Doktor „Spiele“

Probleme mit Ärzten oder Praxen haben wir selten, aber doch immer mal wieder. Unangenehmerweise diesmal mit einem Arzt ziemlich in der Nähe.

In der Schweiz gibt uns das HMG die Möglichkeit Rezepte zu verlängern … also zum Beispiel bei einem einmaligen Rezept eine Wiederholung zu machen (wenn es nicht grad Liste A oder ein Betäubungsmittel ist). Oder ein Dauerrezept zu verlängern – um maximal 1 Jahr tatsächlich. Bei uns in der Apotheke machen wir von diesen Möglichkeiten Gebrauch, aber mit Augenmerk. Zum einen weil ich überzeugt bin, dass es sinnvoll ist, wenn der Arzt den Patienten zumindest einmal im Jahr sieht (ja, auch bei chronischen Sachen)  und zum anderen, weil ich der Meinung bin, das der Patient selber für seine Gesundheit Verantwortung übernehmen sollte – und dazu gehört auch, beim Arzt vorbeizuschauen und neue Rezepte zu organisieren. Auf Wunsch und Möglichkeit besorgen wir natürlich Rezepte beim Arzt oder machen Vorbezüge. Aber … da ist dieser eine Arzt und der hat einige Patienten, denen er einfach keine Dauerrezepte ausstellt. WIr haben ausserdem gelernt, dass wir bei ihm keinerlei Vorbezüge mehr für die Patienten machen. Nicht einmal mehr nach telefonischer Rückfrage vorher bei der Praxis … das nachdem uns der Arzt geweigert hat ein Rezept auszustellen und sich beklagt hat, dass seine Praxisassistentin (die wir am Telefon hatten) gar nicht das Recht gehabt hatte das zuzusagen. Das habe nur er und er geht nicht ans Telefon, wenn er Patienten hat.

Das ist ausserdem genau die Praxis, die es regelmässig nicht schafft, uns ein Rezept zukommen zu lassen. Wir sind dafür erreichbar via Fax (ja, immer noch) und via E-Mail, wenn man es nicht per Post (kostet) oder von Hand (persönlich) rüberschicken will. An was das liegt habe ich noch nicht herausgefunden. Unser Faxgerät und E-mail funktionieren. Die restlichen Ärzte, Spitäler und die Spitex schaffen es uns zu kontaktieren … aber diese eine Praxis nicht. Unser Fax ginge nicht. Das gesendete email kommt nicht an. Immer wieder. Dass sie es gelegentlich an eine falsche E-Mail Adresse schicken wissen wir, weil wir bei unserem technischen Dienst angefragt haben, wo das Problem liegen könnte (irgendwie können die das feststellen). Ich habe der Praxis auch schon mails geschrieben mit der Bitte um Antwort auf diese Adresse und auch der Angabe der Faxnummer. Das Antwortmail kam, das Fax nicht (zuviel Aufwand offenbar). Beim letzten Mal hat es nach 5 Tagen hin und her mit der Patientin dann endlich geklappt, nachdem wir angerufen und unsere E-Mail-Adresse buchstabiert (!) haben. Interessanterweise ist das Rezept für ihren Mann am ersten Tag angekommen, einfach ihres nicht (mehr), trotz Nachfragen von uns und ihr.

So. Nach der Vorgeschichte jetzt zur Story, weshalb ich mich dank der Praxis habe anschreien lassen von einem Patienten.

Er hat erst mal seine Frau vorgeschickt, um etwas abholen zu lassen. Weil sie meiner Kollegin nicht glaubte habe ich es ihr noch einmal erklärt: Für das Mittel, das der Mann will hat er kein Rezept mehr. Der Arzt hat (obwohl der Patient es regelmässig braucht) kein Dauerrezept ausgestellt. Ich habe schon eine Wiederholung auf das letzte, einmalige Rezept gemacht. Bei diesem Arzt (ja, dem von oben) kann ich keine Vorbezüge machen. Bitte nehmen Sie selber mit dem Arzt Kontakt auf damit er uns ein Rezept schickt. Hier ist unsere Karte. Nein, da kann ich es nicht verlangen, das müssen Sie tun.

Erstaunlicherweise bekommen wir das Rezept schon nach einer knappen halben Stunde zugemailt von der Praxis. Mit dem gewünschten Medikament. Es ist wieder kein Dauerrezept. Tatsächlich steht sogar NR (nicht repetieren) drauf.

Ich bin grad dabei es auszuführen, als der Mann in die Apotheke stapft (wütend?). Ohne Maske. Meine Kollegin gibt ihm eine Maske und er fängt schon laut an, wo sein Medikament bleibt, was für eine Frechheit es sei, dass er sein Mittel hier nicht einfach bekommt, immerhin habe er ein Rezept …

Ich drücke der Kollegin das Mittel in die Hand und sage ihr nur, dass sie ihn darauf hinweisen soll, dass das kein Dauerrezept ist, ansonsten haben wir das nächste Mal wieder dasselbe Problem.

Oh boy – Das wollte er gar nicht hören. Der Grundtenor war, dass wir eine miese Apotheke sind, weil wir ihm sein Mittel vorenthalten wollen. Er wird so laut, dass schliesslich ich nach vorne gehe und versuche ihm das zu erklären. Nämlich, dass faktisch nicht wir es sind, die ihm das Mittel vorenthalten, sondern sein Arzt. Klar kann ich ihm eine Kopie des Rezeptes geben. Da steht halt immer noch nicht drauf, dass es ein Dauerrezept ist (weil es keines IST, im Gegenteil: NR) und es ist vermerkt, dass das Mittel schon abgegeben wurde.

