Haben wollen und haben sollen – Medikamente auf Rezept

(Originalbeitrag vom 11.12.2020). Zwei Geschichten aus der Apotheke aus den letzten Tagen. Zwei Beispiele, wieso ein Patient trotz Rezept „sein“ Medikament nicht bekommen hat. Und zwei Beispiele, weshalb das gut sein kann.

„Sie lösen auch ausländische Rezepte ein?“ fragt der Mann in der Apotheke. „Meine Partnerin hat eines geschickt bekommen aus Amerika für Augentropfen, ich habe es hier auf dem Handy.“

Wenn ihr den letzten Post gelesen habt, dann wisst ihr, dass das schon weil es elektronisch geschickt wurde kein gültiges Rezept ist. Ausserdem müssen wir ausländische Rezepte nicht ausführen. Wenn wir das trotzdem machen (wo es Sinn macht), müssen die Medikamente bezahlt werden. Der Mann besteht darauf, dass die Frau die Augentropfen braucht, deshalb bestellt meine Apotheker-Kollegin sie auf den Nachmittag.

Am Nachmittag arbeite ich und sehe den Rezeptausdruck. Das Rezept ist aus einer Praxis in Californien – augenscheinlich. Nachprüfbar ist das nur schwierig. Ausgestellt von gestern (also aktuell). Für Augentropfen, die Dexamethason enthalten. Pharmawiki schreibt dazu:

Dexamethason ist ein entzündungshemmender, immunsuppressiver und antiallergischer Wirkstoff aus der Gruppe der Glucocorticoide, der in Form von Augentropfen zur Behandlung nicht-infektiöser Entzündungen des vorderen Augenabschnitts eingesetzt wird. Die Tropfen werden in der Regel mehrmals täglich verabreicht. Die Behandlungsdauer soll zwei Wochen nicht überschreiten. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören unter anderem ein erhöhter Augeninnendruck, Infektionen, ein grauer Star und eine verzögerte Wundheilung.

Dank recht aktueller Weiterbildungen zu dem Thema weiss ich das schon. Ebenso, dass es eine absolute Kontraindikation ist, diese Augentropfen bei bakteriellen oder viralen Infektionen einzusetzen oder wenn die Hornhaut der Augen geschädigt wurde. Bevor man die verschreibt sollte man sich die Augen angeschaut und das getestet haben – zum Beispiel mit Fluorescein Augentropfen, die solche Beschädigungen darstellen. Wenn man das nicht tut und das trotzdem verschreibt, ist das ein „Kunstfehler“ (O-Ton Dozent), der im schlimmsten Fall zu Blindheit führen kann. Ich vermerke auf dem Abholzettel, dass ich unbedingt geholt werden muss, bevor das rausgeht.

Am Nachmittag kommt die Frau selber das abholen, so dass ich sie fragen kann. Sie hatte vor nicht allzu langer Zeit eine Operation drüben in den USA. Jetzt hat sie Augenbeschwerden und deshalb mit dem Arzt dort telefoniert. Der hat ihr (via Telefon) eine bakterielle Augenentzündung diagnostiziert … und ihr dann diese Augentropfen verschrieben.

Ihr seht, weshalb ich ihr die Augentropfen nicht gegeben habe und sie direkt zum Augenarzt hier geschickt habe? Wenn der Arzt ihr jetzt Antibiotikahaltige Augentropfen verschrieben hätte, wäre das anders gewesen, aber so? Da stimmt irgendwie gar nichts. Wenn ich die Cortison-Augentropfen trotzdem abgebe, das ist wirklich eine Infektion, die sich dann ausbreitet – vielleicht noch tiefer ins Auge, da sie da (wann?) eine OP hatte … dann bin ich verantwortlich, wenn sie ihre Sehkraft verliert.

…..

Ich erzähle meiner Kollegin am nächsten Tag bei der Übergabe wie das ausgegangen ist. Sie stimmt mit mir überein … und erzählt mir diese Geschichte von letzter Woche:

„Ist mein Rezept schon da?“ fragt der Stammkunde. Leider ist es das noch nicht. Das heisst – wir haben schon Rezepte für ihn hier, aber kein neues. „Bitte benachrichtigen Sie mich gleich, wenn es kommt. Ich rufe nochmal beim Arzt an.“

Das Rezept kam kurz darauf per mail. Beim so dringenden Medikament handelt es sich um Sildenafil, verschrieben vom Urologen. Ihr kennt den Wirkstoff vielleicht besser unter dem Namen des Originalmedikamentes: Viagra.

