Resilienz in der Apotheke – Oder: Wie ich überlebt habe

2023 und auch 2024 waren echt zum Vergessen für mich. Meine Mutter starb Anfang 23, mein Vater im Herbst 23. Während Mama vorher einige Zeit Herzkrank war, dann mit Sepsis ins Spital war und wir zumindest ein paar Tage Zeit hatten, uns vorzubereiten, kam der Tod von Papa überraschend direkt nach den Ferien, die wir zusammen verbracht haben. Ich habe ihn selbst in seiner Wohnung aufgefunden. Beide waren mir immer eine starke Stütze und ich trauerte und vermisse sie immer noch sehr. Dazu kamen bestehende eigene gesundheitliche Probleme, wegen Covid-Folgen und vermehrter Stress in der Apotheke aufgrund kranker Mitarbeiter und Mutterschaft.

Dann kündigte gleich anschliessend an die Beerdigung von Papa meine junge Mit-Betriebsleiterin, die den Drogerieteil unserer Apotheke und Drogerie unter sich hatte – wahrscheinlich wegen Überforderung. Wie man sich vorstellen kann, war ich 2023 nicht ganz auf der Höhe und habe ihr vielleicht nicht die nötige Unterstützung bieten können – Ehrlich, ich war mit meinen eigenen Aufgaben in der Apotheke mehr als ausgelastet und hab versucht meine persönlichen Probleme nicht in die Apotheke zu bringen. Mehr lag bei mir in der Zeit nicht drin. Ihr Führungsstil war aber schon länger eher suboptimal, micromanagend und gleichzeitig hatte sie Probleme Aufgaben abzugeben. Kurz vor Weihnachten 23 eskalierte das mit einer langjährigen Mitarbeiterin in einem Mass, dass ich mich (erstmals überhaupt) und offen gegen sie stellen musste, weil ihre Entscheidung für das Geschäft schädigend war. Noch am gleichen Tag liess sie sich krankschreiben. Wiederholt. Sie kam dann bis zu ihrem Arbeitsende 3 Monate später nicht mehr arbeiten. Ich musste ihre ganzen Aufgaben von einem Tag auf den nächsten übernehmen, einschliesslich Lehrlingsbetreuung Drogerie, Drogeriesortiment-bestellungen, Arbeitspläne Drogerie usw. Daneben räumte ich die Wohnung der Eltern aus und war auf der Beerdigung von einer Tante und einem Götti, die in der Zeit gestorben sind.

2024 ging genau so weiter: Eine Mitarbeiterin musste wegen schwieriger Schwangerschaft früher in den Mutterschaftsurlaub. Für sie konnten wir eine neue Mitarbeiterin einstellen. Die erfahrene Pharmaassistentin arbeitete gut – bis das Schicksal auch sie hart traf: Familienprobleme, gesundheitliche Probleme, kranke und sterbende Haustiere, kranke Verwandte – das ganze Programm. Mehr als genug für einen Burnout. Sie kündigte vorher, um das zu verhindern. In der Zwischenzeit suchten wir immer noch dringend eine neue Drogist*in HF als Co-Betriebsleitung.

Das war die Kurzfassung (ja, wirklich!) – und ich lebe noch, arbeite noch und der Apotheke und dem Rest der Mitarbeiter geht es gut. Ich habe dabei gezwungenermassen viel über Resilienz gelernt, was ich gerne weitergeben möchte. Zum Glück hatte ich schon Kurse in die Richtung, denn wenn man in so einer schwierigen Zeit drin ist, fehlt die Kraft sich das neu anzueignen.

Resilienz kommt vom lateinischen resiliere: abprallen, nicht anhaften und beschreibt die Fähigkeit, Belastungen auszuhalten, sich von Schicksalsschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen, sondern wieder auf die Beine zu kommen und sein Leben zu bewältigen.

Diese Einstellungen und Aktionen haben mir durch die schwierige Zeit geholfen:

Akzeptanz, die eigene innere Einstellung, Selbstwahrnehmung, Hilfe holen, Zukunftsorientierung, Verantwortung übernehmen und Lösungsorientierung.

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Akzeptanz

Manchmal ist es so: die Situation ist scheisse und sie lässt sich nicht ändern. Schicksal nennt man das auch. Dinge gegenüber denen man oft nur hilflos ist. Naturkatastrophen, Todesfälle, Krankheiten, aber auch die Entscheidungen von anderen Leuten, die man akzeptieren muss. Von Politikern hat man schon gehört „it is what it is.“ Man kann am Ende nichts anderes, als das hinnehmen. Es hilft, wenn man sich da innerlich nicht zu sehr wehrt und damit hadert und sich Gedanken macht, weshalb, warum und wäre doch … Es ist jetzt so. Mist. Traurig. Ja. Hinfallen darf jeder – es geht darum, wieder aufzustehen. Krönchen richten und weiter gehts.

Eine positive innere Einstellung

Auch wenn das aktuell eine schlimme Situation ist – das wird wieder anders. Es ist nicht nur so, dass das Leben weiter geht. Es wird auch wieder besser werden. Es gibt Trauer, es gibt depressive Verstimmungen und die Hormone tragen bei uns Frauen auch nicht gerade zu einer optimistischen Stimmung bei – ich selbst falle regelmässig vor der Mens in ein tiefes Loch. Aber ich weiss dann auch an was das liegt … und dass es besser wird. Das Leben ist schön, auch wenn man es vielleicht in dem Moment nicht sehen kann. Meine Eltern haben mir das immer vermittelt und ich weiss, dass sie nicht wollten, dass ich nur noch Trübsal blase und das Schöne und Gute im Leben nicht mehr sehe. Ich war in der Zeit oft unterwegs zur Arbeit, einerseits weinend vor Trauer und konnte trotzdem Freude haben an dem Regenbogen oder an guten Nachrichten. Was ich von meinen Eltern auch gelernt habe, ist dankbar zu sein – und das auch zu zeigen. Ich bin Dankbar für Familie und Team und Arbeit – und gutes Essen, schöne Ferien, dass ich in der Lage bin mit dem Velo zur Arbeit zu fahren und mehr.

Selbstwahrnehmung und Selbstregulation

In so schwierigen Zeiten muss man sich fast zwingen, etwas auf sich zu achten. Mir haben im kleinen Rahmen diese Tipps geholfen: Wenn du das Gefühl hast, alle hassen dich: schau, dass du genug Schlaf bekommst. Wenn du das Gefühl hast, du hasst alle: Iss etwas. Wenn du das Gefühl hast, du hasst dich selber: nimm eine Dusche.

Weil ich meinen Papa in der Dusche tot aufgefunden habe, brauchte der Teil bei mir mehr Überwindung, trotzdem fühlte ich mich nach einer Dusche besser. Und das mit dem Essen: die Snickers Werbung „Du bist nicht du selber, wenn du Hunger hast“ kennt man noch, oder?

Etwas noch: Wenn man die äusseren Umstände nicht ändern kann – vielleicht kann man seine Einstellung ändern? Das scheint oft unmöglich, ist aber enorm befreiend, wenn es klappt. Es hilft, sich klarzumachen, dass man bei der Arbeit (egal in welcher Position) nicht wirklich unersetzlich ist. Sich zu fragen: Was ist mir wichtig genug, dafür zu kämpfen? Choose your Battles, lass Unwichtiges laufen. Und wenn die eigenen körperlichen und seelischen Grenzen erreicht sind, dann sollte man auch mal sagen: Jetzt ist fertig für heute. Ich brauche jetzt dringend Ruhe, gehe nach Hause, lasse mich ablösen.

