Fentanyl her! … oder sonst….!

Es erreichen mich aus verschiedenen Apotheken und mindestens einer Arzpraxis die Nachricht, dass jemand versucht an Fentanyl zu kommen – in sehr hoher Dosierung und ohne gültiges Rezept – indem er per mail Druck ausübt. Er zitiert Gesetzesartikel aus dem Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IV), dem Heilmittelgesetzt (HMG), der Betäubungsmittelkontrollverkordnung (BetmKV) und dem Strafgesetzbuch (STGB) … Leider …. ach, ich zeige Euch erst, was der Herr schreibt:

Vorab:Jahresumsatz mit Fentanylpflaster 50’000, wer nicht will, muss nicht.

Guten Tag
Aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen ist mir eine Konsultation nicht möglich, benötige aber dringend Medikamente und Dauer -Rezepte für folgende Medikamente unter Hinweis auf Art. 26 und 26bis IVG, Art. 26 HMG, Art. 41 und 51 Abs. 3 und 52 BetmKV und Art. 112, 113 und 128 STGB  und die Möglichkeit, die bisherigen Medikamente bei der Zurrose verlängern zu lassen oder selbst für drei Monate zu liefern.
Es ist mir  nicht möglich zu diskutieren. Wer mir  nicht hilft, bringt mich in Lebensgefahr, darüber muss nicht diskutiert werden. (abruptes Absetzen Fentanyl)
Die Krankengeschichte will ich auch nicht offen halten wie das andere Reisende auch nicht tun müssen um Medikamente zu bekommen (dh. Sie können sie bei der Zurrose einsehen, ich möchte sie aber nicht per mail herumschicken).
Das Spital hat mich betrogen und ein falsches Betm Rezept ausgestellt und es wollte es im Nachhinein nicht korrigieren und hat mich einfach sitzen gelassen.

Besten Dank im voraus.
Mit freundlichen Grüssen (Name)

Tirosint 125mcg, 1-0-0
Importal 25 Doppelsachet 2xpro Tag
Domperidon 3×1
Optifibre nach Bedarf
Cubitan/Fresubin Protein Energy nach Bedarf
Calcipos D3 1-0-0
Maltofer 0-0-1
Magnesium Diasporal zuckerfrei orange, 50 sticks 1-0-1
Fentanyl TT Schmerzpflaster, alle 48 Stunden, 650mcg (sechshundertfünfzig, kein Witz)
Remeron 30mg 0-0-1
Kompressionsstrümpfe gegen Oedeme in den Unterschenkeln

Angehängt war auch das Rezept als pdf per email.

Nachdem sich verschiedene gemeldet haben, schreibt der Herr aus der Innerschweiz offenbar wahllos Apotheken und auch Ärzte in der Schweiz an. Er möchte die Medikamente gemäss des Rezeptes beziehen, respektive geliefert erhalten – eines davon (das Fentanyl) ist ein Betäubungsmittel in extrem überhöhter Dosierung. Mit der Zitierung verschiedener Gesetzesartikel versucht er Druck auszuüben, damit er zu seinen Medikamenten kommt.

Leider – zitiert er nur die Artikel, die ihm für sein Anliegen passen. Wir unterstehen aber noch ein paar mehr Vorgaben. Im Mail an die Apotheken droht er mit Konsequenzen aufgrund der Verweigerung von Nothilfe. Das entbehrt hier jeder Grundlage – er steht ja dafür nicht einmal in der Apotheke oder beim Arzt selber, sondern schreibt (von weiter her) mails. Ein Arzt vor Ort oder im Spital muss Nothilfe leisten, eine Apotheke zum Beispiel ein Ventolin abgeben, dass lebensretend ist, auch ohne vorhandenes Rezept aber nirgends steht, dass ich verpflichtet bin das zu verschicken.

Ausserdem brauche ich als Apotheke eine Versandhandelsbewilligung, wenn ich Medikamente an Patienten versenden muss (die einzige Ausnahme ist das Nachsenden von Medikamenten an meine Stammpatienten). Offenbar hat er bisher seine Medikamente bei der Zur Rose Versandapotheke bezogen … man fragt sich, weshalb das nicht mehr geht? Oder vielleicht frage ich mich besser nicht.