Sildenafil ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der PDE5-Hemmer zur Behandlung von Erektionsstörungen beim Mann. Er erleichtert den Bluteinstrom in den Schwellkörper des Penis und ermöglicht die Entstehung und Aufrechterhaltung der Erektion. Das Arzneimittel wird maximal einmal täglich etwa eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen. Es ist nur bei sexueller Stimulation wirksam und darf nicht zusammen mit Nitraten und NO-Donatoren eingenommen werden.

Interessanterweise gehört der Wirkstoff zu denen, die in der Schweiz inzwischen (in geringer Dosierung und nach den nötigen Abklärungen) in der Apotheke auch ohne Rezept erhältlich sind.

Beim eingeben in das Computerdossier poppt dann promt der Warnhinweis auf, dass eine Kontraindikation besteht (NICHT ZUSAMMEN GEBEN) mit Isoket. Einem Nitrat. Meine Kollegin ruft sofort dem verschreibenden Arzt zurück.

Arzt: „Oh. Nein, dann können wir ihm das nicht geben. Ich habe ihn nach seinen anderen Medikamenten gefragt und er hat mir einen Medikamentenplan vom Hausarzt vom März gegeben.“

Apothekerin: „Ja – das Isoket hat der Hausarzt erst diesen August verschrieben.“

So. Gut hat der Patient eine Stammapotheke. Wenn man die Medikamente kombiniert, droht ein akuter lebensbedrohlicher Blutdruckabfall. Also hat meine Kollegin ihm da möglicherweise das Leben gerettet.

Ich bin sicher, jede Apotheke hat viele solcher Geschichten. Die meisten wird man einfach nie mitbekommen.

Wechselwirkungsspielchen

Interaktion ist der Fachausdruck für Wechselwirkungen zwischen Medikamenten – das Wort kann durchaus aber auch auf Menschen und ihre Interaktionen übertragen werden. Beide sind nicht immer positiv. Es folgt ein Beispiel für ein paar Interaktionen – auf allen Ebenen. Medikament-Medikament, Patient-Apotheke, Patient-Arzt und Apotheke-Arzt. Anlass: ein Arzt, der auf uns (die Apotheke) verärgert ist, weil wir ihm in „sein Gebiet“ reinreden (die Medikation eines gemeinsamen Patienten).

Es beginnt (hier) damit, dass die Patientin, nennen wir sie Frau Scherrer, eine ältere Frau und Stammkundin, ins Spital muss wegen einer Infektion. Das Spital entlässt sie Donnerstag morgen mit einem Rezept, für das sie zu uns in die Apotheke kommt. Auf dem Rezept: Ibuprofen (Schmerzmittel) und Metronidazol (Antibiotikum) und noch so ein paar mehr Sachen, die sie vorher schon hatte fürs Herz und den Blutdruck. Man führt das Rezept aus, schreibt die Medikamente an und sie geht damit nach Hause.

Am Nachmittag schickt Frau Scherrer ihren Mann mit einem Zettel vorbei, weil sie etwas vergessen hat einzukaufen. Sie ist nicht gut zu Fuss, aber geistig fit, der Mann ist körperlich noch fitter, aber leider ansatzweise dement, deshalb der Zettel. Zellerbalsam flüssig möchte sie gerne, ein altes Magenmittel, das sie schon gut kennt. Weil wir bei einem Einkauf immer nach der Kundenkarte fragen und der Mann (zum Glück) ihren Namen angibt, fällt bei uns sofort auf: WECHSELWIRKUNG mit dem Antibiotikum Metronidazol, wegen dem in dem Mittel enthaltenen Alkohol! Es besteht die akute Gefahr eines Antabus-Effektes, oder für die Laien: Metronidazol plus Alkohol und es kann einem extrem schlecht werden: Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Herzklopfen … Man informiert ihren Mann, dass das keine gute Kombination ist, er will das trotzdem mitnehmen, denn sie hat ihn ja extra geschickt dafür! Man erklärt, dass er ihr das sagen muss und als man merkt, dass er dazu wahrscheinlich nicht in der Lage ist, schreibt man das freiverkäufliche Mittel mit einer Dosieretikette an, dass man das auf keinen Fall zusammen mit dem Antibiotikum nehmen soll, sondern wartet bis die Behandlung vorbei ist.

