Blau, Blau, Blau …

Bild: blaue Kapseln in Hand mit blauem Handschuh

Wir richten in der Apotheke Wochen-Dosette und verblistern Medikamente um den Patienten zu helfen ihre Medikation richtig zu nehmen. (Genauerweise lassen wir verblistern, aber das ist ein Thema für ein anderes Mal).
Die letzten paar Wochen waren hart – mit vielen Wechseln in der Medikation unserer Dosett-Patienten. So hat einer gerade eine Pause des Blutverdünners Pradaxa verordnet bekommen vom Spital – und ich habe sie umgehend aus dem Dosett entfernt. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Kapseln genau dasselbe blau haben wie die Handschuhe aktuell. Cool.

Die Handschuhe sind nur aktuell blau – wir müssen nehmen, was wir kriegen können. Bei den Masken hat sich die Situation sehr beruhigt, aber bei den Handschuhen sieht es immer noch nicht wirklich gut aus mit der Verfügbarkeit. So haben wir in den letzten Monaten und Wochen weisse, schwarze, pinke, blaue gehabt, gepudert oder nicht, Latex, Vinyl oder Nitril – hauptsache die Grösse (und die Qualität) stimmt. Mit den blauen hier bin ich nicht sonderlich zufrieden, sie sind steiff, ungepudert (schnell klebrig innen) und gehen rasch kaputt. Aber wie gesagt: wir nehmen, was wir bekommen. Es sieht da übrigens nicht so aus, als würde das hier bald besser, im Gegenteil. Gerade letztens habe ich gelesen, dass in Malaysia, wo offenbar die Mehrheit der Handschuhe, die weltweit verfügbar sind hergestellt werden, wegen Corona einige Fabriken schliessen mussten.

Die Pradaxa Kapseln (Dabigatran) hatten wir tatsächlich ausgeblistert im Dosett. Bevor jetzt der Aufschrei meiner Mit-Fachpersonen kommt: ich weiss, dass das nicht ideal ist. Tatsächlich schreibt die DAZ, dass Dabigatran Kapseln bis zur Einnahme in der Originalverpackung aufbewahrt werden und nicht in Wochendispenser umgefüllt werden sollen. Der Grund: der Wirkstoff ist Feuchtigkeitsempfindlich und kann sich leicht abbauen. Bei uns sind die Kapseln deshalb in Packungen mit speziellem Blister, wo sie nicht mal rausgedrückt werden können – man muss sie einzeln aufpriemeln von der Seite … oder man benutzt dieses Ding, das wir mal vom Vertreter bekommen haben:

Wie man sieht, ist das eine praktische Methode, wenn man grad mehrere Kapsel ausblistern muss – wie zum Wochendosette richten.

Soll ich jetzt ausblistern, oder nicht? Wir haben uns bei dem Patienten entschieden, sie offen ins Dosett zu rüsten (nur für je 1 Woche im Voraus). Denn:

  • er selber ist nicht in der Lage die Kapseln aus den Blistern zu bekommen,
  • im Dosett gerüstet nimmt er sie auch (vorher war das allgemein ein Problem),
  • die Kapseln sind maximal 10 Tage ausgeblistert, bis sie eingenommen werden,
  • so schnell gehen die Zersetzungsprozesse dann auch nicht,
  • in den USA sind die Kapseln lose in Dosen verpackt, nicht verblistert. Die Haltbarkeit darin geben sie mit 30 Tagen nach dem Öffnen an (!). Das heisst, die Dose wird während 30 Tagen täglich 2 x geöffnet (und zieht Feuchtigkeit).
  • das Dosett (oder halt die Dose) muss halt trocken und vor Hitze geschützt aufbewahrt werden. Also Tipp: NICHT im Badezimmer.

Dann denke ich, das geht so. Die Kapseln oben habe ich nach dem aus dem Dosett nehmen direkt entsorgt.

