern und die Umstände im Gesundheitssystem ändern sich laufend. Das tatsächlich so rasch, dass ich denke, dass viele Patienten das nicht wissen – und selbst bei den Apothekern einige Mühe haben, da aktuell zu bleiben. Das gibt dann gelegentlich grössere Postings mit Themen, die vielleicht nicht alle so spannend finden, wie die Patientenbegegnungen, die aber dennoch wichtig sind. Daneben gibt es für mich persönlich auch andere Prioritäten – unser Junior ist inzwischen in der Sekundarschule. Meine eigene Eltern werden älter. Wenn ich nicht in der Apotheke arbeite, will ich zu Hause mehr Zeit mit der Familie verbringen. Dann bleibt auch weniger Zeit zu bloggen.

Anfang 2020 ist es Zeit für eine kleine Bilanz. Wir sind gerade in ein neues Jahrzehnt eingetreten, was ist Ihnen in den Schweizer Apotheken während der 2010er Jahre besonders aufgefallen, vielleicht im Vergleich zu den 2000er Jahren?
In kurz gesagt sehe ich die Änderungen in den letzten Jahren hier: Generika, Sparmassnahmen des BAG und der Krankenkassen an der Apotheke, Lieferschwierigkeiten und wahnsinnig teure Medikamente. Das Generikum-Thema hat sich einerseits mehr etabliert: jetzt weiss auch die Öffentlichkeit, dass es das gibt und was das ist. Dafür wird aktuell mehr auf die Preise der Medikamente geschaut als auf alles andere. Dabei sind nicht mal mehr die „normalen“ Medikamente die Preistreiber im Gesundheitswesen, das sind die neuen sehr, sehr teuren Medikamente auf dem Markt, die es vor 20 Jahren so nicht gegeben hat. Leider wird das alles in einen Topf geworfen. Dementsprechend scheinen sich alle Sparbemühungen nur auf die Medikamente und die Apotheke zu beziehen – in einem Grade, dass wir jetzt schon merken, dass es sich wegen der Preissenkungen für manche Firma nicht mehr lohnt ihre Medikamente auf den kleinen Schweizer Markt zu liefern. Dazu kommt die Zentralisierung der Wirkstoffherstellung auf wenige Orte in Asien, wo das billiger ist. Das hat sich jetzt schon als problematisch herausgestellt. Werden Qualitätsprobleme festgestellt oder gibt es dort ein Feuer, Erdbeben, Überschwemmung oder der aktuelle Coronavirus-Ausbruch spürt man die Auswirkungen bald weltweit und auch bei uns in der Schweiz.

Und wenn wir die Überlegung der vorhergehenden Frage fortsetzen, was erwarten Sie in diesem Jahrzehnt (2020 bis 2029) für die Schweizer Apotheken?
Es ist ziemlich absehbar wegen oben angetönter Änderungen, dass wir unsere Arbeit vom Preis der Medikamente unabhängig machen müssen. Wir müssen uns ändern – weg vom Medikamentendispenser hin zum wahren Dienstleister im Gesundheitssystem. Wir sind dabei uns zu ändern. Das Problem wird sein, dass unsere Arbeit, die korrekte Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten und Dienstleistungen um die Gesundheit auch so abgegolten wird, dass die Apotheke auch weiter existieren kann.

Ich habe den Eindruck, dass sich der Schweizer Apothekenmarkt im Jahr 2020 stark verändern wird, insbesondere durch den druckvollen Einstieg der Migros in den Apothekensektor (mit den Medbase Apotheken – ehemals Topwell – und den Zur Rose Shop-in-Shop Apotheken und zur Rose Online-Shop der Migros), wie stehen Sie dazu? Was können unabhängige Apotheken unternehmen?
Ich denke auch, dass hier ein Zusammenschluss wichtig ist. Einzelkämpfer werden es sehr schwierig haben in Zukunft. Und wer auch noch „stehengeblieben“ ist, keine Weiterbildungen gemacht hat und die nötigen neuen Qualifikationen (Kompetenzen) nicht erworben hat, wird untergehen. Das dauert vielleicht noch ein paar Jahre, aber das kommt. Die pharmaSuisse hat das erkannt und unterstützt inzwischen auch die Gruppen und Ketten ziemlich aktiv. Wer nicht in eine Kette will, kann sich einer Gruppe anschliessen. Vorteile: Gemeinsam einkaufen, Konditionen aushandeln, gemeinsam Werbung machen, gemeinsam Weiterbildungen besuchen und Hilfe bei der Umsetzung der QMS und anderer Gesetzesvorschriften, die immer komplizierter und aufwändiger werden. Nur so kann man gegen so Molochen wie die Migros oder auch die Galenica bestehen.

