Vom bisschen Hund gebissen

Meine Pharmaassistentin holt mich zu einer älteren Kundin. Als Unterstützung. Offenbar braucht die Frau noch etwas Zuspruch.

Sie zeigt mir ihre Hand, an der der Daumen leicht verletzt ist vorne beim Nagel. Ein kleiner Hautriss, unbekannt wie tief. Ich schaue es mir an – erste Entzündungszeichen sind sichtbar. Die Stelle ist angeschwollen, darum herum eine Rötung, die schon ziemlich deutlich ist. Die Hand ist auch merkbar wärmer und es schmerzt sie offenbar, als ich etwas drücke.

Pharmama: „Was ist denn passiert?“

Ältere Dame (äDa): „Das war nur der kleine Hund von meiner Tochter gestern.“

Pharmama: „Hat er Sie gebissen?“

äDa: „Er hat nur spielen wollen, ich glaube ich habe die Hand zu schnell zurückgezogen … es ist auch nur ein sehr  kleiner Hund …“

Pharmama: „Ja. Trotzdem: Hundebisse gehören zwingend zum Arzt.“

äDa: „Was? Wegen so einem kleinen Riss?“

Also erkläre ich ihr, dass bei einem Hundebiss vom Mund des Hundes ein paar wirklich hässliche Bakterien direkt in die Wunde gelangen … und dass die sich dort vermehren und eine Blutvergiftung auslösen können. Dasselbe hat meine Kollegin vorher auch schon gesagt, aber offenbar braucht die Frau das Wort der Apothekerin.

Pharmama: „Man sieht auch schon, dass Sie eine Infektion haben – gehen Sie doch bitte direkt zum Arzt, damit der das anschauen und eventuell Antibiotika aufschreiben kann.“

äDa: „Aber es ist nach 5 Uhr!“

Pharmama: „Ja, der Hausarzt ist wahrscheinlich nicht mehr da. Das schnellste ist wahrscheinlich eine Walk-in Klinik oder die Notfallstation. Damit sollten sie aber nicht bis morgen warten.“

Etwas enttäuscht zieht sie ab. Dabei wollte sie doch nur eine Wundsalbe kaufen. Aber das ist eines der Dinge, die ich lernen musste: Wenn ich ihr das verkauft hätte, dann würde sie nicht zum Arzt gehen. Heute sicher nicht und wahrscheinlich auch noch nicht morgen, denn immerhin hat sie etwas, das sie brauchen kann… und vielleicht wird das ja auch so besser, wenn man nur noch ein bisschen wartet … und irgendwann ist es dann ziemlich spät und Wochenende … Und die Bisse sind wirklich nicht ganz ungefährlich. Das gilt übrigens auch für solche von anderen Tieren, wie zum Beispiel Katzen, die mit ihren Nadelfeinen Zähnen häufig üble Wundinfektionen auslösen.

Vielleicht hat sie sich deshalb so gewehrt, weil sie wusste, dass ein Hundebiss (auch ein kleiner, auch von einem kleinen Hund) vom Arzt gemeldet werden muss. Nicht dass ich denke, dass der Hund hier irgendwelche Konsequenzen hätte fürchten müssen.

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Nur so.

Aaaalso … ich bin ja nicht so der Typ, der auf harte Alkoholische Sachen steht, aaaaaber, die Werbung hat alles, was ein youtube Film so braucht: gut aussehender Feuerwehrmann, kleines Kätzchen …

 

Enjoy.

(für meine weiblichen Leserinnen)

Alles für die Katze – oder?

Seit ein paar Jahren (seit 2005) dürfen die Apotheken in der Schweiz auch Tiermedikamente abgeben. Vorher hatten die Tierärzte das Monopol. Das ging soweit, dass wir nicht einmal die rezeptfreien Tiermedikamente bestellen konnten. Die Hersteller-Firmen und die Grossisten weigerten sich, das zu liefern. Dann beschloss die Wettbewerbskommission WEKO, dass das Monopol illegal wäre und das Tier (oder besser der Halter) auch hier das Recht auf einen freien Leistungserbringer habe – lies: er darf seine Medikamente für das Tier auch woanders beziehen als beim Tierarzt.