Ärzte müssen vor Ausstellen eines Rezeptes den Patienten gesehen und untersucht haben. Auf so ein mail ein Rezept auszustellen (und grad noch ein Dauerrezept) wäre fast schon ein Kunstfehler und illegal sowieso. Er scheint aber auf eine gewisse Gier der Ärzte zu zählen (vor allem der selbstdispensierenden / derjenigen, die nachher via der Zur Rose weiter liefern lassen) … oder wie soll ich die Anfangsbemerkung mit dem Jahresumsatz von Fentanyl verstehen?

Ah – und das Rezept im email des Patienten als pdf. Darüber habe ich schon ein paarmal geschrieben. Rezepte ohne elektronische Signatur des verschreibenden Arztes sind rechtlich gesehen nicht gültig. Ein PDF-Rezept ohne elektronische Signatur kann akzeptiert werden, falls das Rezept direkt von der Praxis an die Apotheke übermittel wird. Bei PDF Rezepten, welche vom Patienten an die Apotheke übermittelt werden, besteht immer das Risiko, dass sie dutzendfach eingelöst werden. Deshalb ist der Einzelfall zu betrachten. Falls es sich um einen Stammkunden handelt und sich die veschriebenen Medikamente soweit schlüssig in die bisherige Therapie einfügen, kann es ebenfalls akzeptiert werden. Ebenfalls denkbar ist, dass ein Kunde sein Rezept als PDF sendet mit der Bitte seine Medikamente bereitzustellen und er dann bei der Abholung der Medikamente das Originalrezept vorlegt. Im Zweifelsfall ist mit dem verschreibenden Arzt Kontakt aufzunehmen.

Das angehängte Rezept hat tatsächlich Fentanyl drauf – aber selbst wenn das Rezept nicht im email, sondern ausgedruckt vorhanden wäre: Fentanyl als Betäubungsmittel braucht ein eigenes, spezielles Rezeptformular (mit zweifachem Durchschlag). Und Assistenzärzte dürfen keine Betäubungsmittelrezepte ausstellen, das braucht die Unterschrift des Oberarztes.

Dann bezweifle ich sehr, dass ein Arzt so etwas einfach „durchwinkt“:

Klebt der sich echt 650 microgramm Fentanyl aufs Mal auf? Acht (8) Pflaster??

Also: falls ihr als Arzt oder Apotheke dieses mail bekommt: ihr müsst gar nichts tun. Vor allem kein (Dauer-)Rezept dafür ausstellen, oder Medikamente verschicken. Der Patient hat ganz sicher diverse medizinische Probleme (nicht zuletzt die Schmerzen), das gehört zuallererst direkt angeschaut von einem Arzt – und wenn er nicht zum Arzt kommt selber, gibt es heute Institutionen, die einen holen kommen. Ausserdem empfehle ich eine Stammapotheke zu suchen, die einen kennt. Die kann einerseits überbrücken, Ausnahmen machen etc. andererseits vielleicht auch schauen, dass das nicht so aus dem Ruder läuft, wie das hier passiert zu sein scheint.

Autsch.

Wurde bisher einfach noch nicht überprüft …

Man lernt ja nie aus … Letztens habe ich (im Zuge meiner Rezept-Ausstellen-Erklärvideos: hier) beim Recherchieren etwas bemerkt. Zolpidem untersteht dem Betäubungsmittelgesetz … aber was ist mit der anderen Z-Substanz, die wir in der Schweiz haben: Zopiclone? Ich finde nix.

