Ich vermisse dich.

Ich entschuldige mich dafür, dass in den letzten Posts die Textfarbe nicht gerade kompatibel mit dem Hintergrund war und deshalb schlecht lesbar. Die Texte sind momentan vorgeplante ältere Beiträge. Ich komme nicht dazu das zeitnah anzupassen. Es ist gerade etwas zu viel.

Manche haben es vielleicht mitbekommen (auf Twitter): Meine Mama ist vor jetzt einem Monat gestorben. Ich knabber gerade hart daran. Es gibt Tage, da geht es besser und dann gibt es die anderen. Daneben fordert die Apotheke auch viel Aufmerksamkeit und die Familie, vor allem Junior, jetzt voll im Teeny-Alter. Ich dachte, es hilft vielleicht, niederzuschreiben, was passiert ist. Immerhin ist das hier auch noch mein Blog (lies: Online-Tagebuch).

Meine Mama – die hier auch schon kommentiert hat als Pharmoma – ist letztes Jahr im September 79 Jahre alt geworden. Sie kam aus Deutschland in die Schweiz, nachdem sie meinen Papa geheiratet hat. Sie ist ausgebildete Drogistin und hat bis zur Pensionierung vor bald 15 Jahren in einer Apotheke gearbeitet. Unter anderem wegen ihr bin ich Apothekerin geworden. Sie war sehr sozial und ist immer gerne in der Welt gereist und hat fremde Länder und Kulturen kennengelernt. Letzteres habe ich auch übernommen und wir sind diverse Male zusammen in den Ferien gewesen: in Südafrika, Namibia, in Thailand. Sie hat immer gescherzt: „Geht alles vom Erbe ab“. Und ich habe dann immer gesagt: „Bitte macht das, so lange ihr könnt.“ 2019 kam sie von so einer Reise mit starken Atembeschwerden zurück. Keine Lungenentzündung, wie erst vermutet und auch keine Lungenembolie – sondern eine Herzinsuffizienz, verursacht durch versagende Herzklappen. Sie hatte dann eine 6-stündige Operation, in der 2 Herzklappen durch künstliche ersetzt wurden. Die Operation war erfolgreich, aber sie hatte danach lange Probleme in der Rekonvaleszenz: immer wieder Wasser neben der Lunge, Entzündungen am Herz, stark Schwindel. 2 mal fiel sie um und hat sich die Rückenwirbel gebrochen. Das war dann noch eine OP. Kaum ging es besser, kam das neue Coronavirus. Sie machte das beste daraus, schützte sich und Papa vor Infektion, hatte 4 Impfungen – und dazwischen fuhren sie mit dem Wohnmobil auf Kurzferien ins nähere Ausland oder trafen sich mit Freunden. 2021 waren wir mit den beiden in Island – und auch wenn ich fand, dass man langsam das Alter merkt: sie hatten Freude und sie war einigermassen fit, auch wenn sie nicht mehr gut zu Fuss war.

2022 nach ihrem Geburtstag im Herbst haben Pharmoma und Junior gleichzeitig Covid bekommen – wahrscheinlich bei einem gemeinsamen Essen auswärts. Sie hatte wenig bis kaum Symptome – wenn ich nicht wegen Junior angerufen hätte, hätte sie kaum einen Selbstest gemacht und es wohl nicht bemerkt. Etwas Husten und Rückenschmerzen – aber die hatte sie schon vorher immer wieder nach den Brüchen. Ich wollte, dass sie Paxlovid bekommt. Ich habe alles dafür nötige vorbereitet: Interaktionsscheck und nötige Anpassung der Medikation, wo bekomme ich das Medikament her… Aber ihr Hausarzt hat das nicht aufschreiben wollen. Und sie wollte ihm dann nicht in den Rücken fallen und sich einen anderen suchen, der das verschreibt.

Vor Weihnachten hatten wir eine ungewöhnliche, nervige und unnötige Auseinandersetzung. Es ging darum, dass ich sie zum Essen bei uns eingeladen habe und sie uns zu sich einladen wollte. Es wurde argumentiert und gegen-argumentiert … und das Essen fand am Schluss nicht statt. So im Nachhinein: ihr Verhalten war irrational, aber ich kam mit nichts an sie ran, so dass ich es schliesslich aufgegeben habe. Ich war auch stur: dass ich in der Zeit in der Apotheke sehr belastet war und deshalb nicht telefonieren wollte, sondern lieber schreiben, kam da noch dazu. Wir tauschten Weihnachtswünsche aus über whatsapp. Und Silvestergrüsse.

