Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Vielleicht habt ihr das gestern mitbekommen (auf Facebook).

Heute: Grossist liefert nur Teil der bestellten Ware (wegen Computerproblem), Kann Desinfektionsmittel herstellen, aber nicht abfüllen, da Flaschen noch nicht ausgeliefert (wegen zu hohem Bestellvolumen aktuell), Doppelt so viele Kunden wie an einem normalen Samstag, mindestens so viele Rezepte wie zur Grippe-Hoch-zeit, Anfragen nach Masken, Desinfektionsmittel, Handschuhen und Fieberthermometern im Minutentakt (und ich hab nix mehr, das ich bestellen kann), Vorratskäufe für Paracetamol und Hustenmittel …(Leute: WIR sind auch am Montag wieder offen, egal was WhatsApp für Gerüchte verbreitet), die Nachmittagslieferung ist verspätet … alle Stunde desinfizieren der Oberflächen, arbeiten hinter Scheiben und der Versuch, die ältere Kundschaft von den andern entfernt zu halten… aber wir haben es überlebt. Ich bin fertig – und geh jetzt schlafen! Gute Nacht

Der Tag gestern hatte durchaus auch seine lustigen Seiten:

Beim Wareneingang arbeitet der Lehrling mit Musik? Ich geh‘ nachschauen – unsere clevere Drogistin in spe hat das Telefon mit der Warteschlaufenmusik des Grossisten auf Lautsprecher gestellt, es beiseitegelegt und arbeitet daneben weiter. Gar nicht mal so üble Musik – etwas repetitiv allerdings …

„Ich glaube die Leute machen Hamsterkäufe!“ Das von der Kundin, die schon das dritte Mal diese Woche zu uns etwas holen kommt … („Was Sie nicht sagen!“)

Auf meine Ansage, dass wir nur 2 Pack Paractamol Tabletten pro Person verkaufen, folgt eine kurzer Wortaustausch auf Türkisch mit meiner Kollegin, das einzige was ich verstehe ist das „Ah!“ der Kundin am Schluss – es wird anstandslos bezahlt. Was war das? frage ich die Kollegin. „Sie hat gefragt, weshalb sie nicht mehr bekommt, da habe ich ihr gesagt, damit andere auch noch haben.“ Ah! Ja.

Fieberthermometer sind aus. Komplett. Nicht mehr nachbestellbar. Ich hab mindestens 3 zu Hause (gut, die Batterien von 2 sind wohl fertig), aber ich dachte eigentlich, das ist etwas das jeder schon hat? Lichtblick: Fieberthermometer sind vom Exportverbot in Deutschland noch nicht betroffen, nur kontigentiert. Ich darf 5 (pro Tag) bestellen.

Montag scheint Doomsday zu sein. Nach diversen Bemerkungen von Kunden habe ich mindestens drei Mal ausdrücklich gesagt, dass wir als Apotheke auch nächste Woche noch offen haben. Ziemlich egal was sonst noch für Massnahmen beschlossen werden. Wir sind da.

Toilettenpapier ist im Supermarkt keines mehr erhältlich – sagt auch mein Mann, den ich geschickt habe, weil es bei uns zu Hause bald ausgeht. Aber unser Grossist hat noch welches! (Frag besser nicht nach dem Preis – aber ich hab’s jetzt für mich bestellt. 1 Packung zu 16 Stück. Reicht.).

Es reicht nicht, ein Schild aufzuhängen auf dem steht dass wir keine Masken und Desinfektionsmittel mehr haben. Man muss das trotzdem täglich mehrmals direkt sagen, sonst wird einem nicht geglaubt. Und selbst dann …

Eine Ärztin und eine Pflegerin haben wir wirklich glücklich gemacht mit selbst hergestelltem Desinfektionsmittel in 500ml Flasche mit entsprechendem Ausguss/Verschluss die ich dafür noch gefunden habe.