Also habe ich beim BAG nachgefragt:

Mir ist aufgefallen, dass in der Betäubungsmittelverzeichnisverordnung https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20101220/index.html#app2 Zopiclone (der Wirkstoff zum Beispiel des Medikamentes Imovane) nicht mehr aufgeführt ist. Als Z-Substanz mit starkem Abhängigkeitspotential analog Zolpidem müsste das eigentlich auch auf der Liste der kontrollierten Substanzen b zu finden sein. Ich vermute einen Fehler? Sollte das nämlich wirklich so sein, dann fällt das starke Schlafmittel (als so ziemlich einziges) nicht mehr unter die Betäubungsmittelkontrollverordnung – und dürfte fast unbegrenzt vom Arzt verschrieben werden.

und folgendes von der swissmedic zur Antwort bekommen:

Wie Sie richtig schreiben ist die Substanz Zopiclone nicht als psychotrope Substanz in der Betäubungsmittelverzeichnisverordnung BetmVV-EDI SR 812.121.11   https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20101220/index.html  aufgeführt. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler, Zopiclone war in der Schweiz noch nie als kontrollierte Substanz gelistet. Auch das International Narcotics Control Board INCB, Organ der UNO betreffend Kontrolle und Listung von narcotic drugs und psychotropic substances hat die Z-Substanz Zopiclone nicht in der „Green List“ der psychotropen Substanzen aufgeführt. Die UN-Vorgaben sind für alle Mitglieder-Länder zwingend. Die World Health Organisation, WHO führt regelmässig Überprüfungen von Substanzen mit Abhängigskeits- und Missbrauchspotential durch und empfiehlt diese, wenn nötig, dem INCB zur Aufnahme in die Liste. Bei Zopiclone hat bis heute unseres Wissens keine solche Überprüfung stattgefunden.

Emmm– WAS? Ist ja der Hammer. Und irgendwie auch nur bürokratischer Unsinn. Aus fachlicher Sicht ist es ziemlich offensichtlich, dass es sich um ein Betäubungsmittel handelt. Und wir haben genügend Abhängige, die das belegen können …

(hier entsetztes Emoticon einfügen)

Rezepte für Betäubungsmittel

Betäubungsmittel wie starke Schmerz- oder Schlaf- und Beruhigungsmittel brauchen spezifische Formulare zum verschreiben und unterstehen (etwas) anderen Vorschriften als normale Rezepte, besonders was die Bezugs- und Anwendungsdauer betrifft.

Hier also Teil 5 der Rezept-Reihe-Erklärvideo:

Betäubungsmittelrezepte sind mit die Rezepte, wo ich in der Apotheke die meisten Fehler sehe. Fehlende Stempel zum Beispiel führen dazu, dass ich ein neues, richtig ausgestelltes Rezept brauche. Der weisse (oder rosarote) Teil alleine reicht nicht für einen Bezug. Fehlende Angabe der Behandlungsdauer – und vor allem der benötigten Menge sind ein weiteres Problem. Mein (selbstdispensierender) Arzt brauchte damals 3 Anläufe, bis er das Rezept, das ich brauchte, richtig ausgestellt hat …

Und den meisten Ärzten scheint es nicht bewusst zu sein, dass Benzodiazepine und Zolpidem ebenfalls unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und es deshalb spezielle Vorschriften gibt, was die Verschreibung betrifft – auch wenn das auf einem normalen Rezept möglich ist. Mal abgesehen davon, dass diese Beruhigungs- und Schlafmittel wirklich nur gezielt und kurz (!) eingesetzt werden sollen (lest mal die Packungsbeilage!) sind Dauerrezepte über 1 Jahr einfach nicht erlaubt!

So, genug Ausrufezeichen … das ist so ein „Pet-Peeve“ von mir, dem ich hiermit auch etwas mehr Aufmerksamkeit verleihen will.

(Todes-)mutige Apothekerin gesucht

Sterbehilfe: sehr kontrovers diskutiertes Thema. Ihr kennt vielleicht EXIT und Dignitas, die zwei grossen Organisationen, die in der Schweiz Sterbehilfe durchführen. Es gibt aber auch kleinere Einrichtungen, wie Lifecircle der Ärztin Erika Preisig in Liestal, Baselland.

Und die hat nun ein grösseres Problem, da sie nicht mehr an das dafür benötigte Mittel Pentobarbital kommt: Nachdem der Kanton gegen sie ein Verfahren angestrebt hat und im Verlauf dessen die Apothekerin der liefernden Apotheke vor Ort abgeführt wurde (!), traut sich offenbar niemand mehr, ihr das Mittel abzugeben.

