Immer wieder Stevia

Stevia rebaudiana foliage
Image via Wikipedia

Wie ich letzthin in der Apotheke die Drogen und Chemikalien-Bestellung kontrolliere, fällt mir ein Sack mit einem Kilo Steviablatt auf.

Ich denke: „Was zum Geier …?“ und eile mit dem Sack zu den Bestellzetteln – und tatsächlich: das wurde für einen Kunden bestellt.
Das darf doch nicht wahr sein! Das kommt grad wieder retour.

Wieso? Weil Steviablatt oder –Pulver immer noch keine offizielle Zulassung hat. Ich darf das nicht verkaufen. Dabei wäre das noch etwas gefragtes: eine Pflanze mit natürlicher Süsswirkung.

Zur Kontrolle, ob das auch wirklich so ist, suche ich auf der Seite des Bundesamtes für Gesundheit und werde fündig: (Quelle)

Ist Stevia als Lebensmittel in der Schweiz zugelassen?
Es gilt klar zu unterscheiden zwischen der Steviapflanze und den aus der Steviapflanze gewonnenen Steviol Glykosiden.
Da die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Steviapflanze nicht vollständig belegt ist, dürfen Steviakraut beziehungsweise -blätter nicht als Lebensmittel vermarktet werden. Mit einer Ausnahme: Steviablätter dürfen als Zutat, jedoch nur in sehr kleinen Mengen, in Kräutertees verwendet werden. Ein solcher Kräutertee darf als Mischung maximal 1-2 Prozent Steviablätter enthalten. Mit der generellen Zulassung von Steviablättern beziehungsweise Steviakraut als Lebensmittel ist vorläufig nicht zu rechnen. Wenn jemand Steiva selber anbaut und nur für den Eigengebrauch verwendet, so liegt das in der Eigenverantwortung dieser Person.

Und

Was sind Steviol Glykoside, Steviosid und Rebaudiosid A?
Die Steviol Glykoside sind für den süsslichen Geschmack der Steviapflanze verantwortlich. Diese Glykoside werden aus der Pflanze extrahiert und aufgereinigt. So können auch einzelne Glykoside gewonnen werden, wie zum Beispiel Steviosid oder Rebaudiosid A. Diese Glykoside sind bis zu 300-fach süsser als Zucker und nicht kalorigen. Daher eignen sie sich als Süssungsmittel in Lebensmitteln wie auch andere Süssstoffe (z.B. Aspartam, Sucralose, Cyclamat, Neohesperidin). Die Süssungsmittel zählen zu den Zusatzstoffen. Da die Steviol Glykoside gemäss Verordnung über die in Lebensmitteln zulässigen Zusatzstoffe (ZuV; SR 817.022.31) nicht zulässig sind, muss deren industriellen Anwendung in Lebensmitteln bewilligt werden.

Also noch mal: Stevia als Blatt oder Pulver: keine Zulassung als Lebensmittel (Tee etc.), ich darf das nicht verkaufen.

Ausnahme: untergemischt in Teemischungen zu 1-2%

Und: Einige der Inhaltsstoffe von Stevia wurden untersucht und wurden als unbedenklich gefunden: Steviosid und Rebaudosid A. Es können demnach Produkte mit diesen Inhaltsstoffen in Handel gebracht werden – sofern sie vorher eine Zulassung erhalten haben.

Man findet auf dem BAG eine Liste der in der Schweiz zugelassenen Präparate mit Steviasol-glykosiden. Da gibt es bekannte Namen darunter: Assugrin Steviasweet, Steviasol (beides Süssungsmittel), aber auch:  Ricola Kräuterbonbons, Capri Sonne, Choco Drink, Nestea Gree Citrus, Sinalco Red …

Nur: das mit den Blättern pur geht gar nicht. Wenn ich das verkaufe, mache ich mich strafbar. Und weil ich auch nicht 1kg selbst brauche zum Untermischen (da müsste ich ja 100kg Teemischung machen!) geht der Sack wieder zurück an den Händler.
Dass der allerdings überhaupt nicht nachgefragt hat, als wir das bestellt haben, macht mich etwas … stinkig.

