Sie sind Schuld, wenn …

Eine Frau kommt mit einem Rezept für ihre Tochter. Zwei Inhalatoren, einer zur  Notfallbehandlung (wenn sie keine Luft bekommt) und einer zur Grundmedikation (Entzündungshemmung).

Dummerweise ist uns der zweite heute ausgegangen, was ich ihr erkläre – und dass ich ihn auf morgen früh bestellen kann. Denn jetzt ist es schon zu spät für die Nachmittagsbestellung.

„Weshalb haben sie ihn nicht hier?“ fragt sie.

Pharmama: „Weil wir heute schon ein paar gebraucht haben. Ich habe alle, die ich hatte abgegeben.“

Mutter: „Wenn Sie die so häufig brauchen, warum halten sie dann nicht mehr an Lager?“

Ich hätte ihr erklären können, dass es sehr ungewöhnlich ist, dass wir davon an einem Tag gleich 4 brauchen, aber das hätte nicht viel gebracht. Stattdessen biete ich ihr an: „Ich kann in den Nachbarapotheken anfragen und dort einen holen, wenn sie ihn schon heute abend brauchen …“

Mutter: „Nein, das will ich auch nicht, ich bin heute schon den ganzen Tag unterwegs, beim Arzt und Einkaufen … aber wenn meine Tochter stirbt, weil sie ihr Dosieraerosol nicht hat, dann ist das ihre Schuld! Ich komme morgen wieder!“

Sagt’s und geht.

Sie wird nicht sterben wegen dem. Das zumindest ist beruhigend. Eher beunruhigend finde ich das Verhalten der Mutter. Aber das stecken wir heute weg. Früher hätte mich das mehr aufgeregt. Manchmal muss man einfach der Sündenbock sein.

 

18 Kommentare zu „Sie sind Schuld, wenn …

  1. Glücklicherweise war das Kind nicht auch noch dabei.
    Ich kann diese Leute nicht leiden, denen irgendwas nicht passt und die meinen deswegen wäre es ok dem „Verursacher“ das größtmögliche schlechte Gewissen zu machen.

    Wenns so schlimm wäre, das das Kind ohne Inhalator sterben könnte, wäre es wohl gleich ins Krankenhaus eingewiesen worden.

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  2. Manchmal hat man als Mutter auch einfach einen furchtbaren Tag hinter sich und lässt es dann ungerechterweise an der Person aus, die gar nichts dafür kann, aber zum falschen Zeitpunkt da ist und die gefühlt 100ste schlechte Nachricht überbringt. Irgendwas patzt dann und es kommt was total fieses und unlogisches raus…

    Ja, das ist total ätzend, kein schönes Verhalten. Aber manchmal… Ist mir auch schon passiert. Und deswegen mag ich mich mal vertretungsweise bei Dir entschuldigen. :)

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  3. @Blogeintrag:
    Typisches Verträngungsverhalten ala „PAL“ – Problem anderer Leute. Wurde mehrfach im „Anhalter“ erklärt… http://lib.yhoko.com/de/Anhalter/PAL-Feld/ Einzig, dass die gute Frau zum Betrieb ihres persönlichen PAL-Feldes nicht mal eine Taschenlampenbatterie benötigt…

    @Turtle: Das ist krank.
    Das Kind – genau. Deswegen ist die Mutter ja so aufgebracht. Sie fühlt sich vermutlich (warum auch immer) irgendwie schuldig, aber niemand schnippst mit den Fingern und machts gesund!

    @Sakuko:
    Pharmama ist ja nicht mal der „Verursacher“ das Problems. Die Ursachen des Problems – also nicht des kranken Kindes, sondern des eher kränklichen Sozialverhaltens der Mutter – sind in diesem Beispiel wahrscheinlich eher vielschichtig und in Summe zu betrachten.