In einem Interview, das Sie der Pharmapro 2014 gegeben haben, fragte ich Sie nach dem Interesse oder den positiven Aspekten des Apothekerberufs, Sie sprachen mit mir über seine Vielseitigkeit, teilen Sie diese Sichtweise noch?
Es ist immer noch so. Unser Beruf ist sehr vielfältig. Tatsächlich würde ich behaupten, er wird es noch mehr. Das neue HMG bedeutet nicht nur, dass wir mehr dürfen – wir müssen auch mehr. Mehr Ausbildung und mehr Anwendung desselben. Impfen, Anamnese, Spezialisierung auf ein Thema wie Kinder, Haut, Asthma, Diabetes … Wer auf dem Stand von 2000 bleibt, wird aussterben. Wer 2030 noch Apotheker ist, wird ein bisschen ein Multitalent sein müssen. Ich mag das ja – es bedeutet auch, dass ich andere bisherige Aufgaben aber abgeben muss (oder darf). Die Krankenkassenabrechnungen mache ich schon länger nicht mehr selber.

Im Jahr 2014 erwähnten Sie auch Ihren Wunsch, dass der Apotheker direkt in der Apotheke Impfungen vornehmen könnte. Es scheint, dass dieser Traum Wirklichkeit geworden ist. Glauben Sie immer noch, dass die Impfung etwas Positives war und ist? Ist sie auch kosteneffektiv?
Ja, der Traum ist zum grossen Teil wahr geworden – allerdings noch mit viel Potential zum Ausbau. In meinem Kanton darf ich gegen 4 Krankheiten impfen, aber es gibt immer noch Kantone, in denen das gar nicht erlaubt ist oder nur gegen Rezept. Die Dienstleistung Impfen kommt bei der Bevölkerung gut an – selbst wenn es zur Hauptsache noch selbst bezahlt werden muss vom Patient. Es ist gut für unser Ansehen, zeigt, was wir (noch) können, ist wirksame Gesundheitsvorsorge und eine Hilfe im Gesundheitssystem. Sehr profitabel ist es nicht. Für die Zukunft gäbe es weitere Impfungen, für die es sinnvoll wäre, sie ins Repertoire der Apotheken aufzunehmen. Und eine Einbindung in Notfallszenarien im Falle einer Pandemie.

Manchmal besuche ich als Vertreter von Pharmapro Sàrl medizinische Kongresse (z.B. Quadrimed in Crans-Montana/VS) und diskutiere kurz mit Ärzten. Einige von ihnen sind eher kritisch eingestellt. Sie finden, dass Apotheker nicht „als Ärzte agieren“ sollten, weil sie die Anatomie nicht studiert haben oder in der Physiologie oder Pathologie nicht so weit fortgeschritten sind. Wir können zum Beispiel das Thema der Impfung nehmen. Was meinen Sie dazu?
Ich denke, dass auch unter den Ärzten viele nicht gut informiert sind, wie der Zustand heute ist und wohin die Entwicklung geht. Die alten Apotheker haben wirklich nicht für die neuen Dienstleistungen, die kommen studiert. Aber die jetzigen Pharmazie-Studenten haben diese Ausbildung im Studium integriert (die OSCEE Prüfungen zeigen das) und die Apotheker, die diese Dienstleistungen und Spezialisierungen anwenden wollen, die bilden sich in den Bereichen weiter (oder haben es schon). Bestes Beispiel Impfen. „Unsere“ Ausbildung dazu hat sogar einen Preis gewonnen – und ist besser als das, was die Ärzte während ihrem Studium dazu haben. Abgesehen davon, dass das Impfen  in vielen Praxen (auch dem Tropeninstitut) an die MPA oder „nicht-Medizinisches Personal“ delegiert wird.

Was das Konkurrenzieren der Apotheker mit den Ärzten angeht: haben denn die Ärzte für die Abgabe der Medikamente studiert? Ich rede hier von der Selbstdispensation, aber auch von den Fehlern, die ich täglich bezüglich Dosierung, Anwendung und Medikation selber auf den Rezepten sehe. 