Irgendetwas scheint aber doch angekommen zu sein von dem was ich gesagt habe (in wesentlich niedrigerer Lautstärke als er), denn zum Abschluss meinte er nur „OB ich ihm da etwa vorschlage, dass er den Arzt wechselt?!“

Naja, das oder die Apotheke – aber auf das Theater kann ich echt verzichten.

Ganz Cool: Nachdem ich mich zurückgezogen habe und er noch ein paar letzte Worte loswerden musste bei der Kollegin fragt er sie, wie der Chef hier heisst (wohl um sich zu beschweren). Meint sie: „Das ist Pharmama, diejenige, die sie vorhin so angegangen sind.“

… Denkpause. Dann: „Na, das ist dann Euer Verlust.“ Abgang.

Sehe ich anders.

Über den Beruf Apotheker in DACH – Teil 6: Umgang mit rezeptpflichtigen Medikamenten

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Umgang mit rezeptpflichtigen Medikamenten: Sind Mehrfachabgaben oder ein Bezug ohne Rezept möglich?

Das erscheint mir einer der auffälligsten Unterschiede in den verschiedenen Gesundheitssystemen. Im Prinzip lässt es sich auf „Wieviel Kompetenz / Verantwortung hat der Apotheker?“ herunterbrechen. Medikamente werden nicht ohne Grund als rezeptpflichtig eingeteilt – es geht dabei nicht immer um den Inhaltsstoff und dessen Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen, sondern auch um die Indikation, also: für was man etwas braucht. Und während die Diagnose klar in ärztliche Hand gehört, wird das bei weiterführender Therapie unterschiedlich gehandhabt, wer das jetzt macht, respektive wie lange therapiert wird, ohne dass der Patient den Arzt sieht.

CH: Dauerrezepte sind in der Schweiz möglich und häufig – sie müssen vom Arzt entsprechend gekennzeichnet werden. Damit sind Bezüge (auch via Krankenkasse abrechnenbar) bis maximal 1 Jahr nach dem Ausstellen möglich. Es gibt Medikamente mit Limitationen: Einschränkungen in der Dauer und welche Menge übernommen wird von der Krankenkasse. Aber auch ohne Dauerrezept-Vermerk darf die Apotheke (ausser bei Liste A Medikamenten und Vermerk „ne repetatur“ NR) innerhalb von einem Jahr nach Ausstellungsdatum einmalig eine Wiederholung auf ein bestehendes Rezept machen und auch das wird von der Krankenkasse übernommen.

Fall (noch) kein Rezept für ein Medikament vorliegt, liegt es hier in der Verantwortung des Apothekers zu entscheiden, ob eine Abgabe möglich ist. Im Gesetz ist ausdrücklich eine „Abgabe im Ausnahmefall“ erlaubt. Sie muss nach entsprechender Abklärung durch den Apotheker mit entsprechender Kompetenz erfolgen und dokumentiert werden. Meist handelt es sich hier auch um die Weiterführung einer bestehenden Therapie. Normalerweise wird durch den Patienten für den Vorbezug ein Rezept nachgereicht, auch damit das Mittel der Krankenkasse verrechnet werden kann.

 

D: In Deutschland gibt es keine Dauerrezepte bei den von der Krankenkasse übernommenen Rezepten. Ausnahmen sind möglich bei den Privatrezepten, die von den Patienten selber bezahlt werden. Die „Haltbarkeit“ eines Privatrezeptes legt der Arzt fest.

Die Abgabe von rezeptpflichtigen Medikamenten ohne Rezept ist gesetzlich verboten. Auch als Vorbezug und auch im Notfall ist das nicht möglich. Apotheker, die das trotzdem machen, machen sich strafbar. Es braucht deshalb immer ein Original-Rezept. Keine Kopie und kein Fax. Eventuell kann ein Medikament auf Faxrezept abgegeben werden, wenn das Originalrezept am nächsten Tag nachgereicht wird.

 

Ö: Wenn die Krankenkasse in Österreich das Rezept bezahlt, darf es nur einmal eingelöst werden. Es muss wieder neu ausgestellt (und bei Bedarf auch bewilligt) werden. Bei Privatrezepten, wo vom Kunden gezahlt wird, können die Medikamente im Normalfall innerhalb eines Jahres 6 Mal bezogen werden (Ausgenommen Suchtgifte und spezielle Medikamente oder der Arzt schreibt ausdrücklich darauf „Ne repetatur“)

Es liegt hier in der Verantwortung des Apothekers Rezeptpflichtiges ohne Rezept abzugeben, allerdings nur in der kleinsten im Handel erhältlichen Packung (siehe Notfallparagraph). Vorbezüge nennt man in Österreich „Einsatz“. Der Apotheker kann die kleinste Packung abgeben und der Patient muss dann ein Rezept „nachbringen

Das wars mit der Miniserie zum Vergleich der Apothekenarbeit in den DACH-Ländern. An der Stelle möchte ich noch einmal  Pharmapro.ch – für die Idee und Unterstützung Danken. Der Artikel kommt (zusammengefasst und mit den Erkenntnissen aus den Kommentaren ergänzt) auch dort.