Am nächsten Tag am Freitag-Nachmittag kommt Frau Scherrer mit einem neuen Rezept von ihrem Hausarzt in die Apotheke. Auf dem Rezept: Motilium 10mg 3x täglich 1 Tablette. Unser System gibt bei Eingabe gleich diverseste Warnmeldungen bei ihr. Der Wirkstoff Domperidon, der gegen Übelkeit und bei Darmträgheit verwendet wird, steht heute unter Beobachtung und man wendet ihn wesentlich vorsichtiger an, da sich gezeigt hat, dass ein erhöhtes Risiko besteht für schwerwiegende Herzrhythmusstörungen oder plötzlichen Herztod vor allem bei Patienten über 60 Jahren, höheren Dosierungen und in Kombination mit anderen Medikamenten, die auch die QT-Zeit verlängern oder den Wirkstoffgehalt im Blut erhöhen. Frau Scherrer hat alles: Alter, Wechselwirkungen mit mehr als einem ihrer anderen Medikamente … Das schaut man lieber mit dem Arzt an. Man versucht den Arzt telefonisch zu kontaktieren, aber es geht keiner ans Telefon.
Was tun? Man bespricht die Situation zusammen mit Frau Scherrer – dass wir uns wegen den Wechselwirkungen sehr unwohl fühlen, das Medikament abzugeben, aber eventuell finden wir eine Alternative. Wofür sie es denn braucht? Ihr ist sehr übel und sie hat Schwindel. Das kam praktisch wie aus dem Nichts, seit sie die Medikamente vom Spital nimmt. Man geht in ihre Patientenhistorie im Computer und entdeckt dabei die Abgabe von Zellerbalsam und den Kommentar, den die Kollegin dort hinterlassen hat: Alkoholhaltig und nicht zusammen mit dem Antibiotikum zu nehmen. Man fragt Frau Scherrer, ob sie das denn vielleicht doch genommen hat? Ja, hat sie. Ihr war schon komisch im Magen von den anderen Medikamenten, deshalb hat sie das genommen. Die Etikette? Hat sie nicht gesehen. Der Mann hat auch nichts gesagt gehabt. Nein, dem Arzt habe sie nicht gesagt, dass sie das daneben nimmt. Die Medikamentenliste vom Spital hat er bekommen, ob er sie angeschaut hat, weiss sie nicht.
Man klärt Frau Scherrer also direkt über die Wechselwirkung mit dem Zellerbalsam auf und dass sie das und auch anderes alkohol-haltiges bitte nicht mehr nimmt, bis die Antibiotikakur vorbei ist (auf der Dosierungsetikette vom Metronidazol steht übrigens auch: KEIN ALKOHOL!). Und falls das nicht reicht, ersetzt man jetzt hier das Motilium mit einem Itinerol B6. Das enthaltene Meclozin macht keine dieser Wechselwirkungen, das kann sie nehmen. Den Austausch muss man trotzdem dem Arzt melden – wir wollen das nach dem Wochenende machen.

Wir kommen nicht dazu. Montag früh ruft Frau Scherrers Arzt in der Apotheke an und bemüht sich, meine Kollegin zur Schnecke zu machen: Was ihr denn einfalle, ihm in sein Medikationsmanagement reinzureden? Er überlege sich etwas, wenn er etwas verschreibe! Er lese natürlich auch immer alle Austrittsberichte vom Spital! Wir würden seine Patienten verunsichern mit so Aktionen und ihn schlecht dastehen lassen. Meine Kollegin kommt gar nicht zu Wort, aber – offenbar war Frau Scherrer bei ihm und hat ihn informiert. Als er endlich eine kleine Pause macht, versucht sie ihn zu fragen, was er denn stattdessen will: dass wir unkontrolliert einfach alles abgeben, was er aufschreibt? Nein, dass wir vorher nachfragen – ja, haben wir versucht. Dann halt trotzdem abgeben, auch wenn wir in dem Fall vielleicht mehr Informationen haben als er? Sie erzählt ihm das mit dem Zellerbalsam – gut *das* war ihm auch neu. Trotzdem äussert er weiterhin seine Unzufriedenheit mit uns.