Netzwerkorientierung  und Hilfe holen

Man ist nicht allein. Der Mensch ist ein soziales Wesen und selbst introvertierte Typen wie ich selbst haben (kleine) Netzwerke. Familie (was noch da ist), Freundeskreis, Arbeitskollegen und Vorgesetzte. Ich habe einen Bruder, mit dem ich in dem schwierigen letzten Jahr wieder mehr zusammengewachsen bin. Er und Familie waren eine grosse Hilfe beim Bewältigen des Todes unserer Eltern und der nachfolgenden Beerdigung und Behördenkram. Mein Mann und Sohn teilen meine Trauer und fangen mich zu Hause auf. In der Apotheke habe ich das Team, das sich in der schweren Zeit zu Höchstleistung aufschwang und mit gegenseitiger Hilfe und Einsätzen half. Ihnen konnte ich einen Teil der Aufgaben weitergeben und sicher sein, dass die Apotheke weiterläuft. Und ich habe Hilfe geholt bei meinen Vorgesetzten, die Aufgaben übernommen haben wie der Suche nach einer neuen Co-Betriebsleitung, Behördenkommunikation und Einsätzen von auswärtigen Mitarbeitern in unserer Apotheke … unter anderem auch für mich selbst. Das ist die Zeit um zu sehen ob Angebote wie: „Wenn Du Hilfe brauchst, musst du nur fragen“ nicht nur Floskeln sind. Falsche Scham hilft nicht.

Orientierung auf die Zukunft

Jetzt ist die Situation vielleicht miserabel, aber es gibt Hoffnung für die Zukunft. Probleme künden sich häufig vorher an und“ beobachten“ ist nur ganz in der Anfangsphase eine gute Idee. Meine Mama sagte immer: Probleme sich selbst zu überlassen führt meist vom Regen in die Traufe. Vorausschauend handeln hilft. Meine Co-Betriebsleitung machte zum Beispiel die Arbeitspläne (ausser für die Apotheker) – das ist viel Arbeit und Zeitaufwändig (vor allem, wenn man wegen Krankmeldungen etc. kurzfristig Ersatz suchen muss), deshalb drängte ich darauf, da eine langjährige Mitarbeiterin einzuführen, um sie zu entlasten – und die war dann parat, als meine Co-Leitung hinschmiss. Apropos Arbeitspläne … in der immer noch aktuellen Situation mit hohen Krankheitsständen und Ausfällen ist es gut, da etwas mehr Arbeitsprozente zur Verfügung zu haben.

Verantwortung übernehmen

Es ist gut möglich, dass meine Situation mitbestimmend war für die Entscheidungen meiner Co-Betriebsleiterin. Aber SIE hat gekündigt, nicht ich. Ich übernehme Verantwortung, aber nicht Schuld. Damit hatte ich noch nie Mühe. Vor 20 Jahren wurde ich etwas überraschend Co-Betriebsleiterin, nachdem ich in der Apotheke als angestellte Apothekerin immer mehr Aufgaben übernommen und gelernt habe, wie alles läuft. Als sich mein damaliger Chef mit dem Inhaber angelegt hat, war ich der parate Ersatz. Als nun meine Co-Betriebsleitung gekündet hat, war ich trotzdem erst mal völlig überwältigt davon, dass jetzt einfach *alles* an mir allein liegt. Dann fand ich mich damit ab und das machte mir das Ganze etwas einfacher. Wenn nur ich jetzt für alles verantwortlich bin, muss ich mich nicht mehr absprechen, nachfragen, ob etwas gemacht wurde, oder mich eventuell über andere ärgern, wenn nicht. Ich habe die Aufgaben trotzdem nicht alle behalten, sie wurden delegiert und weil ich ein gutes Team habe, werden sie auch gut gemacht.

Lösungsorientierung

Schwierige Situationen stellen uns vor Probleme. Manchmal kommen sie uns wie unüberwindbare Berge vor. Probleme sind aber häufig lösbar. Es gibt Strategien, die helfen. Mir half es bewusst zu werden, dass das kein Sprint ist, sondern mehr ein Marathonrennen oder vielleicht auch ein Hindernislauf. Man sollte seine Kräfte dafür einteilen, immer ein Problem nach dem anderen angehen, Babysteps machen: kleine Schritte, aber nicht aufhören, immer nur ein bisschen (weiter). Und ganz wichtig ist es, Prioritäten zu setzen. Wichtiges zuerst, unwichtiges später. Sachen mit Deadline zur Zeit erledigen, anderes schieben. Nicht alles muss man selbst machen. Delegieren, sich Hilfe holen ist wichtig. Manchmal muss man auch über den Rand hinausdenken. Wir haben keine Drogistin HF gefunden, dann gab es eine andere Lösung.

Wir sind jetzt nur noch eine Apotheke und keine Drogerie mehr – aber mit demselben Sortiment wie vorhin und bilden weiterhin Drogistenlehrlinge aus. Ich habe eine Co-Betriebsleiterin bekommen, die Apothekerin ist, wie ich und mit der ich Aufgaben und Verantwortung teile. Unser Lehrling hat seinen Abschluss gut bestanden. Die Personalsituation hat sich wieder entspannt, die Kollegin ist aus der Mutterschaft zurück. Es geht aufwärts. Man muss etwas dafür tun, aber das wird! Es lohnt sich, Resilienz zu entwickeln.

Ganz Spurlos geht so etwas trotzdem nicht an einem vorbei. Ich bin dünnhäutiger geworden und ich merke, dass ich meine Prioritäten anders setze. Ich habe angefangen mehr auf mich selbst zu schauen. Ich habe meine Eltern verloren und geerbt. Ich bin dadurch nicht reich, aber habe eine Reserve hintendran, die ich vorher nicht hatte.

Der Artikel wurde letztes Jahr in der Pharmapro veröffentlicht. An dem Ort finden Apotheken Mitarbeiter*innen und Branchennews.

Ferienbeschrieb Norwegens Postschiffroute

Wir waren die letzten Ferien (Anfang Oktober) auf Postschiffahrt entlang der Küste von Norwegen. Ich habe mir überlegt, eventuell wieder auf Island zu gehen, aber nach dem Tod von Papa kurz nach den letzten Ferien dort, befürchtete ich von Erinnerungen übermannt zu werden. Also etwas neues … und vielleicht trotzdem … Nordlicht. Das ist inzwischen ein running gag in der Familie geworden, weil wir es in 3x Island verpasst haben.

Die Postschiffroute, auch Hurtigruten genannt, sind Schiffe, die entlang der Küste von Norwegen zwischen Bergen und Kirkenes zirkulieren. Ausser den klassischen Postschiffen, gibt es eine neue Reederei auf derselben Route, die nennen das dann Kystruten. Die Havila Schiffe sind sehr neu (Baujahr 2021-2023), fahren umweltfreundlich mit Erdgas und Strom und sind übersichtlich gross. Letzteres war mir noch wichtig, ich hab einen Horror vor Menschenmengen und Massenveranstaltungen und wenn man da 12 Tage praktisch in einem schwimmenden Hotel ist … eben. Unten links übrigens der Grössenvergleich: das Postschiff passt 4-5 mal in das Kreuzfahrtschiff. Rechts das Schiff der Havila unterwegs – es hat dieselbe Grösse wie das Hurtigrutenschiff.

Erster Tag war in Bergen, das eine sehr hübsche Altstadt hat und der kurze Ausflug mit der Zahnradbahn auf den Floyen war toll (typisch schweizerisch, irgendwo auf die Hügel rauf zu müssen).

Das einchecken an Bord funktioniert wie in ein Flugzeug. Man gibt das Gepäck ab, bekommt eine Karte (in dem Fall eine zum umhängen, die einen ausweist, wenn man von Bord geht, Essen bestellt oder etwas im Shop kauft und als Kabinenschlüssel fungiert). An einem weiteren Schalter wählt man seine Essenszeiten aus (dazu später mehr).