Ansonsten ist das Desinfektionsmittel aus. Kunden und Patienten die das wirklich brauchen (also zum Beispiel Arztpraxen und Heime mit denen wir zusammenarbeiten) habe ich angeboten, das in Behälter, die sie mitbringen nachzufüllen, zum Beispiel leere Sterillium-Gebinde. Das hat dann eine Dame dazu animiert im Migros eine kleine 500ml Wasserflasche zu kaufen, damit wir sie leeren und das dann da drein füllen. Nein!!

Im Internet kursieren offenbar Anleitungen um Desinfektionsmittel selber zu machen. Blöd nur, wenn auch die Bestandteile dafür (Glycerin, damit es Hautverträglich ist) nicht lieferbar sind. Und ohne das würde ich zum Beispiel Brennsprit – für das wir verdächtig mehr Nachfrage haben – wirklich nicht dafür verwenden. Für Oberflächen (entsprechend verdünnt) die das vertragen geht das wohl noch. Und nur damit das auch wieder gesagt ist: Medizinalbenzin ist NICHT desinfizierend, das ist zum Pflasterreste entfernen auf der Haut.

Ohne unsere super Mitarbeiter, die auch in schwierigen Zeiten ihren Humor nicht verlieren ist so ein Tag kaum zu überstehen. Danke vielmals! Auch an die Kunden und Patienten, die sicher mehr Geduld brauchen und Verständnis zeigen für die Einschränkungen, denen wir alle unterworfen sind. Solidarität ist JETZT angesagt und wichtig.

19 Kommentare zu „Arbeiten in Zeiten der Pandemie

  1. Sorry, wenn ich jetzt mal gegenhalte, aber die Erweiterung des Notstandes vom Tessin auf die gesamte Schweiz ist nur noch eine Frage von Tagen. Und die „ausserordentliche Lage“ ist auch nicht mehr weit. Bevorratung ist jetzt durchaus geboten – falls man das nicht sowieso schon getan hat.

    Haben meine Frau und ich in den letzten 2 Wochen bereits peu-à-peu gemacht, dann sieht der Einkaufswagen auch nicht so sehr nach Hamstern aus und man muss nicht so viel auf einmal schleppen.

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  2. Toilettenpapier ist im Supermarkt keines mehr erhältlich – sagt auch mein Mann, den ich geschickt habe, weil es bei uns zu Hause bald ausgeht. Aber unser Grossist hat noch welches!

    Gestern am TV hat jemand vom Glattzenter erzählt, dass 10 km (Kilometer) WC-Papier verkauft wurde.
    Ist ja klar, hat rein gar nix mit Panik zu tun. Man pflegt einfach nur Worst-Case-Philosophie, wie manche Oberhamster wohl sagen würden. ROTFL

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  3. Wohlstandsverblödung paart sich mit unserem „Bildungssystem“.

    In ein paar Wochen werden alle Dermatologien überrannt mit all den Leuten, die ihre Hände voller Ekzeme haben…

    1) Hände mit Seife waschen genügt. Desinfektionsmittel für Hände brauch kein Zivilist.
    2) Atemschutzmasken sind auch nichts für Zivilisten. Gemäss Norm dürften die so wie so maximal 120min am Stücke getragen werden und müsste danach ausgewechselt werden (Fachpersonen zwischen jeder Patienteninteraktion). Wegen dem Kondenswasser sind die maximalen Tragzeiten aber sowieso nicht zu erreichen.
    3) Oberfläche wie gewohnt reinigen. Sonst kann man eine Flasche Brennsprit mit einem Drittel Wasser füllen. Diese Mischung kann in beschränktem Umfang auch ohne Glycerol zur Hautdesinfektion verwendet werden.
    4) Hände nach dem Waschen noch zusätzlich zu desinfizieren ist absolut kontraindiziert und schädlich für die Hautflora. Entweder waschen oder desinfizieren aber nicht beides zusammen.

    Noch ist nicht Gesetzlich geregelt wie man sich den Hintern putzen muss, aber Bern mit seinen Beamten lässt sich dazu sicher noch etwas einfallen – mit entsprechender Ausführungsverordnung.