Im Ganzen war das eine eher unerfreuliche Interaktion mit dem (alteingesessenen) Arzt. Ich verstehe, dass sich da mancher Arzt bei Nachfragen oder so Therapieänderungen durch uns in der Autorität untergraben fühlen kann, aber: das ist heute unsere Arbeit. Das war sie früher schon: Wir sind die Medikationsspezialisten. Wir haben die aktuellsten Programme dafür. Bei uns laufen (im Idealfall) die ganzen Informationen zusammen: aus Spital, vom Hausarzt, vom Spezialisten … und auch was die Patient/in OTC selber kaufen. Und wir handeln aufgrund von diesen Informationen nach bestem Wissen und auch Gewissen.

Auf einen Punkt möchte ich noch speziell aufmerksam machen hier. Von unserer (Apotheken-) Seite waren 3 verschiedene Apotheker beteiligt: Beim Ausführen des Spitalrezeptes, beim Abgaben des OTC-Medikamentes (nachdem die Interaktion aufgefallen ist) und beim Hausarzt-Rezept. Trotzdem ging die wichtige Info hier intern weiter – zugunsten der Patientin! Das ist möglich, dank des Patientendossiers in der Haus-Apotheke. Vielleicht fallen so Sachen aufmerksamen Apotheker/innen oder Ärzt/innen mit einer zentralen Patientenakte häufiger auf – aber das gibt es zumindest in der Schweiz noch nicht.

Anwendungs-diskussion

Es folgt ein Gespräch, das ich letzthin genau so in der Apotheke mit einer Kundin geführt habe.

Kundin: „1 Flasche Bisolvon und ein Resyl plus bitte.“
Ich hole die beiden Medikamente und stelle es vor die Kundin.
Pharmama: „Man soll es die beiden aber nicht gleichzeitig nehmen, das wissen sie? Das Bisolvon ist ein Schleimlöser und wenn man das zusammen mit dem Hustendämpfer Resyl plus nimmt, dann bleibt der gelöste Schleim einfach liegen und bildet einen schönen Nährboden für Bakterien.“
Kundin: „Ja – ich weiss schon. Ich nehme es nicht zusammen. Ich nehme das Resyl plus am Tag und das Bisolvon auf die Nacht.“
Pharmama: „Auf die Nacht?? Normalerweise macht man es genau umgekehrt: Tagsüber 2-3 x den Schleimlöser und den Hustendämpfer nachts, damit man schlafen kann.“
Kundin: „Aber wenn ich den Schleimlöser am Tag nehme – dann huste ich doch dauernd!“
Pharmama: „Nur, bis der Schleim jeweils draussen ist. Ausserdem: Nachts beim schlafen husten sie ja auch nicht, wenn sie ihn dann nehmen, bleibt der Schleim doch auch einfach liegen.“
Kundin: „… Aber ich huste nicht gerne die Leute an!“
Pharmama: „Das ist löblich, aber ich denke auch, wenn sie es so nehmen, wie sie gesagt haben, könnte es allgemein länger gehen, bis der Husten wieder weg ist.“
Kundin: „Ach, geben sie es mir einfach.“
Pharmama: „Und wie wäre es, wenn sie tagsüber bei Hustenreiz einfach ein Hustenbonbon lutschen würden?“

Irgendwelche Gedanken dazu?

Aber ich wollte etwas anderes!

2011 Ok, ok, Sie sind also Krankenpfleger von Beruf und „kennen sich mit Medikamenten aus!“

Aber … das ist trotzdem kein Grund auf mich stinkig zu werden, sobald ich ihnen die Oculac Augentropfen, die der Augenarzt ihnen verschrieben hat gebe.

Ja, ich weiss auch, dass das sogenannte „künstliche Tränen“ sind – also eher zum Befeuchten des Auges geeignet als bei Augenreizungen wegen Allergie.

Nein, ich weiss nicht, warum der Augenarzt ihnen nichts gegen Allergie aufgeschrieben hat. Vielleicht hat er gedacht, es reicht, wenn sie die Augen mit ein paar Tropfen von diesen jeweils spülen?

Ja, ich glaube ihnen, dass sie ihm das „richtige“ gesagt haben.