Mehr als Zuckerpillen

zuckerpillen

Die Kapseln habe ich übrigens selber gemacht – mit kleinen Deko-Zuckerperlen (Nonpareilles genannt) … die gäbe es auch in einzelnen Farben, aber bunt gefällt mir besser :-)

Mit der Kapselmaschine (und ohne abwägen / rechnen müssen) geht das super-schnell. Momentan habe ich sie als Deko in einem hübschen Glas, aber eigentlich eignet sich das auch als Deko für eine Pharma-Party zum Beispiel auf Cupcakes (lässt sich essen) oder als „Spezial-Medi“ für den guten Freund (die Pille für den Prüfungserfolg: zu nehmen bei Bluzuckerabfall …)

Nicht eignen tun sie sich als Kindergeschenke: mein Junior weiss, dass Medikamente dazu sind genommen zu werden, wenn man ein ernsteres Problem hat und genau weiss für was das ist und wie man es anwendet – und auf gar keinen Fall „einfach so“, andere müssen das vielleicht erst noch lernen.

Kapseln herstellen wie die Profis

Nachdem die „herumtorkelnden Heilpraktiker“ quer durch die Presse gegangen sind haben die meisten von Euch das Bild hier wahrscheinlich auch gesehen … und sich vielleicht ähnliches gefragt, wie Leserin Lea:

256px-Ethylphenethylamine

Als ich im Tagi von der Homöopathischen Drogenparty las, blieb ich bei dem Bild hängen. Auf dem Bild sind Kapseln abgebildet, die sehr viel Luft und 20mg Aquarust enthalten. Als Kind durfte ich in der Apotheke zuschauen, wie mein Medikament abgewogen, zermörsert und gemischt mit ?Milchzucker? randvoll in 100 Kapselhälften gestrichen wurde, was einigermassen genau und zügig machbar ist.
Ich stelle es mir jedoch als unmöglich vor, halbwegs genau für jede Kapsel einzeln 20mg abzumessen und lose einzufüllen.
Hältst du es für machbar Kapseln wie auf dem Foto zu befüllen? Gibt es sogar Vorteile dabei?

Machbar ist es schon, die Kapseln so zu befüllen – indem man jede Kapsel einzeln einwägt. Das ist aufwändig und wohl auch nicht sehr genau. Eigentlich füllt man Kapseln so, wie du das schon gesehen hast, dann kann man viele Kapseln mit einem Durchgang machen. Dann sehen sie so aus:

kapselherstellung0

Und so geht’s: Man braucht die Kapselmaschine, Kapseln, Sieb, Mörser und Pistill, Messkolben in feiner Graduierung, Wirkstoff und Füllstoff (zum Beispiel Mannitol).

kapselherstellung1

Weil ich in dem Fall nur 20 Kapseln herstellen musste, habe ich den Rest der Maschine sauber abgeklebt. Die Löcher, die ich brauche werden dann mit den Kapseln gefüllt, das Oberteil der Kapseln entfernt und die Unterteile „eben“ mit dem Maschinenrand ausgerichtet.

Damit man weiss, wie viel Pulver zum Füllen man braucht (Wirkstoff plus Füllmaterial) gibt es verschiedene Methoden. Wenn man das Kapselvolumen kennt, dann kann man es ausrechnen. Wenn man es nicht kennt, dann kann man es ermitteln, indem man die Unterteile (das reicht) nur mit dem Füllstoff füllt und den danach in den Messzylinder abfüllt, wo man das Volumen dann in ml ablesen kann.

kapselherstellung2

Ganz wichtig ist die Berechnung, wie viel Wirkstoff man braucht. Das kommt natürlich auf die Menge Wirkstoff in der einzelnen Kapsel und die Anzahl Kapseln an. Bei Kapseln für Kinder müssen wir oft auf Tabletten für Erwachsene mit dem Wirkstoff zurückgreifen. Die müssen dann erst mal Zerstossen werden, in anderen Fällen hat man den Wirkstoff in Reinform – das ist immer besser.

