Ich brauche das dann doch nicht.

Gestern hat eine Mutter versucht, das Medikament für ihren erwachsenen Sohn zu retournieren. Sie hat das Medikament für ihn vor etwa einer Woche auf Rezept vom Arzt bezogen – und meine Kollegin erinnert sich noch an die Diskussion dabei:

Mutter: „Ist das zum Schlafen?“

Pharmaassistentin (PA): „Das ist ein Mittel gegen Depressionen. Es könnte aber gut sein, dass ihr Sohn damit besser schläft.“

Mutter: „Das muss man vor dem Schlafen nehmen, oder?“

PA: „Nein. Der Arzt hat auch aufgeschrieben: 1 Tablette morgens. Sehen sie? Ich habe es ihnen auch so aufgeschrieben.“

Mutter: „Das macht nicht müde?“

PA: „Vielleicht etwas. Aber es ist kein Schlafmittel!“

Mutter: „Okay.“

Das wäre jetzt der Moment, wo sie sagen könnte: Ich nehme es doch nicht. Ich bespreche es noch einmal mit meinem Arzt / Sohn … Aber: sie nimmt es mit.

Und heute steht sie wieder da:

Mutter: „Das ist nicht das, was wir wollten. Wir wollten nur ein Mittel zum Schlafen.“

PA: „Ja – und ich habe es ihnen das letzte Mal erklärt, dass es das nicht ist.“

Mutter: „Nehmen sie es zurück.“

Die Pharmaassistentin holt mich dazu und erklärt mir rasch, was bisher war.

Pharmama: „Ich kann es für sie entsorgen, zurücknehmen kann ich es nicht.“

Mutter: „Weshalb nicht?“

Pharmama: „Weil Medikamente, wenn sie einmal abgegeben worden sind aus rechtlichen Gründen nicht zurückgenommen werden können. Sie hätten sicher auch keine Freude daran, wenn ich ihnen etwas verkaufe, das jemand anderes schon zu Hause oder in der Handtasche oder sonstwo gehabt hat.“

(Was ich nicht sagt: mit dem Mittel kann fast alles passiert sein – wir haben keine Kontrolle über die Lagerbedingungen mehr.)

Mutter: „Aber was mache ich dann damit? Wir wollen es nicht.“

Pharmama: „Sie können es mir geben zum entsorgen.“

Mutter: „Sie werfen es weg?“

Pharmama: „Ja.“

Mutter: „Bekomme ich dafür ein anderes Mittel?“

Pharmama: „Sie meinen ein Schlafmittel?“

Mutter: „Ja.“

Pharmama: „Dafür sollten sie vielleicht noch einmal Kontakt mit dem Arzt aufnehmen. Ich denke schon, dass er einen Grund hat, dass er das hier verschrieben hat und nicht einfach ein Schlafmittel.“

Die Mutter schaut das Medikament zweifelnd an.

Mutter: „Ich nehme es noch einmal mit und bespreche das mit meinem Sohn.“

Nein, ich habe nicht viel Hoffnung, dass er es nimmt.

19 Kommentare zu „Ich brauche das dann doch nicht.

  1. Sohn zum Arzt: „Ich kann verdammt schlecht schlafen.“

    Arzt: „Was genau ist Ihr Problem? Können Sie unserem Gesundheitswesen zu Liebe eine Diagnose stellen?“

    Sohn: „Ich bin komplett antriebslos, irgendwie fühle ich gar nichts mehr. Nichts von mir scheint noch mit meiner Umwelt verbunden zu sein. Keine Freude, kein Ärger, nicht mal Trauer.“

    Arzt: „Ich verschreibe Ihnen ein Mittel, das Ihnen hilft. Nehmen Sie es jeden Morgen.“

    Sohn: „Dinke, danke!“

    Arzt: „Bitte, batte!“

    Mutter kommt mit dem Rezept vorbei… und der Rest der Geschichte steht in den Büchern von Pharmama.

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      1. Man sagt ja: „Gesund ist, wer gut schlafen kann.“

        So verstehe ich eine allfällige Symptombehandlung durchaus… aber manchmal wissen Eltern sehr genau, worunter ihre Kinder leiden. Und sind dann davon nicht abzubringen. ;)

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  2. An der Stelle würde ich u.U. darum bitten, daß der Sohn selbst vorbeikommt…
    wie ist das eigentlich, wenn jemand mit einem Rezept hereinschneit, das nicht auf ihn selbst ausgestellt ist?

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    1. Nun, ich muss die Person identifizieren, für die das Rezept ausgestellt ist. Wenn die Mutter (gleicher Name) aber mit der Krankenkassenkarte des Sohnes kommt – und alle Info hat, die ich brauche, dann bekommt sie das Medikament genau so, wie der Sohn. Immerhin kann ich davon ausgehen, dass sie ihn seinem Auftrag unterwegs ist.
      Aber Du hast recht: es wäre viel besser, wenn der Sohn das holen kommen würde.
      … ich frage mich bei so etwas auch immer: was steckt da alles dahinter?