Die Kabine ist wie ein kleines Hotelzimmer. Die Aussenkabine hat Platz für 3 Erwachsene (grad so), Fenster, Schrank (der nie für 3x Gepäck reicht), Kühlschrank, Kaffemaschine, WC/Dusche. Sie wird alle 2 Tage geputzt, neue Tücher gibt es, wenn man sie auf den Boden legt (oder vorher, wir hatten sie doppelt). Auf dem Bildschirm kann man Infos zum Tag abrufen, etwas Fernsehen oder auf der Bugkamera die Fahrt beobachten. Am Telefon gibt es eine Einstellung, wenn man sich wegen dem Nordlicht informieren lassen will. Es gibt WLAN – reicht aber nicht für riesigen Datenaustausch, wie manche Spiele von Junior. Unsere Kabine lag direkt neben dem Landgang – aber die Geräusche hielten sich auch beim anlegen Nachts im Rahmen.

Auf dem Schiff hat es noch bessere Kabinen (Suiten), ein paar Innenkabinen, einen Raum für Leute, die nur von Hafen zu Hafen transferieren. Man isst im Havrand Restaurant (oder zwischendurch im Café), trinkt etwas in der Panoramalounge mit Fensterfront am Bug, benutzt den Aussenjacuzzi oder Sauna und Fitnessraum oder geniesst einfach irgendwo die wechselnde Landschaft. Es gibt eine App (Kystruten) auf der man jegliche Info bekommt zu Schiff, wo man sich grad befindet, was man da sehen kann, welche Schiffe man kreuzt, ob Nordlicht möglich ist. Auf dem Bildschirm im Zimmer hat man immer die Info vom Tag (angefahrene Häfen, Touren an dem Tag …) und einmal täglich gibt es eine Infoveranstaltung im Konferenzzimmer an der man teilnehmen kann und etwas über Norwegens Kultur, Sprache und mehr erfährt.

Das Essen an Bord war ein weiterer Grund, Havila zu wählen. Es gibt ausser beim Morgenessen kein Buffet. Beim Morgenessen wählt man das warme Gericht (Pfannkuchen, Rührei etc.) aus dem Menü, den Rest holt man sich. Am Morgenessen hat man keinen festen Tisch, man kommt zwischen 7.30 Uhr bis 10.30 Uhr und bekommt dann einen Tisch zugewiesen. Wasser, Orangensaft und Kaffee sind in der Vollpension inklusive. Wenn man sonst Softdrinks, Cocktails, Wein etc. möchte, wird das auf das Zimmer und die anfangs hinterlegte Kreditkarte aufgeschrieben. Es gibt Getränkepakete, aber nachdem ich das mit den Preisen und was wir meist so trinken verglichen habe, haben wir keines genommen, da es sich nicht lohnt.
Am Mittag hat man eine Menuekarte. Auf der stehen verschiedenste kleine Gerichte – teils solche, die die ganze Reise lang bleiben, teils wechselnd (alle 3 Tage). Man wählt 3 der Gerichte aus und ob man das „Geheimnis des Tages“, das Dessert möchte. Ich fand die Auswahl sehr gut, auch für Vegetarier und glutenfrei, alles angeschrieben.
Abends ist es ähnlich, aus dem wechselnden Menue wählt man hier eine Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch. Dazu bekommt man eine Auswahl an Gemüse separat serviert.
Mit dem System haben sie übrigens 80% weniger Essensabfall als im Vergleich zum Buffet! Und ich finde es wesentlich stressfreier :-)
Man hat einen festen Tisch und Essenszeiten mittags und abends, die man beim einchecken wählt. Wir hatten einen Tisch, den wir mit anderen teilten. Da wir die Reise BKB, also Bergen bis Kirkenes und zurück gemacht haben, haben die gewechselt. Hin hatten wir ein deutsches junges Pärchen am Tisch, zurück ein älteres aus Norwegen, beides nette Gesellschaft.

Es gab vor der Reise gewisse Befürchtungen, dass es langweilig werden könnte. Ich fand das nicht – die Landschaft wechselt, das Wetter wechselt und es ist sehr schön das zu beobachten. Spezielle Punkte werden auch „ausgerufen“ über die Lautsprecher im Gang. An den Häfen an denen man länger bleibt, gibt es Ausflüge, von denen wir einige gebucht und gemacht haben. An den kürzeren konnten wir zuschauen, wie auf- und abgeladen wird, Leute zu- und aussteigen: vor allem im Norden dient das Postschiff als öffentliches Verkehrsmittel, wie die vielen Fähren. Wenn man unterwegs ein Schwesterschiff der Havila oder der Konkurrenz der Hurtigruten trifft, grüssen sich die beiden.

Unsere Ausflüge auf der Fahrt nach Norden: Trondheim mit der historischen Strassenbahn, Schlauchboot Tour zum Saltstraunen und den Seeadlern (bei Bodø), Abendessen beim Vikinger (Von Bord in Stamsund, zurück in Svolvær).

Unsere Ausflüge auf der Fahrt zurück nach Süden: Königskrabben-Expedition mit dem Schlauchboot (in Kirkenes), Frühstück am Nordkap (Honningsvåg bis Hammerfest), Marmorbergwerk Bergatt (Kristiansund bis Molde – den vor allem wegen der Atlantikstrasse, die sie im Herbst/Winter aber nur machen, wenn das Wetter mitmacht).

Die Ausflüge waren alle toll, sehr gut organisiert, beim Schlauchboot am Saltstraunen hatten wir Pech mit dem Wetter, auch gut eingepackt war das eher … herausfordernd mit den Wellen und Eisregen. Das Frühstück am Nordkapp war mehr Busfahren als erwartet, da ist man 4 Stunden unterwegs, aber die tolle Landschaft und das Wetter machten das wert. Unterwegs haben wir alle Jahreszeiten gesehen, sehr herbstlich bunte Bäume, Winterwunderlandschaft im Schnee mit Rentier.

Und unterwegs dann auch das: Nordlicht! Nicht ganz einfach zu finden, es braucht die richtige Jahreszeit, klaren Himmel, Nacht, Sonnenaktivität. Mit der Sonne hatten wir ja Glück, nicht nur sind wir aktuell auf dem Höhepunkt des 11 Jahre Zyklus, während unserer Zeit in Norwegen gab es einen starken Ausbruch (mit Aurora sichtbar bis in die Schweiz). Und am 7. Oktober war es dann soweit:

Es ist nicht ganz einfach zu fotografieren. Das Schiff bewegt sich, man muss eine Zeitlang ruhighalten, trotzdem; die ersten beiden Bilder wurden mit meinem iPhone (13) geschossen. Das letzte Bild stammt vom Schwesterschiff, der Havila Polaris, die uns in genau dem Moment kreuzte. Es wurde in einer Facebookgruppe veröffentlicht – ich hab ihnen dann ein Bild von ihrem Schiff zurück gesendet.

Zum Abschluss noch ein paar Worte was die Gesundheit an Bord betrifft. Sie achten sehr auf Hygiene und bitten einen von Anfang an, sich häufig die Hände zu waschen und die Desinfektionsstellen zu benutzen. Vor dem Essen ist Händewaschen jeweils obligatorisch: am Waschbecken vor dem Restaurant. Wer krank ist, sollte auf dem Zimmer bleiben und kann sich das Essen bringen lassen. Die öffentlichen Räume sind allgemein nicht überfüllt und die Zimmer gut belüftet (das Fenster aber nicht zu öffnen). Es gibt eine Krankenstation (Zimmer), aber keinen Arzt an Bord.
Kreuzfahrtschiffe sind etwas problematisch, was die Ausbreitung von Infektionen betrifft: viel geschlossener Raum, viele Leute, viele Ansteckungsmöglichkeiten. Wir hatten sicher Glück – ich habe vielleicht drei mal Leute husten gehört. Masken waren nicht existent – ausser unseren, die hatten wir auf dem Flugplatz und im Flugplatz an, aber nicht mehr an Bord. Wir sind gesund geblieben – und glücklich wieder zurück.

Covid-Impfung Schweiz Herbst 2024

Das ist ein Infopost – geschrieben für interessierte Patienten, aber auch für Apotheken und Ärzte in der Schweiz.