Vielleicht kann ich Ihnen etwas nicht rezeptpflichtiges gegen Allergien anbieten? Da gibt es ein paar sehr wirksame Mittel, die ich abgeben darf … Spersallerg oder auch Emadine … Sie kennen sie sicher?

Ah, Sie nehmen die Oculac und gehen damit gleich selbst wieder zum Arzt. Ich denke, das ist die beste Idee – auch wenn sie dann wieder warten müssen.

Warum fragen diese Leute nicht den Arzt, was er auf das Rezept schreibt? Ich meine … wenn sie sich schon „mit Medikamenten auskennen!“ ? Und warum bin ich dann schuld, wenn dann nicht draufsteht, was sie gern gehabt hätten?

Warum bezahlt die Krankenkasse das nicht?

Ich habe keine grossen Probleme, wenn ich in der Apotheke den Leuten erklären darf, wie unser Gesundheitssystem funktioniert, respektive, wie das in der Apotheke funktioniert. Ja, auch wenn es für mich das zwölfzigste Mal ist. Für mein Gegenüber ist es vielleicht das erste Mal.
Wo ich aber Probleme mit habe, ist, wenn man mir etwas nicht glauben will, mir meine (!) Arbeit erklären will, oder meine Erläuterungen einfach nicht hören will. Und wenn das mit den Erklärungen überhand nimmt – das nimmt so unnötig viel Zeit weg, die ich andersweitig besser anwenden könnte.

Heute war so ein Tag. Die meisten Sachen, die auf Rezept verschrieben werden, werden von der Krankenkasse übernommen – der Arzt weiss das ja auch, was ich hier in der Apotheke weiss und verschreibt vorzugsweise Medikamente von der Spezialitätenliste (also das, was von der Grundversicherung übernommen wird). Wir können in der Apotheke mit der Krankenkassenkarte (die wir dann im Patientendossier speichern) auch instant Abfragen machen, ob der Patient (oder die Patientin) versichert ist und wie er/sie versichert ist. Kein Deckungsnachweis, keine Abgabe ohne zu bezahlen in der Apotheke.
Übrigens – die Krankenkasse Assura bei der man früher immer alles erst in der Apotheke bezahlen musste und Rezept und Quittung dann selber einreichen musste um das Geld zurückerstattet zu bekommen ist seit April letztes Jahr zum normalen System übergegangen, dass man eben nicht mehr direkt bezahlen muss und die Apotheke direkt mit der Krankenkasse abrechnet. Das macht es für uns wesentlich einfacher – allerdings mussten wir feststellen, dass das nur für SL-Präparate gilt. Ein Patient mit Zusatzversicherung (die er nachweislich hat) bei der Assura muss die Sachen trotzdem erst selber bezahlen. Uns meldet es beim Abrufen der Krankenkassendeckung nur als Grundversichert zurück – und als wir da mal angerufen haben, um das abzuklären, hiess es: „Das ist so. Da mag wirklich eine Zusatzversicherung vorhanden sein, aber unsere Zusatzversicherung ist nicht besonders gut (!) und übernimmt nicht so viel, deshalb muss man da wirklich weiter in der Apotheke bezahlen.“

Es kommt übrigens immer mal wieder vor, dass wir von den Krankenkassen (allen) bei der Deckungsabfrage die Meldung bekommen, dass keine Zusatzversicherung mehr vorhanden ist. Warum? Keine Ahnung, aber gelegentlich kündet die Kasse den Patienten die Zusatzversicherung, weil zum Beispiel die Prämien nicht (rechtzeitig) bezahlt wurden.

Man kann sich vorstellen, wie gut so etwas ankommt beim Patienten, aber … das war nur der Anfang. Heute hatte ich alles. ALLES.