Am Montag 2. Januar bekam ich morgens einen Anruf von meinem Papa. Ich war zu Hause – ein kurzfristiger Tausch mit der Kollegin, die ich die Woche vorher wegen Krankheit ersetzen musste, hat das möglich gemacht. „Ah – alles gute zum neuen Jahr.“ sagt er „Mama geht es nicht so gut, ich weiss nicht, was ich machen soll. Ich kann keinen Blutdruck messen und der Pulsoxymeter zeigt auch nichts an.“ „Was? ist sie ansprechbar?“ „Ja, aber … ich weiss auch nicht, sie redet etwas seltsam, und sie kann nicht aufstehen.“ „Hast du dem Arzt angerufen?“ „Ja, aber der Hausarzt ist nicht da und bei der angegebenen Ersatz-Telefonnummer geht niemand ran. Nur Warteschleife.“ „Versuch es noch bei denen (mobile Ärzte) – ich komme!“
Sie wohnen 15 Minuten Autofahrt weg, mein Mann fährt das in knapp 10 Minuten. In der Wohnung fällt mir als erstes Uringeruch auf, auch ungewöhnlich für meine Mama. Sie selber liegt im Nachthemd im Bett und lächelt etwas verwirrt, als sie mich sieht. „Hallo Mama! Was hast Du?“ frage ich sie. Und sie erzählt mir etwas von Schwindel und Rückenschmerzen und allgemeinem Unwohlsein … Mir reicht das schon: sie redet etwas seltsam, lächelt sie schief? Die Arme kann sie beide heben gleichmässig genug, aber … das sieht wirklich nicht gut aus.
Zu Papa: „Ruf 144 an, sie sollen jemanden schicken. Herz-Kreislaufprobleme, vielleicht Verdacht auf Schlaganfall?“
Der Blutdruck war sehr niedrig – beim ersten Mal zeigt mir das BD-Messgerät einen Fehler an. Das Pulsoxymeter weigert sich bei ihr zu messen, bei mir selber funktioniert es aber. Ihre Hände sind dabei nicht kalt … überhaupt ist sie ziemlich warm. Papa sagt, er hat Fieber gemessen mit einem Stirnthermometer, das zeigt kein Fieber an. Ich rede weiter mit ihr, bis die Sanitäter eintreffen. Das geht erstaunlich schnell – ich weiss, wie belastet die aktuell sind und ich bin so dankbar.
Während sie mit ihr beschäftigt sind, suche ich nach ihrer Medikamentenliste. Papa meint, dass sie immer selber das Dosett richtet „sie weiss wie“ und keine Liste bereit habe. Also rufe ich in der Apotheke an, dass meine Kollegin mir die Liste zuschickt. Ein Medikament finde ich noch zusätzlich, das sie vom Hausarzt mitbekommen hat beim letzten Besuch (gegen Gicht).
Die Sanitäter finden, dass sie ziemlich hohes Fieber hat (mit dem Ohrthermometer besser entdeckbar) – und aufgrund des Urins vermuten sie eine Nieren- und Blaseninfektion. Dass sie so verwirrt erscheint hängt damit zusammen und auch damit, dass sie ziemlich dehydriert ist. Ich erkläre ihnen, dass sie zwei künstliche Herzklappen hat und eine Infektion immer schlecht ist. Aber auch so haben sie schon entschieden, sie mitzunehmen. Sie telefonieren und geben uns dann Bescheid, dass sie nicht in Spital Nr. 1 kommt (das eigentlich für Herzprobleme besser wäre), sondern wegen Platzmangel in Spital Nr. 2. Falls nötig würde man sie später verlegen.

Wir folgen ein paar Stunden später – sie kommt nach der Untersuchung auf die Intensivstation. Es darf momentan nur 1 Person zu ihr, das ist dann Papa. Wir haben nun eine Diagnose: Ja, sie hat eine Infektion, allerdings nicht die Blase, sondern eine septische Gallenblaseninfektion. Sie braucht eine Notoperation zum Entfernen der Gallenblase. Weil ich bei ihr in der Patientenverfügung stehe (seit der Herzklappen-OP) fragt man mich an, wie das aussieht mit der Reanimation im Fall der Fälle. Ich habe mit Mama eine Abmachung: sie will nicht nur „leben, dass gelebt ist“, sie will definitiv nicht als Pflegefall enden oder geistig so beeinträchtigt sein, dass sie nichts mehr mitbekommt. Ich soll von Fall zu Fall entscheiden, wie das aussieht. Aktuell: Die OP ist nötig. Sie hat gute Chancen, dass es dadurch besser wird und danach hoffentlich wieder gut, also: doch. Reanimieren, ja. Die Operation soll noch im Verlaufe des Nachmittages stattfinden – sobald der Arzt Zeit hat / der OP frei ist.
Erst Nachts um fast 12 Uhr bekommen wir die Info: Sie hat die Operation überstanden! Sie bekommt Antibiotika wegen der Infektion und sie bleibt auf der Intensivstation zur Beobachtung. Ich bin erleichtert … aber ich weiss, dass sie noch nicht aus dem Schneider ist.

