Das Maskentheater

Emotional war die letzte Woche ein einziges auf- und ab. Endlich sind die lange vorbestellten Masken eingetroffen. Die Preise … sind so, wie sie jetzt sind. Ich darf gar nicht dran denken, dass die 50er Packung Pandemiemaske vor dem ganzen Coronavirustheater unter 10 Franken gekostet hat im Verkauf. Jetzt … bekomme ich sie für das 5 fache angeboten und ich muss zu dem Preis einkaufen, denn günstiger sind sie nirgends mehr erhältlich.

Das Problem ist hausgemacht. Anscheinend hatte es in der Schweiz Masken an Lager – nur wurden einerseits letztes Jahr eine Menge entsorgt, die abgelaufen waren (blöder Zeitpunkt, aber hinterher ist man ja immer klüger) und dann gab es noch die Firmen, die Anfang Jahr Millionen Masken an China verkauft haben. Es ist mir schon klar, dass die das dort brauchten – aber wir hier auch (und das war da schon absehbar). Da hat jemand das schnelle Geld gewittert und die Lage ausgenützt. Jetzt kaufen wir wieder von China ein – wahrscheinlich zu einem höheren Preis. Hergestellt wurden hier keine mehr -das war vorher zu teuer.

Unsere Masken kamen am Dienstag mit der Swiss aus Shanghai. Das Paket war Teil einer Grosslieferung und hat ziemlich gedauert. Aber wir haben sie bekommen – damit stehen wir besser da als manch andere – in den Zeiten sind leider auch Betrüger unterwegs. Damit haben wir Masken nicht nur für den Eigenbedarf (unsere Arbeit in der Apotheke), sondern auch für die Kunden. Wir haben jetzt Hygienemasken (eigentlich Chirurgenmasken, Typ IIR), FFP1 und FFP2 ohne Filter. Die letzten beiden haben wir in kleinere Einheiten abgepackt und verkaufen sie zu 2 und 10 Stück. Freude herrscht!

Nur einen Tag später kam die Nachricht vom Bundesamt für Gesundheit, dass sie nun Masken eingekauft haben und sie in der Schweiz sind. Toll! Und dass die ab Montag an die „führenden“ Detailhändler/Grossverteiler wie Migros, Coop etc. zum Weiterverkauf an die Bevölkerung gehen. Umm – Was?!? Weitere Details machten die Sache nicht besser: eine Million Masken lässt das BAG via Armee an die Grossverteiler täglich ausliefern, damit die das zum Ankaufspreis weiterverkaufen können.

Das ist ein Schlag vor den Kopf der Apotheken (und Drogerien) in der Schweiz, die die Masken nicht bekommen – wir brauchen sie als Gesundheitspersonal für die Umsetzung unserer Schutzkonzepte in der Apotheke und versuchen seit langem über verschiedene Wege an Masken dafür zu kommen. Beim BAG haben die Apotheken auch angefragt, da wurden wir abgeschmettert mit dem Verweis, dass wir als „Detailhändler“ im Gesundheitswesen bei einer Versorgung mit Masken weiter unten stehen als zum Beispiel ein Pfleger oder Arzt im Spital. Aber jetzt werden die Masken für die Bevölkerung an die „führenden Detailhändler“ verteilt …. und dazu gehören die Apotheken dann offenbar auch wieder nicht? Über 2‘200 Standorten, die alle BAG-Vorgaben punkto Abstands- und Hygieneregeln erfüllen, Hauslieferungen an Risikopatienten, 2 mal tägliche Lieferungen von unseren Grossisten, nur angestellte Gesundheitsfachpersonen, die auch punkto „richtige Maske“ und „richtige Anwendung“ beraten können … aber hier werden wir ignoriert?

Dazu kommt noch die Art der Kommunikation, dass die Masken „zum Ankaufspreis“ weitergegeben werden – als ob wir in der jetzigen Situation hier gross etwas draufschlagen. Dass die Masken im Coop/Migros trotzdem teilweise (etwas) unter dem liegen, was wir in der Apotheke für unsere (mühsam selber beschafften) Masken verlangen …. kommt logischerweise schlecht an. Nicht nur bei den Apotheken.

Am selben Tag kam auch die Nachricht, dass bei Aldi (einen weiteren Detailhändler) die Masken eingetroffen sind, die sie (selber) Anfangs Epidemie aus China bestellt haben. Sie würden sie ab sofort verkaufen. Mir scheint die sind jetzt alle mit denselben Flugzeugen angekommen … Mich würde noch interessieren, wie es um die Qualität dieser Masken im Aldi aussieht. Ist das eine Typ I oder Typ II? CE-Zertifiziert?