In der Schweiz herrscht in den Medien eine Kontroverse über die hohen Kosten neuer Medikamente, zum Beispiel zur Bekämpfung von Krebs oder seltenen Krankheiten. Aber wenn man die Sache unter die Lupe nimmt, umgehen die meisten dieser sehr kostspieligen neuen Medikamente (eine Behandlung bei Novartis z. B. kostet 2 Millionen US-Dollar) die Apotheken, weil sie direkt in Krankenhäusern oder Kliniken verabreicht werden. Sind Sie mit dieser neuen Vorgehensweise einverstanden?
Das ist ein grosses Problem. In den Köpfen der Leute sind die teuren Medikamentenpreise immer noch mit den Apotheke verknüpft, in denen sie die Medikamente bekommen (haben). Dabei ist das schon lange nicht mehr der Fall. „Apothekenpreise“ bei den Medikamenten, das war früher einmal. Und während manche neue Medikamente super-teuer sind (und entweder via Direktvertrieb der Firma oder Abgabe im Spital an der Apotheke vorbeigehen – oder die Apotheke wegen grossem Aufwand dafür sogar Minusmargen haben) gibt es andere Medikamente, die super-günstig sind … so billig tatsächlich, dass sich für die Pharmafirmen die Herstellung und der Vertrieb kaum mehr lohnt. Und an einem Medikament, das unter 5 Franken kostet und auf Rechnung an die Krankenkasse abgegeben wird, verdient auch die Apotheke nix dran. Die Pauschalen von etwa 7 Franken sind da keine ausreichende Vergütung der gesamt drum herum stattgefundenen Arbeit.

Und abschliessend, welches ist Ihr Anliegen für das Jahr 2020, auch bis 2024 – 2014 war es die Impfung – haben Sie einen neuen Wunsch für die Apotheker in der Schweiz, ein neues Berufsziel, für das Sie „kämpfen“ möchten?
Dass die Bevölkerung und auch unsere Regierung mehr sieht und anerkennt, was die (neuen und alten) Leistungen in der Apotheke sind. Dass wir wegkommen von der Verknüpfung in den Köpfen der Leute von den Medikamentenpreisen und dass unsere Arbeit von der Krankenkasse auch finanziell anerkannt und entlöhnt wird.

  • Danke an Xavier für die herausfordernden Fragen!

Fehler in schweizer Apotheke im Fernsehen

Hat jemand den Kassensturz vorgestern abend gesehen? Falls Nein – hier kann man ihn noch anschauen / lesen, um was es geht: Gravierende Verwechslung- Apotheke verkauft falsches Medikament.

Es ist natürlich die absolute Horrorvorstellung von jeder Apothekerin und jedem Apotheker und das, was uns gelegentlich schlaflose Nächte bereitet: Der Patient hat das falsche Medikament erhalten. Leider kommt das – bei aller Sorgfalt und bei allen Sicherungsmassnahmen und Doppelkontrollen die man hat, tatsächlich gelegentlich vor. Wo Menschen arbeiten, können Fehler passieren. Das ist auch mit ein Existenzgrund für die Apotheke: dass sich eine weitere medizinische Fachperson die Medikation nochmals ansieht, bevor der Patient sie erhält, denn: auch Ärzte machen Fehler. Vor der Abgabe  gilt das 4-Augenprinzip: jemand richtet es und eine zweite Person schaut das nochmals an. Bei uns wird auch (wie im Film erwähnt) am nächsten Tag durch eine nochmals andere Apothekerin das Rezept kontrolliert.

Und dennoch. Wir hatten schon falsch angeschriebene Medikamente (Dosierungsetikette), falsche Dosierung (z.Bsp Aspirin Cardio 100mg statt 300mg), falsches Medikament: Zolpidem statt Zoldorm … nicht so tragisch, da genau dasselbe; ditto bei Calcimagon mit falschem Geschmack, und einmal wirklich etwas, was ich so und meine kontrollierende Apothekerin anders gelesen hat und das etwas anderes war. Da muss man reagieren – möglichst rasch. Aber wir sind nie über die Stufe. „Medikament falsch, Patient betroffen, keine Folgeschäden“ herausgekommen. Dafür bin ich dankbar.