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      1. Vor allem kann ja die apothekarische Beratung genausowenig wie die ärztliche Untersuchung auf dem Umweg über die Mutter erfolgen; wenn Unstimmigkeiten über das Medikament bestehen, MUSS er selbst hören, wozu es gut ist, und ggfs. auch selbst mit seinem Arzt drüber sprechen.

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  3. Ähm also ich habe, als ich tierische Schlafstörungen hatte, auch ein Antidepressivum vom Arzt aufgeschrieben bekommen, allerdings eins, das müde macht. Ich sollte das dann eine halbe Stunde vorm zu Bett gehen nehmen und es hat wunderbar funktioniert. Nach 3 Tagen hab ich es wieder abgesetzt und konnte auch weiterhin seelig schlafen. Vielleicht hatte der Arzt also einfach das falsche (eins das nicht allzu müde macht) aufgeschrieben.. oder oder oder.. steckt man ja nicht drin.

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    1. Vielleicht hat der Arzt das aber auch ganz bewusst so gewählt, und dieses Schlafproblem war einfach ein ganz anderes als das des Sohnes?

      Man beachte meinen Verzicht auf das SZ. Ich versuche mich langsam an den schweizer Blog zu gewöhnen, schaffe es aber nicht immer… ;-)

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      1. Mag sein – ich schrieb ja „vielleicht“. Ich weiß ja nicht, was genau er für Schlafprobleme hatte. Bei mir waren es Einschlafprobleme, ich lag stundenlang wach im Bett, manchmal die ganze Nacht. Ich wollte damit nur deutlich machen, dass ein Antidepressivum nicht zwangsläufig nur bei Depressionen verschrieben wird, sondern auch gerne mal als Schlafmittelersatz genommen wird.

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  4. Leider kommt es immer wieder vor, dass Angehörige Einfluss gegenüber Patienten nehmen, die sich in psychiatrischer/neurologischer Behandlung befinden. Normalerweise deshalb, weil man in der Presse über diese „Psychopharmaka“ immer nur schlimmes liest und hört – schlimme Nebenwirkungen, schlimme Wirkungen, Todesfälle usw. Das finde ich deshalb schade, da diese Angehörigen meist nicht nur „keine Ahnung vom Fach“ haben, sondern bei den Behandlungen (natürlich) nicht anwesend sind, und so die Sinnhaftigkeit der Therapie nicht verstehen (können).

    Dadurch werden nicht nur ein Haufen unnötige Kosten im Gesundheitwesen produziert, es werden leider auch Patienten einer sinnhaften Therapie entzogen, mit allen Konsequenzen, die das auf lange Sicht für die Patienten haben kann. (Und wenn etwas „schlimmes“ passiert, sind es meist genau diese Angehörigen, die dann feststellen: Niemand hat die Vorzeichen gesehen! Niemand hat reagiert oder gar adäquat geholfen!“)

    DIe Frage stellt sich natürlich, wie alt der Sohn ist. Ist er noch nicht volljährig, kann er sich schlecht Mutties Einfluss entziehen – dann sollte aber der Arzt ein Gespräch mit Mutti suchen. Ist er bereits volljährig, sollte er sich überlegen, die Hilfe eines ambulanten Therapiezentrums zu nutzen, so er denn kann. Auf diese Weise ist Mutti dann (wahrscheinlich zum Besten aller) außen vor.

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    1. Naja da steht ja „erwachsener Sohn“. Allerdings halte ich die Verordnung von sedirenden AD zur Einnahme morgens meistens für kritisch, sofern der Patient nicht über deutliche psychomotorische Unruhe klagt. Das kapieren aber zumindest hier in D auch viele Hausärzte eben nicht und wenn man – also ich – als Psychotherapeut dann mit denen in Kontakt tritt fühlen die sich gleich auf den Schlips getreten. Klar, bei ihnen sitzt der Patient ja nicht einmal die Woche eine Stunde und beklagt sich darüber, dass er seit er die Tabletten vom Arzt nimmt morgens gar nicht mehr hochkommt, weil die Sedierung prima mit einem nicht abgeklungenen Morgentief interagiert.
      Und nein, mein Anliegen war da nie „absetzen“ sondern „abends einnehmen.“ Kann doch nicht so schwer sein, Amitriptylin oder Mirtazapin eben abends zu verordnen.
      (Wobei die Verordnungspraxis von AD in D in 90 von 100 Fällen eh nicht leitliniengerecht ist seit sogar in der S3 steht, das leichte Depression keine Indikation dafür ist…)
      Grundsätzlich würde ich aber zum Schlafanstoß selber aber auch lieber zu einem AD greifen als zu irgendeiner Alternative aus der „Nicht abhängig machende Benzoalternative!!!“ Ecke. Ich kann nämlich auf Abhängigkeitsprobleme verzichten.
      Ist in der Schweiz eigentlich Schlafstörung eine Indikation für AD? Bei uns wäre das ja genaugenommen Off Label, außer man diagnostiziert aufgrund der Schlafstörungen dann doch gleich eine Depression. Trifft ja häufig genug auch tatsächlich zu.