Erfreulicherweise gibt es seit dem 6. September die Covidimpfung mit dem JN.1 Update als EINZELDOSEn in Fertigspritze erhältlich! Und wir dürfen sie in der Apotheke impfen!

Tatsächlich gibt es jetzt (neu) 2 Covid-Impfstoffe in Einzeldosen und vom Grossisten normal zu bestellen:
Comirnaty JN.1 (Pfizer) Fertigspritzen Packung zu 10 Stück – der Impfstoff ist im Kühlschrank haltbar (bis 8 Monate nach Produktion)
Spikevax JN.1 (Moderna) Fertigspritzen Packung zu 10 Stück UND Packung zu 1 Stück – der Impfstoff ist aber nur 7 Tage im Kühlschrank haltbar (!)

Kosten: Die Impfung wird seit Ende letztem Jahr nicht mehr vom BAG übernommen. Dafür steht sie seit August 24 auf der Spezialiätenliste (SL) der Krankenkassen. Das bedeutet, die Covid-Impfung wird bei gegebener Indikation und Impfung beim Arzt von der Krankenkasse bezahlt. Impfen wir in der Apotheke, muss die Krankenkasse das nicht zahlen- Ich empfehle Patienten, bei denen die Indikation zutrifft, das (trotzdem) der Kasse einzusenden, manchmal sind sie grosszügig. Der Preis ist … nicht günstig. Eine einzelne Impfung des Comirnaty ist etwa CHF 77.- dazu kommen noch 20-25 Franken fürs drumrum (Injektion und Verbrauchsmaterial). Das wird i.m. gespritzt, benötigt also eine blaue Nadel. Man kann sie gleichzeitig mit der Grippeimpfung verabreichen – und wir halten es dann so, dass die „Dienstleistung Impfen“ nur einmal bezahlt werden muss.

Das sind die aktuellen Empfehlungen des BAG zur Covid-Impfung:

SARS-CoV-2 ist weiterhin in Zirkulation und wird auch in Zukunft zu Infektionen und Covid-19-Krankheitsfällen führen, welche bei manchen Personen mit einem Komplikationsrisiko einhergehen und schwer verlaufen können. Zum aktuellen Zeitpunkt zeichnet sich noch keine eindeutige Saisonalität für SARS-CoV-2 ab, jedoch wird eine Häufung der Fälle und eine erhöhte Belastung für die Gesundheitssysteme in den Wintermonaten erwartet. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF) empfehlen jährlich
eine einzelne Impfdosis gegen Covid-19 im Herbst/Winter (idealerweise zwischen Mitte Oktober und Dezember) für folgende Personengruppen:
– Personen von ≥ 16 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf aufgrund einer Vorerkrankung oder durch Trisomie 21
– Personen von ≥ 65 Jahren als ergänzende Impfung zum individuellen Schutz vor dem altersbedingt erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf.
– Schwangeren Frauen wird die Covid-19-Impfung empfohlen, um die werdende Mutter und das ungeborene Kind vor dem leicht erhöhten Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs und von Schwangerschaftskomplikationen zu schützen. Die Impfung wird insbesondere schwangeren Frauen mit Vorerkrankung empfohlen.
Für Personen mit schwerer Immundefizienz wird ein besonderes Impfschema empfohlen.
Das Gesundheitsfachpersonal kann sich gegen Covid-19 impfen lassen, ohne dass das BAG und die EKIF eine Empfehlung für diese Personengruppe aussprechen.
Die empfohlene Impfung umfasst eine einzelne Impfdosis, frühestens sechs Monate nach der letzten Covid-19-Impfung oder bekannten SARS-CoV-2-Infektion. Sie wird präferenziell mit einem an zirkulierende Virusvarianten angepassten mRNA-Impfstoff empfohlen, sofern dieser zugelassen und verfügbar ist.

Man kann sich also auch ausserhalb der Empfehlungen impfen lassen – das muss man dann halt selber zahlen. Das gilt auch für im Gesundheitswesen arbeitende (BAG: weshalb?). Das mit dem Abstand von 6 Monaten seit letzter Impfung gegen Covid oder Infektion ist ebenfalls eine Empfehlung und kein Ausschlusskriterium. Wirklich überimpfen kann man sich damit nicht – was die eine Person, die sich 200 mal gegen Covid impfen liess (weshalb??) bewiesen hat. Beim Arzt machen müssen es allerdings Schwangere und unter 16jährige sowie Immunsupprimierte oder mit Blutverdünnern (ausser Aspirin cardio).

Die Pharmasuisse stellt wie für die anderen Impfungen ein Triageformular für die Covid-Impfung zur Vorbereitung des Patienten zur Verfügung (oben im Bild sichtbar) auf dem die Zielgruppe und Empfehlungen des BAG, die Ausschlusskriterien und die möglichen Nebenwirkungen stehen.

Mit diesen Einzeldosen (speziell den länger im Kühlschrank haltbaren) können wir in der Apotheke in der Schweiz die Covid-Impfung wieder viel einfacher anbieten – und werden das auch. Ich hab sie für uns bestellt – und die Familie habe ich jetzt schon geboostert. Nebenwirkungen: Aua-Arm 2 Tage lang, wie die letzten Male auch, aber diesmal kein Fieber oder Abgeschlagenheit – funktioniert bestens.

Ruhet in Frieden.

Das ist mein Papa. Oder besser: das war er. So wie ich ihn in Erinnerung behalten möchte. Er starb am 15. Oktober. 9 Monate, nachdem Mama gestorben ist. Damit habe ich in einem Jahr jetzt beide Eltern verloren. Mich belastet vor allem die Art, wie. Ich setze sonst keine Triggerwarnungen. Hier aber doch: Tod und Trauer.

Mein Papa war immer ein sehr ruhiger Mensch. Er redete nicht viel (Mama musste alles aus ihm herauskitzeln) und er war auch überhaupt nicht emotional ausdrucksvoll, aber man wusste trotzdem immer, er nimmt teil. Gelegentlich kamen treffende Anmerkungen oder er hat Zeitungsausschnitte zum aktuellen Thema gebracht, oder erzählt, was er auf google „recherchiert“ hat – denn selbst mit 84 Jahren war er immer noch ausgesprochen Technikaffin. Egal um was es ging: wenn es Maschine oder Technik war (oder auch andere Themen), dann informierte er sich darüber und bereitete sich vor. Mama war häufig die Ideengeberin und Organisatorin – aber ausgeführt, gemacht hat es dann Papa. Mama war die Kartenleserin, Papa der Fahrer, Mechaniker, Problemlöser. Sie haben 1966 geheiratet – ich kam 7 Jahre später, als sie schon dachten, dass sie keine Kinder mehr bekommen würden, mein Bruder folgte kurz danach 1975. Sie hatten es nicht einfach mit seiner Familie (Eltern und zwei Geschwister, beide geschieden), diese haben sie dermassen gemobbt, bis sie weiter weg gezogen sind. Beide haben gearbeitet, Papa musste zudem jahrelang pendeln und war dann nur am Wochenende und natürlich in den Ferien da. Trotzdem haben sie es geschafft eine harmonische Ehe zu erhalten, ihre Kinder aufzuziehen und einen Freundeskreis zu pflegen. Papa hat mir (mindestens) zwei Mal das Leben gerettet. Einmal vor dem ertrinken und einmal vor dem ersticken unter Schnee. Von ihm habe ich das Interesse für Technik und am malen …. und wohl auch die Introvertiertheit. Meine Worte werden ihm hier nicht gerecht. Er war einfach ein guter Mensch.