Ich besuche sie in der Woche vor oder nach der Arbeit, wann immer ich kann. Wir reden, wir söhnen uns aus (vor allem die Sache um Weihnachten) – viel machen kann sie nicht, sie erscheint erschöpft, aber optimistisch. Die Verwirrtheit ist weg, das Gedächtnis noch da, sie erscheint mir aber … langsamer und redet etwas verwaschen. Dennoch habe ich Hoffnung, dass das wieder gut kommt.

Freitag bekommen wir schlechte Nachrichten. Sie hat Herzprobleme (Rhythmusstörungen) weshalb sie das Herz genauer angeschaut haben. Das schlimmste ist passiert: Die Sepsis, die Bakterien im Blut haben auf der einen künstliche Herzklappe eine Kolonie gebildet. Sie ist riesig: ein etwa 1,5cm grosser Bolus, der sich jederzeit lösen könnte. Gelangt der (oder Teile davon) in die feinen Blutgefässe, ist das eine Embolie. Wenn das im Bein passiert, kann man vielleicht operieren, wenn das im Hirn passiert – kaum. Und es haben sich schon kleinere Teile gelöst, die im Hirn Mini-Schlaganfälle gemacht haben. Sie haben das in einem Hirnscan gesehen. Die Chance, dass ein grosses Teil dann auch dort landet ist deshalb sehr hoch. Von alleine weg geht es nicht. Es gibt nur eine Möglichkeit: Eine OP zum Ersatz der Herzklappen. Beider. Das heisst, wieder ein so heftiger und riskanter Eingriff wie beim ersten Mal – und dieses Mal geht sie 3 Jahre älter mit wesentlich schlechteren gesundheitlichen Voraussetzungen hinein. Sie wollen so bald wie möglich von uns eine Entscheidung, sie sind parallel dazu mit Spital 1 am Abklären, wie das aussieht mit der OP, ob das überhaupt von ihnen aus geht – und sie „verstehen es auch, wenn wir die OP ablehnen würden.“
Die Nachricht mit all ihren Implikationen trifft mich hart. Was will Mama? Sie fürchtet die OP, vor allem wegen der Zeit danach. Es war hart für sie das letzte Mal. Aber sie weiss auch um die fehlenden Alternativen. Faktisch hat sie eine Zeitbombe in sich. Sie will uns die Entscheidung überlassen. Ich bin unsicher und spreche mich mit Papa und meinem Bruder ab. Am Schluss entscheiden wir uns zusammen für eine Operation – sie wahrscheinlich, weil es das einzige ist, was man noch „tun“ kann. Ich, weil wenn es schiefgeht, sie eine Chance hat, gar nicht aus der OP aufzuwachen. Das ist … ein schneller Tod.
Vom Spital Nr. 1 kommt das „go“, dass eine OP möglich ist – aber da Wochenende ist und das Vorbereitung braucht, wird das auf frühstens Montag festgelegt.

Am Samstag besuchen wir sie alle noch mal. Wir dürfen sogar gemeinsam zu ihr. Kinder, Enkel, Partner, Papa, ihr Bruder. Es ist schön, sie ist positiv eingestellt, stark – freut sich, Junior zu sehen. „Egal was kommt, wir schaffen das. Gemeinsam“ sagt sie, während sie meine Hand drückt. Wir erinnern uns an gemeinsame Erlebnisse, wir reden sogar noch über Grabstätten – eigentlich wollte sie mal eine Waldbestattung, aber sie haben den Ort angesehen und der ist nicht so wie vorgestellt. Stattdessen sieht eine Wiesenbestattung noch gut aus.
In der Nacht hat sie wieder Herzrhythmusstörungen. Sie bekommt Sauerstoff (mit Maske) und sie untersuchen noch einmal das Herz, da sie neu Herzgeräusche hören. Es zeigen sich Verwirbelungen, die darauf hindeuten, dass die Herzklappe jetzt undicht wird. Sie wird durch die Bakterien zerstört. Unter diesen Bedingungen ist eine Operation unmöglich. Sie wechseln die Antibiotika.
Damit ist uns die Entscheidung zur OP abgenommen worden – es bleibt eine „konservative Therapie“ und hoffen, dass es nicht so schlimm kommt.