Ganz typische Begebenheit hatte meine eine Apothekerin, die im Aldi eingekauft hat und in der Schlange hinter einer Kundin stand, die ein Paket Masken kaufte und dazu meinte: „Letzte Woche wurde ich in der Apotheke beim Maske kaufen abgezockt!“

Na Danke.

P.S. Nach schweizweiten Protesten bekommen die Apotheken jetzt doch einen Teil der Masken für den Eigenbedarf zugeteilt. Wir dürfen sie auch zum Ankaufspreis einkaufen …

Danke.

Pandemie – Panik – Plague Inc

In meinem Büro in der Apotheke habe ich einen Ordner. Aktuell steht er ganz weit unten und hinten, denn seit 2009 habe ich den nicht mehr gebraucht. Auf dem Ordner steht „Pandemie“ und er stammt noch aus der Zeit als die Schweinegrippe aufkam und die Behörden angefangen haben Pläne und Vorgehensweisen zu entwickeln, damit im Fall der Fälle nicht grad alles zusammenbricht und die Versorgung der Bevölkerung (in unserem Fall mit Medikamenten) möglichst sichergestellt bleibt.

Die Schweinegrippe H1N1 hat sich dann (zum Glück) als nicht so gravierend herausgestellt, wie anhand erster Zahlen angenommen wurde. Siehe auch mein Blogpost damals: „Das Grippchen“. Aber immerhin hat es dazu geführt, dass sich viele Menschen Gedanken gemacht haben, wie man denn in so einem Fall einer Pandemie vorgehen soll, was es für Vorräte braucht, was es für Massnahmen braucht, an was man vielleicht denken sollte – und das teils in Vorgaben festgehalten haben.

Ich habe den Ordner gestern rausgenommen und mal wieder angesehen. Keine Panik: Es ist noch nicht soweit, dass hier praktisch der „Notstand“ ausgerufen wird, wie damals. Und heute sind sie vielleicht noch etwas schneller darin, derartig neue Krankheitsfälle zu verfolgen, analysieren und prognostizieren … wobei es meines Wissens immer noch kein weltweites System zur Erkennung der Entstehung von Pandemien gibt, aber dafür haben wir heute wohl die Presse und das Internet. Aber erste Anzeichen bemerke ich jetzt schon in der Apotheke. Bei Gesichtsmasken zum Beispiel steigt die Nachfrage grad an. Die brauche ich sonst nie – tatsächlich habe ich inzwischen sogar die meisten die wir bei der Schweinegrippe-Pandemie fürs Personal an Lager halten mussten entsorgt (auch die haben ein Ablaufdatum), genau wie der Rest des „Pandemie-Personal-Pakets“ – mit Paracetamol, Ibuprofen, Nasenspray, Händedesinfektionsmittel …

Es ist vielleicht etwas früh für den Ordner und seinen Inhalt, aber ich beobachte (wie viele andere) die Entwicklung des chinesischen „neuen Coronavirus“ – und er scheint (leider) viel „Potential“ zu haben. Junior spielt schon länger auf dem iPhone gelegentlich das Spiel Plague inc., dessen Ziel es ist als Pathogen die Menscheit zu eliminieren. Der neue Coronavirus hat dafür zu früh angefangen tödlich zu sein – das erhöht die Gegenmassnahmen der Staaten und beschleunigt die Entwicklung eines Heilstoffes – aber auf der anderen Seite haben wir den Ausbruch in einer der bevölkerungsreichsten Gegenden der Welt, Übertragung von Tieren (Schlangen, Fledermäusen?) und via Mensch zu Mensch, eine hohe Ansteckungsrate (1 Patient steckte 15 Mitarbeiter eines Spitals an), das Virus ist neu und wir haben keine bis wenig Mittel dagegen (vielleicht hilft das Mittel, das sie gegen SARS haben etwas?) und wir haben aus der betroffenen Region (China) aktuell eine sehr hohe Motilität: viele Leute besuchen wegen Ferien und dem chinesischen Neujahrsfest (das heute startet) Verwandte in anderen Ländern. Dabei reisen sie mit dem Flugzeug – schnell, viele Leute auf engem Ort, super Ansteckungsmöglichkeiten – so dass es nicht wundert, dass wir erste Fälle nicht nur in Asien, sondern auch Europa und Amerika haben.