Mama starb nach einer Woche im Krankenhaus am 9. Januar 2023, weil ihr Herz (mit künstlichen Herzklappen) durch eine Sepsis wegen Gallenblasenentzündung geschädigt war. Ich bin jetzt noch nicht wirklich darüber weg – und Papa, der von da an alleine in er Wohnung war (mit 84 Jahren) hat sie ebenfalls sehr vermisst. Sie hatten zum Glück einen guten und ziemlich grossen Freundeskreis, der ihn etwas aufgefangen hat, indem er regelmässig eingeladen wurde. Wir selber haben ihn alle eine bis zwei Wochen zum Abendessen und reden bei uns. Er war trotzdem einsam in der Wohnung und immer dankbar, wenn wir etwas zusammen unternahmen, auch wenn es nur ein einfaches Essen war. Wir haben ihn dann eingeladen, mit uns in die Ferien zu kommen – die beiden sind immer sehr gerne gereist (das habe ich von ihnen). Im Sommer hat es nicht geklappt, aber für die Herbstferien habe ich Island organisiert. Da waren wir schon einmal alle zusammen (vor 2 Jahren), die letzte grosse Reise, die sie gemacht haben, Mama hatte damals ziemlich Mühe mit dem laufen, auch wenn es sie sehr gefreut hat, dabei zu sein.

Vom 2. Oktober bis 14. Oktober 23 waren wir zusammen in Island. Eine kleine Rundreise im Süden und Westen mit dem Mietauto und jeweils Übernachtungen in verschiedenen Hotels. Kuschelbär und ich in einem Zimmer, Junior und Opa im anderen. Das ging gut, auch wenn Opa (Papa) wie immer geschnarcht hat. Die Reise war toll – etwas aufregend wieder, weil wie dank Schneesturm etwas umjonglieren mussten – und das Nordlicht haben wir auch dieses Mal nicht gesehen. Dafür aber viel Schönes: Island hat eine phantastische Landschaft und das Essen war auch ganz okay (auch wenn Papa sich etwas darüber beklagte, dass sie das Lammfleisch so in Sauce ertränken). Wir waren an Wasserfällen, die auch er bemerkenswert fand. Er scherzte: „das ist kein R(h)einfall!“ Und wir waren in heissen Quellen baden. Das Bild oben stammt von so einem Besuch. Gesundheitlich ging es ihm gut. Etwas Knieprobleme, weshalb wir nicht so viel gelaufen sind und er nahm seine Tabletten gegen hohes Cholesterin (dieselben wie ich) und Marcoumar, das er seit einem kleineren Herzproblem vor etwa 10 Jahren hat.

Am Samstag 14. Oktober kamen wir zurück in die Schweiz, wir haben Papa zu seiner Wohnung gebracht, ich habe ihn zum Abschied umarmt und er meinte, das waren sehr schöne Ferien und hat sich bedankt. Ich hab ihm gesagt, ich melde mich noch, weil ich gerne auch seine Fotos haben möchte fürs Fotoalbum und dass er sein Natel (das offenbar im Dampf der letzten heissen Quelle feucht geworden ist) in Reis legen solle.
Am Sonntag schreibe ich ihm ein mail, wegen den Fotos.
Am Montag 16. Oktober war ich etwas irritiert, weil ich noch nichts gehört habe. Nachmittags versucht, ihn anzurufen (nicht aufs ev. kaputte Natel, sondern die Festnetznummer) und er hat nicht abgenommen. Gut – ev. ist er grad unterwegs, aber als ich es nach dem Nachtessen noch einmal versuche und niemand abnimmt, war ich doch sehr beuunruhigt und habe meinen Mann gebeten, dass wir rasch vorbeifahren. Ich habe einen Schlüssel für die Wohnung.
Angekommen, sehen wir, dass Licht brennt. Auf die Klingel keine Reaktion. Das Licht im Badezimmer ist an. Ich rufe und gehe rein. Papa liegt nackt in der trockenen Dusche (auf der Seite) unter ihm ein komplett zerlegter Plastikschemel. Mir entfährt nur ein „Oh, Nein!“ Es ist mir schon klar, dass er nicht mehr lebt, trotzdem knie ich mich daneben und lege die Hand auf das Bein – das ist eiskalt. Er liegt da schon eine Zeitlang. Jetzt sehe ich auch die Verfärbungen an der Haut. Aus der Nase ist etwas Blut gelaufen und unter dem Kopf geliert. Er hatte Blutverdünner. Ich sitze am Boden und sage: „Wir müssen jemanden anrufen, Papa ist tot.“
Mein Mann übernimmt das – und setzt damit die ganze Kette nach so einem Fund in Gang. Es kommt die Rettungssanität (obwohl er gesagt hat, dass die Person tot ist), der Notarzt, die Polizei, der Gerichtsmediziner und schliesslich noch das Bestattungsinstitut, nachdem klar ist, dass es sich um einen natürlichen Tod handelt.
Ich informiere unter Tränen meinen Bruder, der ebenfalls vorbei kommt mit seiner Frau. Ich rate ihm dringend, nicht ins Badezimmer zu gehen. Es ist wirklich kein schöner Anblick – und ich weiss da schon, dass ich Mühe haben werde, das aus dem Kopf zu bekommen.
Wir geben uns etwas Trost, während wir uns in der Wohnung umschauen. Papa hat schon alles von der Reise ausgepackt und verräumt: Wäsche im Wäschekorb, Koffer leer im Gang zum in den Keller nehmen, die Reisepapiere, Portmonnaie und Ausweise auf dem Couchtisch. Das Natel finde ich erst nicht, aber meine Schwägerin entdeckt es – in Reis eingelegt in einer Tüte auch beim Couchtisch. Vor dem Computer steht eine leere Tasse Kaffee. Auf dem Esstisch ein Teller und die Butter. So wie’s aussieht, hat er etwas essen wollen und zuvor noch kurz duschen. Er ist dann im Badezimmer vor dem Spiegel einfach umgekippt und seitlich in die Dusche auf den Schemel gefallen. Der Gerichtsmediziner meinte es war das Herz – und es sei schnell gegangen.
Oh Gott, ich hoffe das. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass er da länger gelegen hat, Alleine. Und ich vielleicht noch etwas hätte tun können, wenn nur … Nein.
Junior meldet sich in der Zwischenzeit, den haben wir zu Hause gelassen. Wir sagen ihm es persönlich, als wir nach 5 Stunden wieder zu Hause sind. Es trifft ihn (erwarteterweise) auch hart. Am nächsten Morgen gehen weder er noch ich arbeiten, respektive zur Lehre.

Es folgt eine Menge Organisation. Nach Mamas Beerdigung im Januar wissen wir schon, wie das geht. Papa kommt in dasselbe Grab. Der Grabstein, der erst einen Monat vorher gemacht wurde, bekommt eine Erweiterung. Den Platz dafür hat er extra schon gelassen. Überhaupt war Papa enorm organisiert. Die Wohnung ist nicht nur sauber, es gibt Ordner für alles, was wir brauchen. Mietkündigung, Bankkonten, Adresslisten … alles da. Ich mache wieder die Trauerkarten – und verschicke sie diesmal ohne seine Hilfe. Da sowohl mein Bruder, als auch ich auf das Erbe von Mama verzichtet haben und sich nicht viel geändert hat seitdem, machen wir es auch dem Erbschaftsamt einfach.
Die Beerdigung war am 2. November 23. Sie war sehr schön. Es kommen wieder alle Freunde und was noch an Verwandten da ist. Ausserdem noch ein paar Freunde und Arbeitskollegen von meinem Bruder und mir. Die Kapelle ist voll, das Essen danach stimmig – aber ich bin mir sehr bewusst, dass ich einige von den Leuten wohl nie mehr sehen werde: es waren die Freunde unserer Eltern, nicht so sehr von uns.

Ich vermisse Papa. Ich vermisse Mama. Ich bedauere nicht, was vorher geschehen ist, ich denke, wir haben nichts verpasst. Aber ich würde so gerne weiter mit ihnen reden. So richtig. Ich komme mir jetzt so alleine vor ohne sie. Meinen 50. Geburtstag ohne sie zu feiern … vor einem Jahr noch undenkbar und jetzt ist es einfach so.

Ruhet in Frieden. Ich hoffe, ihr seid wieder zusammen.