Der Wirkstoff muss gesiebt werden und abgewogen. Man gibt ihn in den Messzylinder und soviel Füllmaterial dazu, wie man berechnet oder vorher ermittelt hat (also bis zu dem ml-Volumen), das Ganze muss man nochmals gründlichst mischen und sieben. Dann kann man das alles in die Kapseln verteilen:

kapselherstellung3

Wenn alles rein geht, nicht ein Teil fehlt, nichts übersteht, dann hat man es richtig gemacht. Die Kapseln werden dann geschlossen mittels der Kapselmaschine und herausgedrückt.kapselherstellung4

Zur Kontrolle schaut man noch, ob alle gleich viel wiegen, füllt sie in ein Pulvis oder Glas oder Topf ab (dicht muss er sein, die Gelatine in den Kapseln verträgt keine Feuchtigkeit und viele Wirkstoffe auch nicht). Fertig.

Dauert auch so etwas – vor allem, wenn man genau arbeitet. Und das sollte man bei Kapseln. Oft enthalten sie potente Wirkstoffe und sind häufig für Kinder gedacht (weil es da keine Fertigarzneien gibt).

hier kann man sich das auch anschauen:

Da fehlt eine Tablette!

Reklamation der Kundin mit Utrogestan: „Die letzte Packung war defekt. Da hat es nicht alle Tabletten drin. Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass das passiert ist. Das sollten Sie der Firma melden!“

Das hatte ich schon einmal, dass ein Kunde dachte das sei so … und es ist auch diesmal wieder das Problem. Wenigstens war sie einiges ruhiger.

Pharmama: „Das muss so sein. Da ist in einem Abteil absichtlich keine Tablette drin. Trotzdem sollte die Packung die richtige Anzahl Tabletten enthalten.“

Ich nehme eine neue Packung Utrogestan aus der Schublade.

Darauf steht 15 Tabletten Darin sind 2 Blister mit je 8 „Löchern“ einer ist ganz gefüllt und beim anderen ist ein Loch nicht ausgefüllt, also 7.

8+7 = ?

Ja, 15. Also stimmt es.

Aber ich muss der Kundin recht geben. Das sieht seltsam aus.

fehlendeKapsel

Frage an die andern Pharmazeuten

Folgendes Problem:

Wir haben einen Kunden, der Cymbalta Kapseln bekommt und dabei ist (zusammen mit dem Arzt) abzubauen.

Wir sollen jetzt Kapseln mit 10 mg Duloxetin herstellen, da es in der Schweiz nur 30mg und 60mg Kapseln davon gibt.

Das Problem ist, dass das Duloxetin säurelabil ist. Demnach muss die Form (Magen-)säure-resistent sein. So wie es aussieht, sind die Kapseln, die es im Handel gibt nicht nur magensäureresistente Kapseln, sondern innen in Pellet-form, wobei die Pellets selber magensäureresistent überzogen sind. Einfach reicht wohl nicht? Und die Firma sagt, dass der Wirkstoff innerhalb nicht gleichmässig verteilt ist … mit Pellets abzählen ist es also nicht getan.

Irgendwelche Ideen?

Die Reduktion auf 20mg haben wir hinbekommen, indem wir von Deutschland ein Fertigprodukt importiert haben, das 20mg enthält.

Aber was jetzt? Irgendwelche Ideen?

Interessant finde ich persönlich ja, dass gerade Cymbalta zu den Produkten gehört, die man nicht abrupt absetzen, sondern ausschleichen sollte (wegen der zu erwartenden Nebenwirkungen) … wie macht man das denn praktisch sonst?

Pulvule

Und ich dachte immer, Kapseln sehen alle gleich aus … form-mässig, meine ich.

Habt ihr schon einmal so etwas gesehen?

Das ist eine sogenannte Pulvule.

Hier habe ich noch keine von denen gesehen, aber ich bin darauf aufmerksam geworden und habe ein Bild gesucht, nachdem ich in einem Apothekenforum gelesen habe, dass es „vielleicht nicht die beste Idee ist, ein Antidepressivum in Patronen-form zu machen“

Tatsächlich. Hat was.