Wir besuchen sie auch Sonntag – diesmal ohne die Enkel. Trotz Maske und müde und schlechte Nachrichten – sie bleibt gefasst. Sie ist müde. Wir besprechen die Aussichten und ich bestätige ihr noch einmal, dass sie keine Reanimation will und bekommt, wenn jetzt etwas ist. Ich informiere die Ärztin. Das Spital soll mich ausserdem jederzeit informieren, wenn sich etwas ändert. Ich weine, als wir uns verabschieden, als ob es das letzte Mal gewesen wäre.

Es gibt nichts mehr zu tun, man kann nichts mehr tun. Nur warten und hoffen.

Das Telefon vom Spital erreicht mich am Montagmorgen, dem 9. Januar in der Apotheke. „Ihr Zustand hat sich heute Nacht sehr verschlechtert. Ihre Organe versagen. Wenn sie kommen möchten … tun sie es jetzt.“ Ich informiere alle – Papa ist schon unterwegs. Mein Bruder kommt, mein Mann kommt. Junior lassen wir in der Schule. Ich kann nicht einfach so aus der Apotheke stürmen (gesetzliche Anwesenheitsvorschrift), aber ich bekomme wunderbarerweise innert einer Stunde einen Ersatz – und dann fahre ich los.

Ich komme als letzte der Familie zu ihr, sogar mein Onkel hat es vorher geschafft. Sie hat soeben die letzte Ölung bekommen, der Pfarrer ist weg. Die sehr einfühlsame Pflegerin informiert uns über ihren Zustand. Das meiste davon kann man auch sehen. Sie hat Wasser eingelagert, am besten sichtbar in den Beinen, wo die weissen Kompressionsstrümpfe abgenommen wurden und den Händen. Der Trauring wurde ihr vorher abgenommen. Ich halte ihre Hand, die Haut hat jetzt einen gelblichen Ton. Sie hat die Augen gelegentlich offen, reagiert aber nicht auf Ansprache. Sie atmet ruhig, etwas unregelmässig und durch den Mund, sie scheint gelegentlich zu schnarchen. Seit gestern hat sie eine grosse Fieberblase und ihre Lippen sind rauh. Da sie an den ganzen Geräten hängt, sieht man, wie unregelmässig der Herzschlag ist. Sie bekommt Morphium zum beruhigen und gegen eventuelle Schmerzen. Ich weiss nicht, wie weit sie mitbekommt, dass wir alle hier sind. Aber wir begleiten sie auf diesem letzten Weg. Es dauert nicht sehr lange. Von Zeit zu Zeit bettet die Pflegerin sie etwas um, befeuchtet den Mund mit Glycerin-Stäbchen, gibt ihr Morphium. Papa sitzt neben mir, ich weine gelegentlich leise, er ist ruhig, gefasst.
Dann setzt ihr Herz aus. Kommt wieder, unregelmässiger. Dann wieder flache Linie. Ihre Atmung verstummt. Es ist vorbei.

Mama ist gestorben. Eine Woche nach Einweisen ins Spital. Ist das „unerwartet, plötzlich“? Für uns sicher. Im Spital fragen sie uns danach an, ob wir einer Autopsie zustimmen. Sie wollen wissen, was da genau passiert ist und vielleicht etwas daraus lernen für spätere Fälle. Wir stimmen zu – sie hätte auch nichts dagegen gehabt. Es ist nicht der erste Tod, den ich mitbekomme. Beide Grosseltern väterlicherseits und auch meinen Grossvater mütterlicherseits habe ich begleitet. Aber dieser Tod trifft mich einiges härter.

Die Woche vergeht wie nichts. Ob es Absicht ist, dass man als Angehörige danach so beschäftigt wird? Papa, mein Bruder und ich teilen uns die Organisation. Bestatter aufsuchen, am Mittwoch findet die Autopsie statt, dann wird sie aufbewahrt bis zur Kremation. Die findet übrigens erst über eine Woche später statt – offenbar ist das Krematorium sehr ausgelastet in diesen Zeiten. Friedhofbesuch, Urne aussuchen, Grab aussuchen, Pfarrer suchen, Abdankung und Urnenbegräbnis organisieren, Blumen bestellen, Trauerkarten drucken lassen, adressieren und verschicken. Die gehen in 5 Länder, die weiteste auf Japan. Bild organisieren zum aufstellen. Gespräch mit dem Pfarrer, dazwischen auch immer wieder schauen, wie es Papa geht. Er ist jetzt alleine in der Wohnung mit 81.

Das Begräbnis war stimmig – und trotz allem schön, die Freunde und Verwandten wiederzusehen, die man in den letzten 3 Jahren kaum mehr gesehen hat. Ein anderer Anlass dafür wäre mir allerdings lieber gewesen.