Ich bin noch immer nicht ganz sicher, weshalb die Ärztin (und die Apotheke mit) angeklagt wurden, aber das Thema ist interessant und beschäftigt vielleicht noch andere.

Sterbehilfe ist in der Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern erlaubt, unterliegt jedoch strenger Vorschriften und den üblichen Gesetzen.

Will das jemand für sich in Anspruch nehmen, muss der behandelnde Arzt prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben sind.

EXIT – die nur Schweizer und Mitglieder in ihrem Verband begleiten, beschreibt die auf ihrer Seite so:

Konkret darf Freitodhilfe gewährt werden, wenn die sterbewillige Person

  • versteht, was sie tut (Urteilsfähigkeit)
  • nicht aus dem Affekt handelt und sämtliche Alternativen zum Freitod erwogen hat (Wohlerwogenheit)
  • einen dauerhaften Sterbewunsch hegt (Konstanz)
  • von Dritten nicht beeinflusst wird (Autonomie)
  • den Suizid eigenhändig ausführt (Tatherrschaft)

EXIT begleitet daher einzig Menschen

  • mit hoffnungsloser Prognose
  • oder mit unerträglichen Beschwerden
  • oder mit unzumutbarer Behinderung

Andere Organisationen wie Dignitas, Ex International, Lifecircle (die Organisation von Dr. Preisig) haben auch Mitglieder in anderen Ländern und schliessen Menschen mit nicht therapierbaren, schweren psychischen Leiden nicht aus.

Da der Prozess ziemlich langwierig ist, wird empfohlen früh der Organisation beizutreten und die Arztunterlagen zu sammeln um den eigenen Fall ausreichend zu dokumentieren. Ausserdem ist die Freitodbegleitung nicht gratis (ausser bei Exit bei langjährigen Mitgliedern) sondern kostet bis zu 10.000 Franken.

Das Mittel mit dem die Sterbehilfe durchgeführt wird ist Natrium-Pentobarbital. Es ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Barbiturate, die früher als Beruhigungs- und Schlafmittel eingesetzt wurden. Da eine Überdosis lebensgefährlich ist und zu einem Atem- und Herzstillstand führen kann, wird es heute beim Menschen nicht mehr eingesetzt.  Es gibt deshalb keine fertigen Tabletten, aber es ist als Substanz von der Apotheke zu beziehen, die es bei spezialisierten Lieferanten erhält. Es fällt unter das Betäubungsmittelgesetz und braucht ein entsprechendes Rezept (dazu unten mehr).

Prinzipiell darf es jede Apotheke auf dieses Rezept abgeben – sie muss es aber nicht: es ist freiwillig. Ich darf eine Abgabe verweigern, zum Beispiel, weil das nicht moralisch für mich vertretbar ist. Eine Pflicht zur Abgabe besteht genau so wenig wie ein Verbot.

Damit aber alles korrekt abläuft, wurden von den Kantonsapothekern ein Positionspapier herausgegeben, die den richtigen Ablauf beschreibt:

  • Der Arzt, der die Voraussetzungen für die Sterbehilfe geprüft hat stellt ein Rezept aus, auf dem die Menge Natriumpentobarbital als Pulver verschrieben ist – zusammen mit dem Vermerk: «Dosis letalis» oder «zur Sterbehilfe».
  • Eine Kopie des Rezeptes wird vom verordnenden Arzt an den Kantonsarzt geschickt.
  • Die Apotheke führt das Rezept aus (wenn sie das will).
  • Die Apotheke nimmt mit dem Arzt Kontakt auf und hält alles schriftlich fest: Bestellung, Herstellung und Abgabe.
  • Das Natriumpentobarbital wird als Pulver üblicherweise in einem Glas-Gefäss von mindestens 100ml geliefert, in dem es dann auch aufgelöst werden kann mit Wasser und dann bereit zur Einnahme ist. Das Gefäss wird angeschrieben: Pentobarbital Natrium, Xg, «Dosis letalis» oder «zur Sterbehilfe» und «Nur für ‘Name’, ‘Vorname’, ‘Geburtsdatum’»
  • Es wird empfohlen das Präparat ausschliesslich direkt dem zuständigen Arzt auszuliefern.
  • Bis zur Abgabe wird das Präparat vollständig gekennzeichnet (Patientenname etc.) unter Verschluss gelagert – zum Beispiel im Betäubungsmittelschrank.
  • Die für einen bestimmten Patienten bereitgestellte Dosis darf nicht für eine andere Person verwendet werden.
  • In Ausnahmefällen kann die Patientin oder der Patient in Absprache mit dem verordnenden Arzt eine Vollmacht zum Bezug und zur Aufbewahrung an eine andere Person erteilen.
  • Die Entsorgung nicht verwendeter Präparate erfolgt durch die zuständige Kantonale Behörde.