Jetzt verhalte ich mich da gezwungenermassen so als sei das Teil hochgiftig, dem ist nicht so, wobei die BAG eben noch Bedenken hat, was die Pflanze angeht:

Stevia ist ein Naturprodukt, dennoch ist die Pflanze nicht als Lebensmittel zugelassen. Warum?
Auch pflanzliche Produkte/Naturprodukte können Gesundheitsrisiken bergen. Bekanntlich kommen die stärksten Gifte in der Natur vor. Daher müssen alle neuen beziehungsweise neuartigen Lebensmittel oder Stoffe einer toxikologischen Beurteilung unterzogen werden. Bestimmte Inhaltsstoffe der Steviapflanze können zu einem Blutdruckabfall und zur Senkung des Blutzuckerspiegels führen. Ausserdem werden Auswirkungen auf die männliche Fertilität beobachtet und müssen weiter untersucht werden. Die vorliegenden wissenschaftlichen Daten reichen nicht aus, um die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Steviapflanze vollständig zu beurteilen. Da somit nicht auszuschliessen ist, dass die Gesundheit durch die Inhaltsstoffe der Pflanze gefährdet werden kann, ist die Verwendung der Steviapflanze in Lebensmitteln nicht zugelassen.

Wen es interessiert, der kann hier noch mehr nachlesen: http://www.bag.admin.ch/themen/lebensmittel/04861/04972/index.html

Ist das eigentlich in anderen Ländern auch so ein Theater?

In der Grauzone

Zu meinen Aufgaben gehört es, auch ein Auge auf die aktuelle Gesetzgebung zu halten und bei Bedarf auf Anpassungen zu reagieren. Manchmal jedoch geht das relativ rasch – oder sie finden etwas Neues zu beanstanden an einem existierenden Produkt – und schon ist es passiert und man befindet sich in einer gesetzlichen Grauzone am Rande der Illegalität – ohne dass man es ahnt, geschweige denn will.

Beispiel letztes Jahr:
Vom kantonalen Labor kam jemand in die Apotheke und verlangte Allgäuer „Schrunden-Salbe“. Offensichtlich ist der Begriff „Schrunden“ für ein kosmetisches Produkt nicht zulässig. Dementsprechend, darf die Salbe nicht verkauft werden. „Schrunden“ sind per Definition Risse in der Haut, diese Indikation fällt in den medizinischen Bereich und verlangt eine Registrierung eines Produktes mit der Bezeichnung „Schrunden“ oder auch einer solchen Anpreisung auf der Verpackung.
Es handelt sich also nicht um eine Unzulässigkeit der Zusammensetzung, sondern betrifft lediglich die Bezeichnung Schrunden auf der Verpackung.
Ausnahme: Die Scholl Schrundensalbe und die Neutrogena „Fusscreme Schrunden“ durften dann gemäss Aussage der kantonalen Behörden bis zur Neueinführung des Ersatzproduktes verkauft werden. Es handelt sich dabei um eine Sonderregelung, da die Firma die neue Beschriftung bereits eingereicht hat.

Oder Stevia:
Das pflanzliche Süssmittel wurde gross eingeführt, es gab die Blätter, Pulver und Flüssigextrakt. Dann durfte man es auf einmal nicht mehr verkaufen, weil es in der Schweiz die Zulassung (als Heilmittel?) nicht bekommen hat.
Und seit 2009 ist Stevia als Zusatzstoff in der Schweiz zugelassen, so dass es inzwischen es wieder ein paar Produkte gibr, die wir verkaufen dürfen. Jetzt kommt sogar Assugrin mit einem eigenem Produkt dazu. Aber die Stevia-Blätter … darf ich immer noch nur in 2% Zumischungen zu Teemischungen verkaufen.

Und heute kommt der Lebensmittelinspektor in unser Geschäft gestürmt, hält der Drogistin den Ausweis unter die Nase und verlangt unser Himalaya-Salz zum kochen zu sehen. Das haben wir nicht – wir haben bloss die Qualität zum baden. „Na dann halt nicht.“ grummelt er und ist schon wieder weg – ohne Erklärung.

Weiss jemand etwas davon?