Auch in der Sendung im Kassensturz – so „gravierend“ der Fehler war: der Patient hat ein Medikament mit ähnlichem Namen bekommen – statt eines Mittels gegen erhöhtem Cholesterin ein Mittel gegen Blutkrebs – der Patient hat das Medikament nicht genommen, da er a) das Mittel schon kannte und das anders aussah, b) er die Packungsbeilage nochmals angeschaut hat, weil das eben neu aussah (Kudos, lieber Patient: super!) und c) das Medikament eine Dosierungsetikette hatte, die auf einen anderen Patienten lautete (!). Deshalb hat er das Medikament nicht genommen – und deshalb (natürlich) auch keine Schäden. Etwas unschön finde ich vom Kassensturz, die Etikette mit dem Namen der Apotheke so zu zeigen.

Was Abgabefehler angeht finde ich den hier noch etwas „kurios“: Offenbar ist das passiert, weil für zwei sehr ähnlich klingende Patienten zwei sehr ähnlich klingende Medikamente bestellt waren – und die nebeneinander im Abholregal bereit standen. Bis dahin alles korrekt. Die letztlich das Medikament herausgebende Person hat danebengegriffen. Für das Fehlermanagement ist das schwierig auszumerzen. Nochmals Kontrolle mit noch einer Person ob Abholzettel und Medikament übereinstimmen?

Wesentlich häufiger kommen Verwechslungen wohl vor, weil Medikamente ähnliche aussehen oder ähnliche Namen haben – und der Arzt nicht lesbar schreibt. Das hat die Patientenorganisation richtig erkannt. Natürlich muss man bei unleserlichen Rezepten beim Arzt nachfragen – das müssen wir heute noch. Manchmal mehrmals täglich.

Amüsant fand ich die Beispiele, die im Film vorkommen:

unleserlichsrf1unleserlichsrf2

Erster Gedanke: „heh – ich kann die lesen!“ Dann … „Die kommen mir irgendwie bekannt vor“. Jaaa – kein Wunder. Die sind von mir, von diesem Blog. Das erste Beispiel findet sich hier: unleserliche Rezepte mal wieder und das zweite hier: Apotheke Quiz 2.

Die Beispiele sind schon älter – aber ich könnte täglich mehr in die Sammlung aufnehmen, denn das kommt immer noch häufig vor. Anscheinend ist es nicht durchsetzbar, dass die Ärzte möglichst alle Computerausdruck-rezepte ausstellen. Erklärung im Film: Weil man dann beim Hausbesuch keine Rezepte mehr ausstellen könnte … Erklärung die ich woanders gehört habe: Weil man das den älteren Ärzten nicht mehr zumuten könne. Nun – ich bin schon zufrieden, wenn sie sich mehr Mühe geben beim Schreiben.

Jedenfalls: Ja, leider passieren in der Apotheke auch Fehler. Das ist schlecht (wenn auch menschlich). Aber auch wenn es dieser bis zum Kassensturz „geschafft“ hat – so schlimm war der nicht – auch weil der Patient mitgedacht hat. Eigentlich ist das gut: sensibilisiert es doch die Öffentlichkeit dazu selber mehr Verantwortung für ihre Gesundheit (und Medikation) zu übernehmen (wissen was man nimmt und weshalb) und dass es bisher kein schlimmerer Fehler bis in die Medien geschafft hat, zeigt doch auch, dass das System und Fehlermanagement funktioniert.

Die Hanf(apo)theke?!

Die (anonym bleiben wollende) Apothekerin aus Basel hat mir zwei Bilder geschickt, die ich hier in einem Bild kombiniert habe:

hanftheke

Nicht so gut zu sehen, aber im Bild links steht im Schaufenster „hanfapotheke“ und im Bild rechts nur noch „hanftheke“.

Dazu schreibt sie:

Wir waren sehr überrascht, als Ende September in der Nähe ein Laden eröffnet wurde, der sich selber als Hanfapotheke bezeichnete. Eine Apotheke? Noch eine? – Bei uns hat es doch schon einige in der Stadt.

Die Neueröffnung ging quer durch die Presse: Heute öffnet die erste Hanfapotheke in Basel, titelt das Likemag,   Hanf-Apotheke die bz Basel   und die 20 Minuten schrieb: In Basel hat am Dienstag die erste Hanf-Apotheke der Stadt ihre Tore geöffnet. Und wir standen da und staunten: Apotheke? Aber das musste wohl so sein. Überall stand zu lesen, dass das eine Apotheke ist. Mit Apothekern die da arbeiten?