Schau mal, wer da korrumpiert

Wer den Blog schon länger liest, weiss, dass ich früher in der freiwilligen Feuerwehr war. Ich fands eine tolle Zeit – eine sinnvolle und spannende Aufgabe. Natürlich zeitintensiv und teils anstrengend, aber gute Kameradschaft … und ich habe meinen Kuschelbär dort kennengelernt. Ich habe das angefangen vor der Matura, während dem Studium und Arbeit in der Apotheke weitergemacht und erst aufgehört, als wir ein Kind bekommen haben. Danach war ich nicht mehr aktiv, aber ich habe im Auftrag der Gemeinde für die Feuerwehr noch ein paar Jahre Gebäude angeschaut und Feuerwehrpläne erstellt. Das war ein kleiner Zusatzverdienst, den wir wegen Arbeitszeitreduktion dank Kind gebrauchen konnten.

Etwas überrascht war ich deshalb, als unsere Überbauung im Frühsommer einen Brief der Feuerwehr bekommen hat. Darin die Aufforderung (gemäss XY Verordnung von Datum) für die veralteten Feuerwehr-Pläne der gemeinsamen Tiefgarage neue zu liefern. Machbar bis im September, ansonsten … (!). Angehängt eine kurze Liste von Anbietern, bei denen man die Pläne erstellen lassen kann.

Uh, okay? Das macht demnach nicht mehr die Feuerwehr im Auftrag (und Lohn) der Gemeinde? Das müssen die Eigentümer der Gebäude jetzt selber liefern, oder besser: in Auftrag geben und selber bezahlen? Wie viel kostet das wohl?

Ich habe dann die Liste der Anbieter dafür angeschaut, die im Schreiben empfohlen werden. Einer davon war im selben Ort, weshalb ich die Webseite besucht habe. Im Vorstand („über uns-Seite“) ein bekanntes Gesicht: Unser Feuerwehrkommandant und heutiger Gemeindepolitiker.

Um das mal ganz klar zu schreiben: Ich halte das für Vetternwirtschaft, wenn nicht gar ansatzweise Korruption. Faktisch spart da der Politiker der Gemeinde Geld, indem er -was vorher der Feuerwehr bezahlt wurde- an die Hausbesitzer weitergibt. Und praktisch fliesst dieses Geld dann in sein eigenes Geschäft und Tasche, das die Pläne dann erstellt.

Nachdem ich das einen Moment sacken gelassen habe, habe ich beschlossen (weil ich es kann!) die Pläne selber zu erstellen. Da steht nirgends, dass es verboten ist. Es muss nach Vorgaben gemacht werden, die etwas geändert haben, seit ich das das letzte Mal gemacht habe, aber das kann ich lernen. Die Vorgaben dazu stehen im Internet.
Also habe ich ein nettes mail diesbezüglich an den Herrn vom Brief von der Feuerwehr geschrieben. Sie sollen mir doch, zur Unterstützung, die alten Pläne schicken, die sie haben und Angaben wie Objektkennzeichnung / Gebäudename und Nummer (in Absprache mit der Feuerwehr festzulegen).

Das ist dann das Bild vom alten Plan, das mir zugesendet wurde. In Originalgrösse und Auflösung: Ich glaube, da hätte ich nicht mal was zensieren zu müssen, da erkennt man so gut wie nichts.

Ich war dann etwa 5 Stunden beschäftigt. Erst mal mit einlesen, dann die Tiefgarage ausmessen, einen Grobplan erstellen im Zeichnenprogramm (Affinity). Dann in die Tiefgarage damit und die Sachen im Plan eintragen. Dann wieder ans Zeichnenprogramm und die Symbole eintragen. Rest ergänzen (Beschriftung). Dann das Objektdatenblatt (praktisch die Legende zum Plan) und das Titelblatt dafür erstellen. Das war das erste Mal. Mit Übung und Material ginge das wesentlich schneller. 2 Stunden würden reichen.
Das ist mein Plan:

Ich finde, das sieht ganz gut aus – auch wenn es vielleicht nicht perfekt ist. Das ganze habe ich dann per mail in grosser Auflösung rechtzeitig an die Feuerwehr gesendet. Sie sollen sich melden, falls noch etwas fehlt oder die Vorgaben nicht erfüllt seien. Eigentlich stand im Ursprungsschreiben noch etwas von der Plan sollte auf A3 ausgedruckt werden, aber … das habe ich ignoriert. Das können sie mit dem oben selber machen.

Ich bin sicher, das Vorgehen ist legal … immerhin bieten sie Alternativen, wer das erstellen kann. Das Geschäft vom Kommandant/Politiker ist einfach nur „die beste Wahl“ für die meisten. Bei mir hinterlässt das aber einen sehr schalen Geschmack.

Aber auf der anderen Seite: Sollte ich meinen Job in der Apotheke verlieren, kann ich vielleicht selber Anbieter für so Feuerwehrpläne erstellen werden. Wieviel verdient man eigentlich damit? Ich weiss es immer noch nicht.

Ich vermisse dich.

Ich entschuldige mich dafür, dass in den letzten Posts die Textfarbe nicht gerade kompatibel mit dem Hintergrund war und deshalb schlecht lesbar. Die Texte sind momentan vorgeplante ältere Beiträge. Ich komme nicht dazu das zeitnah anzupassen. Es ist gerade etwas zu viel.

Manche haben es vielleicht mitbekommen (auf Twitter): Meine Mama ist vor jetzt einem Monat gestorben. Ich knabber gerade hart daran. Es gibt Tage, da geht es besser und dann gibt es die anderen. Daneben fordert die Apotheke auch viel Aufmerksamkeit und die Familie, vor allem Junior, jetzt voll im Teeny-Alter. Ich dachte, es hilft vielleicht, niederzuschreiben, was passiert ist. Immerhin ist das hier auch noch mein Blog (lies: Online-Tagebuch).

Meine Mama – die hier auch schon kommentiert hat als Pharmoma – ist letztes Jahr im September 79 Jahre alt geworden. Sie kam aus Deutschland in die Schweiz, nachdem sie meinen Papa geheiratet hat. Sie ist ausgebildete Drogistin und hat bis zur Pensionierung vor bald 15 Jahren in einer Apotheke gearbeitet. Unter anderem wegen ihr bin ich Apothekerin geworden. Sie war sehr sozial und ist immer gerne in der Welt gereist und hat fremde Länder und Kulturen kennengelernt. Letzteres habe ich auch übernommen und wir sind diverse Male zusammen in den Ferien gewesen: in Südafrika, Namibia, in Thailand. Sie hat immer gescherzt: „Geht alles vom Erbe ab“. Und ich habe dann immer gesagt: „Bitte macht das, so lange ihr könnt.“ 2019 kam sie von so einer Reise mit starken Atembeschwerden zurück. Keine Lungenentzündung, wie erst vermutet und auch keine Lungenembolie – sondern eine Herzinsuffizienz, verursacht durch versagende Herzklappen. Sie hatte dann eine 6-stündige Operation, in der 2 Herzklappen durch künstliche ersetzt wurden. Die Operation war erfolgreich, aber sie hatte danach lange Probleme in der Rekonvaleszenz: immer wieder Wasser neben der Lunge, Entzündungen am Herz, stark Schwindel. 2 mal fiel sie um und hat sich die Rückenwirbel gebrochen. Das war dann noch eine OP. Kaum ging es besser, kam das neue Coronavirus. Sie machte das beste daraus, schützte sich und Papa vor Infektion, hatte 4 Impfungen – und dazwischen fuhren sie mit dem Wohnmobil auf Kurzferien ins nähere Ausland oder trafen sich mit Freunden. 2021 waren wir mit den beiden in Island – und auch wenn ich fand, dass man langsam das Alter merkt: sie hatten Freude und sie war einigermassen fit, auch wenn sie nicht mehr gut zu Fuss war.