Auf der anderen Seite haben wir die Gegenmassnahmen, wo China wirklich sehr rasch reagiert hat – man denke daran, dass erste Fälle vielleicht Anfang Dezember 19 aufgetreten sind und wir jetzt Januar 20 haben. Sie haben nicht nur erkannt, dass da etwas neues ist, sondern die wahrscheinliche Ursprungsregion eruiert (ein Lebensmittelmarkt mit lebenden Tieren), herausgefunden um was es sich handelt (Coronavirus), wo dieser Virus eventuell sein natürliches Reservoir hat (Schlangen?, Fledermäuse?) – sie haben auch Massnahmen ergriffen die weitere Ausbreitung einzudämmen, indem sie die Mobilität der Bevölkerung (teils massiv) einschränken. Aus der 11 Millionen-Stadt Wuhan, wo das Virus zuerst auftrat, kommt man wohl aktuell kaum mehr raus und inzwischen riegeln sie weitere umliegende Städte ab. Feste zum chinesischen Neujahr werden gestrichen um Grossansammlungen von Menschen zu verhindern. An Flughäfen im Ausland finden Kontrollen bei der Einreise statt – Fiebermessen hauptsächlich. Erhöhte Körpertemperatur sieht man mit den geeigneten Methoden schon von weitem.

Es ist auch noch unklar, wie schlimm der neue Coronavirus wirklich ist. Er macht eine Lungenetzündung und Grippeartige Symptome. Bisher (Stand Samstag 25.1.2020) liegt die Zahl der Infizierten bei 1280 (das sind die nachgewiesenen Fälle – es dürften noch einige mehr sein). 41 davon sind gestorben. Im Vergleich dazu die Vogelgrippe SARS von 2002: Bei der Sars-Pandemie waren 2002/03 von China ausgehend weltweit rund 8000 Personen an der Lungeninfektion erkrankt. Knapp 800 starben. Und die normale Grippe: davon sind jährlich über 10% – 20% der Bevölkerung weltweit betroffen und es sterben abertausende an den Komplikationen. Dafür haben wir eine Impfung, die mehr genutzt werden könnte, aber die Influenza gilt im Auge der Öffentlichkeit als relativ „unspektakulär“.

Übrigens: der H1N1 Virus der Schweinegrippe um den 2009 derselbe Aufruhr herrschte wie heute um den Coronavirus ist heute Bestandteil der Grippeimpfungen, da er seitdem ebenso regelmässig auftritt.

Ich warte noch etwas mit dem Ordner. Aber die Masken stocke ich vielleicht trotzdem wieder auf.

Apotheken aus aller Welt, 523: Ürümqui und Xiahe, China

Danke an Nadya, die inzwischen aus China zurück sein sollte – meine Eltern sind übrigens im Moment grad dort, drum passt das hier gut – auch wenn sie wegen der Zensur das wohl erst nach ihren Ferien sehen werden …

letztes Jahr schickte ich dir ein Apotheken-Bild aus der Stadt, in der ich gerade meinen Freiwilligendienst absolviere (Jiuquan, Gansu-Provinz, Nordwestchina). Ich weiß also, dass du schon Bilder aus China hast, liefere Dir heute aber dennoch zwei weitere:

Eins aus Ürümqi, Hauptstadt der autonomen Provinz Xinjiang; eins aus Xiahe, heute Gansu-Provinz.

ueruemqui

Ürümqi dürfte durch die dort lebende Minderheit, den Uiguren, und zahlreichen Anschlägen auf öffentliche Plätze bzw. Bahnhöfe, wie z.B. auf dem Platz des Himmlischen Friedens, in Kunming, Guangzhou oder Ürümqi selber, bekannt sein.
Der obere Schriftzug ist Uigurisch, einer türkisch-stämmigen Sprache, und der untere Chinesisch (Mandarin).

ueruemqi1

Xiahe ist eine Klosterstadt, in der viele Tibeter leben, und ein bedeutender Pilgerort für tibetische Buddhisten. Der rote Schriftzug ist Tibetisch, der mittlere Mandarin. Unten steht pinyin.

Wieso die beiden Bilder? Ürümqi gehört zu China, Xiahe auch, aber dennoch taucht man dort in ganz anderen Kulturen und Sprachen unter. Das Bild des Chinesen, das man in Deutschland hat, ist das eines Han-Chinesen. Die Uiguren und Tibeter sind beides Minderheiten, die per Definition auch Chinesen sind, sich aber selber selten als solche definieren. In beiden Orten musste ich feststellen, dass viele Leute kein Mandarin sprechen – dabei war ich doch immer noch in China.