Unentschuldbar?

Älterer Mann kommt in die Apotheke, mitten in eine sehr turbulente Zeit. Er quetscht sich an ein, zwei anderen Kunden vorbei und verlangt lautstark „die Medikamente von meinem Dauerrezept“.

Die Pharmaassistentin nimmt sich ihm an, fragt nach dem Namen und schaut. Und schaut. Dann kommt sie zu mir.

„Ich kann nirgendwo etwas finden. Kannst Du ihn nehmen?“

Ich rieche ein Problem.

Ich frage noch mal, ob wir den Namen richtig haben. Nichts im Computer. Ich suche auf alle möglichen Arten.

Er beharrt darauf, dass er immer die Medikamente bei uns holen kommt und fängt an uns als unfähig, unsorgfältig und desorganisiert zu bezeichnen und dass wir ihn kennen müssten. Die anderen Kunden fangen an zu schauen, er legt noch einen drauf und zückt die „ohne die Tabletten sterbe ich“-Karte.

Ich versuche etwas anderes und frage ihn, wann er denn in etwa das letzte Mal bei uns gewesen ist.

Jedenfalls … kommt dann schliesslich heraus, dass er gar nicht Kunde von uns ist. Im Normalfall holt immer seine Frau seine Medikamente – und sie tut das in der Nachbarapotheke.

Er hat sich nicht entschuldigt.

21 Kommentare zu „Unentschuldbar?

  1. Wenn seine Medikamente Psychopharmaka oder gegen demenzähnliche Erkrankungen waren, ist es nachvollziehbar.

    Ansonsten ist es leider ab und an so, dass ältere Menschen meinen, das Recht auf Alles gepachtet zu haben, Altersweisheit und so. Da hat man als jüngerer Mitbürger (ich als [noch] Mittzwanziger durfte das schon einige Male erleben) erstmal grundsätzlich keine Ahnung, weil das ja schon immer so gewesen sei und überhaupt!
    [ironie] Und wofür soll er sich denn entschuldigen? Er kann doch nichts dafür, dass seine alte Apotheke, die jahrhundertelang an der gleichen Stelle war, plötzlich aus euren Geschäftsräumen ausgezogen ist und er die Medikamente nun woanders holen muss… *hust*[/ironie]

    Nichts draus machen, abhaken, nicht aufregen. :) Solche Menschen gibt es nun mal (zum Glück in der Minderheit) und die ändert keiner mehr.

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    1. Bedauerlicherweise wird die von Dir zitierte „Altersweisheit“ häufig verwechselt mit Altersstarrsinn.
      Ja, ich darf das behaupten, schließlich werde ich nächstes Jahr 60 Jahre alt und fühle mich häufig genervt von der Selbstherrlichkeit und mangelnden Fähigkeit zur Einsicht meiner Altersgenossen und -genossinnen.

      Hoffentlich bleibt es mir noch einige Jahre, oder besser noch Jahrzehnte, erspart, mich zu dieser Gruppierung gesellen zu müssen.
      Davor bewahrt mich – sicherlich auch – meine 20jährige Tochter, die mir beim leisesten Anzeichen gerne mal den Kopf zurechtrückt.
      :-)

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  2. Ältere Menschen sind doch einfach ganz entzückend.
    Also ich freu mich schon aufs alt sein. Dann werd ich auch Nörgler, mache Kinder blöd an und fuchtel mit meinem Stock herum…
    Ach ja, ich freu mich richtig darauf…

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  3. Ja wer kennt ihn nicht, den Nörgel-Opi: „IMMER geht hier etwas schief!“,“NIE bekomme ich das, was auf dem Rezept steht“, „JEDES MAL müssen Sie mit dem Arzt telefonieren und ich muss warten“ usw usw.
    In entsprechender Lautstärke (weil er selbst ja nicht mehr gut hört), damit es auch alle anderen mitbekommen.
    Das Schlimme finde ich diese Pauschalverurteilung – es ist immer UNSER Fehler, auch wenn es der Arzt falsch aufgeschrieben hat oder der Austausch wegen Rabattverträgen erfolgt oder der Hersteller Lieferprobleme hat oder oder oder. Dagegen ist man so machtlos, auch wenn man sich den Mund fusselig redet und erklärt und erklärt.
    Haften bleibt bei ihm und den zufälligen Zuhörern: Bei UNS gibt es Probleme. Argh!

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    1. Und genau das ist das grösste Problem …. dass das dann so breitgetreten wird in der Öffentlichkeit, respektive vor anderen (potentiellen) Kunden.

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  4. Ach, wie herzlich…
    Kenne ich leider auch. Und nicht nur aus dem Café, in dem ich neben dem Studium arbeite. Da sind allerdings vor allem die älteren Damen diejenigen, die sich wie die Königinnen des Stadtteils aufspielen.
    Im realen Leben hatte ich letztens sogar einen Ellbogen in den Nieren, weil ich es gewagt habe mit einem Mann meines alters aus der Straßenbahn auszusteigen bevor die alte Dame einsteigen konnte. Sie quetschte sich dann einfach zwischen uns durch während wir noch keinen halb in der Bahn waren und teilte mit ihren Ellenbogen kräftig nach beiden Seiten aus. Meine Vermutung ist, dass sie andersrum die erste ist, die sich lautstark mit einem „erst aussteigen lassen“ beschwert.

    Aber natürlich bleiben einem die Negativbeispiele immer viel besser und dominanter in Erinnerung. Daher lehne ich mich mal aus dem Fenster und behaupte, dass der Großteil der älteren Mitbürger eigentlich ganz in Ordnung ist.