Ein Rezept für Tirosint 125 microgramm – Das Schilddrüsenmedikament ist Ende letztes Jahr aus der Spezialitätenliste gefallen, es wird also nur noch von der Zusatzversicherung bezahlt. Der Grund war, dass der Firma die Preisvorgabe des BAG zu tief war. Die Preise auf der Spezialitätenliste werden vom Bundesamt für Gesundheit vorgegeben (ich sags immer wieder: wir in der Apotheke machen die Preise nicht). Die Firma hat angefragt, ob es möglich sei, den Preis etwas zu erhöhen, das BAG hat abgelehnt und jetzt ist das Medikament nicht mehr auf der SL, da die Firma die Preise von Medikamenten auf der NLP (Nichtlistenpflichtige Präparate) selbst gestalten kann. Der Preis ist jetzt also höher und er muss von manchen Patienten selber bezahlt werden. Das wirklich unangenehme hier ist, dass es von vielen Dosierungen vom Tirosint keine gleichen gibt UND dass man Schilddrüsenmedikamente untereinander nicht so einfach austauschen sollte. Sie haben unterschiedliche Bioverfügbarkeiten und ein Wechsel zwischen verschiedenen Tabletten / Herstellern kommt häufig einer Neueinstellung gleich .. Das muss der Arzt machen. Der, der eigentlich wissen sollte, dass der Patient keine Zusatzversicherung hat … und das (trotzdem?) verschrieben hat.

Das Zahnarztrezept für ein Antibiotikum – Das Rezept wird von der Krankenkasse nicht übernommen. Zahnarztrezepte grundsätzlich nicht in der Schweiz, total egal, was drauf steht. Mist, ja. Ich weiss, dass sie das brauchen um Infektionen und damit Herzprobleme vorzubeugen bei gefährdeten Patienten, aber – nein, trotzdem nicht.

Die Malariaprophylaxe für die Afrika-Ferien – Ja, auch hier: die Krankenkasse zahlt das Medikament nicht. Es liegt nicht daran, dass es für die Ferien ist, sondern daran, dass das SL-Präparat eine Limitation drauf hat. In dem Fall zahlt die Kasse Malariamedikamente nur zur Behandlung, aber nicht zur Vorbeugung. Ja, ich finde das auch unsinnig, weil wenn sie sich anstecken, hat das wohl grössere gesundheitliche Beschwerden und höhere finanzielle Folgen. Nein, ich versuche das nicht einzusenden, damit sie dann vielleicht eine Rechnung bekommen. Ich weiss, dass die Kasse das nicht zahlt und ich laufe ihnen und dem Geld nicht hinterher. Zu viel Aufwand.

Das dritte Paar Kompressionsstrümpfe in einem Jahr – Bezahlt werden die Strümpfe nach MiGeL (Mittelgegenstände-Liste) durch die Krankenkasse. Und die zahlen nur die Kompressionsklasse 2 (und 3) und dann 2 Paar in einem Jahr. Das Jahr beginnt beim Bezug des ersten Paares und nicht „vom 1.1. bis 31.12.“. Das bedeutet, wenn sie letztes Jahr im Juli das erste Paar hatten und später im Jahr das zweite Paar, dann werden die Strümpfe jetzt im Juni noch nicht bezahlt. Da hilft auch ein neues Rezept dafür nicht. Sorry!

Die Blutzuckerteststreifen, weil sie „nur“ Tabletten gegen ihren Diabetes nehmen. Genau genommen: 200 Stück (2 Packungen) werden übernommen im Jahr von der Krankenkasse, wenn sie nicht Insulin spritzen. Das hier ist die 4. Packung, die ich sehe – sie werden also schon für die letzte Abgabe eine Rechnung der Kasse bekommen. Ich kann ihnen die geben, aber ich möchte einfach, dass sie sich dessen bewusst sind und nicht unangenehm überrascht werden. Ja, auch das ist eine Limitation und ja, es ist blöd, hat man das letzte Mal das nicht schon gesagt, aber – tatsächlich rutscht so etwas auch bei uns manchmal durch. Wir versuchen darauf zu schauen und die Patienten zu informieren, aber ich weiss zum Beispiel auch nicht, ob nicht schon woanders welche bezogen wurden. Daraus ergibt sich übrigens kein „Recht“, dass wir den Betrag dann übernehmen, weil wir nicht informiert haben. Auch der Arzt hat diesbezüglich eine Informationspflicht. (Inzwischen machen wir regelmässig und bei allen Kommentare, dass wir informiert haben).