Das also ist für meine Mama – für die liebevollste Person, einfühlsam und mutig bis zu letzt. Kontaktfreudig, reiselustig. Vernünftig und vorausschauend, ein Elefantengedächtnis. Sie musste lernen, für sich zu schauen und weniger für andere. Sie war nicht berühmt, oder super-erfolgreich oder reich. Aber sie war geliebt – ich hoffe, sie wusste das.

Ich vermisse dich so, Mama.


Alles ist bestens. Oder?

Mich gibt’s noch. Ich bin nur erschöpft und beschäftigt mit der Apotheke und komme so nicht zum schreiben. Dabei gäbe es einiges, worüber geschrieben werden könnte und sollte.

Es ist anstrengend in der Apotheke. Offiziell ist die Pandemie vorbei. Alle Massnahmen wurden aufgelöst. Keine Maskenpflicht mehr – seit ein paar Tagen nicht mal mehr im ÖV. Keine Quarantänepflicht mehr. Das SARS-Coronavirus wurde auf den Status einer „normalen Erkrankung“ runtergestuft und bedarf offenbar keiner besonderen Massnahmen mehr um sie zu vermeiden.

Während die Zahlen der Statistiken sinken (zumindest die der positiven Tests) steckte sich in der Umgebung gefühlsmässig jeder an. Manche neu, andere wieder. Den Zahlen ist da wirklich nicht mehr zu trauen – sie geben das wirkliche Geschehen nicht wieder. Und sie interessieren niemanden mehr. Ich glaube, sie haben jetzt sogar aufgehört die Statistik dazu zu erheben – wieso auch? Was ist da noch die Aussagekraft, wenn man nur noch auf Wunsch testet (Juniors Schule testet auch nicht mehr) und wenn das Testergebnis keinerlei Konsequenzen hat (keine Isolation mehr nötig, den Arbeitgeber freut es). Die Infektion ist egal geworden.

Das mit dem „jeder steckt sich an“ konnten wir gut in unserer Apotheke sehen. 2 Jahre lang haben wir es geschafft, dass unsere Apotheke fast Covid-frei geblieben ist. Ansteckungen fanden nur von aussen (meist in der Familie) statt und waren weit gestreut. Mein unangenehmes Ferien-Erlebnis war das letzte. Dann kam die Aufhebung der Maskenpflicht. In der Apotheke haben wir weiterhin Masken getragen – zum Schutz der vulnerablen Kunden und damit wir uns im Fall nicht untereinander anstecken. Aber mit dem Infektionsgeschehen überall … Ich mach’s kurz: wir hatten allein in einer Woche 4 positive Angestellte. Und seitdem (weiter gestreut) mehr. Das sind 30-40% der Belegschaft die da fehlt. Sowas ist nicht so einfach zu kompensieren – dazu kommt, das wir seit Herbst in Unterbesetzung arbeiten.

Wir haben nämlich dasselbe Problem, wie überall sonst im Gesundheitswesen: Die Covid-Zeit war fordernd, wir mussten lange sehr flexibel sein, einspringen, wechseln, Mangel verwalten, Mehrarbeit leisten und zusätzliche Dienstleistungen stemmen wie Testen, Impfen, erweiterter Hauslieferdienst, essentielles besorgen (Desinfektionsmittel und Masken anfangs, die Selbsttests später). Wir arbeiten seit über 2 Jahren mit Masken und das tagelang. Daneben noch die übliche Arbeit. Und die Familie, um die man sich sorgt (speziell die älteren und die jüngeren). Wen wundert es, wenn sich da bei einigen Burnout ankündet und sie sich nach grüneren Auen umsehen? Im November haben wir so eine gute Drogistin verloren, die auch alles in der Apotheke gemacht hat. Jetzt profitiert eine Krankenkasse von ihrem Wissen – und sie von angenehmeren Arbeitszeiten. Wir haben intensiv gesucht, aber bis jetzt niemanden gefunden, der sie ersetzt – und im Mai werden wir eine Pharmaassistentin verlieren. Die Arbeit wird auf die noch verbliebenen verteilt – die Belastung steigt. Über die Suche (und die Versuche) jemanden zu finden bisher könnte ich einen eigenen Artikel schreiben. Wir würden fast alles nehmen, vom frischen Abschluss bis Wiedereinsteiger und sogar jemanden aus dem Ausland. Der Markt ist trocken. Ich bin bald soweit, dass ich hier nachfrage, ob jemand jemanden kennt …

Mit Hilfskräften (und zwar nicht vom Fach) und viel Einsatz meiner wunderbaren Mitarbeiter haben wir es bisher gehalten. Ich bin sicher, dass die Kundschaft nicht viel mitbekommt davon, aber es ist anstrengend. Es hat ausserdem den Effekt, dass manche denken: wenn es auch so geht (also dieselbe Arbeit mit weniger Leuten), dann ist ja alles in Ordnung – und wir könnten das so lassen.

