Sichern und weitersuchen?

Vor Jahren bei uns in der Drogerie: Betriebsleiter Urs sucht einen Lehrling, damals hatten wir noch Dutzende Bewerbungen für die Stelle. Mit Mühe hat er das auf etwa 6 reduziert, die er jeweils einen Tag bei uns schnupper-„arbeiten“ liess. Das hat nur halb etwas mit arbeiten zu tun, an dem Tag begleitet der Schnupperlehrling vor allem einen unserer richtigen Lehrlinge, hilft beim Ware eingeben, Ware versorgen, bei den Austragungen etc. und muss ein paar Aufgaben erledigen wie ein Fragebogen zum Geschäft und zu Allgemeinwissen ausfüllen. Und mit den Angestellten interagieren … wir fragen gerne nachher, wie sie als Person da angekommen ist. So eine Anstellung ist ja auch eine Art „Beziehung“.

Nach der letzten sitzen wir zusammen und schauen uns an, wie das ging. Wir haben 2 Favoriten – eine davon vielleicht etwas geeigneter und wir entscheiden uns für sie. Urs macht den Fehler und sagt praktisch zeitgleich allen andern ab, noch bevor er unsere Favoritin erreicht. Ich bezeichne das deshalb als Fehler, weil von ihr dann das kam:

„Oh, das ist schön, aber … kann ich mit der festen Zusage noch etwas warten? Meine Freundin hat sich auch als Drogistenlehrling beworben bei (grosse Drogerie, die eventuell 2 Lehrlinge nimmt) und ich auch, da ich gerne mit ihr zusammen die Lehre machen würde. Und die haben sich noch nicht entschieden …“

Und weil Urs (zu) nett ist in so Belangen, hat er ihr für die Entscheidung mehr Zeit gegeben.

2 Wochen später hatten wir immer noch keine Nachricht, also hat er ihr noch einmal angerufen – und wieder bat sie um Aufschub für die Entscheidung. Sie würde dafür sogar noch einmal zu uns probearbeiten kommen (sogar ohne Entschädigung …. wobei, für uns ist das mehr Aufwand als für sie, aber das lassen wir mal beiseite).

Als danach noch eine Woche später immer noch keine Zusage kam habe ich bei Urs interveniert und ihm gesagt, er soll die anderen Kandidaten jetzt anrufen, angefangen bei unserer 2. Wahl. Es ist nicht abzusehen, wann sich die andere Drogerie entscheidet. Ich habe schon gehört, dass sie nicht gerne schon bestehende Freundinnen zusammen die Lehre machen lassen und die Zeit läuft – nicht nur für uns, jemanden zu finden. Und wenn sie zusagt, der anderen definitiv abzusagen.

Wir hatten Glück, dass unsere Zweitwahl noch frei war. So kamen wir zu unserem wirklich guten Lehrling. Supernett, gut in der Schule, arbeitsam und durchaus motiviert. Könnte im Endeffekt nicht besser gelaufen sein für uns.

Und unsere damalige erste Wahl? So ich weiss hat sich die andere Drogerie dann erst einige Wochen später entschieden – und zwar weder für die Kollegin, noch für sie. Die Kollegin hat kurzfristig woanders etwas gefunden, sie selber nicht (war vielleicht doch weniger an der Arbeit interessiert als daran mit einer Freundin zusammen zu sein?). Und die Kollegin hat die Lehre noch vor Ablauf des ersten Jahres hingeworfen.

Das ist der Grund, weshalb ich heute, wenn bei einer Zusage von uns so eine Antwort kommt, empfehle zu antworten, dass man da vielleicht einmal drüber schlafen kann – aber ansonsten da schon sagt, dass man in diesem Falle die Stelle einem anderen Kandidaten gibt. Das ist fair für beide Seiten, da weiss man, woran man ist.

Wir hatten nämlich auch schon den anderen Fall: eine Apothekerin im Assistenzjahr. Ich war relativ spät dran mit Suchen dran und hatte (trotzdem) einige Interessenten. Von derjenigen, die wir dann genommen haben, habe ich viel später erfahren, dass sie eigentlich schon eine feste Zusage am Telefon gehabt hat. Aber als sie ein paar Wochen später angerufen hat um zu fragen, wie das mit dem Vertrag unterschreiben aussieht (da sie noch nichts bekommen hat), hat sie erfahren, dass die Apotheke die Stelle in der Zwischenzeit trotz gegenseitiger Zusage einer anderen gegeben hat. Keine Ahnung warum, aber ich denke nicht, dass das da ein Kommunikationsproblem war. Diese Praktikantin war für uns auch super – und leider (wie halt bei Apothekenassistenten üblich) viel zu wenig lange da.

Aber für beide: potentiell Arbeitgeber und Angestellte gilt: Sichern und Weitersuchen – das geht gar nicht.

8 Kommentare zu „Sichern und weitersuchen?

  1. Wow, das letzte Beispiel ist ja sehr gemein. Fest einer Person zusagen, die vielleicht überall anders absagt, womit die Stellen, wo sie sich beworben hat, anderweitig vergeben werden und nicht mal den Hintern in der Hose haben, ihr das mitzuteilen. Das ist wirklich fies.

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    1. Das fände ich von der Bewerberin jetzt aber sehr ungeschickt, wenn sie aufgrund einer mündlichen Zusage schon anderen Stellen absagen würde.
      Es kann ja wirklich sein, dass im schriftlichen Vertrag irgendein Passus drin steht, den man so nicht unterschreiben möchte.