Ein paar Apotheken haben sich anschliessend auch auf Tiere und ihre Medikamente spezialisiert, entsprechende Weiterbildungen absolviert und arbeiten auch mit Tierärzten zusammen und haben Tiermedikamente an Lager. Wir gehören nicht dazu. Nur gelegentlich sehe ich ein Rezept von einem Tierarzt – meist dann, wenn der das Mittel nicht selbst an Lager hat.

Analog beim Menschen muss aber auch bei der Abgabe von Tierarzneimitteln einiges beachtet werden.

Wir müssen fragen:

  • für welches Tier ist es, wie alt? Welche Rasse? Gewicht?
  • Ist es ein Nutztier oder ein Heimtier? (Nutztiere unterliegen verschärften Bestimmungen, da Produkte von ihnen : Eier, Milch, Fleisch … als Lebensmittel verwendet werden).

Anhand dieser Angaben erstelle ich dem Tier ein Dossier mit seinen Informationen und den Medikamenten, die es bekommen hat.

Apotheker dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel für Tiere abgeben auf Rezept. – nur in begründeten Ausnahmefällen ohne (und als nicht-spezialisierte Apotheke mache ich das im Normalfall gar nicht).

Was rezeptpflichtig ist, kann sich aber von dem beim Menschen unterscheiden – das Wurmmittel Vermox zum Beispiel gibt es für den Mensch ohne Rezept, für das Tier aber nur mit. Impfungen und Impfstoffe gehen immer noch nur über den Tierarzt.

Humanarzneimittel sind nicht für Tiere bestimmt. Sie können in gewissen Fällen trotzdem angewandt werden, aber es muss erst abgeklärt werden, ob es kein Produkt gibt, das für das Tier zugelassen wurde, oder für eine andere Tierart …

Es gibt noch mehr Bestimmungen (speziell für Nutztiere) aber das lasse ich jetzt hier mal.

Soviel zur Theorie.

Jetzt zu dem, was das in der Praxis für Auswirkungen hat:

Es kommt in die Apotheke eine Frau mit 2 Kindern und will von mir Pred forte Augentropfen. Die sind Cortisonhaltig, Rezeptpflichtig. Liste A.

Frau: „Neiiin, das brauche ich nicht für mich, sondern für unsere Katze. Die hat einmal wieder eine Augenentzündung und das hilft im Normalfall sehr gut!“

Es ist (natürlich) Samstag und schlimmer noch – sie fahren morgen in die Ferien. Darum braucht sie das jetzt, damit die Nachbarin die Katze behandeln kann.

Pharmama: „Ich bräuchte dafür ein Rezept, auch wenn es für ein Tier ist.“

Frau: „Rezept? Nein, sowas habe ich nicht. Ich hatte es von der Tierärztin direkt …  Jetzt stellen Sie sich nicht so an, schliesslich ist das ja für die Katze und nicht für mich. Und ich kann ja nichts damit anstellen, oder? Woanders habe ich das schon problemlos ohne Rezept bekommen.“

Pharmama: „Ich bin aber nicht woanders. Ich halte mich an Vorschriften und rezeptpflichtig bleibt rezeptpflichtig. Aber … wenn ihr Tierarzt mir sagen kann, dass die Abgabe in Ordnung ist, dann bin ich bereit, ihnen das zu geben.“

Wiederwilligst rückt sie den Namen des Tierarztes heraus, den ich im Telefonbuch auch finde und anrufe. Er ist tatsächlich erreichbar und bestätigt mir auch, dass die Katze das von ihm schon einmal hatte – vor etwa 5 Jahren (!). Seitdem hat er sie nicht mehr gesehen. Von daher kann er nicht sagen, dass sie auch noch Kunde von ihm sind …

Das ist der Moment, wo ich das Telefon erst mal weiterreiche.

Nach kurzer Diskussion bekomme ich das Telefon wieder. Laut ihm darf ich das abgeben … mit der Auflage, dass die Frau und Katze nach den Ferien bei ihm vorbeikommen.

Die Frau nimmt das mehr schlecht als recht entgegen – O-Ton: „das kostet nur wieder Geld“ verspricht es mir aber gezwungenermassen. Ich kämpfe mich durch den Papierkram, danach bekommt sie es.

Übrigens: von wegen man kann „nichts anstellen“ mit den Augentropfen. Missbraucht werden sie schon nicht, aber Cortisonhaltige Tropfen falsch angewendet – zum Beispiel bei einer Augen-Infektion kann im schlimmsten Fall zur Erblindung führen. Aber es ist ja *nur* für die Katze.