Da sind wir jetzt. Ich sehe momentan nicht, dass es besser wird. Den Statistik Zahlen kann ich nicht trauen. Was man auf Twitter und Co aus dem Spital und aus den Arztpraxen hört, geht es denen genau gleich. Personalausfälle wegen Krankheit und auf Zeit wegen Überarbeitung. Gleichzeitig das Gefühl, dass wir uns in einem riesigen Experiment befinden. Man hat alle Schutzmassnahmen aufgehoben und allgemeine Durchseuchung ist angesagt. Die Wirtschaft hatte da ganz offensichtlich mehr mitzureden, als die Vernunft oder die Sorge um den Gesundheitszustand der Bevölkerung. Man redet von „Immunität aufbauen“ und davon, dass Omicron mit seinem meist „milden Verlauf“ dabei hilft. Ich bin mir nicht sicher, ob das so funktioniert. Ich habe zu viele gesehen, die sich innert weniger Wochen wieder angesteckt haben. Wovon man nichts mehr hört ist Long Covid oder Post Covid – und das, obwohl inzwischen viele Studien zeigen, dass es das gibt und dass man sogar geimpft eine gute Chance darauf hat. Bei jeder Infektion. Mir persönlich hat meine eigene Covid-Infektion gereicht, dass ich das nicht wiederholt haben möchte. Ich habe auch heute noch das Gefühl, es ist nicht mehr gleich wie vorher. Der Geruchssinn ist wiedergekommen, aber manches riecht anders. Ich werde viel schneller müde, wenn ich etwas mache, brauche länger um mich zu erholen. Ich habe das Gefühl, ich bin langsamer geworden im denken. Es ist subtil, aber immer noch da. Andere haben viel schlimmere Beschwerden – und man weiss, dass die Sterblichkeit noch Monate danach erhöht ist.

Aber die Wirtschaft hat genug gelitten, man will wieder Normalität und das hat man jetzt so. Oder zumindest etwas optisch ähnliches. Wenn man nicht testet, sieht man nicht, wie viele krank sind. Wenn man die Quarantäne aufhebt, kann man schneller wieder zurück zur Arbeit. Ohne Maske sieht man in der Öffentlichkeit nicht mal mehr etwas von der Infektion. Man kann überall hin und alles wieder machen (vorausgesetzt, man ist jung, gesund und hat keinen Respekt vor einer Infektion). Das Spital ist angeblich auch jetzt nicht überlastet (oder die sind gleich resigniert von allem und zu müde zum protestieren).

Alles ist bestens.

Basteln mit Junior: wärmender Wintertee

Ein Geschenk nicht nur für Weihnachten: ein selbst zusammengestellter und gemischter Tee. Weihnachtliche Gewürze und etwas Schärfe machen diesen Tee ideal für kalte Wintertage.

Zusammensetzung:

  • Zusätzlich gebraucht:
  • 1 Ziplock Beutel
  • Teigroller, Schere
  • Einmachgläser, dicht verschliessbar (zum aufbewahren) Marmeladenglas oder schöner mit Bügelverschluss
  • Tee-Eier (zur Dekoration zum schenken)

So wirds gemacht:

  1. Die Orange schälen, den Ingwer klein schneiden. Beides im Backofen (den man mit einem Kochlöffel einen Spalt offen hält, damit die Feuchtigkeit entweichen kann) bei 70 Grad etwa 3 Stunden trocknen. Je trockener, desto besser ist die Haltbarkeit des Tees.
  2. Die abgekühlte Orangenschale und den Ingwer mit der Schere zerkleinern.
  3. Die Vanilleschote und die getrockneten Apfelringe mit der Schere zerkleinern.
  4. Im Ziplock Bag die grossen Gewürze einfüllen: Kardamom, Sternanis, Zimt, Mandeln, Pfefferkörner. Mit dem Teigroller die Geürze zerstossen.
  5. In einem grossen Topf alles gut zusammenmischen.
  6. Fertig! (Unbedingt die Nase daran halten und geniessen)

7. Geschmacksprobe nehmen und selber Tee ausprobieren:

  • Alles in die Vorratsgefässe abfüllen.
  • Diese Dekorieren zum verschenken.

Der Tee ist gut verschlossen (und trocken) mindestens 4 Monate haltbar.