Die Vitamin-D3 Tropfen für das 1 1/2 jährige Kind. Gemerkt von unserer Pharmaassistentin mit eigenem Kind, weil sie eine Rückweisung der Kasse bekommen hat. Überraschend, denn gerade bei Kindern (bis zum 18. Lebensjahr) gibt es keine Franchise (kein Betrag, der erst mal selbst bezahlt werden muss). Aber offenbar gibt es bei den Vitamin D3 Tropfen (neu??) eine Limitation, dass sie nur bis zum Ende des 1. Lebensjahres übernommen werden als Rachitisprophylaxe. Gut, das ist nicht viel, ein paar Franken – aber: ernsthaft? DA geht ihr sparen??? Nachgeschaut ist die Limitation bei fast allen drin, ausserdem sonst: bei nachgewiesenem hohen Vitamin D Mangel. Da ich nicht weiss, ob der Arzt das gemessen hat, erwarte ich da noch einige Rückweisungen mehr in Zukunft bei den Erwachsenen. Wird toll.

Die Quetiapin Kapseln zu 5mg – eine Herstellung, die vor 3 Jahren raus ist. Die Krankenkasse weist die Übernahme (jetzt!) zurück und stellt der Patientin eine Rechnung. Wieso? Anwendung ist Off-Label (zum Schlafen in der Dosierung), was zwar häufig gemacht wird, aber da diese Indikation nicht im Kompendium beim Quetiapin auf der SL Liste steht und der Arzt keine Kostengutsprache bei der Krankenkasse angefragt hat) dass die das trotzdem bezahlen, übernehmen sie das nicht. Nachträglich kann man keine Kostengutsprache beantragen.

Der Melatonin-Sirup für das Kleinkind. Auch hier: es gibt kein Fertigprodukt in der Dosierung, das wird eine Herstellung. Nach der Erfahrung mit dem Quetiapin oben und den vermehrten Rückweisungen bei Herstellungen in der letzten Zeit sind wir vorsichtig. Vor der Herstellung klären wir ab, ob das bezahlt wird: Nein, denn: das Melatonin ist nicht auf der ALT Liste nach der Herstellungen bezahlt werden. Und die meisten Tabletten aus denen man den Sirup macht sind auch nicht auf der SL-Liste (sondern auf der NLP, also nur mit Zusatzversicherung). Eine Rückweisung ist hier auch mit Zusatzversicherung sehr wahrscheinlich. Die Slenyto (Melatonintabletten) die auf der SL sind haben eine Limitation: Nach Kostengutsprache durch den Krankenversicherer nach vorgängiger Konsultation des Vertrauensarztes zur Verlängerung der Schlafdauer und/oder Verkürzung der Einschlafzeit bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2–18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und/oder Smith-Magenis-Syndrom (SMS) mit Schlafstörungen (Insomnie), wenn Schlafhygienemassnahmen unzureichend waren. Da hilft es also nichts: wenn sie nicht bezahlen können und keine Rechnung riskieren wollen, müssen sie mit dem Arzt schauen.

Der Teufel liegt im Detail – und manches von dem oben ist auch für uns nicht sofort ersichtlich. Dazu kommt, dass die Kassen immer restriktiver werden, was sie bezahlen. Und wir müssen und sollen dann die schlechten Nachrichten überbringen. Man kann sich vorstellen, wie „gut“ das ankommt. Ich verstehe den Unmut deshalb gut – manches haben sie vielleicht bisher bezahlt (Ja, aber jetzt nicht mehr). Und ich weiss, dass die Krankenkassenprämien hoch sind (ich zahle auch welche).
Aber am Ende des Tage müssen sie akzeptieren, wenn ich ihnen sage, dass sie das jetzt selber bezahlen müssen – oder es nicht nehmen. Mit mir zu diskutieren führt zu nichts.

Minzig

Eine junge Frau kommt in die Apotheke. „Ich hab eine etwas peinliche Frage.“

Apothekerin: „Ja?“

Frau: „Ich habe eine Pilzinfektion in der Vagina und ich habe versehentlich die falsche Tube erwischt, als ich sie behandeln wollte …“

Apothekerin: „Was war es denn?“

Kundin: „Eine Fusscreme, die ich im Wellnessbad bekommen habe.“

Apothekerin: „Und was ist da genau drin?“

Kundin zieht die Tube aus einem Plastiksack. Ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigt nichts wichtiges ausser … Menthol und Kampfer.

Apothekerin: Haben sie es auch innerlich angewendet?“

Kundin: „Nun, …ja….“

Apothekerin: Das muss aber ziemlich gebrannt haben, nicht?!“

Kundin: „Schon, aber … zumindest rieche ich jetzt MINZIG ! „