Laut den bisherigen Zeitungsberichten (hier oder hier) haben sich sowohl Ärztin als auch Apotheke an die Vorschriften gehalten. Die langjährige Hausärztin Dr. Preisig hat das Mittel immer selber in der Apotheke abgeholt und sie hat es zwar nicht oral verabreicht, sondern Intravenös– der Patient löst jedoch die Infusion eigenhändig aus.

Moniert wird von der swissmedic und dem Kanton, dass alles in der Hand der Ärztin liegt – vor allem der Bezug der tödlichen Substanz. (Was «Grosshandel» wäre, wofür sie eine Bewilligung braucht?). Nach Ansicht der Behörden soll der Patient das Mittel selbst in der Apotheke abholen – oder der Ärztin oder jemandem anderen dafür eine schriftliche Vollmacht ausstellen.

Der Anwalt der Ärztin sieht das allerdings als eher kritisch an: ein Gift, das in einer Menge verschrieben wird, die 2-3 Personen umbringen könnte an den Patienten zu geben. Erweiterter Suizid zum Beispiel bei gleichzeitig dementem Partner wäre da zu befürchten.

Was ich eher denke, was das rechtliche Problem war: die (zwei?) nicht etikettierten Reservedosen, die die Ärztin in der Sterbehilfepraxis hatte. Das ist das einzige, was den Vorschriften widerspricht.

Ansonsten sollte einer weiteren Abgabe des Mittels nichts im Wege stehen – vielleicht findet sich hier eine Apotheke, die sich traut?

Zwei Gesichter der Abhängigkeit (1)

Wir haben in der Apotheke häufiger mit abhängigen Personen zu tun. Ich möchte hier nicht auf die Ursachen eingehen – ausser vielleicht an der Stelle wieder einmal zu sagen: die Personen, die abhängig werden sind nicht ausschliesslich selber Schuld. Die Problematik fängt bei den Substanzen selber an. Die (stark) wirksamen Beruhigungs- und Schlafmittel machen abhängig. Ziemlich schnell. Nicht umsonst steht in der Packungsbeilage:

Wie alle Hypnotika empfiehlt sich XXX nicht zur Langzeitanwendung.

Die Behandlung mit Hypnotika soll so kurz dauern wie möglich und 4 Wochen nicht überschreiten.

Die Einnahme von Sedativa/Hypnotika wie Zolpidem kann zu physischer oder psychischer Abhängigkeit führen. Dieses Risiko vergrössert sich bei längerer Einnahme, hoher Dosierung und entsprechend veranlagten Patienten

In der Fachinformation steht das sehr ausführlich geschrieben. Ebenso steht drin, dass man die Dosis nicht steigern sollte, bei längerer Anwendung eine regelmässige Neubeurteilung stattfinden soll und auch dass es nicht plötzlich abgesetzt werden soll wegen der Entzugserscheinungen.

Mehr als genug Warnungen sollte man denken. Dennoch sind bei mir in der Apotheke (Durchschnittsgrösse würde ich meinen, Quartierapotheke in einer Stadt) mehr Rezepte für Zolpidem und andere Schlaf und Beruhigungsmittel als Dauerrezept ausgestellt statt als einfache Rezepte. Und die sind dann gleich für 6 Monate ausgestellt – viele Ärzte schreiben gar für 12 Monate drauf, aber das ist wegen der gesetzlichen Einschränkung nicht möglich, weshalb ich die auf die maximalen 6 Monate reduziere. Dann „muss“ der Arzt ein neues ausstellen … und ich habe die Hoffnung, dass er den Patient auch wieder ansieht, auch wenn das häufig nicht der Fall ist.