2022 nach ihrem Geburtstag im Herbst haben Pharmoma und Junior gleichzeitig Covid bekommen – wahrscheinlich bei einem gemeinsamen Essen auswärts. Sie hatte wenig bis kaum Symptome – wenn ich nicht wegen Junior angerufen hätte, hätte sie kaum einen Selbstest gemacht und es wohl nicht bemerkt. Etwas Husten und Rückenschmerzen – aber die hatte sie schon vorher immer wieder nach den Brüchen. Ich wollte, dass sie Paxlovid bekommt. Ich habe alles dafür nötige vorbereitet: Interaktionsscheck und nötige Anpassung der Medikation, wo bekomme ich das Medikament her… Aber ihr Hausarzt hat das nicht aufschreiben wollen. Und sie wollte ihm dann nicht in den Rücken fallen und sich einen anderen suchen, der das verschreibt.

Vor Weihnachten hatten wir eine ungewöhnliche, nervige und unnötige Auseinandersetzung. Es ging darum, dass ich sie zum Essen bei uns eingeladen habe und sie uns zu sich einladen wollte. Es wurde argumentiert und gegen-argumentiert … und das Essen fand am Schluss nicht statt. So im Nachhinein: ihr Verhalten war irrational, aber ich kam mit nichts an sie ran, so dass ich es schliesslich aufgegeben habe. Ich war auch stur: dass ich in der Zeit in der Apotheke sehr belastet war und deshalb nicht telefonieren wollte, sondern lieber schreiben, kam da noch dazu. Wir tauschten Weihnachtswünsche aus über whatsapp. Und Silvestergrüsse.

Am Montag 2. Januar bekam ich morgens einen Anruf von meinem Papa. Ich war zu Hause – ein kurzfristiger Tausch mit der Kollegin, die ich die Woche vorher wegen Krankheit ersetzen musste, hat das möglich gemacht. „Ah – alles gute zum neuen Jahr.“ sagt er „Mama geht es nicht so gut, ich weiss nicht, was ich machen soll. Ich kann keinen Blutdruck messen und der Pulsoxymeter zeigt auch nichts an.“ „Was? ist sie ansprechbar?“ „Ja, aber … ich weiss auch nicht, sie redet etwas seltsam, und sie kann nicht aufstehen.“ „Hast du dem Arzt angerufen?“ „Ja, aber der Hausarzt ist nicht da und bei der angegebenen Ersatz-Telefonnummer geht niemand ran. Nur Warteschleife.“ „Versuch es noch bei denen (mobile Ärzte) – ich komme!“
Sie wohnen 15 Minuten Autofahrt weg, mein Mann fährt das in knapp 10 Minuten. In der Wohnung fällt mir als erstes Uringeruch auf, auch ungewöhnlich für meine Mama. Sie selber liegt im Nachthemd im Bett und lächelt etwas verwirrt, als sie mich sieht. „Hallo Mama! Was hast Du?“ frage ich sie. Und sie erzählt mir etwas von Schwindel und Rückenschmerzen und allgemeinem Unwohlsein … Mir reicht das schon: sie redet etwas seltsam, lächelt sie schief? Die Arme kann sie beide heben gleichmässig genug, aber … das sieht wirklich nicht gut aus.
Zu Papa: „Ruf 144 an, sie sollen jemanden schicken. Herz-Kreislaufprobleme, vielleicht Verdacht auf Schlaganfall?“
Der Blutdruck war sehr niedrig – beim ersten Mal zeigt mir das BD-Messgerät einen Fehler an. Das Pulsoxymeter weigert sich bei ihr zu messen, bei mir selber funktioniert es aber. Ihre Hände sind dabei nicht kalt … überhaupt ist sie ziemlich warm. Papa sagt, er hat Fieber gemessen mit einem Stirnthermometer, das zeigt kein Fieber an. Ich rede weiter mit ihr, bis die Sanitäter eintreffen. Das geht erstaunlich schnell – ich weiss, wie belastet die aktuell sind und ich bin so dankbar.
Während sie mit ihr beschäftigt sind, suche ich nach ihrer Medikamentenliste. Papa meint, dass sie immer selber das Dosett richtet „sie weiss wie“ und keine Liste bereit habe. Also rufe ich in der Apotheke an, dass meine Kollegin mir die Liste zuschickt. Ein Medikament finde ich noch zusätzlich, das sie vom Hausarzt mitbekommen hat beim letzten Besuch (gegen Gicht).
Die Sanitäter finden, dass sie ziemlich hohes Fieber hat (mit dem Ohrthermometer besser entdeckbar) – und aufgrund des Urins vermuten sie eine Nieren- und Blaseninfektion. Dass sie so verwirrt erscheint hängt damit zusammen und auch damit, dass sie ziemlich dehydriert ist. Ich erkläre ihnen, dass sie zwei künstliche Herzklappen hat und eine Infektion immer schlecht ist. Aber auch so haben sie schon entschieden, sie mitzunehmen. Sie telefonieren und geben uns dann Bescheid, dass sie nicht in Spital Nr. 1 kommt (das eigentlich für Herzprobleme besser wäre), sondern wegen Platzmangel in Spital Nr. 2. Falls nötig würde man sie später verlegen.

Wir folgen ein paar Stunden später – sie kommt nach der Untersuchung auf die Intensivstation. Es darf momentan nur 1 Person zu ihr, das ist dann Papa. Wir haben nun eine Diagnose: Ja, sie hat eine Infektion, allerdings nicht die Blase, sondern eine septische Gallenblaseninfektion. Sie braucht eine Notoperation zum Entfernen der Gallenblase. Weil ich bei ihr in der Patientenverfügung stehe (seit der Herzklappen-OP) fragt man mich an, wie das aussieht mit der Reanimation im Fall der Fälle. Ich habe mit Mama eine Abmachung: sie will nicht nur „leben, dass gelebt ist“, sie will definitiv nicht als Pflegefall enden oder geistig so beeinträchtigt sein, dass sie nichts mehr mitbekommt. Ich soll von Fall zu Fall entscheiden, wie das aussieht. Aktuell: Die OP ist nötig. Sie hat gute Chancen, dass es dadurch besser wird und danach hoffentlich wieder gut, also: doch. Reanimieren, ja. Die Operation soll noch im Verlaufe des Nachmittages stattfinden – sobald der Arzt Zeit hat / der OP frei ist.
Erst Nachts um fast 12 Uhr bekommen wir die Info: Sie hat die Operation überstanden! Sie bekommt Antibiotika wegen der Infektion und sie bleibt auf der Intensivstation zur Beobachtung. Ich bin erleichtert … aber ich weiss, dass sie noch nicht aus dem Schneider ist.

Ich besuche sie in der Woche vor oder nach der Arbeit, wann immer ich kann. Wir reden, wir söhnen uns aus (vor allem die Sache um Weihnachten) – viel machen kann sie nicht, sie erscheint erschöpft, aber optimistisch. Die Verwirrtheit ist weg, das Gedächtnis noch da, sie erscheint mir aber … langsamer und redet etwas verwaschen. Dennoch habe ich Hoffnung, dass das wieder gut kommt.

