Am gleichen Tag – 3 verschiedene Kunden, die wohl dachten, dass wir sowas wie eine Bank sind. Nur halt noch mit Medikamenten, nicht nur mit Geld.
Vorausschickend: Ich gebe Geld zurück und versuche generell grosszügig zu sein unseren Kunden gegenüber. Wenn die Packung die abgegeben wurde ein zu kurzes Verfalldatum hat, bevor sie bei normaler Anwendung aufgebraucht ist, bekommt der Kunde eine neue. Falsch gekauft und ungeöffnet retour am selben Tag? Kein Problem. Gestern doppelt gekauft (gleichzeitig vom Mann und der Frau in verschiedenen Apotheken?) – Geld zurück gegen unser Präparat. Manche von den Sachen kann ich nicht mehr weiterverkaufen (auch nach der Quarantäne in die wir sie legen), aber eben: wir versuchen grosszügig zu sein. Es hat einfach Grenzen.
Kundin 1:
Neukunden mit Kundenkarte bekommen bei uns einen Willkommensgutschein für eine Handcreme im Wert von X Franken.
Kundin mit dem Willkommensgutschein wedelnd: „Kann ich den Gutschein von allem abziehen?“
Äh – nein, das ist ein Gutschein für eine gratis Handcreme. Aber Sie können, wenn Sie keine Handcreme möchten, auch ersatzweise eine Fusscreme oder ein Duschgel der Marke (im selben Preissegment) haben?
Kundin 2:
Patientin, der wir ausnahmsweise direkt mit dem Sozialamt abrechnen, da die Assura Krankenkasse (die sie hat) bei ihr keine Forderungsabtretung erlaubt (eben weil das Sozialamt die Rechnungen für sie verwaltet): „Ich habe vom neuen Rezept ein paar meiner Medikamente in einer anderen Apotheke eingelöst und dort bezahlen müssen. Geben sie mir dafür das Geld zurück, sie können das ja dann dem Sozialamt abrechnen.“
Äh -Nein. Dann können Sie die Rechnung auch selber beim Sozialamt einreichen. Oder die andere Apotheke fragen, ob sie das auch machen. Ernsthaft, ich bin nur ihre Abrechnungsstelle, wenn ich ihre Bezugsquelle bin. Hier nicht. Wir hatten dann auch nicht geschlossen UND die Apotheke ist auch hier in der Nähe.
Kunde 3:
„Was können sie mir als Kompensation für ihre Fehler anbieten?“
Faktisch will der (ältere) Mann das Geld zurück für eine angebrochene Packung Tebofortin 240, ein Ginkgopräparat das seine LAP (Lebensabschnittspartnerin) bei uns gekauft hat.
Offenbar verträgt sie das Mittel nicht, es macht ihr Magenprobleme. Mann: „Das steht auch in der Packungsbeilage. Weshalb hat man ihr das nicht gesagt, als sie es gekauft hat? Das ist doch ihre Aufgabe, darauf aufmerksam zu machen!“
Hmm. Wir können nicht unbedingt bei jedem Medikament alle möglichen Nebenwirkungen, die in der Packungsbeilage aufgelistet sind erwähnen. Mal abgesehen davon, dass wir dann jeweils eine halbe Stunde beschäftigt wären – da stehen ja auch die seltensten Nebenwirkungen drin, einfach, damit die Firma rechtlich abgesichert ist. Wenn ich eine Nebenwirkung explizit erwähne, riskiere ich bei manchen Leuten, dass sie die dann eher bekommen (Noceboeffekt). Also sage ich nur die wichtigen. Magenprobleme sind so häufig bei fast allen, das eher nicht. Beim Ginkgo würde ich eher auf die Blutverdünnung hinweisen.