Ansonsten ist es so, dass uns in der Apotheke da eine „Polizei-funktion“ aufgedrängt wurde, die ich wirklich nicht gerne übernehme, aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Da der Arzt das nicht macht, indem er den Patient regelmässig für eine Neuverschreibung des Schlaf- oder Beruhigungsmittels sieht, muss ich in der Apotheke schauen, dass der Patient sein Mittel bekommt UND dass er das richtig nimmt: in dem Fall hier: nicht zu häufig / nicht zu viel. Nicht erleichtert wird mir das, wenn der Arzt dann auf dem Rezept nicht mal draufschreibt wie die Dosierung sein soll – auch das in offensichtlichem Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben. Ich löse das inzwischen für uns so, dass ich die laut Packungsbeilage vorgeschriebene Maximaldosierung annehme. Bezüge, die darunter fallen: ok, wenn es darüber geht, dann wird reagiert.

Wir reagieren … mit einem Stufenplan. In Jahren erarbeitet und getestet (vielleicht macht Ihr das anders in Eurer Apotheke?, wenn ja, würde ich das gerne hören).

Stufe A) Erst mal, indem wir den Patienten wieder darauf aufmerksam machen, für was das Medikament ist, dass man es eigentlich nicht regelmässig nehmen sollte (beides zumindest schon bei der Erstabgabe gesagt, auch wenn sich viele nicht mehr daran erinnern wollen),

Stufe B) Dass die empfohlene Dosierung 1 pro Tag ist (bei Bedarf zu nehmen),

Stufe C) Dann dass sie das nicht von sich aus steigern sollen,

Stufe D) Dann dass sie zu früh dran sind für ihren Bezug,

Stufe E) Dann dass wir wegen erneutem frühen Bezug den Arzt informieren,

Stufe F) Dann dass sie die nächste Packung erst ab dem (Datum) beziehen dürfen,

Stufe G) Dann dass sie die Packung jetzt nicht bekommen und erst ein neues Rezept vom Arzt bringen müssen …

Man kann sich vorstellen, wie unangenehm das für uns ist und wie nervig das für die Patienten wird. Mir persönlich wäre es da ja lieb, wenn da wirklich einmal ein Verbot durchgesetzt würde, dass nicht mehr als die 4 Wochen verschrieben werden darf – und das jedes Mal ein neues Rezept braucht. Vielleicht würden dann die Ärzte auch merken, was sie da mit diesen Verschreibungen teils „anrichten“. So bekommen sie das im Idealfall (für sie) nur alle 6 Monate mit, wenn sie ein Telefon vom Patienten bekommen, dass sie ein Fax in die Apotheke schicken sollen mit einem neuen Dauerrezept … Oder vielleicht etwas vorher, wenn wir jemanden haben, der die obigen Stufen schon alle durchhat und der dann erbost in der Praxis anruft, dass die böse Apothekerin ihnen das Medikament verweigert.

Ich weiss nicht, was sie dem Arzt sonst noch erzählen, aber mir persönlich reicht, was sie bei uns zu so Gelegenheiten sagen. Dazu 2 Beispiele, die ich morgen und übermorgen bringe.

Dialoge aus der Apotheke / 3

apodialog5

Nein. Einfach: Nein.

Apo: „Entschuldigung, aber ich kann Ihr Rezept für Ritalin so nicht ausführen.“

Pat: „Was? Weshalb nicht?“

Apo: „Der Arzt hat vergessen zu unterschreiben.“

Pat: „Haben Sie mir einen Stift?“

Nochmals: ein Rezept ist eine Urkunde. Sie darf nicht einfach so verändert (und auch nicht ergänzt) werden. Die Unterschrift des Arztes ist ausserdem zwingend auf dem Rezept notwendig.  Bei so etwas oben, würde ich direkt beim Arzt ein neues Rezept (per Post bitte) verlangen und es nicht zurückgeben – ansonsten versucht der Schlaumeier das doch noch selber anzubringen.