Freitag bekommen wir schlechte Nachrichten. Sie hat Herzprobleme (Rhythmusstörungen) weshalb sie das Herz genauer angeschaut haben. Das schlimmste ist passiert: Die Sepsis, die Bakterien im Blut haben auf der einen künstliche Herzklappe eine Kolonie gebildet. Sie ist riesig: ein etwa 1,5cm grosser Bolus, der sich jederzeit lösen könnte. Gelangt der (oder Teile davon) in die feinen Blutgefässe, ist das eine Embolie. Wenn das im Bein passiert, kann man vielleicht operieren, wenn das im Hirn passiert – kaum. Und es haben sich schon kleinere Teile gelöst, die im Hirn Mini-Schlaganfälle gemacht haben. Sie haben das in einem Hirnscan gesehen. Die Chance, dass ein grosses Teil dann auch dort landet ist deshalb sehr hoch. Von alleine weg geht es nicht. Es gibt nur eine Möglichkeit: Eine OP zum Ersatz der Herzklappen. Beider. Das heisst, wieder ein so heftiger und riskanter Eingriff wie beim ersten Mal – und dieses Mal geht sie 3 Jahre älter mit wesentlich schlechteren gesundheitlichen Voraussetzungen hinein. Sie wollen so bald wie möglich von uns eine Entscheidung, sie sind parallel dazu mit Spital 1 am Abklären, wie das aussieht mit der OP, ob das überhaupt von ihnen aus geht – und sie „verstehen es auch, wenn wir die OP ablehnen würden.“
Die Nachricht mit all ihren Implikationen trifft mich hart. Was will Mama? Sie fürchtet die OP, vor allem wegen der Zeit danach. Es war hart für sie das letzte Mal. Aber sie weiss auch um die fehlenden Alternativen. Faktisch hat sie eine Zeitbombe in sich. Sie will uns die Entscheidung überlassen. Ich bin unsicher und spreche mich mit Papa und meinem Bruder ab. Am Schluss entscheiden wir uns zusammen für eine Operation – sie wahrscheinlich, weil es das einzige ist, was man noch „tun“ kann. Ich, weil wenn es schiefgeht, sie eine Chance hat, gar nicht aus der OP aufzuwachen. Das ist … ein schneller Tod.
Vom Spital Nr. 1 kommt das „go“, dass eine OP möglich ist – aber da Wochenende ist und das Vorbereitung braucht, wird das auf frühstens Montag festgelegt.

Am Samstag besuchen wir sie alle noch mal. Wir dürfen sogar gemeinsam zu ihr. Kinder, Enkel, Partner, Papa, ihr Bruder. Es ist schön, sie ist positiv eingestellt, stark – freut sich, Junior zu sehen. „Egal was kommt, wir schaffen das. Gemeinsam“ sagt sie, während sie meine Hand drückt. Wir erinnern uns an gemeinsame Erlebnisse, wir reden sogar noch über Grabstätten – eigentlich wollte sie mal eine Waldbestattung, aber sie haben den Ort angesehen und der ist nicht so wie vorgestellt. Stattdessen sieht eine Wiesenbestattung noch gut aus.
In der Nacht hat sie wieder Herzrhythmusstörungen. Sie bekommt Sauerstoff (mit Maske) und sie untersuchen noch einmal das Herz, da sie neu Herzgeräusche hören. Es zeigen sich Verwirbelungen, die darauf hindeuten, dass die Herzklappe jetzt undicht wird. Sie wird durch die Bakterien zerstört. Unter diesen Bedingungen ist eine Operation unmöglich. Sie wechseln die Antibiotika.
Damit ist uns die Entscheidung zur OP abgenommen worden – es bleibt eine „konservative Therapie“ und hoffen, dass es nicht so schlimm kommt.

Wir besuchen sie auch Sonntag – diesmal ohne die Enkel. Trotz Maske und müde und schlechte Nachrichten – sie bleibt gefasst. Sie ist müde. Wir besprechen die Aussichten und ich bestätige ihr noch einmal, dass sie keine Reanimation will und bekommt, wenn jetzt etwas ist. Ich informiere die Ärztin. Das Spital soll mich ausserdem jederzeit informieren, wenn sich etwas ändert. Ich weine, als wir uns verabschieden, als ob es das letzte Mal gewesen wäre.

Es gibt nichts mehr zu tun, man kann nichts mehr tun. Nur warten und hoffen.

Das Telefon vom Spital erreicht mich am Montagmorgen, dem 9. Januar in der Apotheke. „Ihr Zustand hat sich heute Nacht sehr verschlechtert. Ihre Organe versagen. Wenn sie kommen möchten … tun sie es jetzt.“ Ich informiere alle – Papa ist schon unterwegs. Mein Bruder kommt, mein Mann kommt. Junior lassen wir in der Schule. Ich kann nicht einfach so aus der Apotheke stürmen (gesetzliche Anwesenheitsvorschrift), aber ich bekomme wunderbarerweise innert einer Stunde einen Ersatz – und dann fahre ich los.

Ich komme als letzte der Familie zu ihr, sogar mein Onkel hat es vorher geschafft. Sie hat soeben die letzte Ölung bekommen, der Pfarrer ist weg. Die sehr einfühlsame Pflegerin informiert uns über ihren Zustand. Das meiste davon kann man auch sehen. Sie hat Wasser eingelagert, am besten sichtbar in den Beinen, wo die weissen Kompressionsstrümpfe abgenommen wurden und den Händen. Der Trauring wurde ihr vorher abgenommen. Ich halte ihre Hand, die Haut hat jetzt einen gelblichen Ton. Sie hat die Augen gelegentlich offen, reagiert aber nicht auf Ansprache. Sie atmet ruhig, etwas unregelmässig und durch den Mund, sie scheint gelegentlich zu schnarchen. Seit gestern hat sie eine grosse Fieberblase und ihre Lippen sind rauh. Da sie an den ganzen Geräten hängt, sieht man, wie unregelmässig der Herzschlag ist. Sie bekommt Morphium zum beruhigen und gegen eventuelle Schmerzen. Ich weiss nicht, wie weit sie mitbekommt, dass wir alle hier sind. Aber wir begleiten sie auf diesem letzten Weg. Es dauert nicht sehr lange. Von Zeit zu Zeit bettet die Pflegerin sie etwas um, befeuchtet den Mund mit Glycerin-Stäbchen, gibt ihr Morphium. Papa sitzt neben mir, ich weine gelegentlich leise, er ist ruhig, gefasst.
Dann setzt ihr Herz aus. Kommt wieder, unregelmässiger. Dann wieder flache Linie. Ihre Atmung verstummt. Es ist vorbei.

Mama ist gestorben. Eine Woche nach Einweisen ins Spital. Ist das „unerwartet, plötzlich“? Für uns sicher. Im Spital fragen sie uns danach an, ob wir einer Autopsie zustimmen. Sie wollen wissen, was da genau passiert ist und vielleicht etwas daraus lernen für spätere Fälle. Wir stimmen zu – sie hätte auch nichts dagegen gehabt. Es ist nicht der erste Tod, den ich mitbekomme. Beide Grosseltern väterlicherseits und auch meinen Grossvater mütterlicherseits habe ich begleitet. Aber dieser Tod trifft mich einiges härter.

Die Woche vergeht wie nichts. Ob es Absicht ist, dass man als Angehörige danach so beschäftigt wird? Papa, mein Bruder und ich teilen uns die Organisation. Bestatter aufsuchen, am Mittwoch findet die Autopsie statt, dann wird sie aufbewahrt bis zur Kremation. Die findet übrigens erst über eine Woche später statt – offenbar ist das Krematorium sehr ausgelastet in diesen Zeiten. Friedhofbesuch, Urne aussuchen, Grab aussuchen, Pfarrer suchen, Abdankung und Urnenbegräbnis organisieren, Blumen bestellen, Trauerkarten drucken lassen, adressieren und verschicken. Die gehen in 5 Länder, die weiteste auf Japan. Bild organisieren zum aufstellen. Gespräch mit dem Pfarrer, dazwischen auch immer wieder schauen, wie es Papa geht. Er ist jetzt alleine in der Wohnung mit 81.

Das Begräbnis war stimmig – und trotz allem schön, die Freunde und Verwandten wiederzusehen, die man in den letzten 3 Jahren kaum mehr gesehen hat. Ein anderer Anlass dafür wäre mir allerdings lieber gewesen.

Das also ist für meine Mama – für die liebevollste Person, einfühlsam und mutig bis zu letzt. Kontaktfreudig, reiselustig. Vernünftig und vorausschauend, ein Elefantengedächtnis. Sie musste lernen, für sich zu schauen und weniger für andere. Sie war nicht berühmt, oder super-erfolgreich oder reich. Aber sie war geliebt – ich hoffe, sie wusste das.

Ich vermisse dich so, Mama.