Passend zum Thema letzte Woche: Wenn ich einen Apotheker brauche. Eine Apotheke muss zwingend durch eine Apotheker*in geführt werden. Sie darf auch nicht geöffnet haben, wenn kein Apotheker anwesend ist.
Der Mangel an Fachkräften treibt dann manchmal seltsame Blüten. In Deutschland ist es so, dass deswegen von pensionierten Apothekern ihr Einsatz als „Sitzvertretung“ angeboten wird. Lies: Die sitzen dann wirklich im Büro oder sonst im Hintergrund, und die ausgebildetete und langjährige PTA mit Erfahrung macht dann vorne die ganze Arbeit?
Das ist so ein Beispiel für eine solche Stellensuche:
Ein weiteres findet sich auf PTAchens Blog
Aber wer denkt, das sei ungewöhnlich (oder frech), der kann auch in die aktuellen Stellenanzeigen schauen:
Beratungsaktive Landapotheke mit Schwerpunkt Diabetes, Asthma, Blutuntersuchungen, Naturheilkunde und Homöopathie sucht Sie als freundliche, zuverlässige Verstärkung für ca. 15-20h/Woche zuzüglich Dienst und Urlaubsvertretung. Flexible Arbeitszeiten und Festanstellung sind möglich.
Oder Sie möchten bei uns als „Sitzvertretung“ fungieren? Auch darüber können wir sprechen!
Daraus spricht fast die pure Verzweiflung überhaupt einen Apotheker (oder Apothekerin) zu finden.
Gut, unter den Umständen könnte ich wahrscheinlich sofort selber in eine total fremde Apotheke stehen. Es braucht einfach gute Mitarbeiter, die wissen, wie es dort läuft. Trotzdem finde ich das extrem unschön, halb unverantwortlich – und auf Dauer wäre es mir auch zu langweilig,
In anderen Ländern ist das allerdings noch schlimmer, in den Phillipinen gibt es zum Beispiel „Geisterapotheker“ … keine Angst, die leben schon noch, sie sind halt nur nie in der Apotheke, sondern „vermieten“ ihre Lizenz. Das ist dann wirklich übel.
Solange das Wissen stimmt, hätte ich als Kunde damit kein Problem. In der Medizin gibt’s auch die „Praxisvertretung“ – ein anderer Hausarzt, der „keine Ahnung“ von den Patienten hat, übernimmt die Sprechstunde für dringende Fälle nach bestem Wissen und Gewissen. Die „Pappenheimer“ werden da wohl etwas schwieriger zu behandeln sein – aber schlussendlich haben wir Akademiker doch alle ein gewisses Wissen und Niveau und sollten auch ausserhalb unserer 4 Wände praktizieren können, wenn wir gutes Personal zur Seite haben (Ausrüstung, Technisch, was ist wo, Administration etc.) (Zum Glück dürfen heute keine Studenten mehr die Praxis-Vertretung alleine machen…)
Ich vertrau so mancher MPA genau so, wenn es um OTC oder einfache Bestellungen/Abgaben geht – meist wird nur kurz das Rezept gegengelesen von der Apothekerin und genickt ;) Solange die „Sitzvertretung“ auch wichtige Fragen beantworten kann und nicht nur den Stempel auf der Stirn hat, aber nix beiträgt in wichtigen Fällen, ist dies doch eine mögliche Teilzeit-Lösung :) (wenn nicht, dann ists fahrlässig, keine Frage)
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Du hast Recht – und ich finde das auch okay für so Notfall-Einsätze woanders. Aber als „Dauerzustand“ ist das doch eher unfair. Auch der MPA oder Pharmaassistentin/PTA gegenüber.
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Unsere alteingesessene Stammapotheke hat der Sohn vom Vater übernommen – mitsamt Personal. Für den jetzigen Inhaber und zwei angestellte Apothekerinnen springt der ehemalige Stellvertreter zur Urlaubszeit ein – oder bei Bedarf auch kurzfristig, z.B. über Mittag. Der Einspringer kennt nicht nur viele Stammkunden seit deren Kindheit, sondern auch deren Eltern, was vieles vereinfacht. Außer enormem (Fach-) Wissen hat dieser mittlerweile ca. 70-jährige natürlich auch langjährige Erfahrung im Umgang mit Problem(stamm)kunden, und Lieferschwierigkeiten von z.B. aut idem-Medikamenten hauen ihn nicht um.
Insgesamt ist es ein tolles Team, deswegen sind wir dort seit über 50 Jahren Kunden, mittlerweile in der 3. Generation!
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Das ist super … und hört sich überhaupt nicht nach SITZ-Vertretung an (mehr nach vollem Einsatz) ….:-) ich denke da ist es egal, wie alt die Person wirklich ist.
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Darf man während dem Sitzen auch an etwas anderem arbeiten? Oder im Hinterzimmer ein paar Fitnessgeräte aufbauen? Oder ein Sofa und eine schöne Filmsammlung?
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du darfst machen was du willst, nach deutschem Recht. Du muss wirklich nur anwesend sein. Nur betrinken und schlafen ist glaube ich nicht erlaubt ;-) Es muss dir aber klar sein, dass du für alles was vorne passiert, die volle Verantwortung trägst.