Mann: „Dann möchte ich von Ihnen gerne wissen, weshalb man es in der Dosierung abgegeben hat? Das gibt es doch auch in niedriger Dosierung. Ein Arzt würde sicher auch nicht grad die hohe geben!“
Nun, ich müsste nachschauen, wer es abgegeben hat, damit ich fragen kann, was genau besprochen wurde, aber grundsätzlich nehmen wir die Dosierung, bei der wir die beste Wirkung für ein Problem erwarten. Das Ginkgo ist auch kein Mittel, das ein- oder aufdosiert werden müsste. Da kann man durchaus mit der hohen Dosierung anfangen, damit man bald etwas an Wirkung sieht.
Mann: „Ja und was die Wirkung angeht: Ich habe gelesen, dass das Ginkgo gar nicht so gut wirkt gegen Gedächtnisprobleme!“
Das ist das Problem, für die sie sie gekauft hat, richtig? Also Ginkgo ist so in etwa das, was wir haben dagegen im Freiverkauf. Alles andere wäre dann via Arzt.
Mann: „Ja – jedenfalls bin ich absolut NICHT zufrieden mit ihrer Beratung. Was können sie mir als Kompensation für ihre Fehler anbieten? “
Ich sehe nicht, wo wir hier einen Fehler gemacht hätten, aber ich nehme ihre Reklamation entgegen und ich kläre ab, was wir machen können. Ich nehme Namen und Adresse auf – er meint: „Sie können ja nachschauen, es wurde bei ihnen gekauft. Wir haben eine gemeinsame Kundenkarte.“ Die Packung lässt er bei uns.
Ich gehe dem später nach. Auch wenn ich keinen Fehler sehe, würde mich interessieren, wie das Gespräch gelaufen ist, vielleicht nicht über 2 Leute, sondern über 1, die Mitarbeiterin, die sie bedient hat. Auf der Kundenkarte sehe ich: Das Mittel wurde vor etwa einem Monat bei uns gekauft. Bei meiner super-Pharmaassistentin Donna. Etwas überrascht bin ich dann, als ich die Historie davor anschaue. Die Frau nimmt das Mittel seit Juni letzten Jahres! Regelmässig. Bis auf einmal letztes Jahr hatte sie immer die hohe Dosierung. Wahrscheinlich hat sie das beim Kauf auch direkt so verlangt – dann sagen wir wirklich nicht mehr alles nochmals dazu. Donna bestätigt das auf Nachfrage. Sie erinnert sich auch nicht, dass die Frau gesagt hätte, sie hätte Probleme mit dem Magen oder dass die Dosierung oder Wirkung nicht gut wären.
Also entweder ist der Mann unzufrieden, dass sie es nimmt und es ist ihm zu teuer? Oder er weiss wirklich nichts und ihr Gedächtnis ist inzwischen so schlecht, dass sie vergessen hat das dem Mann zu sagen?
Als ich mit dem Mann telefoniere, versuche ich das dezent nachzufragen. Ich erkläre ihm also erst einmal, dass es bei weitem nicht das erste Mal war, dass sie das hatte. Das wusste er tatsächlich nicht. Als ich ihn direkt frage, ob sie ihm vielleicht Sorgen macht deswegen, bejaht er dass die Gedächtnisprobleme bei seiner Partnerin schlimmer werden. Sie sei deshalb inzwischen in Abklärung. Wir unterhalten uns (jetzt ohne Vorwürfe viel ruhiger) über die Demenzproblematik und wie das manchmal schleichend schlimmer wird (schwierig zu sehen für die Umgebung und auch uns) und einigen uns darauf, dass er die angebrochene Packung wieder abholt. Am Schluss war das ein richtig gutes Gespräch.
Übrigens: wenn ihr den Verdacht habt, jemand könnte beginnende Demenz haben – der Uhren-Zeichen-Test ist einfach für jeden zu Hause durchzuführen und gibt gute Hinweise.
Manchmal habe ich allerdings schon das Gefühl, die Leute halten uns für die Medikamentenvermietung. Dazu gehört auch die Person, die fand, wir könnten ihre für die Reise gekauften Medikamente (Malarianotfallmedikament etc.) die sie nicht gebraucht hat zurücknehmen und ihr das Geld dafür zurückerstatten.