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    1. Ach, die letzten beiden Sätze brauchst Du nicht nur zu behaupten, das stimmt doch;-) Leider merkt man sich wirklich nur die auffälligen negativen Dinge….

      Meine Ausbilderin pflegte immer zu sagen: Es ist nicht Deine/unsere Schuld, das dieser schlechtgelaunte Kunde schlecht geschlafen hat, Stress mit der Ehefrau bzw. dem Ehemann hatte oder aus sonstigen Gründen so unfreundlich ist.

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      1. Wenn ich irgendetwas, was ich auf der Arbeit erlebe, persönlich nehmen würde, dann hätte ich schon länger weinend gekündigt. Eher bin ich immer diejenige, die sich um Leute kümmern darf die in unsere Einfahrt pinkeln, meine Kolleginnen dumm anmachen, sich wie wer weiß wer aufspielen…
        Gute Tat des Tages: Heute einen Alki agressiv werdenden Alki entfernt.
        Und im Hinterkopf immer behalten: Das ist alles nicht mein Problem.

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  5. Ja, das kenn‘ ich…

    Ein kleines Beispielchen:

    Ein älterer Herr steht am Samstagnachmittag in der Apotheke und WILL von seinem Rezept Nexium…
    Die Pharma sucht… und findet den Kunden weder unter seinem Namen noch unter seinem Geburtsdatum noch sonst wie… Ergo: er war noch nie mit einem Rezept bei uns um etwas zu beziehen.
    Doch der ältere Herr will das nicht akzeptieren… Er komme immer UND: er könne es beweisen! Dann holt er eine leere Nexium-Schachtel aus der Manteltasche und sagt: „Da! Die habe ich von euch!“
    Bei näherem Betrachten der Schachtel fällt mir die Dosierungs-Etikette auf; sie ist von der „XY-Apotheke in Irgendwo-Anders“. Aha!
    Ich weise den Herren darauf hin, dass er das Medikament eben NICHT von uns haben kann – da es von einer anderen Apotheke angeschrieben worden ist.
    Jetzt wird der Herr lauter. Er beharrt immer noch darauf, das Medikament von uns bezogen zu haben; er wisse es genau, da er es das erste Mal bezogen habe! (Eine 98er Schachtel?!?)
    Als ich ihn frage, woher wir denn eine Etikette der XY-Apotheke haben sollen, meint er nur lapidar: „Keine Ahnung warum ihr hier so ein Durcheinander habt!?! Das ist ja auch nicht mein Problem!“

    Was sollte ich dazu noch sagen? :-D

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    1. *Baff* … nicht mal mit schriftlichem Beweis kommt die Tatsache an. Es könnte ja sein, dass ihr Etiketten von anderen Apotheken auf eure Medikamente klebt.
      Neee.

      Es gäbe aber eine Lösung, wenn man so schon seine wirkliche Apotheke weiss: dort anrufen, dass sie einem das Dauerrezept übermitteln (und am besten gleich noch die Krankenkassendaten) … und das Nexium dann ungeniert abgeben.

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      1. Gute Idee. Dann läuft er das nächste Mal in seine alte Apotheke und dort geht das Spiel von vorne los. Wenn sich beide Apotheken absprechen, könnte das richtig lustig werden. :-)

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  6. Hat wohl weniger mit dem Alter zu tun, unfreundliche, egoistische, uneinsichtige Mitmenschen gibt es wohl jeden Alters und Geschlechts. Psychopharmaka spielen dann wohl auch eine Rolle. Eben vorhin hat mich ein Typ in meinem Alter, immer mit blickdichter Sonnenbrille und sturen Schrittes unterwegs, er ist mir schon mehrmals aufgefallen, angerempelt um mir dann die Leviten zu schreien, dass wir hier nicht auf dem Eishockeyfeld seien … der Typ hat sich komplett enerviert und ich habe mich echt gefragt ob ich ihm eine kleben solle, irgendwie hat er es darauf angelegt. Da ich aber eigentlich ein freundlicher Zeitgenosse bin, habe ich davon abgelassen und ihn lediglich einen „Krisenmenschen“ tituliert … unter dem Applaus der rundum Anwesenden. Er ist mir ja schon mehrmals aufgefallen und meine Vermutung war richtig, dem hats ins Hirn geschneit und ich vermute das im wahrsten Sinne des Wortes … zuviel Schnee kolumbianischer Art macht einfach Irre oder wars nun doch Ritalin … mmmhhh ist ja eh fast dasselbe ;-)

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  7. Bei solchen Kunden einfach locker bleiben und gaaaaanz freundlich lächeln. Manche sind einfach nur ignorant. Aufregen hilft da nicht wirklich, ist eher kontraproduktiv.

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  8. „Er hat sich nicht entschuldigt.“
    sorry, aber da fällt mir nur der Begriff, der die Umgebung des Darmsuaganges beschreibt, ein!

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  9. Wieso auch entschuldigen – Schuld ist eh die Frau, die ihren Mann mit so unpräzisen Anweisungen losläßt.

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  10. Habe auch mal im Einzelhandel gearbeitet – Spielwarenverkauf ! Irgendwie macht es kein Unterschied, ob Pharma oder Spielwaren. Die Kunden scheinen sich sehr zu ähneln von den Fragen, von dem Auftreten, wenn sie im unrecht sind und von der damit verbundenen Unfreundlichkeit.

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