    @ikaya:
    Leute, die sich für das Blödverhalten anderer Personen fremdschämen, sind mir sympathisch. ;-)

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  4. Ich könnte jetzt fies sein: wenn es doch so wichtig ist, warum hat man das Spray nicht geholt, bevor alle Vorräte aufgebraucht waren?
    Den Schuh, dass ich da Schuld bin, zieh ich mir nicht mehr an.
    Auch wenn Du Recht hast, dass man das manchmal einfach an sich abgleiten lassen muss.

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  5. Genau so wie „Sie wollen mir die Pille nicht ohne Rezept geben? Dann sind SIE schuld, wenn ich schwanger werde!“ 🙄

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  6. Ich habe auch Ärger in unserer Dorf Apotheke. Rezept von neuer Frauenärztin darauf steht für ein Jahr. Die Apotheke behauptet nur für einmaligen Bezug, die Gyni sagt es steht doch für ein Jahr Bezug.

    Also gehe ich morgen aus dem Home Office nochmals in die Apotheke erkläre den Standpunkt meiner Gyni und bitte sonst dort anzurufen. Wenn die wieder Nein sagen, dann lasse ich mir das Original Rezept geben und sie haben mich zum letzten Mal gesehen. Schade, beim Vorgänger lief 25 Jahre alles ok, aber so verjagt man Kunden.

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    1. Hmm, Deutschland oder Schweiz? In Deutschland gibt es keine Dauerrezepte, egal ob privat oder Kasse, beide haben ein „Verfall“.
      Wenn das ein deutscher Apotheker war der das trotzdem mitgemacht hat, dann aus eigener Entscheidung mit der Hoffnung auf Kundenbindung und Abwägung des Patientenrisikos (bei Kontrazeptiva eher gering, wer nicht mit klar kommt meldet sich ohnehin).

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    2. je nach Medikament kann es in der Schweiz auch sein, dass das Präparat nicht auf Dauerrezept verordnet werden DARF.

      In Deutschland gibt es da auch Produkte, wo der Arzt eine riesige Packung aufschreiben darf, wie er lustig ist, in der Apotheke darf man aber nur eine Maximalmenge abgeben…das betrifft einige Medikamente die bei Frauen sehr stark embryotoxisch siind oder zu Missbildungen führen. Da darf man einem Mann Großpackungen aufschreiben, Frauen dagegen nur Tabletten für 30 Tage.

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        1. Wenn auf dem Rezept etwas fehlt ist das aber nicht die Schuld des Apothekers. Der muss das ja auch irgendwie abrechnen. Da hat der Arzt einen Fehler gemacht. Kann aber verstehen, dass dich das nervt.

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  7. Herrlich, und so schön analog zu „Was, ich bekomme die Pille nicht einfach so ausgehändigt? Dann sind SIE Schuld, wenn ich schwanger werde!“
    Hauptsache, man ist mit sich selbst im Reinen, Eigenverantwortung ist ja sowieso total überbewertet, gälledzi.

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  8. Das ist bei manchen Leuten , wenn es nicht sofort geht dann Drama .und die anderen sind dran schuld.
    Ich lese deinen Blog total gern.
    lg carlinda

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  9. Beim von mir ebenfalls gern gelesenen Dr. Grumpy gibt es gerade eine verwandte Geschichte. Ein Patient von ihm wollte, dass er seinen Strafzettel wg. Falschparkens bezahlt, weil man angeblich nicht so gut bei der Praxis parken kann:
    http://drgrumpyinthehouse.blogspot.de/2017/04/parking.html

    Es gibt also nicht nur Leute, die eine zukünftige Schuld androhen. Manche gehen tatsächlich einen Schritt weiter. Oh Herr schmeiss Hirn vom Himmel!

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  10. Pharmama, wie ist das denn in solchen Momenten, kommt man da als Apothekenmensch nicht manchmal in die Versuchung, um der Ruhe und des Friedens willen ein Placebo („aber bitte nur einmal in 24 Stunden nehmen, das ist für den Notfall, und kommen Sie bitte unbedingt morgen wieder“) zu verabreichen?

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