Sturm im Wasserglas

Seit wir aus den Ferien zurück sind geht es mir tatsächlich besser. Vorher hatte ich mit Burnout-Symptomen zu kämpfen und nicht „nur“ psychische Probleme sondern auch einige körperliche Symptome. Ich weiss nicht, an was es liegt. Vielleicht die Kombination von „worst-case szenario“ in den Ferien und zusammen einigermassen gut überstanden sowie die Erleichterung wieder zurück in der Schweiz zu sein, die trotz aller Mankos „daheim“ ist, so engstirnig, sicher, langweilig und bekannt.

Ich habe mir die Erlebnisse vom Leib geschrieben, was gut tat. Sie haben einen kleinen Shitstorm auf Twitter ausgelöst. 2 Mal wurde der Beitrag der Rückkehr gemeldet bei Twitter, beide Male hat Twitter entschieden, dass er nicht gegen die Richtlinien verstösst. Wegen der Anfeindungen habe ich dann trotzdem gelöscht und den Account für meine psychische Gesundheit auf privat gestellt.

Für diejenigen, die es verpasst haben die Kurzfassung: Mann und ich (und eventuell Junior) haben auf unserer (lang geplanten, verschobenen, dann doch möglichen und für mich bitter nötigen) Reise in Namibia Covid bekommen (selbstdiagnositiziert) und aufgrund der Umstände beschlossen das nicht zu melden. Statt dessen haben wir die Selbstfahrer- und halbe Camping-Reise mit maximalen Sicherheitsvorkehrungen um andere nicht anzustecken fortgesetzt. Namibia hat (bis auf die grossen Ortschaften) kein gut funktionierendes Gesundheitssystem, wenig Bevölkerung auf eine weite Landfläche verteilt, wir waren sehr abseits unterwegs. Alle geimpft, alle mit wenig bis keinen Symptomen – ohne den Selbsttest, den ich dabei hatte und die Nachricht dass unser Transfer zum Flugplatz (2 Tage vorher) positiv getestet wurde, hätten wir es vielleicht nicht einmal bemerkt. Mit den Sicherheitsmassnahmen um eine Übertragung zu verhindern bin ich als Apothekerin gut vertraut. Natürlich: keine Empfehlung an andere, das zu tun. Nichts worauf ich stolz bin. Dennoch: in derselben (wirklich speziellen) Situation würde ich wahrscheinlich wieder so handeln.

Wir haben vor und auch nach der Reise alle Vorgaben der verschiedenen Länder erfüllt. Auf keinem Formular gelogen, alles eingereicht und gemacht. Wir sind alle doppelt geimpft. Wir haben die Zertifikate. Wir haben den PCR Test zur Einreise in Namibia gemacht (max 72 h vorher, er war negativ). Wir haben alle Vorsichtsmassnahmen im Land selber beachtet – nach dem Verdacht, dass wir positiv sein könnten noch viel mehr als nur die vorgeschriebenen. Nur uns nicht gemeldet.

1 Monat nach Rückkehr. Wie sieht es aus?

  • die Zahlen in Namibia sind viel besser als die in Europa und immer noch am sinken. Sie sind so niedrig, dass man es tatsächlich sehen würde, wenn jemand das Virus aktiv verteilen würde. Hier die Statistik von google (Einreise Anfang Oktober, Rückreise Mitte Oktober).
    Der Peak vom 23. Oktober der die Inzidenz während der nächsten Tage rauf gehen liess ist auffallend – woher der kommt ist allerdings unklar, vor allem weil die offizielle Seite der Namibianischen Gesundheitsbehörden auf fb an dem Tag (und auch dem vor- und nachher) Zahlen um die 20 Neuinfektionen nennt. Am 17. Oktober melden sie nur 25 Infektionen und nicht 89 – Nachmeldungen? Doppelterfassung? Auch wenn man jetzt schaut ist die Situation gut und die Zahlen weiter niedrig.
    Von keiner der Unterkünfte und auch vom Mietauto mit denen wir auch nachher Kontakt hatten, haben wir Rückmeldungen von irgendwelchen Ansteckungen erhalten.
  • die Zahlen in Deutschland (und der Schweiz) sind leider immer noch (exponentiell) steigend. Das waren sie schon vor unserer Reise. Hier kann man nicht erkennen, wenn wir tatsächlich jemanden angesteckt hätten. Das wäre aber gewesen im Flugzeug, 10 Tage nach möglichem Infektionsbeginn, ohne Symptome und (bis aufs stille Essen) ständig mit Maske. Natürlich: jeder ist einer zuviel. Nur, nachdem wir zu Beginn der Infektion und auf der Reise in Namibia wohl niemand angesteckt haben ist es so viel später, als geimpfte und symptomlos sehr unwahrscheinlich.
  • Junior geht wieder zur Schule. Der Lehrer wurde über die mögliche Infektion (er hatte nie Symptome) informiert und hat zugestimmt. Positiv ist, dass sie dieses Mal gelernt haben und nach den Ferien die Maskenpflicht für alle wieder eingeführt haben. Die Tests im Pool, die einmal in der Woche durchgeführt werden sind seitdem alle (4) negativ gewesen. Auch der erste, 2 Tage nach Rückkehr.
  • Ich gehe wieder normal arbeiten. Der Arbeitgeber und meine Mitarbeiter habe ich informiert. Wir halten uns in der Apotheke seit März 2020 sowieso alle an das Hygienekonzept, das gelegentlich angepasst wird, arbeiten durchgehend mit Maske, hinter Plexiglas, mit regelmässiger Oberflächendesinfektion und anderer Pausenregelung. Inzwischen sind auch alle (!) geimpft. Innerhalb der Apotheke hatten wir keinerlei Ansteckungen. Ich bin erst die zweite Mitarbeiterin, die Covid bekommen hat.
  • Mein Mann geht wieder arbeiten, nachdem er sich vom Arzt (auch informiert über die mögliche Ansteckung) durchchecken liess. Sein Hautausschlag ist eine Infektion für die er Antibiotika bekam und ist jetzt weg. Seine Übelkeit/ Durchfall war offenbar wirklich eine Lebensmittelvergiftung – ihm wird immer noch schlecht, wenn er an das Trockenfleisch denkt und ist nicht wieder aufgetreten.
  • Obwohl da ein paar auf Twitter anscheinend die Sache in die Hand genommen haben uns zu melden (wo?), haben wir nichts mehr davon gehört. Weder von irgendwelchen Gesundheitsbehörden noch von der Fluggesellschaft.