Der Blick schrieb zum Thema (und was sie verkaufen): Aus rechtlichen Gründen verkaufen sie noch keine Hanf-Arzneimittel, sondern Cannabis-Wirkstoffe, Hanf-Extrakte, Lebensmittel und Kosmetika. … Das geänderte Betäubungsmittelgesetz erlaubt es seit 2011, Cannabis medizinisch zu nutzen. Bisher erhielten aber nur zwei Apotheker landesweit die Erlaubnis, Cannabis als Arzneimittel an Schmerz­patienten zu verkaufen. …

in der bz steht: Ganz im Gegensatz zu den früheren Hanf-Shops im Schmuddel-Look setzen die beiden Apotheken gezielt auf ein besonders sauberes Erscheinungsbild …Es handelt sich um Industriehanf-Sorten, die speziell auf einen hohen Gehalt an Cannabidiol gezüchtet wurden. Dieser nicht psychoaktive Wirkstoff ist in der Schweiz absolut legal. … Die Wichtigkeit des Namens «Hanf-Apotheke» bestätigen auch die beiden Geschäftsführer. Damit werde eine zukunftsweisende Botschaft transportiert. Zudem verhelfe er den Hanf-Produkten aus der «Bob-Marley-Ecke», wie Kaymaz sagt. Die Verwendung des Begriffs Hanfapotheke sei gemäss eigenen rechtlichen Abklärungen noch nicht geschützt.

in der 20 Minuten: Dem Cannabis-Konsum gegenüber sind die Apotheker durchaus positiv eingestellt. Wir sind für eine Öffnung des Marktes.

Wir lesen nur „Apotheke“, „Apotheker“, „medizinische Nutzung“ …. und sind verwirrt. Genauso wie die Patienten, die uns danach fragen kommen, was wir davon halten.

Obwohl wir es auch begrüssen, dass die Wirkung von Cannabis erforscht wird und es bei medizinischen Beschwerden eingesetzt werden kann (am besten in kontrollierter Qualität und legal) – dieser Laden ist keine Apotheke und benutzt die Bezeichnung nur um das gute Image, das wir haben für sich zu nutzen. Und das ist so schlicht illegal.

Die Bezeichnung „Apotheke“ und „Apotheker“ ist geschützt. Apotheker sind Pharmazeuten, die als Fachkräfte zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind. Apotheken sind Orte, wo Medikamente abgegeben werden – sie dürfen nur von einem Apotheker geführt werden und müssen einer Vielzahl gesetzlicher Vorschriften entsprechen. – da kann man nicht einfach hingehen und seinen Hanfladen „Hanfapotheke“ nennen … und das dann quer durch die Presse ziehen, die das natürlich mit Gusto aufnimmt. Auch dann nicht, wenn sie auf ihrer Website Samuel Büechi, einen Apotheker und Pharmafirmengründer als Berater angeben und schreiben, sie haben die Verwendung des Namens rechtlich abgeklärt …

Wir haben darauf beim Gesundheitsamt nachgefragt, denen das schon bekannt, war. Die konnten uns aber „wegen des laufenden Verfahrens“ keine Auskunft geben, ausser dass sie da schon dran seien.

Scheint so, als wäre dem so, denn inzwischen (Ende November), hat der Laden seinen Namen geändert. Aus der „Hanfapotheke“ ist eine „Hanftheke“ geworden. Auf der Website und manchen Artikeln haben sie die Bezeichnung „Apotheke“ und die Erläuterungen dazu auch entfernt. Gut so. Aber ihr Ziel haben sie wohl auch so erreicht: viel Aufmerksamkeit in der Presse. Viel mehr, als sie es als „normaler“ Hanfladen hätten erwarten können.

Apotheker, nicht Moralapostel. Auch nicht bei der Pille danach.

Meine Kollegin hat mir letztens von einer Begegnung erzählt:

Patientin nach dem Pille-danach-Gespräch: „Das war ja gar nicht so schlimm!“

Kollegin: „Was haben Sie denn erwartet?“

„Oh, eine Freundin hat mir erzählt ,dass die Apothekerin sie praktisch ausgeschimpft hat.“

Kollegin: „Das würde ich nie machen.“

Genausowenig wie ich – und ich kenne auch persönlich keine Apothekerin die das würde. Auch keine Apotheker – aber von denen gibt es sowieso nicht so viele. Die  meisten Pille danach Beratungen heute werden von Frauen durchgeführt und ich bin auch sicher, dass die meisten das auch korrekt und anständig machen.

Trotzdem scheint das an manchen Orten ein Problem zu sein. So titelt die 20Minuten:

Kauf der «Pille danach» «Der Apotheker fragte, ob wir Analsex hatten»

Frauen, die in der Apotheke die «Pille danach» kaufen gehen, werden erniedrigt, zurechtgewiesen und beleidigt. Das zeigt ein Aufruf bei 20 Minuten, auf den sich innert kürzester Zeit über vierzig Leserinnen gemeldet haben.

Am liebsten würde ich ja hier dazu aufrufen, dass sich mal die vielen melden, bei denen das (wie bei uns) problemlos gegangen ist.

Es gibt einiges was wir fragen müssen – und manches davon mag an sich für empfindliche Gemüter als peinlich empfunden werden (auch wenn es das für uns nicht ist). Wir machen das aber im Beratungsraum. Das bekommt nicht die gesamte Apotheke mit. Wann der Geschlechtsverkehr war, weshalb man die Pille danach braucht … es kann durchaus vorkommen, dass sie gar nicht nötig ist. Weil zum Beispiel schon verhütet wird. Weil (nur) Analsex oder Oralsex nicht zu Schwangerschaft führt. Weil die Pille danach nicht zur normalen Verhütung verwendet werden soll. Weil sie für „danach“ ist, nicht für davor. Manchmal ist auch ein Schwangerschaftstest angezeigt … auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie man den „vor“ dem Apotheker machen will, wie im ersten Artikel der 20 Minuten geschrieben.

Es ist nicht unsere Aufgabe, den Moralapostel zu spielen. Wir werden wahrscheinlich etwas sagen, wenn die Pille danach von der selben Person häufig gebraucht wurde – eben weil das nicht zur normalen Verhütung gedacht ist UND weil sie kein Schutz vor sexuell übertragenen Krankheiten ist … zu denen wir in so einem Fall auch etwas erzählen müssen. Und ich bin sicher, dass der Apotheker am Bahnhof in so einem Fall auch etwas … deutlicher wird.

Die Pille danach wird nicht abgegeben, wenn etwas fachliches dagegen spricht. Apotheker, die sie aus „moralischen Gründen“ nicht abgeben (wollen) oder keine Verhütungsmittel verkaufen wollen gehören nicht in die Offizin. Wir sind in der Schweiz und nicht im „Bible belt“ in den USA, wo das geht.

Was wir hier auch machen, ist die Pille danach gleich einnehmen zu lassen – das macht deshalb Sinn, weil sie ja zur besseren Wirksamkeit möglichst bald nach dem Geschlechtsverkehr genommen werden soll – und weil sie nicht zur Vorbeugung gedacht ist. Also: entweder man braucht sie jetzt, oder man hat die Zeit dafür zum Arzt zu gehen. Der darf sie nämlich auch heute noch verschreiben.

Was wir Apotheker hier aber machen ist eine Dienstleistung. Wenn ich daran denke, wie viel Zeit das braucht, mal kurz einen Termin beim Arzt zu machen oder auf dem Notfall oder in der Frauenstation auf eine Konsultation zu warten … und auch daran, dass das dort (meist) männliche Ärzte sind, die (genauso) voreingenommen sein können .. und daran, dass man bei uns für die Arztbesuche (nicht gerade wenig) zahlt … Dann ist die Abgabe in der Apotheke unkompliziert, Zeit- und Weg-sparend und wahrscheinlich auch noch günstiger. Als Beispiel, wie das aussieht ohne, sei dieser Erfahrungsbericht aus Deutschland vor PiDaNa-Zeiten erwähnt.

In dem Sinne: lasst Euch nicht von einer Zeitung, die gezielt danach aufruft, dass man die negativen Erfahrungen einschickt, einschüchtern oder gar dazu bringen die Pille danach nicht zu holen, wenn sie nötig ist. Die Apotheke ist für Dich da. Und die allermeisten Apotheker machen das gewissenhaft und ohne eventuelles Moralisieren oder andere Peinlichkeiten. Wenn Du unsicher bist, wende Dich an eine kleinere Apotheke und an eine Apothekerin.