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  2. Hmmm… folgendes als Kommentar auf diesen Blogpost und auf dem Kommentar von „Blüte“ im letzten Blogpost:

    In einer idealisierten Welt habt Ihr Beide schon Recht. Sichern & Weitersuchen – das geht nicht – in der Theorie.

    Wir leben aber in der Realität und da muss man die Sache differenzierter sehen. Der Zeitraum zwischen mündlicher Zusage und Vertragsunterschrift ist so eine Art Schwebezustand. Einerseits ist man sich ja einig, andererseits ist noch keine Unterschrift auf einem Vertragswerk. Da sollte man nichts persönlich nehmen.

    Zwei Dinge, die Du beschrieben hast, finde ich ungeschickt:
    1.) Urs sagt als Arbeitgeber den anderen Bewerbern ab bevor eine Unterschrift auf dem Vertrag ist. Sowas macht man als Arbeitgeber einfach nicht. Man wartet ab, bis man sich final mit jemandem geeinigt hat und anschließend sagt man dem Rest ab. Man macht das einfach so, weil es so am Geschicktesten ist.

    2.) Der Bewerber erbittert sich Bedenkzeit bei einer Zusage. Auch das macht man nicht; es kommt beim Gegenüber unglaublich schlecht an.
    Es kann sein, dass man als Arbeitnehmer zwei Stellen in Vorbereitung hat, nennen wir sie Stelle A und die zweite Wahl Stelle B. Wenn einem Stelle B eine Zusage gibt, dann sagt man begeistert erstmal mündlich zu. Anschließend ruft man bei der favorisierten Stelle A an und fragt höflich an, wie es denn dort aussieht. Sollte A eh zu einem selbst tendieren, geht die Unterschrift dort sicherlich auch schneller. Und DANN sagt man B ab.

    Hilfsweise muss man noch erwähnen, dass man in der Probezeit ja sowieso innerhalb von 7 Tagen kündigen kann. Sollte also die favorisierte Stelle A einem erst später zusagen, nutze man als Arbeitnehmer das Kündigungsrecht, sofern einem Stelle B dann nicht vielleicht doch besser gefällt.

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    1. Da Sie mich direkt angesprochen haben:

      Ich nehme Vorgänge in der Arbeitswelt grundsätzlich nicht persönlich.Negative Vorfälle muss man reflektieren und analysieren, daraus lernen, aber nicht persönlich nehmen.
      Und gerade weil wir NICHT in einer idealisierten Welt leben, warte ich keine Bedenkzeiten von Bewerbern mehr ab, denn ich weiß, sie suchen weiter, wollen die Stelle nicht wirklich, kündigen in der Probezeit usw., wenn sie nicht vollem Herzen dabei sind. Das mag ich nicht optimal finden, das ist aber so, also stimme ich mein Handeln darauf ab, so dass mein Betrieb möglichst wenig Umstände hat.
      So lange man mit Menschen arbeitet, sprich Menschen einstellt, wird das so sein, so viel Realitätssinn sollte man als Unternehmer schon haben.

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      1. Ich finde das eine gute Einstellung von Ihnen als Unternehmer. Ich selbst bin angestellt ohne Personalbefugnisse. Aber ich verstehe jeden Chef, der einen Mitarbeiter nicht einstellt, wenn sich dieser noch Bedenkzeit erbittet. Das würde ich, falls ich Personalbefugnisse habe, ebenso machen. Sie und Pharmama haben Recht, wenn Sie schreiben, dass dieser Arbeitnehmer die Stelle nicht wirklich will.

        Die Situation, dass man als Arbeitnehmer sich auf zwei Stellen gleichzeitig bewirbt, kann im Berufsleben natürlich auftreten. Daher habe ich diese Krücke oben geschrieben, dass man mündlich erstmal zusagen sollte. Alles andere signalisiert einem Arbeitgeber, dass man die Stelle eigentlich nicht möchte. E ist natürlich nicht schön, wenn man dann bei der Vertragsunterschrift abhüpft, aber mir fällt da auch nichts Besseres ein.

        An und für sich wäre die Antwort „man sehe sich noch weiter um und erbitte sich Bedenkzeit“ ja sogar ehrlicher; man spielt hier ja sogar mit offenen Karten. Aber diese Ehrlichkeit ist im Bewerbungsprozess ungeschickt.

        Mich selbst wundert es in der Apotheke manchmal, zu welchen Kompromissen manche Arbeitgeber bereit sind. Einerseits ist da die Sache mit der Bedenkzeit, die trotzdem von einigen Arbeitgebern akzeptiert wird. Andere Arbeitnehmer meinen, man könne nur halbtags, man könne nur zwischen 9 und 15 Uhr (weil: Kinder), Samstags arbeiten oder Nachts Notdienst gehe ja schon mal gar nicht und eigentlich hat doch der Mann den wichtigen Job, nach dem sich jeder in der Apotheke zu richten habe. Dieses Anspruchsdenken habe ich alles schon erlebt, Das sind keine Mitarbeiter/Kollegen, die mit Herz und Seele für den Job brennen. Mich wundert es, dass Leute mit derartigen Sonderwünschen in der Apotheke trotzdem eingestellt werden.

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    1. Die (gesetzliche Vorgabe) nach denen man einem bestimmten Ausbilder / Lehrling Verhältnis folgen muss …
      Also: Ich kann nicht 5 Lehrlinge nehmen, wenn ich nur 4 100% Ausbildnerstellen habe. (Ist etwas komplizerter geschrieben, kommt aber etwa auf das hinaus).

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