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    1. Mit Verlaub, aber das ist es tatsächlich nicht zwangsläufig. Und so richtig witzig ist es nicht, wenn du von Psychodoc zu Psychodoc rennst(was mit Depressionen mehr als anstrengend ist) und die dich wegschicken, weil du doch prima schlafen kannst(ich war schon immer ein Murmeltier. Ich bin auch schon mal im Sitzen eingeschlafen, als ich dabei war meine Socken auszuziehen…) und dich auch nicht umbringen willst. Also eins von beidem müsstest du schon haben, sonst könnte man dich nicht therapieren. Lief letztlich darauf hinaus, dass ich bezüglich der suizidalen Absichten gelogen habe beim Hausarzt(die mich übrigens auch vorher ernst nahm, aber eben keine Psychotante ist) und dann problemlos und erfolgreich therapiert werden konnte. Auch wenn meine Therapeutin immer wieder betonte, dass ich eigentlich schlecht schlafen müsste. Habe ich auch in der Nacht nach den Sitzungen. Für meine Verhältnisse zumindest. Ich konnte im Bett lesen ohne dass mir die Augen sofort zufielen, sondern erst nach ein paar Seiten und unruhiger war der Schlaf in den Nächten auch.

      Wenn ich nicht ganz rational gewusst hätte, dass Depressionen eine Krankheit sind, die man wie eine Grippe oder ein gebrochenes Bein behandeln kann, vielleicht hätte ich dann diese suizidalen Absichten auch tatsächlich gehabt. Und glücklich bin ich mit der Lüge auch nicht. Mir blieb aber einfach nichts mehr übrig.

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      1. Das sollte nicht heißen, dass es ein zwingendes Hauptsymptom ist! Eine Depression ist so symptomreich, dass man einfach nicht sagen kann „du musst das und das haben“! Allg. spricht man zwar davon, dass Schlafprobleme bei einer Depression häufig sind (zu wenig aber auch zu viel Schlaf) aber es MUSS nicht sein, genauso wenig wie die suizidalen Gedanken. Ob du den richtigen Therapeut durch deine Lüge gefunden hast musst du für dich wissen, mir kommt das auf jeden Fall ziemlich fahrlässig von deinen Therapeuten vor eine Erkrankung so sehr auf zwei Symptome zu reduzieren (und der Rest ist dann vermutlich unter ferner liefen im Gerhin verpackt.)

        Tut mir Leid wenn es so rüberkam!

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        1. Ich hab es ihr in der letzten Sitzung gebeichtet. Sie war kurz sehr wütend und dann meinte sie, dass sie mich ansonsten aber auch weniger ernst geommen hätte am Anfang. Ich bin halt sehr verkopft und verhalte mich deshalb in sehr emotionalen Situationen halt anders, als andere. Deswegen leide(oder freue oder ärgere oder …) ich ja aber nicht weniger. Wenn man mich nicht (gut) kennt, ist es einfach wahnsinnig schwierig hinter diese rationale Wand zu gucken. Und ich glaube schon, dass sie für mich die richtige Therapeutin war. Ich bin nicht mehr ganz so schlimm verkopft und ich weine mittlerweile sogar, wenn mich etwas belastet. Auf den Gedanken wäre ich früher einfach nicht gekommen. Als ich das erste Mal im Leben bei einem Film geweint habe, ist mein Freund aufgesprungen und hat ein Freudentänzchen gemacht, weil er ein sehr emotionaler Mensch ist und sooo oft an mir verzweifelt ist deswegen. Und mir geht es auch Jahre später heute noch ganz ausgezeichnet. Schlafen tu ich immernoch wie ein Stein. Weder zuviel, noch zu wenig, aber halt sehr schnell und sehr tief.

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      2. Ähm versteh ich das richtig, eine Depressionsbehandlung wurde abgelehnt wegen fehlender Schlafstörungen?
        Wie gaga ist das denn… Da kann wohl jemand seine DIagnosekriterien nicht. Gut dass Sie dennoch in adäquate Behandlung gelangt sind. Geht ja leider zunehmend schwerer.

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        1. Nicht wegen fehlender Schlafstörungen an und für sich(die hab ich ja so gesehen schon, aber schon immer und seit Generationen vererbt und nicht unbedingt negativ). Aber ich hab halt keine Einschlafhemmung oder wie das heißt und keine Durchschlafstörungen und die müsste ich wegen der Grübelei doch haben. Würde ich nicht grübeln, hätte ich ja Selbstmordgedanken. Und das durfte ich mir nicht nur einmal anhören. Wenn man bis dahin noch nicht bekloppt ist, wird man es. Ernsthaft. Hätte ich an „Stammärzten“ nicht so verdammt kompetente und engagierte Exemplare, ich hätte ernsthaft an der Medizinerzunft gezweifelt. Man fühlt sich echt verscheissert und das auf allerhöchstem Niveau.

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  5. Klingt erst mal kompliziert und kapriziös. Aber vielleicht ist die Abneigung gegen Antidepressiva sogar berechtigt? Als ich Schlafprobleme hatte, hatte ich ein Schilddrüsenproblem, das der Internist übersehen hatte. Man kann sowohl in der Unterfunktion als auch Überfunktion schlecht schlafen.

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