Auch diesen Artikel habe ich hauptsächlich für mich geschrieben und behalte mir vor, ihn wieder auf privat zu setzen.

Basteln mit Junior: Zimtsirup und gebrannte Mandeln

Noch etwas früh für Weihnachten – aber hier sind gleich 2 selbstgemachte Geschenkideen aus dem letzten Jahr. Zimtsirup und gebrannte Mandeln. Die Herstellung ist einfach, da man sich an heissem Zucker aber böse verbrennen kann, eher etwas für ältere Kinder.

Für den Zimtsirup:

Für 1 Liter Zimt-Sirup:
1 kg Zucker
4 Teelöffel Zimtpulver: am besten Bio Qualität (keine Pestizidrückstände) und Ceylon Zimt, der ist zwar teurer, aber besser verträglich, da weniger Cumarin enthalten ist
ein paar ganze Zimtstangen (zur Dekoration)
1 L Wasser
Kochtopf, Schneebesen, Trichter zum abfüllen
Glasflaschen mit Bügelverschluss (z.Bsp 100ml) zum abfüllen

Zubreitung:
Den Zucker, Zimt und das Wasser ein einen Topf geben und unter Erwärmen und rühren lösen. Den Sirup vorsichtig 10 Minuten köcheln lassen. In die Fläschchen ein Stück Zimtstange stecken. Den Sirup noch heiss auf die Fläschchen verteilen und diese schliessen. Ungeöffnet und an einem kühlen Ort ist der Sirup über Monate haltbar. Nach dem Öffnen innert ein paar Tage verbrauchen.

Der Zimtsirup eignet sich zum verfeinern und aromatisieren von Kaffee, Tee, Milch, über Eiscreme, Pancakes und Omelette, in Kuchen … und kann auch verdünnt pur getrunken werden.

Für die gebrannten Mandeln:
400 g ganze Mandeln (ungeschält oder geschält)
400 g Zucker
2 Pack Vanillezucker
4 EL Kakaopulver
1 TL Zimt
200 ml Wasser
Zellophansäcklein zum abfüllen (zum Beispiel mit Weihnachtsmotiven)

Zubereitung:
Zucker, Vanillezucker, Kakaopulver und Zimt in eine Edelstahlpfanne geben. Das Wasser zugeben. Zum Kochen bringen. Die Mandeln dazugeben und unter ständigem Rühren auf hoher Stufe weiter kochen, bis das Wasser verdampft und der Zucker trocken wird. Dann die Temperatur auf mittlere Stufe stellen und so lange weiter rühren, bis der Zucker leicht zu schmelzen beginnt und die Mandeln etwas glänzen. Das Ganze braucht etwas Geduld.
Dann die Mandeln auf ein Backblech mit Backpapier schütten, mit zwei Gabeln auseinander ziehen und abkühlen lassen.
Die Mandeln in die Cellophansäcklein füllen und gut verschliessen.

Etiketten: