Eigentlich ist die erste Versorgung einer (kleinen) Wunde kein Problem.
- reinigen
- desinfizieren
- verbinden
Ich mach’ das in der Apotheke noch gelegentlich. Vor allem zur Erstversorgung.
Aber vor ein paar Tagen hatte ich einen echt schwierigen Fall. Nicht, weil die Wunde extrem schlimm gewesen wäre – eine Schürfung am Ellbogen nach einem Velo-Unfall. Aber die Erstversorgung die die Frau selber gemacht hat …
Sie kam in dem Moment in die Apotheke, wo ich gerade mit der Kollegin am abtauschen war, die mich am Mittag vertritt. Aber kein Problem … dauert ja nur ein paar Minuten.
Dachte ich.
Als ich ihr wirklich zu gut klebendes Pflaster entfernt habe, sah ich mich mit einer etwa 5x5cm grossen Fläche konfrontiert, die natürlich offen rot, Sekret absondernd aber dazwischen auch noch schwarz gepunktet und grossflächig weiss verklebt war.
„Oh“ – sage ich
„Ist das schlimm?“ Fragt mich die Frau. „Wenn es schlimm ist, gehe ich zum Arzt.“
Ich schaue mir die Wunde von nahem an.
„Was genau haben Sie damit gemacht?“
„Wie gesagt, ich bin heute morgen umgefallen auf die Strasse.“
(Das erklärt das Schwarz: da ist immer noch Dreck drin)
„Dann bin ich nach Hause und habe versucht es zu säubern.“
(Nicht wirklich erfolgreich)
„Dann habe ich Salbe draufgestrichen.“
„Was für welche?“
Misstrauisch beäuge ich das weisse Geschmier.
„Oxyplastin.“
„Autsch – das ist eine Zinkpaste, die man sonst für gerötete Babypopos nimmt. NICHT für offene Stellen.“
Frau verteidigend: „Das ist alles, was ich zu Hause hatte!“
„Ja – da ist noch Dreck drauf. Und Zinkpaste. Das wird schwierig zum säubern – das muss alles weg, bevor ich das verbinden kann. Das wird weh-tun.“
Das hat es dann auch. Sie wollte trotzdem, dass ich das mache und nicht der Arzt.
Ich mache dann das, was sie hätte machen können: Wunde gründlich säubern mit Wasser und etwas Seife (die Seife nur wegen der fettigen Zinkpaste … und selbst damit ging das Zeug kaum weg).
Desinfizieren mit flüssigem Desinfektionsmittel oder Gel– fettige Salben sind grundsätzlich nicht optimal für auf Wunden, selbst wenn sie desinfizierend sind.
Abdecken mit möglichst nicht auf der Wunde klebendem Verband der bei Schürfwunden optimalerweise noch das Sekret aufnimmt und dann sauber zumachen.
Sie hat ziemlich lautstark gelitten bis ich nach 20 Minuten (!) endlich fertig war. Normalerweise dauert das etwa 5 Minuten und ist nicht so schmerzhaft …… aber es war nötig.
Ich hab sie dann wieder nach Hause geschickt mit der Auflage das Pflaster alle 2 Tage zu wechseln und die Wunde zu beobachten. Tetanusimpfung hatte sie die letzte vor etwa 10 Jahren, also ist das auch ok.
Der Blick meiner Kollegin als ich mit ihr aus dem Beratungsraum wieder rauskam war … seltsam. Ich schätze mal, man hat sie auch draussen gehört …
Ist so eine Wundversorgung in der Apotheke eigentlich kostenpflichtig oder fällt das unter Service? Wobei ich sagen muß, daß das für eine kostenfreie Serviceleistung etwas zu viel des Guten wäre.
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Das ist nicht überall gleich. Ich bin der Meinung, dass man da durchaus etwas verlangen kann, vor allem, wenn das so aufwändig wird, wie hier. Ich mache aber kleine Erstversorgungen und Leute, die vor der Apotheke umgefallen sind aber immer noch gratis respektive es kostet nur das Verbandsmaterial, das sie dann nach Hause nehmen. Sie hier hat anständiges Desinfektionsmittel, Wundauflage und Pflasterband grad gekauft – da war das okay.
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Gib’s zu, Du hast im Hinterzimmer eine Folterkammer ;-)
Aber im Ernst: Du hast wirklich eine „Engelsgeduld“.
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Es muss sich so angehört haben …
„Auuu, auuaaa, autschh!“
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Na, immerhin hat sie nicht noch Mehl und Butter in die Wunde gerieben, das scheint ein altes Hausmittel zu sein.
Ich finde es toll, wie du dich um deine Patienten kümmerst – auch dann, wenn sie zum Teil selbst Schuld sind am Schlamassel.
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Ich kenne Wundversorgung aus Kindertagen noch mit diversen Salben. Ich habe keine Ahnung mehr, was da drin war, es hiess immer nur „grüne Salbe“, „gelbe Salbe“ nach der Farbe der Verpackung oder des Inhalts (weiss ich nicht mehr).
Später haben wir dann nur noch gewaschen (gab viele Schürfwunden bei 4 Buben) und – weil das angeblich an der Luft besser heilt – die Wunde nicht einmal abgedeckt. Klar, bei gröberen Sachen waren wir eh beim Arzt.
Noch später hat uns ein Bundeswehrsanitäter in einer privaten erste Hilfe Schulung mit Wunddesinfektion (Mittel der Wahl: Merbromin) und antiseptischem Verband, teilweise auch mit nicht-haftender Wundauflage bekannt gemacht.
Dazwischen gab es noch Behandlungen vom Arzt; besonders hängengeblieben ist bei mir die Behandlung eines eitrigen eingewachsenen Zehennagels mit wässriger phosphorsaurer H2O2-Lösung und Betaisodonna-Tinktur (kein Gel, weil zu feucht).
Ich würde also sagen, ich habe jede Menge Halbwissen angesammelt, mit dem ich meine Umwelt quälen könnte.
In meinem Medizinschrank zuhause findet sich eine beeindruckende Anzahl von Mittelchen und Verbänden. Mir gehört davon nicht viel – man lebt ja nicht alleine – ich verzichte auf teerhaltige Zugsalben o.ä.. Tatsächlich verwende ich nur noch wässrige Desinfektionssprays und Pflaster. Alle größeren offenen Wunden muss ein Arzt anschauen.
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Inzwischen hat man festgestellt, dass Wunden besser heilen, wenn man sie feucht hält (hat etwas mit dem einwandern der Zellen von den Rändern zu tun), aberso ist es: das Wissen verändert sich mit neuen Erkenntnissen …
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…ähhm, letzte Tetanus-Impfung vor 10 Jahren? Hier (D) kenne ich das so, dass nach 10Jahren eine Auffrischimpfung (möglichst als Kombination mit Diphterie und neuerdings Keuchhusten )empfohlen wird, bei großeren Verletzungen wird diese sogar schon nach 5 Jahren gegeben. Bisher kenne ich es nur von Schweden, dass die Auffrischinmpfung sogar erst nach 30Jahren empfohlen wird.
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Das stimmt so: man hat festgestellt, dass die Wirkung der Tetanusimpfung nach Grundimmunisierung länger als die 10 Jahre anhält. Darum gilt in der CH seit 2012 dass zwischen 25 bis 64 Jahren nur noch alle 20 Jahre eine Auffrischimpfung nötig ist. Ab 65 wird immer noch alle 10 Jahre empfohlen.
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Autsch… ich habe ja in den letzten 18 Monaten einge Erfahrung mit Schürfwunden gesammelt, inkl. beinahe-über-den-Lenker-Absteigen.
Wenn es sehr verdreckt ist, muss halt ein sanfter Duschstrahl her. Dann reichlich Jod, Gaze und Klebeband. Evtl. je nach Tiefe der Wunde auch Jod mit Wasser gemischt als feuchter Verband.
Ich habe ziemlich gelitten, als ich diesen Sommer einige Zeit lang Jod-Verbot hatte wg. meiner Radiojodtherapie. Nichts anderes wirkt so gut.
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Einige Schürfwunden? Was machst Du, Irene?
Jod ist sehr wirksam … man darf einfach keine Jod-Allergie haben .. und manchen passt die Farbe nicht so, obwohl die praktischerweise anzeigt, ob es noch wirkt.
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was ich mache? Velofahren… das letzte Mal war ziemlich fies, da ist mir beim Bergabfahren das Hinterrad auf Kies weggerutscht, der mitten auf der Strasse lag, und ich lag bäuchlings längelang am Strassenrand, das Velo auf mir drauf.
Am gemeinsten war die Schürfwunde am Bauch… (durch die Velokleidung durch). Die Hände waren zum Glück mit den Velohandschuhen gut gepolstert.
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Allein schon die Vorstellung …
… da tut mir alles weh :(
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„Nichts anderes wirkt so gut“ möchte ich offiziell anzweifeln. Gerade weil Iod eben auch an Proteinen „verloren“ geht und dann überhaupt nichts zur Desinfektion beiträgt.
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Das hier ist unser Zimmer für unsere „liebsten“ Kunden. Schauen Sie rein, kostet auch nix. Ach ja, raus kommen Sie nur, wenn Sie mindestens 20 Franken dalassen …
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Ich kann mich erinnern, dass wenn ich als Kind eine kleine Verletzung hatte, die Mutter einer Freundin – eine Engländerin – da immer eine spezielle Salbe für hatte. War wohl eine in England gebräuchliche Salbe für Schürf- und Schnittwunden.
Die war von einer interessanten rosa Farbe und roch sehr intensiv. Nicht unangenehm, aber sehr charakteristisch und intensiv. Der Geruch von amerikanischem Root Beer (kennt das hier jemand?) erinnert ein wenig daran.
Wäre superinteressant, sollte mir tatsächlich jemand anhand dieser „Indizien“ sagen können, wie diese Salbe wohl geheißen haben mag. :o
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Germonele with local anaesthetic?
Ich kenne die zwar nicht, aber Google sagt, die sei rosa :-)
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P.S.: Kann es sein, dass der gleiche Geruch daher stammte, dass einer/mehrere Stoffe, die in dem Bier sind, auch in der Salbe waren? Gaultheria procumbens (Wintergrün) käme in Frage.
Weiß jemand, wie das riecht?
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Ich habe Schürfwunden eigentlich immer selber so behandelt: oberflächlich abwaschen mit klarem Wasser, Pflaster oder Verband (je nach Größe), und dann warten, was so rauseitert. Desinfektion eigentlich unnötig bei bestehendem Tetanus-Schutz. Spricht da medizinisch etwas dagegen? Salben mag ich grundsätzlich nicht so gern, auch nicht bei Verbrennungen / Verbrühungen. Was soll da der Nutzen sein gegenüber viel kaltem Wasser? Dann eher gegen den ersten Schmerz noch so 600 oder 800 mg Ibuprofen und ein Glas Whisky.
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