Ich könnte Sitzvertretung nicht. Mit meinem Privatvermögen etc haften für etwas, was mir unbekannte Personen außerhalb meines Sichtfeldes tun und nix davon kontrollieren…gruselig! Aber manche stehen ja uf Nervenkitzel ;-)
(nicht falsch verstehen: Die meisten PTA machen einen tollen Job! Aber Fehler passieren…)
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Also mein Ding waren „Sitzvertetungen“ als Bürostuhldeko auch nicht. Ich habe nur ein Mal einen Dienst-Tag auf dem Bett in Notdienstzimmer verbringen müssen, weil ich mir den Magen verdorben hatte und zu mehr als „ich liege hier und ihr könnt mich fragen, aber aufstehen geht leider nicht“ in der Lage war.
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@ Delilah:
„Mit meinem Privatvermögen etc haften für etwas, was mir unbekannte Personen außerhalb meines Sichtfeldes tun und nix davon kontrollieren…gruselig!“
Das geht aber Ärzten, die Praxisvertretung machen, nicht anders.
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Ich hatte zwischen zwei Jobs außerhalb der Apotheke selbst schon als Springer bzw. kurzfristige Vertretung gearbeitet, um mir etwas dazuzuverdienen.
Dabei wurde ich doch öfters darauf angesprochen, dass man es ungewöhnlich fände, dass ich als Vertretung im HV mitarbeiten würde. Oder genauer: Die PTAs hat es gewundert, dass ich überhaupt irgendwas mache. Alle anderen Vertretungen würden sich einfach irgendwo hinsetzen und bis zum Feierabend lesen.
Andererseits hatte ich in diesen Apotheken aber auch den Eindruck, dass der angestellte Apotheker hier eh nichts zu melden hat, obwohl er ja formal Vorgesetzter wäre. Da gingen dann munter von den PTAs verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept über den Tisch und Prüfprotokolle wurden pro forma angefertigt, obwohl da de facto nie eine Prüfung stattgefunden hat. Das sind dann auch die Apotheken, in denen die PTA den Notdienst macht. Ich habe den Grund nachvollziehen können, warum in diesen Apotheken ein Mangel an Apothekern vorliegt.
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Puh, Hufflepuff,
Haben die das dann auch zu Deiner Vertretungszeit gemacht?
Einerseits will man es sich ja als Vertretung nicht mit den PTAs verscherzen und die PTAs können die Kunden nicht von heute auf morgen umgewöhnen. Andererseits ist die Gesetzeslage eben wie sie ist und Du hast die Schererei, wenn jemand (weil mal was schief läuft) dahinter kommt, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept abgegeben werden.
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Ja, das haben sie natürlich auch während meiner Vertretung gemacht. Ich mache mir deswegen aber keinen Kopf. Wenn die PTA absichtlich ein verschreibungspflichtiges Medikament ohne Rezept rausgibt, kann der vertretende Apotheker da nichts dafür. Das das eine Straftat ist, weiß die PTA ja. Letztendlich ist es so, dass sie für diese Handlung selbst verantwortlich ist.
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So einfach kann man sich das (aber leider nicht!) machen. Denn im Falle eines Falles bist doch Du mit dran. Selbste wenn auch die PTA zugibt, dass sie ohne Deine Genehmigung eine RX abgegeben hat: PTAs arbeiten unter der Aufsicht der Apothekerin und die ist schlußendlich die Hauptverantwortliche. Also wären dann beide dran, nicht die PTA allein.
Ich hatte auch mal eine Apotheke in der das so lief, wo ich dann zusah, dass ich -sobald diese eine spezielle Kundin kam – auf Toilette oder im Keller etc. war. Also wahrheitsgetreu versichern konnte, absolut nichts von der Abgabe erfahren zu haben und auch nicht gefragt wurde. Ich hatte trotzdem immer ein fieses-mieses Gefühl dabei.
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Ich will gar nicht schreiben, dass man als Vertretung komplett außen vorbleibt. In erster Linie ist aber nach der PTA erstmal der Leiter der Apotheke dran. Wenn dieser Strukturen entwickelt hat, die dazu führen, dass eine PTA verschreibungspflichtige Arzneimittel abgibt, haftet er dafür (die PTA ist ein Erfüllungsgehilfe). Die Anweisung zu einer solchen Vorgehensweise geht eh oft vom Leiter der Apotheke aus.
Als vertretender oder angestellter Apotheker hast Du wenig Einflussmöglichkeiten so etwas zu unterbinden. Du kannst die PTA weder abmahnen noch irgendwie anders sanktionieren. Letztendlich kannst Du das nur Deinem Vorgesetzten sagen.
Anders sieht es natürlich aus, wenn Du als vertretender Apotheker die PTA dazu anweist, verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept abzugeben oder die PTA Dich fragt, ob sie das Medikament ohne Rezept abgeben soll. Dann bist Du in der Verantwortung.
Dieses „unter Aufsicht“ bedeutet, dass Du fachlich für Handlungen der PTAs verantwortlich bist. Abgabe ohne Rezept ist persönliches Fehlverhalten, weil Straftat. Damit musst Du als Vertretung nicht rechnen.
Das ist bei Eltern ja nicht anders: Die haften eben nicht für Taten ihrer Kinder. Sie haften nur, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Und eine PTA ist definitiv über 18… Und um auf das Thema zurückzukommen: Ich denke, dass man auch in der Verantwortung ist, wenn man wirklich nur Sitzapotheker ist. Dann war es Dir nämlich egal, was die PTAs treiben. Dann hast Du Deine Aufsicht verletzt.
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Erinnert an die ‚Sofamelker‘ in der EU: Bauern, die ihre Milchquote vermietet hatten und nur noch auf dem Sofa saßen und Geld zählten.
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