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  4. Auch Freitag war bei uns (in D) schon mindestens doppelt so viel los wie sonst. Die Leute kamen schon mit vollen Einkaufstaschen in die Apo. Paracetamol und Ibuporfen, auch der Saft für Kinder, Nasenspray und Fieberthermometer, alles wurde nachgefragt. Die Hamster sind unterwegs.Dann, Samstag, nach der Arbeit in der Apo, ab zum Supermarkt. Was ich da gesehen habe, oder besser nicht mehr sah: Nudel / Nudelsoßen: leer, Mehl: leer, es gab noch etwas Zucker. Toilettenpapier / Küchenrollen : leer, schon seid 2 Wochen hängt das Schild „Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen“, Konserven: gut geplündert, … Beim Katzenfutter gab es auch nicht mehr viel, meine Schnurrer müssen jetzt mit der nicht so genehmen Marke vorlieb nehmen. Immerhin gag es an den Kassen kein Gedrängel, alle hielten Abstand. Auch ging man nicht mit der ganzen Familie einkaufen.
    Malsehen, wie es Montag ist. Ob meine Kolleginnen die Kinderbetreuung organisiert bekommen, Schulen und Kitas sind ja ab Dienstag zu

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  5. Ich gestehe, dass ich gestern auch Hustentropfen gekauft habe – Hustenlöser und Hustenstiller. Mein Mann hat seit Wochen Husten (und Schnupfen), und nach diversen Versuchen mit Allergiemittel und Mittel vom selbstdispensierenden Arzt haben wir beim Nachschauen in der Hausapotheke gemerkt, dass unsere Vorräte abgelaufen waren.
    Ihr habt mein Mitgefühl.

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  6. Wohlstandsverblödung paart sich mit unserem „Bildungssystem“.

    In ein paar Wochen werden alle Dermatologien überrannt mit all den Leuten, die ihre Hände voller Ekzeme haben…

    1) Hände mit Seife waschen genügt. Desinfektionsmittel für Hände brauch kein Zivilist.
    2) Atemschutzmasken sind auch nichts für Zivilisten. Gemäss Norm dürften die so wie so maximal 120min am Stücke getragen werden und müsste danach ausgewechselt werden (Fachpersonen zwischen jeder Patienteninteraktion). Wegen dem Kondenswasser sind die maximalen Tragzeiten aber sowieso nicht zu erreichen.
    3) Oberfläche wie gewohnt reinigen. Sonst kann man eine Flasche Brennsprit mit einem Drittel Wasser füllen. Diese Mischung kann in beschränktem Umfang auch ohne Glycerol zur Hautdesinfektion verwendet werden.
    4) Hände nach dem Waschen noch zusätzlich zu desinfizieren ist absolut kontraindiziert und schädlich für die Hautflora. Entweder waschen oder desinfizieren aber nicht beides zusammen.

    Noch ist nicht Gesetzlich geregelt wie man sich den Hintern putzen muss, aber Bern mit seinen Beamten lässt sich dazu sicher noch etwas einfallen – mit entsprechender Ausführungsverordnung.

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  7. @Susanne
    Kurzversion: JA

    Langversion: Es kommt darauf an aus was der Glasreiniger ist:

    Die meisten sind auf Wasser-Alkohol-Ammoniak Basis. Wichtig sind die Wirkzeiten, die auch bei der Händedesinfektion fast niemand einhält (30-40s, das ist sehr lange!). Das Zeugs müsste mehrere Minuten die Oberflächen nass halten. Allerdings halte ich das – bezogen auf den Privathaushalt – für übertrieben, wenn Sie nachwischen (z.B. mit Haushaltpapier) entfernen Sie MOs (Mikroorganismen wie Viren) rein mechanisch.

    Ammoniak wie Ethanol („Alkohol“) kann allerdings Oberflächen angreifen.

    Nur damit Sie mich nicht falsch verstehen: für die Händedesinfektion ist Glasreiniger nicht geeignet!

    Idiotensicher ist eine Flasche Brennsprit mit einem fünftel bis drittel Wasser füllen. Damit reinige ich schon seit Jahren meine Brillen, Computertastaturen, Maus, Tische, Türgriffe, WC-Brille und Mobiltelefone. Bisher konnte ich noch keine Schäden feststellen (allerdings habe ich keine Brillen mit Beschichtung, dort wäre ich vorsichtig).

    Den Fünftel/Drittel Ethanol, den man dann zwangsläufig zu viel hat entweder in ein Fondue Rechaud kippen oder separat in einer PET-Flasche aufbewahren.

    Ethanol in Form von Brennsprit werden Sie immer bekommen. Propanol oder Isopropanol wären gute Alternativen.

    Für absolute Notfälle habe ich noch ein paar Gramm Jod im Haushalt. Damit liesse sich eine Jod-Tinktur herstellen, die ein paar Tage haltbar sein dürfte. Aber solche Dinge halte ich aktuell für übertrieben. Panik ist auch nicht angebracht! Es gibt noch eine ganze Palette von möglichen Desinfektionsmitteln, die ich jetzt bewusst nicht anspreche.

    https://www.chemie.de/lexikon/Ethanol.html#Medizin

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  8. So, jetzt sind meine Frau und ich auch Verdachtsfälle. Abstrich ist gemacht, morgen liegt das Ergebnis vor. Bis dahin bleibt die Praxis geschlossen.

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    1. Endlich mal eine gute Nachricht: unsere Abstriche waren negativ!

      Für morgen hatte unsere MPA zwar schon alle Konsultationen abgesagt, aber ab Donnerstag wird es dann normal – so das im Moment möglich ist – weitergehen.

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    2. UUnnnd?? Muss das ganze Dorf ohne Arzt bleiben? Wie sieht es aus? Wir haben in der Apotheke noch keine Corona-Ausfälle, aber 2 mit Erkältungen (nachgewiesen bakterieller Halsinfekt) und 1 im Ausland (wo noch nicht ganz klar ist, wie sie zurück kommt)

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      1. Naja, im Moment sind wir hier oben ja noch 2 Praxen (das ändert sich erst im Juli). Und neuerdings sollen wir uns ja laut BAG auf das absolut Notwendige beschränken. Sogar MFK-Untersuchungen sind vorläufig ausgesetzt.

        Ach ja, und wir sollen laut heutigem FMH-Rundmail alle Patienten mit grippalen Symptomen ab sofort ausserhalb der Praxisräume in einem Zelt oder Container empfangen… ;)

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          1. „Oder dem Militär, haben sie nicht grad ein paar abkommandiert?“

            Zwei von denen haben wir gestern im Eingangsbereich vom Spital Dornach angetroffen – die haben dort kontrolliert, dass nur hereinkommen darf, wer auch dort arbeitet.

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            1. Mit anderen Worten: Die haben keine Kranken ins Spital gelassen? lol SEHR clevere Strategie, um die Neuinfektionsrate (statistisch) zu minimieren…

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            2. @ knick:

              Nee, die Kranken mussten ja sowieso über den Notfalleingang rein. Und der ist nur von innen zu öffnen.

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  9. Seit heute ist unser Haus in Quarantänezonen eingeteilt. Sohn mit Frau wohnen im Erdgeschoss mit Tür zum Garten als derzeitigem Aus- und Eingang. Mein Mann wohnt unterm Dach, ich im 1. Stock. Dusche hat jeder eine, Küche bei mir. Das Essen stelle ich ihm vor die Tür, er holt es sich dann. Ich selbst bin herzkrank, habe künstliche Herzklappen, verschiedene ungute Begleiterscheinungen und muss schon in normalen Zeiten aufpassen. Mein Mann arbeitet in einem „systemrelevanten“ Betrieb. Die Schwiegertochter ist grade ohnehin von Ihrer Firma aus im home Office. Nun kam heute ein Anruf, dass der Kollege unseres Sohnes (sie teilen sich ein Büro) 1. in einem offiziellen Risikogebiet war und 2. nun grippeähnliche Symptome (Husten, Schnupfen usw.) aufweist. Die Frage des Kollegen beim Arzt nach einem Test wurde abschlägig beschieden – erst solle er mal abwarten, ob „es“ sich verschlechtert. So oder so – wir haben uns vorsichtshalber lieber mal separiert. Zum Glück funktioniert das Telefon. Und das Klopapier reicht auch noch eine Weile. Wir hoffen das Beste.

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